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Als Pluteus lateinisch Plural plutei auch pluteus grammaticalis wird das Lesepult bezeichnet das in den Bibliotheken der Kloster und in den ersten offentlichen Leseraumen seit dem spaten Mittelalter sowohl die Aufbewahrung als auch die Benutzung der gesammelten Handschriften und der fruhen gedruckten Bucher erlaubte Der Begriff verlor seit dem 18 Jahrhundert durch die geanderten Anforderungen an eine offentliche Bibliothek an Bedeutung und wurde weitgehend vergessen Lesepulte in der Bibliotheca Laurenziana Florenz 16 Jahrhundert an der Seite der Banke befinden sich bewegliche Tafeln mit handschriftlichen Bucherverzeichnissen Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Schreib und Leseplatz 3 Lesebank 4 Bucherschrank mit Pult 5 Neuordnungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHerkunft Bearbeiten nbsp Plan eines Klosters St Gallen Detail Skriptorium mit Bibliothek 9 Jahrhundert nbsp Buchernarr in Stultifera navis 1497 Mit dem Begriff pluteus dt Schutzwand Brett bezeichnet der romische Dichter Aulus Persius Flaccus 34 62 n Chr in einer seiner Satiren ein Lesepult 1 Der Plural plutei fur das Bibliotheksgestuhl geht auf eine Erwahnung des gallischen Aristokraten Sidonius Apollinaris im 5 Jahrhundert zuruck Sidonius beschreibt in seinen Briefen die Einrichtung der Bibliothek in der Villa eines Prafekten Die Regale benennt er in Unterscheidung zu Schranken armaria und Kasten cunei als grammaticales plutei 2 Schreib und Leseplatz BearbeitenDer im Mittelalter gebrauchliche Plural plutei berucksichtigte dass die Leseplatze in den Klosterbibliotheken Einzelsitze mit einem Pult waren die den Arbeitsplatzen in den Skriptorien entsprachen und die Aufbewahrung der zum Lesen ebenso wie zum Kopieren benotigten Schriften Bucher und Schreibmaterialien ermoglichten Die Schriftensammlungen in den Klostern des fruhen Mittelalters waren noch vergleichsweise klein Der St Galler Klosterplan ein Grundriss aus dem 9 Jahrhundert zeigt in dem eher quadratisch konzipierten Anbau an die zentrale Kirche eine Anlage von Einzelplatzen sedes scribentium an den zwei von aussen belichteten Seiten des Raums mit einem Bucherkasten bibliotheca in der Mitte 3 Erst im 14 Jahrhundert sind in den Klostern grossere Raume mit Banken und Pulten pulpitum repositorium zur Aufbewahrung und Benutzung von Schriften nachgewiesen vor allem fur die Kloster der Bettelorden in erster Linie der Franziskaner und Dominikaner die uber umfangreiche Buchsammlungen verfugten Der Nachweis der Pultbibliotheken in den gotischen Klostern ist oft nur noch in schriftlichen Quellen erhalten wie in dem Bibliotheksverzeichnis der Augustiner in Kulmbach oder anhand der Ausmalung von Raumen durch Vergleiche und Herleitungen der Bildmotive zu erbringen wie fur das Auditorium im Zisterzienserkloster Maulbronn um 1440 50 3 In Holzschnitten des spaten Mittelalters und des 15 bis fruhen 16 Jahrhunderts werden die Leseplatze als holzerne verzierte Kompositionen aus einem Sitz und einem die Bucher beherbergendem Pult dargestellt Die Form der Pultregale und deren Reihungen zu Banken mit denen die Kloster des 14 Jahrhunderts zum Teil kapellenartige Raume fur ihre Buch und Schriftenbestande einrichteten inspirierte die Gestaltung der ersten offentlichen Bibliotheken in der Renaissance 3 Lesebank Bearbeiten nbsp Lesesaal der Biblioteca Malatestiana 15 Jahrhundert In Reihen geordnet erinnern die noch ublichen Kirchenbanke an die Lesepulte in den Bibliotheken der fruhen Neuzeit Die Bucher lagen durch Ketten gesichert oft auch ubereinander unter den Pulten Das fur die jeweilige Reihe massgebliche Bucherverzeichnis fand seinen Platz an der Seite des Gestuhls Der Bibliothekar legte die Bucher auf Wunsch des Benutzers auf dem Pult parat die Kette verhinderte die Verlegung derselben aber auch den Diebstahl und die Beschadigung der kunstvoll in Leder uber Holz eingebundenen gewichtigen Exemplare durch Unachtsamkeit weil sie so nicht herunterfallen konnten Der Leser musste wollte er verschiedene Bande konsultieren wandern Neben der Biblioteca Laurenziana in Florenz finden sich noch vollstandig bewahrte Leseraume mit Banken und Pulten des 15 und 16 Jahrhunderts in De Librije in Zutphen Niederlande 4 und in der Biblioteca Malatestiana in Cesena Italien 5 In der Laurenziana in Florenz hat sich uberdies in den Signaturen der etwa 3000 dort versammelten gebundenen Handschriften noch deren ehemaliger Aufbewahrungsort im plutei Gestuhl erhalten so werden die Codices Laurentiani mit der Abkurzung MS Plut eus gefuhrt Bucherschrank mit Pult Bearbeiten nbsp Bucherschrank mit ausgeklapptem Lesepult Hereford Cathedral Library fruhes 17 Jahrhundert 6 Zeichnung von 1894Bei den spateren Varianten der Lesepulte in den Bibliotheken sassen die Leser Rucken an Rucken auf Banken vor ausgeklappten Pulten zwischen den Bucherschranken Die in die Hohe gebaute Aufstellung der Bucher war durch die stetige Vergrosserung der Bibliotheksbestande erforderlich geworden Verglichen mit den Lesebanken der fruhen Bibliotheken mit ihren liegend aufbewahrten Stucken stand dem Benutzer hier am Platz eine grossere Auswahl an Banden zur Verfugung Die Bucherverzeichnisse befanden sich an den Seitenwanden der Regalschranke die Bucher standen mit dem Vorderschnitt nach aussen und waren weiterhin angekettet 7 Die Bibliothek der Kathedrale in Hereford England 8 hat mit ihren im fruhen 17 Jahrhundert errichteten Bucherschranken einen Schritt auf dem Weg von den ersten offentlichen Lesebanken bis zu den Regalsystemen einer Magazinierung anschaulich bewahrt 9 Ebenfalls in England finden sich weitere erhaltene Regalschrank Bibliotheken des 17 Jahrhunderts mit Pult in Wimborne Minster 10 und in der Trigge Library in Grantham Lincolnshire 11 Neuordnungen BearbeitenIn den letztgenannten beiden Beispielen des 17 Jahrhunderts kundigt sich die in den Privatbibliotheken ubliche raumsparende Aufstellung der Bucher und deren Benutzung an die Bucher an der Wand der Lese und Arbeitsplatz frei im Raum Der Bibliotheksbau des 18 Jahrhunderts bevorzugte eine freie Aufstellung der Bucher ohne Ketten und ohne fest installierte Leseplatze in dafur architektonisch eigens ausgestalteten Raumen wie sie in der Einrichtung der offentlichen Herzogin Anna Amalia Bibliothek 1766 in Weimar verwirklicht wurde 12 Der Beginn der Massenproduktion von Buchern ab etwa 1840 vermehrte die offentlichen Bibliotheksbestande rasant und erforderte im 19 Jahrhundert sowohl ein modernes Regelwerk fur die Erfassung als auch die noch ubliche Trennung in Magazin und Freihandbereich Damit verbunden war auch ein Um und Neubau der Bibliotheken 13 Die plutei grammaticales waren unnotig geworden und die alten ersten offentlichen Lesegestuhle gerieten zusammen mit ihrem Begriff in Vergessenheit Literatur BearbeitenSteffen Diefenbach Gernot Michael Muller Hrsg Gallien in Spatantike und Fruhmittelalter Kulturgeschichte einer Region De Gruyter Berlin Boston 2013 S 405Winfried Nerdinger Hrsg Die Weisheit baut sich ein Haus Architektur und Geschichte von Bibliotheken Ausstellungskatalog Munchen 14 Juli 16 Oktober 2011 Prestel Munchen London New York 2011 Inhaltsverzeichnis Abstract Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Books with chains Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Reading Room in the Biblioteca Medicea Laurenziana Stalls Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Reading in Restraint The Last Chained Libraries bei atlas obscura abgerufen am 30 Dezember 2014Einzelnachweise Bearbeiten Persius Satiren 1 106 1 Sidonius epistol 2 9 5 siehe dazu auch Diefenbach Muller 2013 S 405 mit lateinischem Text und dessen Ubersetzung a b c Heinfried Wischermann Claustrum sine armario quasi castrum sine armamentario Bemerkungen zur Geschichte der Klosterbibliothek und ihrer Erforschung In Nerdinger 2011 S 93 130 a S 100 b S 102 105 c S 106 De Librije de unieke kettingbibliotheek in de Walburgiskerk te Zutphen Bei De Librije een unieke bibliotheek abgerufen am 30 Dezember 2014 Biblioteca Malatestiana abgerufen am 13 Februar 2016 Historische Fotografie bei Flickr Ulrich Naumann Universitatsbibliotheken In Nerdinger 2011 S 131 148 S 132 Hereford Cathedral The Chained Library Memento vom 14 Februar 2013 im Internet Archive abgerufen am 30 Dezember 2014 Jenny Weston The Last of the Great Chained Libraries 2013 Bei medievalfragments abgerufen am 30 Dezember 2014 Wimborne Minster Chained Library abgerufen am 30 Dezember 2014 historisches Foto The Trigge Library Bei St Wulfram s org uk abgerufen am 30 Dezember 2014 Eine altere Abbildung der Wendeltreppe der Bibliothek verdeutlicht den konzeptuellen Verzicht auf integrierte Leseplatze Peter Vodosek Wissen fur alle Von der Volksaufklarung zur offentlichen Bibliothek bis heute In Nerdinger 2011 S 195 214 S 203 205 S 210 211 Normdaten Sachbegriff GND 4774203 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pluteus Lesepult amp oldid 225006336