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Die Metaphysischen Anfangsgrunde der Rechtslehre erschienen 1797 als selbstandiger erster Teil der Metaphysik der Sitten des Philosophen Immanuel Kant Die Rechtslehre ist ein System der Prinzipien des Rechts in der Kant die in der Kritik der reinen Vernunft KrV sowie in den Grundlagenschriften zur Ethik der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten GMS und der Kritik der praktischen Vernunft KpV entwickelten Grundsatze auf den Bereich des Rechts anwendete Die Rechtslehre betrifft nur das Formliche der nach Freiheitsgesetzen im ausseren Verhaltnis einzuschrankenden Willkur Kant suchte nach allgemeinen und notwendigen Rechtsprinzipien die sich aus der reinen Vernunft a priori ergeben und untersuchte inwieweit diese Prinzipien der empirischen Rechtspraxis zugrunde zu legen sind Nach der Herleitung der allgemeinen Prinzipien diskutierte Kant deren Anwendung im Privatrecht und im offentlichen Recht Inhaltsverzeichnis 1 Inhaltsubersicht 2 Rechtsprinzipien 2 1 Die Idee der Freiheit als Ausgangspunkt des Rechts 2 2 Naturrecht und positives Recht 2 3 Das allgemeine Rechtsprinzip 2 4 Zwangsbefugnis 2 5 Rechtspflichten 2 6 Inneres Recht 3 Privatrecht 3 1 Die Begrundung des Eigentums 3 2 Der ursprungliche Erwerb Sachenrecht 3 3 Das personliche Recht Vertragsrecht 3 4 Auf dingliche Art erworbene Rechte an einer Person Hausherrenrecht 4 Offentliches Recht 4 1 Staatsrecht 4 2 Volkerrecht 4 3 Weltburgerrecht 5 Kritik 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseInhaltsubersicht BearbeitenInhalt Vorrede Einleitung in die Metaphysik der Sitten Einleitung in die Rechtslehre Privatrecht Offentliches RechtNach einer kurzen Vorrede in der Kant das Prinzip der kritischen Philosophie verteidigte nahm er in einer Einleitung zur Metaphysik der Sitten deren Einordnung in das gesamte System seiner Philosophie vor Diese Einleitung ist Bestandteil der Rechtslehre weil der zweite Teil der Metaphysik der Sitten die Tugendlehre erst etwa ein halbes Jahr spater als eigenstandiges Buch im August 1797 veroffentlicht wurde Dementsprechend folgt in der Rechtslehre eine zweite Einleitung die sich speziell mit den allgemeinen Prinzipien des Rechts befasst Hier erorterte Kant den Begriff des Rechts das allgemeine Prinzip des Rechts die Frage des Zwangs das Verhaltnis des Rechts zum Problem der Billigkeit sowie die Frage des Notrechts Schliesslich diskutierte er mogliche Einteilungen des Rechts nach Rechtspflichten und systematisch Erst nach den grundsatzlichen Erorterungen der Einleitung schliessen sich in zwei ausfuhrlichen streng getrennten Teilen Betrachtungen zum Privatrecht und zum offentlichen Recht an Ausgangspunkt des Privatrechts ist die Begrundung des Eigentums der Uberlegungen zum Sachenrecht zum personlichen Recht und zum Familienrecht dem auf dingliche Art personlichen Recht folgen Gegenstand des Offentlichen Rechts bei Kant sind das Staatsrecht das Volkerrecht und das Weltburgerrecht Rechtsprinzipien BearbeitenDie Idee der Freiheit als Ausgangspunkt des Rechts Bearbeiten Entgegen der bis dahin vorherrschenden Naturrechtslehre wollte Kant ein System von Rechtsprinzipien entwickeln das sich allein auf Prinzipien der Vernunft grundet In der KrV hatte er gezeigt dass der Mensch keine transzendenten Grundlagen seines Handelns erkennen kann In seiner Ethik GMS KpV hatte er begrundet dass die menschliche Vernunft die Annahme einer praktischen Freiheit fordert Es gehort zu den unumstosslichen Erfahrungen des Menschen dass er trotz aller Neigungen sich Ziele setzen und diese verwirklichen kann Hieraus folgt dass der Mensch autonom ist Diesem Faktum tragt der kategorische Imperativ Rechnung wenn er fordert die Menschheit niemals nur als Mittel sondern stets auch als Zweck zu behandeln Menschenrechtsformel GMS AA IV 429 Die Vernunft gebietet den Menschen als Person stets anzuerkennen Ein jeder Mensch hat rechtmassigen Anspruch auf Achtung von seinen Nebenmenschen und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden Anderen verbunden TL VI 462 Da die Welt endlich und begrenzt ist kommt es notwendig zu Konflikten zwischen der Freiheit des Einzelnen mit der Freiheit anderer Zur Auflosung solcher Konflikte bedarf es des Rechts als durch die Beteiligten aus Vernunftgrunden festgelegten Regeln In diesem Tatbestand liegt eine fur das auf Freiheit gegrundete Recht unvermeidbare Antinomie Freiheit ist einerseits das einzige ursprungliche jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht Andererseits bedeutet das Vorhandensein des Rechts eine Einschrankung der Freiheit um durch diese Grenzziehung die Freiheit anderer zu gewahrleisten Diese Einschrankung von Freiheit durch das Recht ist nach Kant aber nur negativ bestimmt namlich nur insoweit die Freiheit eines anderen nicht beschnitten wird Im Rahmen des Rechts verbleibt dem Betroffenen daruber hinaus ein unbegrenzter Spielraum der eigenen Willkur zu folgen Naturrecht und positives Recht Bearbeiten Kant verwendete fur seine Rechtsprinzipien die konventionelle Bezeichnung Naturrecht um dieses Recht von dem positiven Recht strikt abzugrenzen Gegenstand der Rechtslehre ist das Naturrecht Positives Recht beruht hingegen vorrangig nicht auf Prinzipien sondern ist kontingent von einer Regierung gesetzt und gibt daher kein Kriterium dafur was recht ist Eine bloss empirische Rechtslehre ist wie der holzerne Kopf in Phadrus Fabel ein Kopf der schon sein mag nur schade dass er kein Gehirn hat RL VI 230 Vielmehr ist das Naturrecht immer der Massstab fur die positiven Gesetze eines Gesetzgebers Das kantische Naturrecht ist allerdings nur a priori durch die Vernunft erkennbar RL VI 224 und wird daher auch als Vernunftrecht bezeichnet Traditionelle Massstabe des Naturrechts wie eine kosmologische Weltordnung gottliche Gebote oder das naturliche Wesen des Menschen waren fur Kant ebenso wenig rechtsbegrundend wie positives Recht Rechtsprinzipien sind vielmehr ein Teil der moralischen Prinzipien der reinen praktischen Vernunft Sie gehen allerdings nicht nur auf die innere Selbstgesetzgebung sondern sind auf die ausseren Beziehungen zwischen Personen eingeschrankt Der Begriff des Rechts sofern er sich auf eine ihm korrespondierende Verbindlichkeit bezieht d i der moralische Begriff derselben betrifft erstlich nur das aussere und zwar praktische Verhaltnis einer Person gegen eine andere sofern ihre Handlungen als Facta aufeinander unmittelbar oder mittelbar Einfluss haben konnen RL VI 230 Das allgemeine Rechtsprinzip Bearbeiten Kant formulierte das oberste Rechtsprinzip als kategorischen Imperativ der sich auf das aussere Verhaltnis von Personen zueinander bezieht Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen unter denen die Willkur des einen mit der Willkur des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann RL VI 230 Eine Einschrankung der Freiheit ist also nur insoweit zulassig wie diese ein Zusammenstimmen mit der Freiheit eines anderen ermoglicht Jede andere Einschrankung ist Unrecht Hierin liegt die Grenze fur die Legitimitat positiven Rechts Mit diesem Rechtsimperativ lieferte Kant zugleich eine Begrundung fur die liberale burgerliche Weltanschauung der Aufklarung seiner Zeit Das Rechtsprinzip ist ein negatives Prinzip weil alles erlaubt ist was hiernach nicht verboten ist Eine Pflicht besteht nur nicht gegen das Verbot zu verstossen Zwangsbefugnis Bearbeiten Das Recht ist mit der Befugniss zu zwingen verbunden RL VI 231 Dieser Grundsatz resultiert Kant zufolge analytisch aus dem allgemeinen Rechtsprinzip so dass Verstosse die den durch dieses Prinzip gewahrten Freiheitsraum anderer einschranken durch Zwang verhindert werden durfen Zwang in diesem Sinne ist eine legitime Gegengewalt gegen das Unrecht Der rechtliche Zwang ist die Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen und daher selbst recht und mit diesem Hindernis nach dem Satze des Widerspruchs logisch verknupft RL VI 231 Rechtspflichten Bearbeiten Rechtspflichten sind nach Kant Pflichten deren Erfullung ausserlich erzwungen werden kann Sie sind Gegenstand einer moglichen ausseren Gesetzgebung Mithin ist der Unterschied ethischer Pflichten bzw Tugendpflichten einerseits und Rechtspflichten andererseits nicht primar ihr Inhalt sondern die Triebfeder die im Gesetz mit der Pflicht verbunden ist Bei Rechtspflichten kann dies eine aussere Triebfeder sein bei ethischen Pflichten muss dies eine innere Triebfeder sein Kant nannte unter Bezugnahme auf die klassischen Grundsatze Ulpians drei Rechtspflichten als Einteilung der Rechtslehre namlich Die innere Rechtspflicht Sei ein ehrbarer Mensch oder Lasse dich von anderen nicht zum Mittel machen sondern sei fur sie zugleich Zweck honeste vive Verletze nicht das Recht anderer neminem laede Tritt in einen Zustand in dem das Recht aller Individuen gesichert sein kann suum cuique tribue Inneres Recht Bearbeiten Kant bestimmt ausserdem ein angeborenes inneres Recht das jedem Menschen als Mensch zukommt Es ist das Recht der Menschheit in der Person eines jeden oder das Menschenrecht namlich die Freiheit Unabhangigkeit von eines anderen notigender Willkur sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann Das angeborene Recht nennt Kant auch das innere Mein und Dein Privatrecht BearbeitenDie Begrundung des Eigentums Bearbeiten Der Begriff des Eigentums ist fur Kants Rechtsphilosophie grundlegend In ihm kommt zum Ausdruck wie sich die personliche Freiheit das innere Mein und Dein des Einen mit der des Anderen in Bezug auf aussere Gegenstande verhalt Das Recht auf individuelle Willkurfreiheit beinhaltet dass Sachen Gegenstand der Willkur sind Eine Ablehnung dieser Willkurfreiheit ware ein Verstoss gegen das allgemeine Rechtsprinzip Es ist moglich einen ausseren Gegenstand meiner Willkur als das Meine zu haben d i eine Maxime nach welcher wenn sie Gesetz wurde ein Gegenstand der Willkur an sich objektiv herrenlos res nullius Sache von niemand werden musste ist rechtswidrig RL VI 246 Wenn es Rechtsverhaltnisse in Hinblick auf Sachen gibt dann muss es auch ein ausseres Mein und Dein geben Dies ist nach Kant das rechtliche Postulat der reinen praktischen Vernunft Kant begrundete diese Auffassung mit einem negativen Argument Das rechtlich Meine ist dadurch gekennzeichnet dass es der Willkur eines Anderen entzogen ist Sein Gebrauch ohne meine Einwilligung wurde meine Willkurfreiheit verletzen Also ist es eine Voraussetzung a priori der praktischen Vernunft einen Gegenstand meiner Willkur als objektiv mogliches Mein oder Dein anzusehen und zu behandeln RL VI 246 Dies gilt unmittelbar fur alle Gegenstande des physischen Besitzes Damit ist aber der Begriff des Eigentums noch nicht bestimmt Kant fuhrte hierzu den Begriff des intelligiblen des rein gedanklichen Besitzes ein Etwas Ausseres aber wurde nur dann das Meine sein wenn ich annehmen darf es sei moglich dass ich durch den Gebrauch den ein Anderer von der Sache macht in deren Besitz ich noch nicht bin gleichwohl doch ladiert verletzt werden konne RL VI 245 Der rechtliche Besitz bleibt bestehen auch wenn der Gegenstand der Willkur sich zeitweilig an einem anderen Ort als der Besitzer befindet Ware dies nicht so wurde der nicht mehr physisch besessene Gegenstand herrenlos Bei einem objektiv herrenlosen Gegenstand gabe es aber nicht mehr die Moglichkeit der Willkur seines Gebrauchs Also kann man die Herrenlosigkeit von Sachen nicht zu einer allgemeinen Regel machen denn diese wurde dem allgemeinen Rechtsprinzip widersprechen Nachdem Kant den intelligiblen Besitz als Postulat der reinen praktischen Vernunft erarbeitet und aus dem allgemeinen Rechtsprinzip begrundet hatte wandte er sich den moglichen Gegenstanden des ausseren Mein und Dein zu Hierzu unterschied er drei Klassen von Willkurgegenstanden Korperliche Gegenstande und Sachen ursprunglicher Erwerb die Willkur einer anderen Person vertraglicher Erwerb den Zustand einer anderen Person im Verhaltnis auf das erwerbende Subjekt Familien und Hausrecht Durch die Einfuhrung von unterschiedlichen Arten der Gegenstande des Rechts und daraufhin zu treffende Fallunterscheidungen entsteht ein Bezug der Rechtsprinzipien zu empirischen Gehalten Dennoch bleibt die Untersuchung auf der Ebene der Vernunft weil ihr keine konkreten empirischen Sachverhalte zugrunde liegen Der ursprungliche Erwerb Sachenrecht Bearbeiten Das einzige ursprungliche Recht ist das angeborene Freiheitsrecht des Menschen Das Recht an einer Sache kann daher nur durch einen ursprunglichen Erwerbsvorgang entstehen Kant betrachtete diesen Schritt nicht als historische Entwicklung sondern als einen abstrakt notwendigen Vorgang fur die Begrundung der Entstehung von Eigentum Mit der Inbesitznahme eines Gegenstandes wird allen Anderen die Verbindlichkeit auferlegt diesen Gegenstand nicht mehr als frei fur die eigene Willkur anzusehen Der ursprungliche Erwerb erfolgt nach Kant durch Aneignung von Grund und Boden Jeder andere Erwerb ist dann ein abgeleiteter vertraglicher Erwerb Dies gilt zumindest theoretisch selbst fur das in Besitz nehmen einer Muschel am Strand oder eines Steines im Gelande Mit einer einfachen einseitigen Erklarung ist jedoch noch nichts erreicht denn durch einseitigen Willen kann Anderen eine Verbindlichkeit die sie sonst nicht haben wurden nicht auferlegt werden RL VI 264 Das Problem liegt darin dass auf der Erde Boden und auch andere Guter knapp sind Ware dies nicht der Fall wurde man mit der eigenen Willkur Andere nicht einschranken Um dieses Dilemma zu uberwinden mussen die Menschen sich auf die Idee einer a priori vereinigten Willkur stutzen Diese beinhaltet dass sie die Willkur anderer ebenso gegen sich selbst gelten lassen mussen Diese Idee einer allgemeinen Ubereinkunft ist Grundlage dafur dass Rechtsverhaltnisse in Bezug auf aussere Gegenstande uberhaupt bestehen konnen Damit eine solche Ubereinkunft ihrerseits wiederum uberhaupt gedacht werden kann bedarf es der Idee eines ursprunglichen Besitzes alles vorhandenen Grund und Bodens durch die menschliche Gemeinschaft Der Boden ist im Ursprung nicht herrenlos sonst hatte die Gemeinschaft nicht das Recht dem Erwerb zuzustimmen Die Inbesitznahme des Bodens erfolgt nach Kant durch Deklaration als ausseres Mein Die Art und Weise der empirischen Verteilung ist eine Frage des von Kant hier nicht behandelten positiven Rechts Ahnlich wie Locke lehnte er eine Konstitution des Eigentums durch Vertrag ab wie sie im Naturrecht beispielsweise durch Grotius vertreten wurde Gegen Locke war er aber der Auffassung dass die Arbeit nicht zur Kennzeichnung von Eigentum an einer ausseren Sache ausreicht Diese ist wie die physische Okkupation nur ein Zeichen des physischen Besitzes nicht aber des rechtlichen Besitzes Das personliche Recht Vertragsrecht Bearbeiten In der zweiten Klasse der Rechtsbeziehungen in Hinblick auf das aussere Mein und Dein entstehen Pflichten durch die Handlung eines Versprechens durch das etwas was der eigenen Willkur unterliegt in den Bereich der Willkur eines anderen ubertragen wird Was aber ist das Aussere das ich durch Vertrag erwerbe Da es nur die Kausalitat der Willkur des Anderen in Ansehung einer mir versprochenen Leistung ist so erwerbe ich dadurch unmittelbar nicht eine aussere Sache sondern eine Tat desselben dadurch jene Sache in meine Gewalt gebracht wird Durch Vertrag also erwerbe ich das Versprechen eines anderen nicht das Versprochene RL VI 273 274 Zur Wirksamkeit eines Vertrages bedarf es des Versprechens und seiner Annahme Ein Vertrag kommt demnach wirksam zustande wenn der Wille der Beteiligten zugleich und ubereinstimmend deklariert wird Dieser gemeinsame Wille ist nur intelligibel wohingegen in der empirischen Abfolge eine zeitliche Lucke zwischen beiden Willensausserungen liegt Diese kann durch aussere Handlungen wie einen Handschlag verkurzt aber nicht aufgehoben werden Die Erfullung eines Vertrages ist unabhangig vom Vertrag selbst Sie kann daher erzwungen werden Durch das Versprechen gelangt der Annehmende in das Recht auf die Willkur eines Anderen namlich dass dieser das Versprochene auch leistet Auf dingliche Art erworbene Rechte an einer Person Hausherrenrecht Bearbeiten Das angeborene Freiheitsrecht des Menschen ist unverausserlich Demnach kann der einzelne Mensch weder sich selbst besitzen und veraussern noch uber eine andere Person nur als Mittel verfugen Dennoch gibt es im Privatrecht Rechtsbeziehungen zwischen Personen in denen diese auf dingliche Art gebraucht werden Es ist der Sachverhalt des Besitzes eines ausseren Gegenstandes als einer Sache und des Gebrauches desselben als einer Person RL VI 276 Kant unterteilte diesen Bereich des hauslichen Gesellschaftsrechts in der Tradition der Naturrechtslehrer Pufendorf Wolff Achenwall in Eherecht Elternrecht Herrschaftsrecht Die Erwerbung von Rechten dieser Art an Personen geschieht durch faktische Verhaltnisse Damit das Freiheitsrecht nicht verletzt wird muss auch im Hausherrenrecht die Vereinigung der Willkur der Beteiligten in einem gemeinsamen Willen angenommen werden Daraus ergibt sich dass den Rechten zum Gebrauch einer Person auch Pflichten zum Schutz des Anderen gegenuberstehen Eine besondere Konstruktion ist die Begrundung des Eherechts Kant behauptete dass man bei Befriedigung des Geschlechtstriebs den Anderen in Besitz nimmt und dabei dessen Person als Mittel gebraucht Damit das Freiheitsrecht nicht verletzt wird muss eine Willensgemeinschaft gebildet werden in der beide Geschlechtspartner sich wechselseitig besitzen Nur durch die Ehe ist gewahrleistet dass beide die moglichen Konsequenzen des Geschlechtsverkehrs wie die Ubertragung von Krankheiten oder eine Schwangerschaft mit ihren moglichen Folgen auch tragen ohne die Personlichkeit des anderen zu verletzen Aus diesem wechselseitigen Besitz schloss Kant zugleich dass die Ehe unaufloslich ist und der verlassene Ehepartner die Ruckkehr des Anderen als seines Besitzes fordern konne Die rechtliche Beziehung zwischen Eltern und Kind entsteht fur Kant bereits durch den Akt der Zeugung wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt und eigenmachtig in sie heruber gebracht haben RL VI 281 Wenn die Eltern das Kind nicht als Person anerkennen und ihren Verpflichtungen zu seinem Schutz und seiner Erziehung nicht nachkommen verletzen sie dessen Personlichkeitsrecht Durch die dingliche Art der rechtlichen Beziehung haben die Eltern allerdings das Recht Eingriffe dritter zu verwehren Zugleich haben sie Anspruch auf Gehorsam des Kindes im Erziehungsprozess Die wechselseitige Abhangigkeit zwischen Eltern und Kind erlischt automatisch mit der Volljahrigkeit durch die das Kind mundig wird und die Pflichten zum Unterhalt und zur Erziehung ebenso wie die Gehorsamspflichten entfallen In der Beziehung zwischen Herr und Knecht kommt noch sehr stark das Muster der feudalen Hausgemeinschaft zur Geltung das Kant der Rechtsbeziehung zwischen Personen zugrunde gelegt hatte Der Hausherr hat gegenuber dem Knecht Befehlsgewalt und das Recht dessen Person auf dingliche Art zu nutzen Andererseits hat er die Pflicht dem Knecht Schutz und Unterhalt zu bieten Offentliches Recht BearbeitenStaatsrecht Bearbeiten Kant bezeichnete das offentliche Recht als den Inbegriff der Gesetze die einer allgemeinen Bekanntmachung bedurfen um einen rechtlichen Zustand hervorzubringen RL VI 311 Ein solches System von Gesetzen bietet den institutionellen Rahmen unter einem vereinigten Willen um an dem was Rechtens ist teilhaftig zu werden Einen Zusammenschluss eines Volkes unter einem Rechtssystem nannte Kant burgerlichen Zustand und die dadurch entstandene Institution Staat Ein Staat civitas ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen RL VI 313 Die Vernunft gebietet nach Kant einen solchen Staat zu bilden und zwar nicht aufgrund der empirischen Erfahrung von Gewalttatigkeit oder Bosartigkeit sondern allein aus Vernunftgrunden um den ungeregelten Naturzustand aufzuheben in dem die freie Willkur des Einzelnen notwendig mit der gleichberechtigten Willkur Anderer in Konflikt gerat In einem rechtsleeren Raum gibt es keine Moglichkeit Konflikte zu losen selbst wenn alle Beteiligten guten Willens sind Anders als bei Rousseau bei dem in der Einzelne am Gesamtwohl des Staates orientiert ist legte Kant seiner liberalen Staatsauffassung den freien Burger zugrunde der allein aus der Vernunft in den Staat eintritt und im Ubrigen seinen individuellen Interessen folgt Offentliches Recht im Sinne Kants ist auch das aus der Vernunft begrundete Privatrecht sofern es positives Recht geworden ist Der Unterschied zum rein gedanklichen Naturzustand ist der dass durch das positive Recht die Bedingungen angegeben werden unter denen jene die Gesetze im Naturzustand zur Ausubung der distributiven Gerechtigkeit kommen RL VI 313 Kant stellte ohne weitere Begrundung fest dass es im Staat drei Gewalten gibt die Herrschergewalt Souveranitat des Gesetzgebers die vollziehende Gewalt der Regierung die rechtsprechende Gewalt des Richters Jedem das Seine nach dem Gesetz Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen RL VI 313 Der aus der Vernunft begrundete Staat ist republikanisch verfasst In ihm gelten die Prinzipien der gesetzlichen Freiheit der burgerlichen Gleichheit und der burgerlichen Selbstandigkeit Nur die Fahigkeit zur Stimmgebung mach die Qualifikation zum Staatsburger aus RL VI 314 Hier schwachte Kant allerdings sein theoretisch klares Konzept ein und machte den politischen und gesellschaftlichen Verhaltnissen seiner Zeit Zugestandnisse Er raumte zwar einen eigentlichen Widerspruch ein vertrat aber die Auffassung dass abhangige Personen jedermann der nicht nach eigenem Betrieb sonder nach der Verfugung Anderer ausser der des Staates genotigt ist seine Existenz Nahrung und Schutz zu erhalten RL VI 314 kein Stimmrecht haben sollten Als Beispiele nannte er Gesellen Dienstboten Unmundige naturaliter vel civiliter und alles Frauenzimmer Er betonte zugleich dass auch diese Personen das Recht hatten nach den Gesetzen der naturlichen Freiheit und Gleichheit behandelt zu werden Der Akt wodurch sich das Volk selbst zu einem Staat konstituiert eigentlich aber nur die Idee desselben nach der die Rechtmassigkeit desselben allein gedacht werden kann ist der ursprungliche Kontrakt nachdem alle omnes et singuli im Volk ihre aussere Freiheit aufgeben um sie als Glieder eines gemeinen Wesens d i des Volkes als Staat betrachtet universi sofort wieder aufzunehmen RL VI 315 Erst durch die Aufgabe der gesetzlosen Freiheit kann man seine Freiheit im Rechtsstaat uberhaupt verwirklichen Die Idee des Staatsvertrages war fur Kant ein theoretisches Konstrukt ein Gedankenexperiment das der Begrundung der Rechtsverhaltnisse in einem burgerlichen Staat dient der auf Prinzipien der Vernunft beruht Volkerrecht Bearbeiten Die Notwendigkeit eines Volkerrechts ergibt sich daraus dass bevor ein offentlich gesetzlicher Zustand errichtet worden vereinzelte Menschen Volker und Staaten niemals vor Gewalttatigkeit gegeneinander sicher konnen RL VI 312 Das Verhaltnis von Staaten untereinander betrachtete Kant in Analogie zum Verhaltnis einzelner Individuen untereinander Ohne Volkerrecht besteht auch zwischen Staaten ein Naturzustand Daraus leitete Kant fur die Staaten die Pflicht ab durch einen Volkerbund in einen rechtlichen Zustand untereinander einzutreten Die Sicherstellung der Freiheitsrechte des einzelnen Staates muss dabei durch folgende Prinzipien gewahrleistet werden keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates Recht auf Verteidigung gegen Angriffe eines ausseren FeindesIm Volkerbund gibt es keine Regierung und keinen Gesetzgeber Der Volkerbund ist bei Kant also kein Weltstaat Weltburgerrecht Bearbeiten Im Weltburgerrecht ius cosmopoliticum dessen Vorstellung bereits in der Schrift Zum ewigen Frieden 1795 zu finden ist behandelte Kant ein allgemeines Fremdenrecht das heisst die Beziehung eines Staates zu den Burgern anderer Staaten Aus dem allgemeinen Freiheitsrecht folgt dass jeder friedliche Mensch sich an jedem Ort der Welt aufhalten darf Dabei geniesst er ein Hospitalitatsrecht Besuchsrecht solange dies ohne Gewalt und ohne Missbrauch geschieht RL VI 353 Niemand darf territoriale Anspruche gegen andere Staaten erheben selbst wenn man damit rechtfertigt dass eine solche Gewaltthatigkeit zum Weltbesten gereiche Dies gilt selbst gegenuber Nomaden und Hirtenvolkern etwa in Afrika oder Amerika Kant kritisierte hier die Kolonisationspolitik seiner Zeit Ein Niederlassungsrecht fur einen Fremden besteht nur aufgrund Vertrag 1 In der Friedensschrift unterschied Kant zwischen dem Hospitalitatsrecht und dem Gastrecht Letzteres kann ein Staat einem Besucher verweigern und diesen ausweisen solange damit nicht sein Untergang verbunden ist Frieden AA VIII 358 Diese Einschrankung verweist bereits auf die Debatte uber das moderne Asylrecht Kritik BearbeitenKants Konzept eines auf dingliche Art personlichen Rechts ist schon von seinen Zeitgenossen kritisch gesehen worden Gemeint ist damit das Ehe Hausherrn oder Familienrecht In der Ehe so meint Kant besitzen sich die Ehegatten gegenseitig und zwar auf dingliche Art Dies bedeutet etwa dass sie sich gegenseitig zwingen konnen im Zustand der Gemeinschaft zu verbleiben 2 Literatur BearbeitenPrimartextBernd Ludwig Hrsg Metaphysische Anfangsgrunde der Rechtslehre Meiner Hamburg 1986 SekundarliteraturRainer Friedrich Eigentum und Staatsbegrundung in Kants Metaphysik der Sitten de Gruyter Berlin 2004 ISBN 3 11 018166 5 Georg Geismann Kant und kein Ende 02 Studien zur Rechtsphilosophie Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2009 ISBN 978 3 8260 4194 5 Otfried Hoffe Hrsg Immanuel Kant Metaphysische Anfangsgrunde der Rechtslehre Klassiker Auslegen Band 19 Akademie Verlag Berlin 1999 ISBN 3 05 003025 9 Dieter Huning Burkhard Tuschling Hrsg Recht Staat und Volkerrecht bei Immanuel Kant Duncker amp Humblot Berlin 1998 ISBN 3 428 09602 9 Fiete Kalscheuer Autonomie als Grund und Grenze des Recht Das Verhaltnis zwischen dem kategorischen Imperativ und dem allgemeinen Rechtsgesetz Kants de Gruyter Berlin Boston 2014 ISBN 978 3 11 037007 2 Wolfgang Kersting Wohlgeordnete Freiheit Immanuel Kants Rechts und Staatsphilosophie Mentis Paderborn 2007 ISBN 978 3 89785 587 8 Diethelm Klesczewski Frank Neuhaus Steffi Muller Hrsg Kants Lehre vom richtigen Recht Aufklarung der Menschheitsfragen der gegenwartigen Jurisprudenz Mentis Paderborn 2006 ISBN 3 89785 481 3 Burkhard Kuhnemund Eigentum und Freiheit Ein kritischer Abgleich von Kants Rechtslehre mit den Prinzipien seiner Moralphilosophie kassel university press Kassel 2008 ISBN 978 3 89958 433 2 Bernd Ludwig Kants Rechtslehre Meiner Hamburg 2005 ISBN 3 7873 0728 1 Weblinks BearbeitenPrimartexteText der Akademie Ausgabe Vorarbeiten zu Die Metaphysik der Sitten Erster Teil Metaphysische Anfangsgrunde der Rechtslehre AA XXIII S 207 370 online Reflexionen zur Rechtsphilosophie AA XIX S 442 613 online Rezension von Friedrich Bouterwerk von 1797SekundarliteraturMicha Brumlik Fritz Bauer Adolf Eichmann Immanuel Kant und Hannah Arendt Die Frage nach den Grenzen strafrechtlicher Vergangenheitsbewaltigung Horst Dreier Kants Republik Juristenzeitung 59 2004 S 745 804 Georg Geismann Kant als Vollender von Hobbes und Rousseau PDF 66 kB Jose N Heck Gerechtigkeit als Vereinbarung Kant und der moderne Kontraktualismus Thomas Soren Hoffmann Kant und das Naturrechtsdenken MS Word 110 kB Diethelm Klesczewski Kants Ausdifferenzierung des Gerechtigkeitsbegriffs als Leitfaden der Unterscheidung von Unrechtsformen PDF 183 kB Susanne Moser Kant uber die naturliche Unterlegenheit der Frau Eine feministische Kritik Dietmar von der Pfordten Zum Begriff des Staates bei Kant und Hegel PDF 169 kB Voladet Saykham Das Menschenrecht bei Immanuel Kant Dissertation Berlin 2001 PDF 1 0 MB Michael Stadtler Recht Moral und Politik bei Kant und im Grundrechteabschnitt des Grundgesetzes PDF 235 kB Einzelnachweise Bearbeiten Jean Paul Muller Das Weltburgerrecht 62 und Beschluss in Otfried Hoffe Hrsg Metaphysische Anfangsgrunde der Rechtslehre Akademie Berlin 1999 S 257 258 Vgl zum besseren Verstandnis hierzu die heutige Unterscheidung zwischen dinglichen und obligatorischen Anspruchen in Deutschland Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Metaphysische Anfangsgrunde der Rechtslehre amp oldid 228489624