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Das Miller Urey Experiment auch Urey Miller Experiment oder Miller Experiment dient der Bestatigung der Hypothese dass unter den Bedingungen einer postulierten Uratmosphare die Bildung von organischen Verbindungen insbesondere Aminosauren als Voraussetzung fur die Entstehung primitiver einzelliger Lebensformen moglich ist chemische Evolution Schematischer Versuchsaufbau des Miller Urey ExperimentsStanley Lloyd Miller simulierte 1953 zusammen mit Harold Clayton Urey im Labor der University of Chicago Umweltbedingungen wie sie nach damaligem Forschungsstand in der Fruhphase der Erdgeschichte spates Hadaikum geherrscht haben konnten und untersuchte welche komplexen organischen Molekule sich unter diesen Bedingungen bilden konnen Eine erstmalige kurze Beschreibung des Experiments und seiner Ergebnisse erfolgte in dem Science Artikel A production of amino acids under possible primitive Earth conditions Herstellung von Aminosauren unter moglichen Bedingungen der fruhen Erde 1 Inhaltsverzeichnis 1 Versuchsaufbau 2 Ergebnisse 3 Reaktionswege beim Miller Experiment 4 Abwandlungen der Versuchsbedingungen 5 Andere Experimente 6 Was das Miller Experiment allein nicht erklart 7 Kritik an den Voraussetzungen 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseVersuchsaufbau BearbeitenIm Miller Urey Experiment wird ein Gasgemisch das einer hypothetischen fruhen Erdatmosphare entsprechen soll Wasser H2O Methan CH4 Ammoniak NH3 und Wasserstoff H2 in einem Glaskolben elektrischen Entladungen Lichtbogen ausgesetzt Die Lichtbogen die Gewitterblitze auf der fruhen Erde nachbilden sollen die Gasmolekule in hochreaktive freie Radikale aufspalten Wahrend Wasserdampf durch Erhitzen von Wasser in einem zweiten Kolben erzeugt wird werden die ubrigen Gase von aussen zugefuhrt In einem Kuhler unterhalb des Kolbens in dem die Lichtbogen erzeugt werden wird der Wasserdampf kondensiert Das kondensierte Wasser mit den Reaktionsprodukten wird in einem U Stuck aufgefangen und gelangt uber einen Uberlauf schliesslich wieder in den zweiten Kolben 1 2 Somit wird in der Versuchsapparatur der fruhirdische Wasserkreislauf stark vereinfacht nachgestellt Wasser verdunstet aus dem Urmeer im Kolben und steigt in die Uratmosphare auf wo vermittelt durch Blitze die atmospharischen Gase miteinander reagieren Das atmospharische Wasser kondensiert schliesslich zu Regen und transportiert die Reaktionsprodukte zuruck ins Urmeer In der Apparatur darf sich wie in der hypothetischen Uratmosphare kein freier Sauerstoff O2 befinden 1 2 Im unteren Kolben reichern sich nach und nach organische Molekule an die das Wasser des simulierten Urmeers nach einem Tag schwachviolett farben und nach einer Woche schliesslich in eine tiefrote trube Suspension verwandeln Dieses Gemisch wurde nach Abbruch des Experiments mit Quecksilber II chlorid HgCl2 und Bariumhydroxid Ba OH 2 fur die Analyse aufbereitet und mittels Papierchromatographie auf seine Zusammensetzung hin analysiert 1 2 Ergebnisse BearbeitenBei einer Ausgangsmenge von 59 000 mmol CH4 entstanden 3 Produkt Formel Ausbeute Stoffmenge C Atome Anzahl C Atome Stoffmenge Ameisensaure H COOH 2330 mmol 1 2330 mmolGlycin H2N CH2 COOH 0 630 mmol 2 1260 mmolGlycolsaure HO CH2 COOH 0 560 mmol 2 1120 mmolAlanin H3C CH NH2 COOH 0 340 mmol 3 1020 mmolMilchsaure H3C CH OH COOH 0 310 mmol 3 0 930 mmolb Alanin H2N CH2 CH2 COOH 0 150 mmol 3 0 450 mmolEssigsaure H3C COOH 0 150 mmol 2 0 300 mmolPropionsaure H3C CH2 COOH 0 130 mmol 3 0 390 mmolIminodiessigsaure HOOC CH2 NH CH2 COOH 0 0 55 mmol 4 0 220 mmolSarcosin H3C NH CH2 COOH 0 0 50 mmol 3 0 150 mmola Amino n buttersaure H3C CH2 CH NH2 COOH 0 0 50 mmol 4 0 200 mmola Hydroxy n buttersaure H3C CH2 CH OH COOH 0 0 50 mmol 4 0 200 mmolBernsteinsaure HOOC CH2 CH2 COOH 0 0 40 mmol 4 0 160 mmolHarnstoff H2N CO NH2 0 0 20 mmol 1 0 0 20 mmolN Methylharnstoff H2N CO NH CH3 0 0 15 mmol 2 0 0 30 mmol3 Azaadipinsaure HOOC CH2 NH CH2 CH2 COOH 0 0 15 mmol 5 0 0 75 mmolN Methylalanin H3C CH NH CH3 COOH 0 0 10 mmol 4 0 0 40 mmolGlutaminsaure HOOC CH2 CH2 CH NH2 COOH 0 0 0 6 mmol 5 0 0 30 mmolAsparaginsaure HOOC CH2 CH NH2 COOH 0 0 0 4 mmol 4 0 0 16 mmola Aminoisobuttersaure H3C C CH3 NH2 COOH 0 0 0 1 mmol 4 0 0 0 4 mmolSumme 4916 mmol 8945 mmol proteinogene Aminosauren Insgesamt werden damit 18 der Methanmolekule in Biomolekule umgewandelt aus dem Rest entsteht eine teerartige Masse Ursprunglich im Jahr 1953 durchgefuhrt hat dieses Experiment seitdem in vielen Varianten vergleichbare Ergebnisse ergeben Es wird als Beweis dafur angesehen dass in der fruhen Erdatmosphare organische Molekule in nicht zu vernachlassigender Menge entstehen konnten Im Jahr 2008 durchgefuhrte Untersuchungen an den von Miller verwendeten Originalgefassen fuhrten zur Identifikation von acht weiteren meist hydroxylierten Aminosauren die mit den Analysemethoden der 1950er Jahre ubersehen worden waren 4 Das Experiment kann aber keine Aussagen daruber machen wie sich diese Molekule etwa zu grossen Strukturen verbunden hatten Reaktionswege beim Miller Experiment BearbeitenZunachst entstehen aus den Ausgangsstoffen Aldehyde R CHO und Blausaure Cyanwasserstoff HCN als erste Zwischenprodukte In einer darauf folgenden Mehrstufenreaktion reagieren die Aldehyde mit Ammoniak als Katalysator zu Aminosauren Summengleichung R C H O H C N H 2 O H 2 N C H R C O O H displaystyle mathrm R CHO HCN H 2 O longrightarrow H 2 N CHR COOH nbsp Aldehyd Cyanwasserstoff und Wasser reagieren zur Aminosaure So entsteht aus dem Aldehyd Methanal HCHO die Aminosaure Glycin aus Ethanal CH3 CHO entsteht Alanin Summengleichung R C H O H C N 2 H 2 O H O C H R C O O H N H 3 displaystyle mathrm R CHO HCN 2 H 2 O longrightarrow HO CHR COOH NH 3 nbsp Aldehyd Cyanwasserstoff und Wasser reagieren zu a Hydroxysauren Aus Methanal entsteht die Glycolsaure a Hydroxyethansaure aus Ethanal die Milchsaure a Hydroxypropansaure und aus Propanal CH3 CH2 CHO die a Hydroxybuttersaure Abwandlungen der Versuchsbedingungen BearbeitenAls Kohlenstoffquelle Kohlenstoffmonoxid CO oder Kohlenstoffdioxid Als Stickstoffquelle molekularer Stickstoff N2 Als Energiequelle UV Licht und Feuer als HitzequelleAndere Experimente BearbeitenDieses Experiment inspirierte viele andere 1961 fand Joan Oro heraus dass die Nukleinbase Adenin aus Blausaure HCN und Ammoniak in einer wassrigen Losung entstehen kann Sein Experiment produzierte eine grosse Menge Adenin dessen Molekule aus funf Molekulen Blausaure gebildet wurden 5 Ausserdem werden unter diesen Bedingungen viele Aminosauren aus Blausaure und Ammoniak gebildet 6 Spater durchgefuhrte Experimente zeigten dass die anderen RNA und DNA Nukleinbasen durch simulierte prabiotische Chemie in einer reduzierenden Atmosphare entstehen konnen Was das Miller Experiment allein nicht erklart BearbeitenDie Aminosauren entstehen als 1 1 Racematgemische in den Organismen sind aber uberwiegend nur die L Aminosauren zu finden Das Problem ist losbar durch Mineralien als Katalysatoren die aber von Miller nicht verwendet wurden Neben einigen Aminosauren entstehen auch Verbindungen die in heute lebenden Organismen nicht vorkommen zum Beispiel die zwei zu Alanin isomeren Aminosauren b Alanin und Sarcosin siehe Tabelle Das Nichtvorhandensein dieser Verbindungen in heutigen Organismen konnte moglicherweise durch Selektion in der Evolution der Stoffwechselwege erklart werden wodurch alle Varianten bis auf die heute von Organismen verwendeten Aminosauren eliminiert wurden Kritik an den Voraussetzungen BearbeitenDie Ergebnisse des Experiments sind reproduzierbar Es gibt jedoch ernste Zweifel daran ob die Voraussetzungen fur die fruhe Erde realistisch sind Der deutsche Chemiker Gunter Wachtershauser aussert sich hierzu eindeutig Die Theorie von der prabiotischen Ursuppe sieht sich verheerender Kritik ausgesetzt weil sie unlogisch mit der Thermodynamik unvereinbar chemisch und geochemisch nicht plausibel nicht im Einklang mit Biologie und Biochemie und experimentell widerlegt ist 7 Auch andere Wissenschaftler kommen zu dem Schluss dass die urzeitlichen Bedingungen der fruhen Erde nicht denen des im Experiment simulierten entsprachen 8 9 Literatur BearbeitenStanley L Miller A production of amino acids under possible primitive earth conditions In Science Band 117 3046 1953 PMID 13056598 doi 10 1126 science 117 3046 528 S 528 529 Stanley L Miller und Harold C Urey Organic Compound Synthesis on the Primitive Earth In Science Band 130 3370 1959 PMID 13668555 doi 10 1126 science 130 3370 245 S 245 251 Sven P Thoms Ursprung des Lebens Fischer Frankfurt 2005 ISBN 3 596 16128 2 Richard E Dickerson Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens In Spektrum der Wissenschaft Heft 9 1979 S 98 115Weblinks Bearbeiten50 Jahre DNA Doppelhelix und Miller Experiment Aus Nachrichten aus der Chemie Juni 2003 S 666 674 PDF 174 kB Herunterladbare Filme in denen Miller sein Experiment erklart From Primordial Soup to the Prebiotic Beach An interview with exobiology pioneer Dr Stanley L Miller University of California San Diego Memento vom 11 Oktober 2007 im Internet Archive Leslie Orgel Origin of Life on Earth Memento vom 6 Dezember 2007 im Internet Archive Forschungsprojekt Miller Urey Experiment am IKS der TU GrazEinzelnachweise Bearbeiten a b c d S L Miller A production of amino acids under possible primitive Earth conditions 1953 siehe Literatur a b c Miller Experiment In Spektrum Online Lexikon der Biologie abgerufen am 1 Januar 2021 Richard E Dickerson Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens In Spektrum der Wissenschaft Heft 9 1979 S 193 Adam P Johnson et al 2008 The Miller Volcanic Spark Discharge Experiment In Science Band 322 5900 S 404 PMID 18927386 doi 10 1126 science 1161527 J Oro A P Kimball Synthesis of purines under possible primitive earth conditions I Adenine from hydrogen cyanide In Archives of Biochemistry and Biophysics 94 Jahrgang Nr 2 August 1961 S 217 227 doi 10 1016 0003 9861 61 90033 9 PMID 13731263 J Oro S S Kamat Amino acid 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