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Unter Orbitalbewegung von lateinisch orbis Kreis wird bei Wasserwellen die Bewegung der Wasserteilchen verstanden In tiefem Wasser sind die Bahnen der Wasserteilchen beim Passieren einer Welle nahezu kreisformig und in flachem Wasser nahezu elliptisch Die Abweichung von der exakt kreisformigen bzw exakt elliptischen Bahnform ist auf eine uberlagerte Driftgeschwindigkeit U displaystyle U Massentransportgeschwindigkeit zuruckzufuhren die der Wellenfortschrittsgeschwindigkeit c U displaystyle c gg U gleichgerichtet ist Die Driftgeschwindigkeit wachst mit zunehmender Wellensteilheit S H L displaystyle S H L H displaystyle H Wellenhohe L displaystyle L Wellenlange und bewirkt die Ausbildung spiralformiger Orbitalbahnen vergl nebenstehende Animationen Tiefwasserwelle nach Stokes Orbitalbahnen der Wasserteilchen beginnend an zwei Positionen mit dem Abstand einer halben WellenlangeFlachwasserwelle nach Stokes Orbitalbahnen der Wasserteilchen beginnend an zwei Positionen mit dem Abstand einer halben Wellenlange Inhaltsverzeichnis 1 Teilchenbewegung im Wellenfeld 2 Berechnungen nach Gerstner 3 Technische Bedeutung 4 Geschichte 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseTeilchenbewegung im Wellenfeld BearbeitenIn der Praxis verwendete Wellentheorien gehen davon aus dass jegliche Orbitalbewegung in einer Tiefe die etwa der halben Wellenlange entspricht vernachlassigbar gering ist und eine wellenerzeugte Durchmischung im Gegensatz zu den Wirkungen anderer Stromungen unterhalb dieser Marke nicht mehr stattfindet Als Naherung wird die Abnahme der Bewegungsamplituden mit zunehmender Entfernung von der Wasseroberflache nach einem Exponentialgesetz angenommen Bei periodischen Wellen die in Bereiche abnehmender Wassertiefe hineinlaufen verandern sich die vorher kreisformigen Bahnen zu offenen Ellipsen bis die Orbitalbewegung im Verlauf des Wellenbrechens ihren zirkularen Charakter dadurch verliert dass ihre horizontale Komponente auf Kosten der vertikalen Komponente anwachst Nach dem Brechvorgang hier noch nicht bildlich dargestellt ist die Wellenbewegung aperiodisch die Bewegung der einzelnen Wasserteilchen erstreckt sich uber die gesamte Wassertiefe etwa gleichermassen horizontal in kustenwartiger Richtung Berechnungen nach Gerstner Bearbeiten nbsp Trochoidale Tiefwasserwelle nach Gerstner Momentane Richtungen der Orbitalgeschwindigkeit an verschiedenen Positionen der WellenoberflacheHaufig ist es ausreichend den Massentransport unberucksichtigt zu lassen und anzunehmen dass sich die einzelnen Wassermolekule sich entsprechend der Trochoidaltheorie nach Gerstner auf Kreisbahnen bewegen insbesondere fur Wellen uber grosser Wassertiefe Tiefwasserwellen die kreisformige Wasserteilchenkinematik als auch fur die Oberflachenkontur liefert diese Vereinfachung befriedigende Ergebnisse Die Wellenperiode T displaystyle T nbsp 1 f displaystyle 1 f nbsp Kehrwert der Frequenz f displaystyle f nbsp ist die Umlaufzeit die dem Vorrucken der Welle um eine volle Wellenlange entspricht Somit ist die Orbitalgeschwindigkeit Tangentialgeschwindigkeit der Kreisbahn an der Wasseroberflache w 2 p r T p H T displaystyle w frac 2 cdot pi cdot r T frac pi cdot H T nbsp und die Wellenfortschrittsgeschwindigkeit Phasengeschwindigkeit des Wellenberges c L T displaystyle c frac L T nbsp Wird angenommen dass sich der Beobachter mit der Phasengeschwindigkeit des Wellenberges mitbewegt sind die Kreisbewegung fur den Beobachter nicht mehr stationar und es ergibt sich ein Geschwindigkeitsunterschied D w displaystyle Delta w nbsp der Wasserteilchen am Wellenkamm und im Wellental der die Orbitalgeschwindigkeit der Teilchen uber ihre kinetische und potentielle Energie beschreiben lasst 1 w g H 2 c displaystyle w frac g cdot H 2 cdot c nbsp daraus folgt fur die Wellenfortschrittsgeschwindigkeit c g L 2 p displaystyle c sqrt frac g cdot L 2 cdot pi nbsp Mit g displaystyle g nbsp als Schwerebeschleunigung L displaystyle L nbsp fur die Wellenlange und H displaystyle H nbsp als Wellenhohe bzw Durchmesser der Kreisbewegung Technische Bedeutung BearbeitenFur praktische Anwendungen wird die resultierende Orbitalgeschwindigkeit in zwei senkrecht zueinander stehende Komponenten zerlegt Da an einer festen Begrenzung keine Geschwindigkeitskomponenten senkrecht dazu moglich sind kommt es hier etwa zu einer Verdoppelung der tangentialen Komponente Dementsprechend ist die Amplitude der horizontalen Schwingung der Wasserteilchen am Boden etwa doppelt so gross wie die Amplitude die in derselben Tiefe vorliegen wurde wenn der Boden nicht vorhanden ware Dieser Sachverhalt ist von besonderer Bedeutung weil durch wellenerzeugte Sohlstromungen der Sedimenttransport bewirkt wird Ahnliches gilt fur die Verdoppelung der vertikalen Schwingungsamplitude der Wasserteilchen an einer vertikalen Wand wo es zur Ausbildung einer stehenden Welle Clapotis kommt Zur Abschatzung der Wellenkrafte die auf getauchte Bauwerksstrukturen z B Pfahlbauwerke Unterwasser Pipelines ausgeubt werden wird in den betreffenden Kraftansatzen neben der ortlichen Orbitalgeschwindigkeit w displaystyle w nbsp auch die Orbitalbeschleunigung d w d t displaystyle tfrac mathrm d w mathrm d t nbsp verwendet Geschichte BearbeitenDie trochoidale Wellentheorie wurde 1804 von Franz Josef von Gerstner entwickelt und ist als Grundlage aller folgenden Wellentheorien anzusehen da sie bereits die Abnahme von Orbitalbahnradien zum Meeresboden hin enthalt Gerstner war dabei von der Rotation der Wasserteilchen um Orbitalzentren ausgegangen und erhielt daraus fur die Wasseroberflache die Form einer zyklischen Kurve Ebenfalls von den Bahnlinien der Wasserteilchen ausgehend oder unter Verwendung des Geschwindigkeitspotentials sind alle anderen heute bekannten Naherungslosungen entstanden Bevorzugte Verwendung findet die Lineare Wellentheorie nach Airy Laplace 1845 der als Wellenform eine Kosinusfunktion zugrunde liegt und die keinen Massentransport beinhaltet Im Gegensatz dazu stehen die Wellentheorien hoherer Ordnung nach Stokes 1880 Fur Flachwasserwellen wurde von Korteweg und De Vries 1895 die Cnoidaltheorie entwickelt und fur sehr flaches Wasser nahe der Brecherzone von Munk 1949 die Einzelwellentheorie Literatur BearbeitenFritz Busching Uber Orbitalgeschwindigkeiten irregularer Brandungswellen Leichtweiss Institut fur Wasserbau Braunschweig 1974 Leichtweiss Institut fur Wasserbau der Technischen Universitat Braunschweig Mitteilungen 42 ISSN 0343 1223 Andreas Malcherek Gezeiten und Wellen Die Hydromechanik der Kustengewasser 1 Auflage Wiesbaden Vieweg Teubner 2010 ISBN 978 3 8348 0787 8Weblinks BearbeitenTrochoidale Wellentheorie in Energie regularer Wellen Memento vom 5 November 2010 im Internet Archive Universitat Leipzig Abs 4 2 3 4 PDF 1 00 MB Orbitalbahnen und Orbitalgeschwindigkeiten PDF 709 kB Einzelnachweise Bearbeiten D Freude Wellen PDF Uni Leipzig Juni 2004 S 4 abgerufen am 10 Januar 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Orbitalbewegung Wasserwellen amp oldid 220085190