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Plenitudo potestatis lat fur Fulle der Gewalt bezeichnet die im Mittelalter entwickelte Lehre von der papstlichen Vollgewalt sowohl uber die Glieder der dem Papst unterstellten Kirche als auch uber alle weltlichen Autoritaten Der Begriff plenitudo potestatis hat eine lange Geschichte und taucht wiederholt in papstlichen Dokumenten auf Er geht ursprunglich auf Papst Leo den Grossen im 5 Jahrhundert zuruck der den Begriff in einem Brief benutzte 1 und damit die von ihm beanspruchten Machtbefugnisse unterfuttern wollte Die Macht der romischen Kaiser diene demnach hauptsachlich dem Schutz der Kirche doch der Bischof von Rom alleine verfuge uber die gottliche Lose und Bindegewalt und ube gegenuber anderen Bischofen auch das kirchliche Primat aus Dies fuhrte zum Anspruch dass der Papst Vikar der gesamten Christenheit sei 2 Der Anspruch papstlicher Vollgewalt konnte selbst innerhalb der Kirche erst nach und nach durchgesetzt werden wobei das Papsttum im 5 Jahrhundert dabei sogar teilweise auf kaiserliche Hilfe angewiesen war In diesem Zusammenhang traten allerdings erste Anzeichen von Konflikten hinsichtlich des kaiserlichen Anspruchs auf durchaus auch in kirchlichen Fragen mitzubestimmen 3 Wenngleich die Machtstellung des Papsttums in der Spatantike und im beginnenden Fruhmittelalter relativ schwach ausgepragt war wurde die Vorstellung der Vollgewalt von papstlicher Seite wiederholt aufgegriffen und schliesslich ins Kirchenrecht ubernommen Bis ins 11 Jahrhundert war die papstlichen Vollgewalt im Grund auf die Kirche beschrankt Dies anderte sich als Papst Gregor VII infolge des Investiturstreits den Anspruch erhob nicht nur in kirchlichen sondern zumindest indirekt auch in weltlichen Fragen die hochste Autoritat zu sein und damit auch uber Kaiser und Reich zu richten Gregor trat jedoch sogar Widerstand aus dem deutschen Reichsepiskopat entgegen als mehrere Bischofe im romisch deutschen Reich Partei fur den Kaiser ergriffen und sich dem papstlichen Hoheitsanspruch nicht bedingungslos unterordnen wollten 4 In diesem Konflikt zwischen Papst und Kaiser spielte das Verhaltnis zwischen papstlicher und kaiserlicher Gewalt eine entscheidende Rolle da sich beide als Universalgewalten verstanden Von kaiserlicher Seite wurde zumindest formal der Anspruch erhoben dass der Kaiser in weltlichen Fragen die oberste Autoritat sei wahrend der Papst dies in geistlichen Angelegenheiten sei Aus Sicht kaiserfreundlicher Theoretiker stammte die Macht des Kaisers direkt von Gott wahrend von kurialer Seite betont wurde dass der Papst die Macht von Gott empfange und sie delegiere womit der Kaiser nur ein Empfanger der Macht aus papstlicher Hand sei Es ging hierbei um die Interpretation der sogenannten Zwei Schwerter Theorie Dieser grundsatzliche Konflikt bestimmte das Verhaltnis zwischen Papsttum und Kaisertum bis zum Ende des Mittelalters 5 Unter Innozenz III wurde der Anspruch auf die papstliche Vollgewalt nachdrucklich betont und erreichte den Hohepunkt der politischen Realisierung Innozenz dehnte den Anspruch uber alle Lebensbereich aus das papstliche Eingriffsrecht in kirchlichen und auch weltlichen Fragen sollte faktisch unbegrenzt gelten 1204 formulierte er in der Dekretale Novit dass der Papst einen Gerichtsanspruch uber alle Christen ausube Er griff damit einen Leitgedanken der Dekretisten auf Der Papst sei ordentlicher Richter aller papa est iudex ordinarius omnium in allen Angelegenheiten seien sie nun Kleriker oder Laien 6 Damit war die Doktrin des Papstes als Stellvertreter Gottes und als Inhaber der Vollgewalt in kirchlichen und weltlichen Fragen endgultig ausformuliert und kirchenrechtlich prazisiert worden 7 Sie blieb auch in den folgenden Jahrzehnten fester Bestandteil des papstlichen Selbstverstandnisses So wurde in kurialen Kreisen die These vertreten dass der Papst der wahre Kaiser sei papa est verus imperator 8 Die Entwicklung des papstlichen Anspruchs auf Machtvollkommenheit den die romisch deutschen Kaiser nie vorbehaltlos akzeptierten wie die Auseinandersetzung zur Zeit Friedrichs II und auch noch in der Regierungszeit Heinrichs VII zeigt wurde im fruhen 14 Jahrhundert mit der Formulierung der papstlichen Bulle Unam Sanctam 1302 auf die Spitze getrieben Papst Bonifaz VIII erhob den Anspruch auf faktisch absolute papstliche Weltherrschaft und auf die Unterordnung aller anderen Gewalten unter die des Papstes den kein Mensch richten durfe Im Konflikt mit dem machtbewussten franzosischen Konig Philipp IV scheiterte diese Konzeption allerdings vollstandig Dennoch wurde ein universaler papstlicher Machtanspruch im 13 14 Jahrhundert von verschiedenen kurialistischen Autoren vertreten so etwa von Aegidius Romanus oder Jakob von Viterbo doch stiess dies sowohl auf kaiserlicher siehe Engelbert von Admont Dante wie auf franzosischer Seite auf vehementen Widerspruch 9 Die papstliche Vollgewalt sollte nie wieder in diesem Masse erhoben geschweige denn durchgesetzt werden Eng verknupft mit der Abwehr papstlicher Anspruche im weltlichen Bereich so durch die franzosische Monarchie im spaten 13 und fruhen 14 Jahrhundert und dem diesbezuglichen gelehrten Diskurs ist die Selbstbehauptung der staatlichen Souveranitat Seit dem Spatmittelalter kam der herrschaftlichen Vollgewalt des Monarchen eine immer grossere Bedeutung zu Dies lasst sich bis in die Fruhe Neuzeit verfolgen wo die politische Vollgewalt nun von den Herrschern in ihrem eigenen Herrschaftsbereich angestrebt wurde 10 Literatur BearbeitenRobert Louis Benson Plenitudo potestatis Evolution of a formula from Gregory IV to Gratian In Studia Gratiana 14 1967 S 193 217 Weblinks BearbeitenVeroffentlichungen zur plenitudo potestatis im Opac der Regesta ImperiiAnmerkungen Bearbeiten Leo I Epistula 14 1 Patrologia Latina 54 671 vgl auch Robert Louis Benson Plenitudo potestatis Evolution of a formula from Gregory IV to Gratian In Studia Gratiana 14 1967 S 193 217 hier S 198 200 Vgl Heike Johanna Mierau Kaiser und Papst im Mittelalter Koln 2010 S 30 Heike Johanna Mierau Kaiser und Papst im Mittelalter Koln 2010 S 30ff Heike Johanna Mierau Kaiser und Papst im Mittelalter Koln 2010 S 72f Hans K Schulze Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter Bd 3 Kaiser und Reich Stuttgart u a 1998 S 273ff Vgl ausfuhrlich John A Watt The Theory of Papal Monarchy in the Thirteenth Century In Traditio 20 1964 S 179 317 hier S 268ff Johannes Fried Das Mittelalter Geschichte und Kultur Munchen 2008 S 258 Heike Johanna Mierau Kaiser und Papst im Mittelalter Koln 2010 S 169 Vgl dazu grundsatzlich Jurgen Miethke De potestate papae Tubingen 2000 Michael Wilks The Problem of Sovereignty in the Later Middle Ages Cambridge 1963 Zur Entwicklung von der papstlichen Vollgewalt hin zur staatlichen Herrschaftsgewalt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit siehe etwa Holger Erwin Machtspruche Das herrscherliche Gestaltungsrecht ex plenitudine potestatis in der Fruhen Neuzeit Koln u a 2009 speziell S 37ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Plenitudo potestatis amp oldid 174226420