www.wikidata.de-de.nina.az
Das Osmanische Kalifat war der Anspruch auf das allislamische Kalifat der osmanischen Dynastie der in der 1876 neu eingefuhrten Verfassung des Osmanischen Reiches erstmals offiziell festgeschrieben wurde Bereits im 16 Jahrhundert hatten die osmanischen Sultane kalifenahnliche Titel ubernommen Dem Abendland gegenuber trat Sultan Abdulhamid I erstmals 1774 als Kalif auf Die Osmanen reklamierten seit dem 19 Jahrhundert dass das Kalifat bereits 1517 von den Abbasiden auf die Osmanen ubergegangen sei 1924 zwei Jahre nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches beendete die Grosse Turkische Nationalversammlung das osmanische Kalifat Standarte des Kalifen in der Turkei in den Jahren 1922 1924 Inhaltsverzeichnis 1 Ubergang des Kalifats auf die Osmanen 2 Reprasentanz und politischer Nutzen 3 Abschaffung des Kalifats 4 Siehe auch 5 Einzelnachweise 6 LiteraturUbergang des Kalifats auf die Osmanen BearbeitenWann das osmanische Kalifat begann ist umstritten Nach offizieller osmanischer Geschichtsdarstellung begann dieses Kalifat der Osmanen bereits 1517 als der osmanische Sultan Selim I Syrien und Agypten eroberte und das dortige Sultanat der Mamluken besiegte In deren Hauptstadt Kairo hatten seit 1261 62 quasi als Marionetten der Mamluken auch Titular Kalifen aus der 1258 in Bagdad von den Mongolen gesturzten Abbasiden Dynastie residiert Sultan Selim so die osmanische Darstellung habe nach 1517 den letzten in Kairo ohne eigentliche Machtbefugnisse amtierenden abbasidischen Kalifen al Mutawakkil III 1508 1516 erneut 1517 dazu gebracht ihm offiziell das Kalifat zu ubertragen Falls dem so gewesen sein sollte hatte dieser Schritt in der herausragenden militarischen Machtstellung des Osmanischen Reiches die es unter allen islamischen Staaten zwischen dem 16 und fruhen 18 Jahrhundert zweifellos besass seine entscheidende Rechtfertigung gehabt denn eine genealogische Verwandtschaft mit dem Propheten konnten die Osmanen nicht fur sich reklamieren Ohne eine offentlichkeitswirksame Proklamation oder Zeremonie die dann auch in nichtosmanischen Chroniken Widerspiegelung gefunden hatte ware eine solche Ubertragung jedoch sinnlos gewesen von einer solchen offentlichen Proklamation berichten jedoch auch osmanische Quellen nicht Sicher scheint zu sein dass der letzte Abbasiden Kalif 1517 nachdem Agypten vom osmanischen Sultan erobert worden war von Kairo nach Istanbul verbracht wurde wo sich seine Spur in den Folgejahren spatestens nach 1543 jedoch ebenso verliert wie die der Abbasiden uberhaupt Der Transfer des Kalifen nach Istanbul konnte als Gefangenschaft aber auch als anfangliche Absicht der Osmanen gedeutet werden ihn auf ahnliche Weise als Titular Kalifen zu benutzen wie es die Mamluken bisher in Kairo getan hatten Allerdings wurde diese Absicht scheinbar fruher oder spater fallengelassen Reprasentanz und politischer Nutzen BearbeitenDen Titel Kalif haben die osmanischen Sultane seit Selim I nicht ausdrucklich gefuhrt Sie scheinen aber schon im 16 Jahrhundert den in diese Richtung weisenden Titel eines Befehlshabers der Glaubigen und eines Nachfolgers des Propheten als Beherrscher der Welt angenommen zu haben der Scherif von Mekka hatte Selim I ausserdem bereits 1517 den Ehrentitel eines Beschutzers der Heiligen Stadte von Mekka und Medina verliehen Diese drei Titel zahlten seither an prominenter aber nie an erster Stelle zur grossen Herrschertitulatur der osmanischen Sultane Dem Abendland gegenuber trat Sultan Abdulhamid I erstmals 1774 in den Verhandlungen beim Friede von Kucuk Kaynarca als Kalif auf mit dem Anspruch als Oberhaupt der gesamten sunnitischen Welt akzeptiert zu werden um so diplomatisches Gewicht zu gewinnen Im Vertrag wurde dem Sultan formal das Recht zugestanden auch Beschutzer der Muslime in Russland und der Muslime auf der Krim zu sein Erst 1876 wurde der Anspruch auf das allislamische Kalifat in der neu eingefuhrten 1878 faktisch suspendierten und 1908 wieder in volle Gultigkeit gesetzten Verfassung des Osmanischen Reiches offiziell festgeschrieben Die Sultane Abdulhamid II 1876 1909 und Mehmed V 1909 1918 versuchten diesen Anspruch dann auch im politischen Alltag geltend zu machen Abdulhamid wollte den Kalifentitel als islamischen Integrationsfaktor fur das vom Zerfall bedrohte Reich nutzen Mehmed als propagandistisches Motiv zur Entfachung eines pro osmanischen islamischen Aufstands in den Kolonialreichen der Kriegsgegner im Ersten Weltkrieg Beides hatte eher geringen Erfolg vor allem der im Ersten Weltkrieg erfolgte Aufruf des osmanischen Sultan Kalifen an alle Muslime zum Dschihad gegen die Machte der Entente Frankreich Grossbritannien und Russland zeigte kaum Wirkung Abschaffung des Kalifats BearbeitenKurz vor der endgultigen Auflosung des osmanischen Reiches war die Hauptstadt Istanbul von englischen Truppen besetzt Unter dem Druck der Besatzer belegte der Sultan und Kalif jene osmanischen Militarbefehlshaber mit der Todesstrafe die gegen die Besatzung durch englische franzosische italienische und griechische Truppen Widerstand geleistet hatten Zu diesen Militarbefehlshabern gehorte auch Mustafa Kemal der 1934 durch Parlamentsbeschluss den Nachnamen Ataturk erhalten sollte Dieser Dolchstoss durch die hochste weltliche und religiose Autoritat spielte bei der spateren Entscheidung uber die Zukunft des Kalifats eine grosse Rolle Nachdem das Sultanat abgeschafft wurde und eine Entscheidung uber die Personalie des Kalifen anstand bevorzugte Mustafa Kemal Mehmed VI 1 wahrend Kazim Karabekir Abdulmecid II favorisierte 2 Doch Mehmed VI fluchtete noch vor dieser Entscheidung am 17 November 1922 an Bord des englischen Kriegsschiffes HMS Malaya ausser Landes Der nunmehr aussichtsreichste Kandidat war Abdulmecid II Mustafa Kemal lud diesen nach Ankara ein in der Hoffnung dass er den Befreiungs und Unabhangigkeitskampf starken wurde Doch Abdulmecid lehnte die Einladung ab da er keinen Familienstreit auslosen wollte 3 Mehmet Vehbi Efendi der Direktor des von der Ankaraner Gegenregierung neu gegrundeten Direktorats fur religiose Angelegenheiten erliess eine Fatwa wonach Mehmed VI durch seine Flucht das Recht auf das Kalifat verwirkt habe und ein neuer Kalif gewahlt werden musse Am 18 November 1922 wurde ein Antrag auf Absetzung von Mehmed VI als Kalif in der Grossen Nationalversammlung angenommen 4 Noch am selben Tag stimmte die Nationalversammlung uber den nachsten Kalifen ab Es wurden 162 Stimmen abgegeben Abdulmecid II wurde mit 148 Stimmen gewahlt 3 Stimmen entfielen auf Selim den altesten Sohn von Abdulhamid II 2 Stimmen auf dessen Bruder Abdurrahim 9 Abgeordnete enthielten sich der Stimme 5 Mustafa Kemal liess dem neu gewahlten Kalifen uber Refet Bele seine nunmehr stark beschrankten Kompetenzen mitteilen So durfte er sich nur noch Halife i Muslimin nennen und keine weiteren Titel beanspruchen In einer an alle Muslime gerichteten Erklarung sollte er zudem darlegen dass das Modell der Turkischen Grossen Nationalversammlung und Regierung das fur das turkische Volk und die gesamte islamische Welt geeignetste Regierungssystem sei 6 Nach der Wahl entsandte das Prasidium der Nationalversammlung eine Abordnung nach Istanbul um den neuen Kalifen in sein Amt einzufuhren zu begluckwunschen und die Reliquien Mohammeds zu ubergeben Die aus 19 Abgeordneten bestehende Abordnung ubergab Abdulmecid II die Reliquien am 24 November 1922 in einer Zeremonie 7 Abdulmecid war jedoch nicht mit einer Begrenzung seiner Rolle einverstanden und bestand darauf zusatzlich den Titel des Dieners der heiligen Statten Hadimu l Haremeyni s serifeyn zu fuhren sowie bei den Freitagsgebeten eine militarische Uniform in der Tradition Mehmeds II mit einem Turban zu tragen Mustafa Kemal lehnte dies jedoch ab 8 Nach Ausrufung der Republik Turkei im Jahr 1923 wurden wiederholt Geruchte um eine Abschaffung des Kalifats einen Rucktritt Abdulmecids und allgemeine Kritik am neuen Regierungssystem laut Einige Abgeordnete der Nationalversammlung ausserten sich gegenuber der Presse ahnlich kritisch und suchten demonstrativ die Nahe des Kalifen 9 Fast zeitgleich wurde ein an den damaligen Ministerprasidenten Ismet Inonu gerichteter Brief publik in dem sich Aga Khan III fur eine Aufrechterhaltung und Fortfuhrung des Kalifats aussprach Der Brief wurde von den turkischen Zeitungen Tanin Ikdam und Tevhidi Efkar als Beleg fur Abschaffungsbestrebungen der Republikaner veroffentlicht noch bevor er Inonu zugestellt wurde Inonu leitete darauf hin eine parlamentarische Bewertung der Rolle des Kalifats sowie eine juristische Untersuchung des Verhaltens der Zeitungen ein 10 Am 2 Marz 1924 versammelte sich die Parlamentsfraktion der regierenden Halk Firkasi um uber drei Gesetzesvorhaben abzustimmen die tags zuvor eingebracht wurden Nach langen Debatten wurde am 3 Marz das Gesetz Nr 431 verabschiedet welches das Kalifat endgultig abschaffte und die Ausweisung aller Angehorigen des Hauses Osman aus der Turkei vorsah 11 Das Gesetz basierte auf einem Vorschlag des Abgeordneten Seyh Saffet Efendi aus Siirt 12 Siehe auch BearbeitenListe der Kalifen Kalifat Osmanischer IslamEinzelnachweise Bearbeiten Mustafa Kemal Ataturk Nutuk Bd II Istanbul 1975 S 297 309 Ugur Mumcu Kazim Karabekir Anlatiyor Tekin Yayinevi Ankara 1990 S 40 70 Asim Gunduz Hatiralarim Istanbul 1971 S 42 43 Nasit Hakki Ulug Halifeligin Sonu Istanbul 1975 S 85f Nasit Hakki Ulug Halifeligin Sonu Istanbul 1975 S 9 Mustafa Kemal Ataturk Nutuk Bd III Belgeler Istanbul 1973 B 265 S 1251 1252 Turk Parlamento Tarihi 1919 1923 Bd 1 Ankara 1994 S 286 287 Mustafa Kemal Ataturk Nutuk Bd II S 305 Kamran Ardakoc Hilafet Meselesi Petek Yayinlari Istanbul 1955 S 2 Neslihan Erozbek Fethi Kayali Bir Mektup ve Hilafet Meselesinin Gundeme Gelmesi In Belgelerle Turk Tarihi Dergisi September 1988 S 43 TBMM Gesetz Nr 431 uber die Abschaffung des Kalifats und die Ausweisung der Mitglieder des Hauses Osman aus den Grenzen der Republik Turkei vom 3 Marz 1924 Nasit Hakki Ulug Halifeligin Sonu Istanbul 1975 S 158 161Literatur BearbeitenHamilton A R Gibb Luṭfi Pasa on the Ottoman Caliphate in Oriens 15 1962 287 95 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Osmanisches Kalifat amp oldid 236123335