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Das Permanenzprinzip ist ein Begriff aus der Didaktik der Zahlbereichserweiterungen Es besagt dass beim Aufbau einer komplexen mathematischen Theorie die mathematischen Strukturen der zugrundeliegenden Theorie so weit wie moglich erhalten bleiben sollen Dieses Arbeitsprinzip wurde von Hermann Hankel 1867 fur den axiomatischen Aufbau mathematischer Theorien aufgestellt Das Permanenzprinzip ist eine Ausfaltung des wissenschaftlichen Sparsamkeitsprinzips das auch unter dem Namen Ockhams Rasiermesser bekannt ist und auf die Formel einfach ist am besten gebracht werden kann 1 Inhaltsverzeichnis 1 Anwendung bei der axiomatischen Definition des Zahlensystems 1 1 Addition und Subtraktion 1 2 Multiplikation und Division 2 Anwendung bei der Division durch Null 2 1 Einpunktkompaktifizierung 2 2 Zweipunktkompaktifizierung 2 3 Fazit 3 Weblinks 4 Einzelnachweise 5 Siehe auchAnwendung bei der axiomatischen Definition des Zahlensystems Bearbeiten nbsp Aquivalenzklassen Gleichfarbige Feldergehoren zur gleichen Aquivalenzklasse Typisches Beispiel fur die Anwendung des Permanenzprinzips ist die axiomatische Definition des Zahlensystems Dabei geht man von einem einfachen Zahlenraum z B den naturlichen Zahlen N displaystyle mathbb N nbsp aus und konstruiert auf dieser Grundlage einen komplexeren Zahlenraum Die Motivation fur den Aufbau einer komplexeren Theorie ist dabei der Versuch dass alle Rechenregeln moglichst universell gelten sollen Addition und Subtraktion Bearbeiten So werden die ganzen Zahlen Z displaystyle mathbb Z nbsp als Aquivalenzklassen von Paaren naturlicher Zahlen definiert und man kann die bisherigen naturlichen Zahlen in kanonischer Weise in die ganzen Zahlen einbetten 0 a b b a displaystyle 0 implies lbrace a b mid b a rbrace nbsp 1 a b b a 1 displaystyle 1 implies lbrace a b mid b a 1 rbrace nbsp 2 a b b a 2 displaystyle 2 implies lbrace a b mid b a 2 rbrace nbsp und so fort dabei sind a b displaystyle a b nbsp naturliche Zahlen Diese Einbettung soll nach dem Permanenzprinzip mit den Rechenoperationen vertraglich sein Beispiel Mit G n displaystyle G n nbsp sei die zu einer naturlichen Zahl gehorige ganze Zahl bezeichnet displaystyle nbsp bezeichne die Addition in den naturlichen Zahlen displaystyle oplus nbsp bezeichne die Addition in den ganzen Zahlen Dann fordert das Permanenzprinzip G n m G n G m displaystyle G n m G n oplus G m nbsp dd Die negativen Zahlen sind dann genau die Aquivalenzklassen in denen a gt b displaystyle a gt b nbsp ist 1 a b a b 1 displaystyle 1 implies lbrace a b mid a b 1 rbrace nbsp 2 a b a b 2 displaystyle 2 implies lbrace a b mid a b 2 rbrace nbsp und so fort In der nebenstehenden Grafik sind die Aquivalenzklassen als gleichfarbige Felder erkennbar Die Schreibweise 1 displaystyle 1 nbsp ist also nichts anderes als eine Abkurzung fur eine Aquivalenzklasse bei der a b 1 displaystyle a b 1 nbsp ist Auf diesen Aquivalenzklassen mussen nun die aus den naturlichen Zahlen bekannten Rechenregeln definiert werden Dafur gibt es im Prinzip viele Moglichkeiten Das Permanenzprinzip fordert nun die Regeln so zu definieren dass die Gesetze die in der Basistheorie gelten also z B Kommutativ und Assoziativgesetz sowie die Ordnungsrelationen auch in der neu konstruierten Theorie gelten sollen Man kann zeigen dass es dann im Wesentlichen genau eine Moglichkeit gibt die Rechenregeln in dieser Weise zu definieren die neue Addition ist mit displaystyle oplus nbsp bezeichnet um sie von der alten Addition innerhalb der naturlichen Zahlen zu unterscheiden a b b a x c d c d y e f e f x y displaystyle lbrace a b mid b a x rbrace oplus lbrace c d mid c d y rbrace lbrace e f mid e f x y rbrace nbsp Multiplikation und Division Bearbeiten Auf der nachsten Stufe Konstruktion der rationalen Zahlen Q displaystyle mathbb Q nbsp wird dieses Prinzip wieder angewandt Rationale Zahlen werden zunachst wieder als Aquivalenzklassen von Paaren ganzer Zahlen definiert Die Rechenregeln werden nach dem Permanenzprinzip wieder so definiert dass alle Gesetze und Regeln in den ganzen Zahlen auch fur die rationalen Zahlen gelten So ist die Addition und die Multiplikation in den naturlichen Zahlen unbeschrankt ausfuhrbar die Subtraktion hingegen nur wenn der Minuend grosser ist als der Subtrahend Die Division ist nur ausfuhrbar wenn der Dividend ein Vielfaches des Divisors ist Durch die Einfuhrung der rationalen Zahlen werden nun die vier Grundrechenarten universell ausfuhrbar abgesehen von der Division durch Null die Potenzierung hingegen ist wiederum nur eingeschrankt moglich a 1 2 displaystyle a 1 2 nbsp ist nur ausfuhrbar wenn die Basis a displaystyle a nbsp eine Quadratzahl ist usw Mit der Einfuhrung der reellen Zahlen R displaystyle mathbb R nbsp wird auch die Potenzierung bei positiver Basis universell ausfuhrbar bei negativer Basis wiederum nur eingeschrankt Diese letzte Einschrankung wird schliesslich durch die Einfuhrung der komplexen Zahlen C displaystyle mathbb C nbsp beseitigt Man verliert dabei jedoch die Ordnungsrelation Die komplexen Zahlen lassen sich nicht anordnen Das Permanenzprinzip kann hier also nicht in vollem Umfang umgesetzt werden Anwendung bei der Division durch Null Bearbeiten nbsp Division durch Null Fiktion oder Realitat Die Einfuhrung der Null unter Einhaltung des Permanenzprinzips wurde im vorigen Abschnitt vorgefuhrt quasi als Nebenprodukt der Einfuhrung der negativen Zahlen Es ist aber eine Folge der Rechenregeln Grundrechenarten Ringaxiome vor allem des Distributivgesetzes dass die Null zwangslaufig absorbierendes Element der Multiplikation ist d h a a 0 0 a 0 displaystyle forall a colon a cdot 0 0 cdot a 0 nbsp Aus diesem Sachverhalt folgt unmittelbar dass jegliche Einfuhrung eines Ergebnisses einer Division durch Null die gewohnten Rechenregeln verletzen muss Es bleibt aber die Frage Kann man den Zahlenraum sinnvoll d h unter kleinstmoglicher Verletzung der Rechenregeln erweitern sodass auch eine Division durch Null moglich ist Nachdem es die Mathematik als unveranderliche Disziplin nicht gibt sondern nur verschiedene mathematische Theorien ist auch der Begriff der Zahl in der Mathematik offen und erweiterbar So kann man z B auf dem Raum der stetigen Funktionen von 0 1 0 1 displaystyle 0 1 to 0 1 nbsp Rechenregeln definieren und sogar eine Ordnungsrelation Diese Funktionen sind also auch so etwas Ahnliches wie Zahlen Umgekehrt kann man vorhandene Theorien auch einschranken und untersuchen welche Gesetze in der eingeschrankten Theorie noch gelten Ein Beispiel hierfur ist die intuitionistische Mathematik die nicht nur eine Zahl sondern ein logisches Gesetz ausschliesst das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten Derartige Untersuchungen konnen ausserst fruchtbar sein und tiefe Einblicke in die Natur der zugrundegelegten Axiome geben Die Analysis erweitert die Rechenbereiche der reellen und komplexen Zahlen durch Grenzwertbildungen Dadurch werden die Zahlbereiche kompaktifiziert Die Einpunktkompaktifizierung ist bei beiden Bereichen moglich In vielen Fallen erlaubt die Regel von de L Hospital eine sorgfaltige Berechnung des Grenzwertes so genannter unbestimmter Ausdrucke Einpunktkompaktifizierung Bearbeiten Nachdem der Zahlenraum schon mehrfach erweitert werden konnte um besondere Rechenoperationen auf dem gesamten Zahlenraum durchfuhren zu konnen stellt sich die Frage Kann man den Zahlenraum sinnvoll so erweitern dass eine Division durch Null moglich wird Im Artikel Division Mathematik wird gezeigt dass eine Erweiterung eines Zahlenraums R displaystyle R nbsp mit zwei Verknupfungen Addition und Multiplikation um eine Losung x displaystyle x nbsp einer Gleichung 0 x a R displaystyle 0 cdot x a in R nbsp die bekannten Rechenregeln Ringaxiome sprengen muss Es gibt jedoch Definitionen die wenigstens einen Teil der Anforderungen erfullen und daher auch von praktischer Bedeutung sind Beim Versuch die Division durch Null zu definieren ergibt sich im einfachsten Fall nach dem Permanenzprinzip 0 0 1 displaystyle 0 over 0 1 nbsp Forderung 1 denn fur a 0 gilt a a 1 displaystyle a over a 1 nbsp Jedoch andererseits 0 0 0 0 0 0 0 0 0 displaystyle 0 over 0 0 cdot 0 over 0 0 cdot 0 over 0 0 nbsp denn fur a 0 gilt 0 a 0 displaystyle 0 cdot a 0 nbsp Bei konsequenter Anwendung des Permanenzprinzips ergibt sich also ein Verstoss gegen die Wohldefiniertheit Umgekehrt fuhrt jede eindeutige Definition z B der Division 0 0 automatisch zu einem Verstoss gegen das Permanenzprinzip Da ein Verstoss gegen die Eindeutigkeit schwerer wiegt als ein Verstoss gegen das Permanenzprinzip trifft man ublicherweise eine Festlegung der folgenden Art Dazu erweitert man den Zahlenraum um eine weitere Zahl die man 8 nennen konnte und die als das Ergebnis jeglicher Division durch 0 festgelegt wird Definition 8 8 a 0 fur alle a R Folgende Rechenoperationen werden definiert 8 1 a 8 8 und 8 a 8 8 2 a 8 8 und 8 a 8 8 3 a 8 8 und 8 a 8 8 4 a 8 8 und 8 a 8 8 5 a 8 8 und 8 a 8jeweils fur a R 8 Das Ergebnis jedes Ausdrucks in dem irgendwo 8 vorkommt wird als 8 festgelegt Mit diesen Definitionen gelten nun viele bisherige Rechenregeln weiter wie z B a b b a a b c a b c a b c a b a c Hingegen a a 1 gilt nicht mehr wenn a 8 8 8 8 a a 0 gilt nicht mehr wenn a 8 8 8 8 0 a 0 gilt nicht mehr wenn a 8 0 8 8Auch die Ordnungsrelation kann man definieren Dabei gibt es mehrere Moglichkeiten entweder 8 ist grosser als alle ubrigen Zahlen oder 8 ist kleiner als alle anderen Zahlen Jedoch ist diese Ordnungsrelation mit den oben genannten Rechenregeln nicht mehr vertraglich Da einige grundlegende Rechenregeln durch die Einfuhrung des 8 nicht mehr gelten handelt es sich also nicht um eine Erweiterung des Zahlenraumes im Sinne des Permanenzprinzips Das Zahlensystem lasst sich zwar erweitern sodass das Ergebnis der Division durch Null definiert ist Jedoch hat diese Erweiterung einige Nachteile Die Erweiterung ist nicht in eindeutiger Weise moglich Es gibt verschiedene untereinander gleichberechtigte Moglichkeiten Die Erweiterung fuhrt nicht zu einer Vereinfachung der Regeln wie bei der Erweiterung der naturlichen Zahlen zu den ganzen Zahlen hin sondern zu einer grosseren Komplexitat Die Erweiterung ist nicht vertraglich mit dem Permanenzprinzip Einen anderen Weg den der Zweipunktkompaktifizierung mit PlusMinusUnendlich und NaN geht die Norm IEEE 754 Zweipunktkompaktifizierung Bearbeiten Bei den reellen Zahlen ist jedoch auch eine Zweipunktkompaktifizierung Z R displaystyle Z infty cup mathbb R cup infty nbsp interessant Die Erweiterung der Rechenregeln ist beispielsweise fur alle a R b R gt 0 x Z displaystyle a in mathbb R b in mathbb R gt 0 x in Z nbsp a displaystyle a pm infty pm infty nbsp b displaystyle b cdot pm infty pm infty nbsp b displaystyle b cdot pm infty mp infty nbsp displaystyle pm infty pm infty pm infty nbsp displaystyle pm infty cdot pm infty infty nbsp lt a lt displaystyle infty lt a lt infty nbsp Wie oben festgestellt konnen die Ringaxiome fur die hinzugefugten Elemente displaystyle pm infty nbsp nicht gelten Grenzwertbildungen konnen einer Division durch Null eine exakte Bedeutung geben 1 0 lim x 0 x 1 displaystyle tfrac 1 0 lim x to 0 x 1 infty nbsp 1 0 lim x 0 x 1 displaystyle tfrac 1 0 lim x to 0 x 1 infty nbsp Ein solcher Grenzwert ist jedoch etwas anderes als eine Division durch Null Die Norm IEEE 754 folgt im Wesentlichen einer solchen Art der Erweiterung Es gibt dort eine negative Null Das Ergebnis eines Rechenausdrucks mit zwei Grenzwerten die gegeneinander laufen ein so genannter unbestimmter Ausdruck wie 0 0 displaystyle tfrac 0 0 nbsp NaN displaystyle pm infty pm infty nbsp NaN 0 displaystyle 0 cdot pm infty nbsp NaN wird per NaN englisch fur Not a Number Keine Zahl weiterhin ausgeklammert Naheliegenderweise ergibt das Rechnen mit der Nichtzahl NaN x displaystyle x nbsp NaN displaystyle nbsp NaN x displaystyle x cdot nbsp NaN displaystyle nbsp NaNimmer eine Nichtzahl Es gibt also drei Sorten von Objekten die endlichen reellen Zahlen mit denen unter Ausschluss der Division durch Null alle vier Grundrechenarten uneingeschrankt ausgefuhrt werden konnen und fur die die Ringaxiome gelten die zwei unendlichen Zahlen displaystyle pm infty nbsp mit speziellen abweichenden Rechenregeln die eine Division durch Null ausser 0 0 displaystyle tfrac 0 0 nbsp ermoglichen die Nichtzahl NaN die die unbestimmten Ausdrucke auffangt und mit der nicht gerechnet werden kann Fazit Bearbeiten Die genannten Losungsvorschlage sind beide unbefriedigend und zwar hinsichtlich der Regeln sowohl der Arithmetik wie der Totalordnung Die Erweiterungen fuhren nicht zu einer Vereinfachung der Regeln im Gegenteil es sind letztlich wesentlich mehr Sonderfalle zu beachten Im Ergebnis ist die Division durch Null nicht definiert Es gilt aber die starkere Aussage dass sie im Rahmen der genannten Regeln nicht definierbar ist 2 Insofern kommt in der seriosen mathematischen Literatur eine Division durch Null auch nicht vor Gleichwohl ist es hilfreich fur den insbesondere den spontanen Gebrauch von Rechengeraten Moglichkeiten fur das Weiterrechnen anzubieten So sind die Regeln 8 1 bis 8 4 z B in Excel implementiert worden das statt 8 die Notation DIV0 verwendet Naher an der Hardware liegt die Norm IEEE 754 Weblinks BearbeitenOnline Version von Hankels Vorlesungen uber die Complexen Zahlen und ihre Funktionen Einzelnachweise Bearbeiten Hermann Hankel Vorlesungen uber die Complexen Zahlen und ihre Funktionen 1867 Noch starker ist dass eine Erweiterungsstruktur die Quotienten mit Divisor 0 enthalt kein mathematischer Ring ist Siehe auch BearbeitenErweiterte reelle Zahl Zahlbereichserweiterung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Permanenzprinzip amp oldid 219241462