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Die Moorleiche von Pangerfilze auch Moorleiche von Kolbermoor 1 wurde 1927 im Moor Panger Filze bei Kolbermoor im oberbayerischen Landkreis Rosenheim gefunden Die aus dem 18 Jahrhundert stammende Leiche gehort neben der Frau von Peiting zu den wenigen dokumentierten Funden von Moorleichen aus Bayern Inhaltsverzeichnis 1 Fundort 2 Fund 3 Befunde 3 1 Kleidung 3 2 Datierung 4 Verbleib 5 Deutung 6 Literatur 7 EinzelnachweiseFundort BearbeitenDas Moor Panger Filze dessen altere Bezeichnungen auch Pangerfilze oder Hochfilze lauten liegt im Umkreis des heutigen Kolbermoorer Ortsteils Schlarbhofen Das Hochmoor wurde seit 1889 entwassert und zur Torfgewinnung genutzt Aufgrund der Entwasserung sank die Mooroberflache bis in die 1920er Jahre um bis zu 80 Zentimeter ab und hatte an der Fundstelle eine Tiefe von etwa 2 50 Metern In den 1950er Jahren wurde das Moor von Neusiedlern als Ackerland endgultig urbar gemacht Fund BearbeitenAm 11 Juni 1927 stiessen zwei Arbeiter beim Torfstechen auf eine menschliche Leiche Sie vermuteten ein Verbrechen und benachrichtigten umgehend die Polizei Der Fund wurde von einer Untersuchungskommission der Kriminalpolizei geborgen Die Leiche lag auf dem Bauch in einer Tiefe von 75 Zentimetern unterhalb der Oberflache und war mit einigen Fichtenzweigen abgedeckt Nach Aussage der Finder waren im Torf keine Eingrabungsspuren erkennbar Die Leiche war mit einem Lodenmantel einer Jacke einer Weste und einem Filzhut bekleidet Daneben wurden einige Lederriemen im Bereich des Halses Teile von Lederschuhen der Holzgriff eines Taschenmessers verrotteter Sackleinen und etwa zwei Dutzend Eicheln gefunden Die Funde wurden in einer Kiste verpackt zur weiteren Untersuchung an die Gerichtsmedizin nach Munchen gebracht 2 Fundort 47 50 0 N 12 2 20 O 47 83344 12 038956 Koordinaten 47 50 0 N 12 2 20 O 1 Befunde BearbeitenDer Korper war gut erhalten und durch den Druck der daruber liegenden Moorschichten auf eine Starke von funf bis acht Zentimeter zusammengedruckt Die Korpergrosse der Moorleiche von Pangerfilze betrug etwa 170 Zentimeter Aufgrund der Bauchlage war die vordere Korperhalfte besser erhalten als die ruckseitige Die Weichteile waren dunkelbraun verfarbt und von lederartiger Konsistenz Das Geschlecht konnte aufgrund der im Beckenbereich deutlich sichtbaren breitgedruckten ausseren Geschlechtsorgane sicher als mannlich bestimmt werden Bei der Bergung wurde ein Oberschenkel durch den Stich eines Stechscheites abgetrennt Wie bei anderen Moorleichen waren die Knochen durch die Lagerung in der sauren Moorflussigkeit stark entkalkt von dunkel bis schwarzbrauner Farbe biegsam und liessen sich mit einem Messer leicht schneiden Das Skelett lag in weiten Teilen vollstandig vor lediglich einige Hand und Fusswurzelknochen waren nicht mehr erhalten Die Knorpelschichten waren in einem guten Zustand Die Weichteile des Kopfes waren starker vergangen Der bei der Bergung anwesende Mediziner der Staatsanwaltschaft Traunstein Prof Merkel berichtete dass die Weichteile des Kopfes wie eine Gesichtsmaske vom Schadel rutschten Die Knochen der linken Schadelseite waren weit weniger entkalkt und ebenso weniger verfarbt als die ubrigen Knochen Wiederum gut erhalten waren die Kopfhaare des Mannes Sie waren gelockt hatten eine Lange von etwa 15 Zentimeter waren dunkel bis rotbraun verfarbt und sassen nur noch sehr lose in der Kopfhaut Mikroskopisch waren die Markkanale sichtbar jedoch konnten keine Pigmenteinlagerungen identifiziert werden Im Gebiss des Mannes waren im linken Oberkiefer zwei Molaren und im Unterkiefer drei Schneidezahne vorhanden die jedoch alle stark abgekaut waren Innere Organe liessen sich nicht mehr nachweisen lediglich im Schadel lagen Reste des Gehirns als breiige Masse vor Die Haut bestand uberwiegend nur noch aus der Lederhaut deren Epidermis fast vollstandig vergangen war Zudem war die Haut durch die Bergung und anschliessende Entfernung anhaftender Torfschichten beschadigt worden Das Fettgewebe war nur noch an wenigen Stellen als krumelige Masse erkennbar Das Muskelgewebe war in grossen Teilen erhalten und zahlreiche Muskelfaserstrange liessen sich uber langere Strecken klar verfolgen das die Muskelfasern umgebende Bindegewebe war jedoch aufgelost 2 Kleidung Bearbeiten Zusammen mit der Leiche wurde ein nahezu vollstandiger Satz Kleidung gefunden Die Kleidung bestand im Einzelnen aus einem grossen braunen Hut mit breiter Krempe aus dickem Filz von ursprunglich schwarzer oder gruner Farbe Teilen eines Lodenmantels aus einem groben gelbbraunem Wollstoff mit regelmassigen dunkleren Eindrucken am linken Rand die vermutlich Teil eines Verschlusses waren Der Mantel wies auf dem linken Vorderteil zwei Schnitte von 13 und 15 Zentimetern Lange am rechten Vorderteil einen von 4 Zentimetern und am rechten Unterarmel einen von 13 Zentimetern Lange auf einer gelbbraunen Joppe ohne Kragen Taschen Knopfe Knopflocher oder Armelaufschlage die ebenfalls aus einem groben Wollstoff gefertigt war Sie hatte am Ruckenteil zwei Schnitte von 7 Zentimetern und vier von 4 Zentimetern Lange einer rotbraunen Weste mit einer Lange von 70 Zentimetern auf der Vorderseite 33 Zentimetern auf der Ruckseite und Schultertragern von 4 Zentimetern Breite Das Ruckenteil der Weste wies drei Einschnitte von 5 bis 6 Zentimetern Lange auf einem Paar Lederhosentrager aus braunen Lederstreifen die vorne und hinten durch je einen Quersteg verbunden und mit rotem Filz unternaht waren losen Teilen eines Paares brauner Halbschuhe einem Brustbeutel aus braunem Leder Alle Nahte der Kleidung waren aufgelost was auf eine Verwendung von Leinengarn als Nahmaterial zuruckzufuhren war das sich in dem sauren Moormilieu nicht erhalt Die losen Teile wurden von einem Sachverstandigen wieder zusammengenaht Die Kleidungsstucke wurden von verschiedenen Sachverstandigen fur Volkstrachten begutachtet die ubereinstimmend bestatigten dass die gefundene Tracht in Passeier aber auch im Sarntal Pustertal und der Gegend um Reutte von Jagern und Forstern getragen wurde Untersuchungen der Stoffproben an der Preussischen Hoheren Fachschule fur Textilindustrie in Cottbus ergaben dass die Wollfasern hervorragend erhalten waren Die Wolle enthielt zudem feine Haare aus dem Unterfell und grobe hohlrohrige Grannen oder Stichelhaare was auf eine ursprungliche nicht auf Wollertrag gezuchtete Schafrasse und eine nicht industrielle Wollverarbeitung hindeutete Die Wolle wurde vor dem manuellen Spinnen nicht besonders vorbereitet und ergab ein auffallig dickes und grobes Gewebe das zudem sehr stark gewalkt wurde Die Schussfaden waren Z und die Kettfaden S gezwirnt was bei modernen industriellen Geweben nicht mehr ublich war und auf ein hohes Alter des Gewebes deutete Ebenso geht das Fehlen einer Hose vermutlich darauf zuruck dass diese aus Leinen war und durch die Moorsaure zersetzt wurde Neben der Kleidung wurde der holzerne Griff eines Klappmessers gefunden dessen eiserne Bestandteile durch die Sauren im Moor vollstandig aufgelost waren Ausserdem fanden sich stark zersetzte Reste eines sehr groben sackleinenartigen Gewebes 2 Datierung Bearbeiten Die Datierung der Moorleiche in das 18 Jahrhundert erfolgte primar textiltypologisch aufgrund der aufgefundenen Kleidungsmerkmale Insbesondere die Lederhosentrager die erst Anfang des 18 Jahrhunderts aufkamen bestatigen dass der Tote nicht fruher in das Moor gelangt sein konnte Nach Dr Jacobs dem Oberkonservator des Bayerischen Nationalmuseums konnte der Todeszeitpunkt des Mannes im 18 bis in den Anfang des 19 Jahrhunderts liegen 2 Weitere Datierungsmethoden die bei anderen Moorleichenfunden Anfang des 20 Jahrhunderts angewendet wurden wie die Tiefe der Moorschicht oder Pollenprofil konnten nicht herangezogen werden da sie bei der Bergung durch die Kriminalpolizei nicht berucksichtigt wurden Verbleib BearbeitenDer Verbleib der Uberreste der Moorleiche von Pangerfilze und deren Habseligkeiten kann heute aufgrund verlorener Unterlagen nicht mehr sicher rekonstruiert werden Moglicherweise wurde sie nach der gerichtsmedizinischen Untersuchung und der Feststellung ihres Alters an die Anatomische Anstalt ubergeben da im spateren Bestand des Instituts eine nicht naher bezeichnete mannliche Moorleiche gefuhrt wurde Nach Angaben des Zeitzeugen Reinhard Aigner vermutet Brigitte Haas Gebhard die Leiterin der Abteilung Mittelalter Neuzeit der Archaologischen Staatssammlung dass nach der Zerstorung der Alten Anatomie in der sich die Sammlung des Instituts befand bei den amerikanischen Bombardierungen des Munchner Klinikviertels am 22 September 1944 die Uberreste der Moorleiche aus dem Schutt geborgen und aufgrund ihrer gravierenden Beschadigungen schliesslich bestattet wurde 3 Weder in den geretteten Archivbestanden der Anatomischen Anstalt noch des Rechtsmedizinischen Instituts existieren Unterlagen uber den Verbleib der Moorleiche Lediglich im Archiv des Bayerischen Nationalmuseums existiert ein Steckbrief mit dem nach der gefundenen Person gefahndet wurde 1 Deutung BearbeitenBei der Obduktion der Leiche liess sich abgesehen von den offensichtlich durch die Bergung verursachten Beschadigungen nur eine oberflachliche Verletzung am linken Schulterblatt erkennen Die Schnitte in der Kleidung waren hochstwahrscheinlich auf die Arbeiten beim Torfstich zuruckzufuhren was sich nach dem Zusammennahen der Kleidungsteile bestatigte Jedoch deckten sich diese Schnitte nicht mit dem Schnitt am Schulterblatt der Leiche Fur eine gewaltsame Totung konnten keine Nachweise gefunden werden Der Tote war mit Fichtenzweigen bedeckt was gegen einen Unfalltod im Moor sprach Ob es sich hier moglicherweise um ein Begrabnis eines Heimatlosen ausserhalb eines Friedhofs handelt lasst sich ebenfalls nicht klaren 2 Der Fund fuhrte in der altertumswissenschaftlichen Fachwelt zur Erkenntnis dass die Mumifizierungs und Konservierungsprozesse menschlicher Korper in Mooren in sehr viel kurzerer Zeit erfolgten als bisher aufgrund der vor und fruhgeschichtlichen Moorleichenfunde aus Nordeuropa vermutet wurde Maria Gabriel ausserte die Ansicht dass dieser Umstand vor allem auch fur die Rechtsmedizin relevant werden konnte und regte experimentelle Untersuchungen zu den Konservierungsvorgangen in Mooren an 2 Literatur BearbeitenMaria Gabriel Die bisherigen Ergebnisse der Moorleichenforschung und Mitteilung eines neuen Fundes einer In International Journal of Legal Medicine Band 15 Nr 1 Springer Dezember 1930 ISSN 0937 9827 S 226 238 doi 10 1007 BF01751337 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Brigitte Haas Gebhard Klaus Puschel Die Frau aus dem Moor In Kommission fur bayerische Landesgeschichte Hrsg Bayerische Vorgeschichtsblatter Nr 74 2009 ISBN 978 3 406 11079 5 S 246 a b c d e f Maria Gabriel Die bisherigen Ergebnisse der Moorleichenforschung und Mitteilung eines neuen Fundes einer In International Journal of Legal Medicine Band 15 Nr 1 Springer Dezember 1930 ISSN 0937 9827 S 226 238 doi 10 1007 BF01751337 Brigitte Haas Gebhard Die Mumie aus der Inkazeit Neues von der Moorleiche aus dem Dachauer Moos In Rupert Gebhard Hrsg Die Mumie aus der Inkazeit Neues von der Moorleiche aus dem Dachauer Moos Wissner Augsburg 2014 ISBN 978 3 89639 960 1 S 9 43 hier 12 13 Anmerkungen 7 9 10 PersonendatenNAME Moorleiche von PangerfilzeALTERNATIVNAMEN Moorleiche von KolbermoorKURZBESCHREIBUNG MoorleicheGEBURTSDATUM 17 Jahrhundert oder 18 JahrhundertSTERBEDATUM 18 JahrhundertSTERBEORT bei Kolbermoor Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Moorleiche von Pangerfilze amp oldid 219656525