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Als Polymerdispersion oder auch Polymerlatex bezeichnet man eine kolloidal stabile Dispersion von Polymerpartikeln in einer wassrigen Phase Der Durchmesser der Polymerpartikel kann zwischen einigen 10 Nanometern und wenigen Mikrometern liegen Je nach Teilchendurchmesser und Polymergehalt erscheinen Polymerdispersionen als mehr oder weniger trube bis weisse Flussigkeiten Die kolloidale Stabilitat der Dispersion wird meistens durch grenzflachenaktive Stoffe wie Tenside oder Schutzkolloide erzielt Polymerdispersionen konnen durch verschiedene Polymerisationsverfahren z B Emulsionspolymerisation Suspensionspolymerisation direkt aus den Monomeren oder auch durch Dispergieren eines Polymeren hergestellt werden Ein Beispiel fur eine naturlich vorkommende Polymerdispersion ist der Naturlatex des Gummibaumes Hevea brasiliensis Industriell werden Polymerdispersionen in grossem Umfang produziert s a Synthesekautschuk und direkt z B als Klebstoff Bindemittel fur Dispersionsfarben und so weiter oder als Zwischenprodukt in der Kunststoff und Kautschukindustrie genutzt Beispiele fur Polymerdispersionen unterschiedlicher TeilchendurchmesserTEM Aufnahme eines Polystyrollatex Inhaltsverzeichnis 1 Herstellung 1 1 Naturlatizes 1 2 Synthetische Polymerdispersionen 1 3 Sekundardispersionen 2 Stabilitat von Polymerdispersionen 3 Eigenschaften Charakterisierung 3 1 Festkorper 3 2 pH Wert 3 3 Viskositat Rheologie 3 4 Mikroskopische Methoden 3 5 Mindestfilmbildetemperatur 4 Anwendungen 4 1 Klebstoffe 4 2 Dispersionsfarben 4 3 Kunststoffindustrie 5 LiteraturHerstellung BearbeitenNach der Art ihrer Herstellung konnen Polymerdispersionen in Naturlatizes synthetische Polymerdispersionen oder durch Dispergierung eines Polymers hergestellte Sekundardispersionen eingeteilt werden Naturlatizes Bearbeiten Die wichtigste naturlich vorkommende Polymerdispersion ist Naturlatex der Milchsaft des Gummibaums Hevea brasiliensis Es handelt sich um eine Polyisoprendispersion mit gt 97 cis 1 4 Polyisopren und einer Teilchengrosse zwischen 100 und ca 1500 nm Eine weitere zumindest zeitweilig bedeutende Quelle ist der Guttaperchabaum Palaquium gutta dessen Milchsaft fast reines trans 1 4 Polyisopren enthalt Synthetische Polymerdispersionen Bearbeiten Synthetische Polymerdispersionen werden durch Polymerisation der entsprechenden Monomere in der wassrigen Phase gewonnen Zum Einsatz kommende Polymerisationsverfahren sind die Emulsionspolymerisation die Suspensionspolymerisation sowie als eine spezielle Form der Suspensionspolymerisation die Miniemulsionspolymerisation Die Teilchen werden dabei entweder wahrend der Polymerisation in der wassrigen Phase gebildet Emulsionspolymerisation oder gehen durch Polymerisation der Monomertropfchen aus diesen hervor Suspensions und Miniemulsionspolymerisation Sekundardispersionen Bearbeiten Sekundardispersionen werden durch Dispergierung eines Polymers in der wassrigen Phase erhalten Dies kann z B durch Dispergieren einer Polymerlosung in Wasser und anschliessendes Abdestillieren des Losemittels erfolgen Andere Verfahren sind das Ausfallen einer Polymerlosung in einem wassermischbaren Losemittel durch Wasserzugabe oder die fortschreitende Dispergierung von Wasser in einem Polymer bis zum Auftreten einer Phaseninversion Ein Beispiel fur Sekundardispersionen sind am Markt erhaltliche Polyurethandispersionen die durch Dispergierung einer Losung gewonnen werden Stabilitat von Polymerdispersionen BearbeitenPolymerdispersionen sind im Allgemeinen thermodynamisch nicht stabil Durch Koagulation der Dispersion d h durch Zusammenlagern der einzelnen Polymerpartikel zu kompakteren Gebilden dem Koagulat wird die Grenzflache A P W displaystyle A PW nbsp zwischen den beiden Phasen und damit die innere Grenzflachenenergie D G P W g P W A P W displaystyle Delta G PW gamma PW A PW nbsp des Systems drastisch reduziert g P W displaystyle gamma PW nbsp ist die Grenzflachenspannung zwischen dem Polymeren und der wassrigen Phase Wird beispielsweise durch eine elektrisch geladene Doppelschicht auf den Teilchen eine Energiebarriere fur die Koagulation geschaffen so spricht man von einem kinetisch stabilen bzw metastabilen System Die Dispersion ist damit immer noch thermodynamisch instabil fur eine Koagulation muss aber erst eine gewisse Energie z B durch Scherung aufgewendet werden um die Energiebarriere zu uberwinden nbsp Koagulation einer nicht ausreichend stabilisierten Polymerdispersion in einer ExzenterschneckenpumpeDie Metastabilitat der Polymerdispersionen ist bedeutend fur ihre Anwendung und Verarbeitung So konnen Polymerdispersionen durch entsprechend hohe Scherkrafte wie sie z B in Pumpen an Rohreinbauten z B Blenden Siebanlagen und so weiter auftreten koagulieren Beim Abmischen zu Farben Klebstoffformulierungen und so weiter kann es durch ungeeignete Ruhrwerke z B schnelldrehende Dissolverscheiben zur scherinduzierten Koagulation kommen Weiterhin besteht die Gefahr der Auslosung von Koagulatbildung durch einzelne Rezepturbestandteile wie z B starke Sauren oder Basen pH Wert Anderung Verminderung der Solvatisierung der hydrophilen Anteile an bzw kationischer Tenside mehrwertiger Metallionen ionische Vernetzung Fullstoffe oder Pigmente ohne gleichzeitige ausreichende Netzmittelzugabe Emulgatormolekule wandern von den Polymerpartikeln auf die Fullstoffteilchen u a Weitere Ursachen fur die Koagulation konnen starke Temperaturanderungen Einfrieren oder ein starker Viskositatsanstieg des Serums z B durch zu schnelle Zugabe von Verdickern sein Die Stabilisierung von Polymerdispersionen kann erfolgen mit anionischen oder kationischen Tensiden durch Bildung einer elektrisch geladenen Doppelschicht oder durch sterische Stabilisierung mit nichtionogenen Tensiden oder Schutzkolloiden Eigenschaften Charakterisierung BearbeitenDie interessierenden Eigenschaften und deren Charakterisierung hangen naturgemass stark vom jeweiligen Anwendungszweck oder bei Entwicklungsarbeiten von der entsprechenden Fragestellung ab Die nachfolgende Auflistung kann daher keinen Anspruch auf Vollstandigkeit erheben sondern nur einige Moglichkeiten aufzeigen Festkorper Bearbeiten Der Festkorpergehalt einer Polymerdispersion ergibt sich aus dem Anteil der nicht verdampfbaren Bestandteile Den Hauptbestandteil machen die Polymerpartikel aus weitere Anteile sind Emulgatoren Schutzkolloide und andere in der wassrigen Phase gelosten Bestandteile z B Salze Hochsiedende Losemittel und Weichmacher werden meist auch dem Festkorper zugerechnet leichterfluchtige Losemittel z B als Filmbildehilfsmittel dagegen nicht Die Bestimmung erfolgt gravimetrisch durch Bestimmung des Verdampfungsruckstandes ublicherweise wird auf die DIN EN ISO 3251 Bezug genommen pH Wert Bearbeiten Die Bestimmung des pH Wertes wird meist mittels einer Glaselektrode ausgestatteten Messgeraten vorgenommen meist auf DIN 53785 verweisend Die Einhaltung eines bestimmten pH Wertes der Polymerdispersion ist fur Anwendungen wichtig bei denen der pH Wert eine entscheidende Rolle spielt beispielsweise bei der Formulierung von Dispersionsfarben wo viele der eingesetzten Verdicker und Netzmittel starke pH Abhangigkeiten aufweisen Ferner ist der pH Wert fur die Stabilitat der Dispersion selbst von Bedeutung da anionische Tenside und im Polymer gebundene Sauregruppen z B aus Methacrylsaure nur im neutralen bis leicht basischen Bereich ausreichend zur kolloidalen Stabilisierung beitragen konnen Viskositat Rheologie Bearbeiten Das rheologische Verhalten von Polymerdispersionen ist meist recht komplex und weicht haufig deutlich vom newtonschen Fliessverhalten ab Lediglich schutzkolloidfreie Dispersionen mit sehr geringem Festkorpergehalt zeigen ein annahernd Newtonsches Verhalten Meist liegt ein thixotropes und oder strukturviskoses Fliessverhalten vor Durch Abweichungen bzw Fehler bei der Herstellung z B Emulsionspolymerisation konnen auch dilatante Dispersionen gebildet werden Charakterisiert werden konnen die rheologischen Eigenschaften nur durch die Aufnahme von Fliesskurven bei unterschiedlichen Scherraten In der Qualitats bzw Wareneingangskontrolle beschrankt man sich dennoch oft auf die Messung der Viskositat bei einer Scherrate mit dem Brookfield Rheometer Viskositatsangabe dann unter Angabe von Geschwindigkeit und Spindelnummer Speziell fur genauere Messungen ist eine genaue Temperierung von Bedeutung Mikroskopische Methoden Bearbeiten Die konventionelle Lichtmikroskopie stosst bei den gangigen Polymerdispersionen mit Teilchengrossen im Bereich einiger hundert Nanometer an ihre Auflosungsgrenzen Es ist zwar moglich die Brownsche Bewegung der Teilchen bei stark verdunnten Dispersionen und nicht zu kleinen Teilchendurchmessern zu beobachten besser zu erahnen Abmessungen oder gar innere Strukturen lassen sich aber nicht erkennen nbsp TEM Aufnahme einer Dispersion aus Polyacrylsaureestern mit Inklusionen aus PolystyrolDie derzeit effizienteste und aussagekraftigste mikroskopische Charakterisierungsmethode fur Polymerdispersionen ist die Transmissionselektronenmikroskopie Aufgrund der viel geringeren Wellenlange der Strahlung konnen Einzelheiten bis zur Grosse weniger Nanometer dargestellt werden Da die Elektronenstrahlung die Polymere durchdringt konnen neben der ausseren Gestalt auch innere Strukturen der Partikel abgebildet werden Die Beispielaufnahme zeigt eine Dispersionen aus schwach vernetzten Partikeln aus Poly Butylacrylat Ethylacrylat in denen in einem zweiten Polymerisationschritt Inklusionen aus Polystyrol mit etwas Divinylbenzol gebildet wurden Die Inklusionen wurden durch eine selektive Kontrastierung mit Rutheniumtetroxid welches sich nur in der Polystyrol Phase anlagert sichtbar gemacht Nachteilig ist der hohe apparative Aufwand sowie die Empfindlichkeit einiger Polymere z B Acrylate gegen die Elektronenstrahlung Bei der Bestimmung der Teilchengrosse anhand von TEM Aufnahme muss berucksichtigt werden dass gerade Partikel aus weicheren Polymeren auf dem Objekttrager etwas breitlaufen konnen und damit einen grosseren Durchmesser vortauschen nbsp REM Aufnahme eines Hohllatex mit unvollstandiger SchaleSteht ein Rasterelektronenmikroskop zur Verfugung so konnen zumindest die aussere Gestalt der Partikel und ihre Grosse bestimmt werden Ruckschlusse auf die innere Struktur sind i A nicht moglich nbsp AFM Aufnahme einer Dispersion aus Polyacrylsaureestern mit Inklusionen aus Polystyrol Auch mit dem noch relativ jungem Verfahren der Rasterkraftmikroskopie konnen die einzelnen Partikel von Polymerdispersionen sichtbar gemacht werden Ahnlich wie bei der Rasterelektronenmikroskopie konnen nur die Ausmasse und die aussere Gestalt der Teilchen abgebildet werden innere Strukturen bleiben unsichtbar Im sogenannten Tapping Mode einiger Mikroskope konnen unterschiedliche mechanische Eigenschaften von einzelnen Phasen visualisiert werden Das Beispielbild zeigt dieselbe Dispersion wie das TEM Bild Die harten bis an die Oberflache reichenden PS Inklusionen sind in der weichen Acrylatmatrix aufgrund der abweichenden Phasenlage des Signals sichtbar Materialkontrast im Gegensatz zum TEM ohne spezielle Kontrastierung Die relativ weichen Teilchen sind auf dem Objekttrager frisch gespaltener Glimmer zusammengelaufen verfilmt so dass die ursprungliche Kugelform nur noch zu erahnen ist Mindestfilmbildetemperatur Bearbeiten Fur viele Anwendungen wie z B als Klebstoffe oder Bindemittel in Beschichtungen ist die Fahigkeit der Polymerdispersionen beim Eintrocknen einen durchgehenden Film zu bilden von entscheidender Bedeutung Beim Verdunsten des Wassers rucken die Partikel zunehmend enger zusammen bis schliesslich die zwischen den Partikeln wirkenden Kapillarkrafte so gross werden dass die Abstossung durch Tenside oder Schutzkolloide uberwunden wird und sich die Teilchen beruhren Sind die Partikel ausreichend verformbar so werden sie durch die wirkenden Krafte deformiert und verschmelzen schliesslich zu einem durchgehenden Film Fur ein ausreichendes Verformungsvermogen der Polymerteilchen muss die Temperatur bei der Verfilmung oberhalb einer bestimmten Temperatur der Mindestfilmbildetemperatur oder kurz MFT liegen Die MFT hangt naturgemass stark mit der Glasubergangstemperatur des Polymeren zusammen wird aber auch durch den Anteil an hydrophilen Polymerbestandteilen wasserlosliche Monomere wie Methacrylsaure Hydroxyethylmethacrylat Acrylamid und so weiter die Partikelmorphologie z B Kern Schale evtl in der wassrigen Phase enthaltene Schutzkolloide externe Weichmacher u a beeinflusst Die Bestimmung der MFT erfolgt meist auf einer Filmbildebank mit Temperaturgefalle Anwendungen BearbeitenKlebstoffe Bearbeiten Im einfachsten Fall kann eine gegebenenfalls noch geringfugig modifizierte Zugabe von Weichmacher Verdicker Polymerdispersion bereits als Klebstoff verwendet werden Ein Beispiel ist der Kaltleim oder Weissleim in der Holzverarbeitung Es handelt sich im Wesentlichen um eine oft mit Polyvinylalkohol stabilisierte Polyvinylacetatdispersion meist copolymerisiert mit geringen Anteilen an Butylacrylat oder anderen Acrylsaureestern Acrylamid Acrylsaure u a Weitere Anwendungen sind Klebstoffdispersionen fur Selbstklebeetiketten Copolymere auf Basis Styrol Butadien oder Meth Acrylsaureester sowie Klebstoffe in der Bauchemie wie Fliesenkleber oder Kleber fur Warmedammverbundsysteme meist Copolymerisate aus Styrol und Meth Acrylsaureestern Dispersionsfarben Bearbeiten In Dispersionsfarben wassrigen Lacken und ahnlichen Beschichtungen werden Polymerdispersionen als Bindemittel eingesetzt Fur Fassadenfarben kommen vorzugsweise witterungsbestandige Copolymere auf Basis von Meth Acrylsaureestern und Styrol zum Einsatz Preiswertere Qualitaten basieren auf Vinylacetatcopolymeren mit Acrylsaureestern fur einige Spezialanwendungen auch Copolymere mit Dibutylmaleinat rissuberbruckende Systeme oder mit Vinylestern der Versaticsaure VeoVa Monomere der Shell verbesserte Witterungsbestandigkeit Innendispersionsfarben werden heute nur noch selten auf Basis von Styrolcopolymerisaten formuliert Meistens werden Copolymere von Ethylen Vinylacetat und Acrylsaureestern verwendet Fur die Realisierung der heute zunehmend geforderten emissions und losemittelfreien Farben Blauer Engel werden weichmacherfreie Dispersionen mit relativ weichem Polymer niedrige Glasubergangstemperatur und geringem Restmonomeranteil eingesetzt Fur die Formulierung wassriger Lacke setzt man uberwiegend Polyurethan oder Reinacrylatdispersionen ein Letztere werden haufig unter Verwendung spezieller Comonomere hergestellt die eine verbesserte Haftung des Lackes auf schwierigen Untergrunden eine Vernetzung der Teilchen nach dem Trocknen untereinander u a bewirken sollen Eine weitere Nischen Anwendung finden sogenannte Hohllatizes als Weisspigment Es handelt sich um Dispersionen aus mehrphasigen Polymerpartikeln die einen wassergequollenen Kern beinhalten Beim Auftrocknen der Dispersion diffundiert das Wasser aus dem Kern heraus das gequollene Polymer trocknet unter Schrumpfen ein und hinterlasst einen Hohlraum an dem im Polymerfilm das Licht gestreut wird Kunststoffindustrie Bearbeiten Bei der Herstellung von Kunststoffen spielen Polymerdispersionen in einigen Fallen als Zwischenprodukt eine Rolle Neben der Herstellung von PVC und Polyacrylnitril werden vor allem ABS und schlagzahes PMMA uber den Zwischenschritt einer Polymerdispersion hergestellt Man nutzt hierbei die Moglichkeit der Emulsions und Suspensionspolymerisation aus mehrphasiger Polymerpartikel genau definierter Morphologie herstellen zu konnen wie sie fur die Schlagzahmodifizierung sproder Polymere notwendig sind Nachteilig ist neben der Notwendigkeit des Abtrennens des Wassers die hohe Verunreinigung durch Tenside und Salze die sich nachteilig auf die Produkteigenschaften Verfarbungen Zersetzungsneigung bei der Verarbeitung auswirken konnen Literatur BearbeitenD C Blackley Polymer Latices Bd 1 3 Chapman amp Hall London 1997 ISBN 0 412 62870 8 R M Fitch Polymer Colloids Academic Press London 1997 ISBN 0 12 257745 0 Dieter Distler Wassrige Polymerdispersionen Wiley VCH Weinheim 1999 ISBN 3 527 29587 9 R Athey Emulsion polymer technology Marcel Dekker New York 1991 ISBN 0 8247 7850 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Polymerdispersion amp oldid 200537036