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Das Mermin Wagner Theorem oder Mermin Wagner Hohenberg Theorem ist ein Theorem der theoretischen speziell der statistischen Physik das sehr allgemein besagt dass es in ein und zweidimensionalen Systemen bei Temperaturen oberhalb des absoluten Nullpunkts fur Systeme mit kontinuierlicher Symmetrie und genugend kurzreichweitigen Wechselwirkungen Fussnote 1 keine spontane Symmetriebrechung geben kann Es ist benannt nach N David Mermin und Herbert Wagner die das Theorem basierend auf der Bogoliubov Ungleichung im Kontext des Goldstonetheorems 1 fur Ferromagnetismus und Antiferromagnetismus 2 und fur niedrigdimensionale Kristalle 3 ableiteten Pierre Hohenberg hat nahezu zeitgleich Fussnote 2 die gleichen Uberlegungen zu Quantensystemen angestellt und gezeigt dass es keine Suprafluiditat und Supraleitung in ein und zwei Dimensionen geben sollte 4 Fur die Quantenfeldtheorie wurde ein entsprechender Satz von Sidney Coleman bewiesen Nicht Existenz von Goldstonebosonen in zwei Dimensionen 5 Das Fehlen eines Symmetriebruches wird oft synonym verwendet dass es keine Ordnung im System geben darf z B keinen Ferromagnetismus Antiferromagnetismus oder keine Kristalle Exakt muss es lauten dass es keine perfekt langreichweitige Ordnung geben kann quasi langreichweitige Ordnung ist nicht ausgeschlossen Anwendungsgebiet sind u a das XY Modell n Vektor Modell mit n 2 displaystyle n 2 dimensionaler Spinvariable und das Heisenberg Modell n 3 displaystyle n 3 dimensionale Spinvariable das Mermin und Wagner ursprunglich in zwei Dimensionen betrachteten Auch wenn das Mermin Wagner Hohenberg Theorem einen klassischen Phasenubergang beim XY Modell in zwei Dimensionen verhindert konnen allgemein Phasenubergange anderer Art auftreten Kosterlitz Thouless Ubergang Dagegen liegt im Isingmodell n 1 displaystyle n 1 dimensionale Spinvariable keine kontinuierliche Symmetrie vor die Spinvariable nimmt die zwei diskreten Werte 1 an so dass der Satz nicht anwendbar ist Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Energetisches Argument 3 Entropisches Argument 4 Beispiel in einer kolloidalen Monolage 5 Limitierung 6 Anmerkung 7 Fussnoten 8 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenFelix Bloch hatte schon 1930 bei der Diagonalisierung der Slater Determinante fur Fermionen darauf hingewiesen dass es Magnetismus in 2D nicht geben sollte 6 Einige anschauliche Argumente die unten aufgefuhrt sind hat Rudolf Peierls geliefert 7 auch Lew Landau hat zum Symmetriebruch in 2D gearbeitet 8 Energetisches Argument Bearbeiten nbsp Abbildung 1 Skizze einer Reihe von magnetischen Dipolen antiferromagnetisch angeordnet die in einer Ebene senkrecht zur Achse drehbar sind in der niedrigsten angeregten Mode Der Winkel zwischen benachbarten Momenten ist g displaystyle gamma nbsp die Lange der Kette L Ein Grund fur fehlende langreichweitige Ordnung ist dass mit sehr wenig Energieaufwand langreichweitige Fluktuationen in den Feldtheorien oft masselose Goldstone Moden genannt angeregt werden welche die perfekte Periodizitat zerstoren Betrachtet man als ein magnetisches Model wie etwa das XY Model in einer Dimension eine Kette der Lange L displaystyle L nbsp von magnetischen Momenten in harmonischer Naherung d h die Ruckstellkrafte bei Auslenkung eines Momentes sind proportional zum Auslenkungswinkel g i displaystyle gamma i nbsp dann folgt dass die Energien quadratisch in den Auslenkungswinkeln sind E i g i 2 displaystyle E i propto gamma i 2 nbsp Die Gesamtenergie der Kette ist somit E ges i g i 2 displaystyle E text ges propto sum i gamma i 2 nbsp Betrachtet man die niedrigste angeregte Mode in einer Dimension siehe Abbildung 1 dann verdrehen sich die Momente auf der Lange L displaystyle L nbsp entlang der Kette gerade um p displaystyle pi nbsp Sind insgesamt N displaystyle N nbsp magnetische Momente auf der Kette dann ist der relative Winkel zwischen allen Momenten gleich und lautet g i p N displaystyle gamma i pi N nbsp Die Gesamtenergie fur die niedrigste Mode ist E ges N g i 2 N p 2 N 2 L p 2 L 2 displaystyle E text ges propto N cdot gamma i 2 N frac pi 2 N 2 propto L frac pi 2 L 2 nbsp Im thermodynamischen Limes d h L displaystyle L to infty nbsp N displaystyle N to infty nbsp L N const displaystyle L N text const nbsp verschwindet die Energie dieser Mode mit der Systemgrosse 1 L displaystyle propto 1 L nbsp Fur beliebig grosse Systeme kosten die langwelligen Moden keine Energie und werden folglich thermisch angeregt sein Derart ist die langreichweitige Ordnung auf der Kette zerstort In zwei Dimensionen bzw auf einer Flache ist die Anzahl der mag Momente N L 2 displaystyle N propto L 2 nbsp die Energie fur die langwelligste Mode ist E ges N 2 g i 2 L 2 p 2 L 2 displaystyle E text ges propto N 2 cdot gamma i 2 propto L 2 frac pi 2 L 2 nbsp Im thermodynamischen Limes ist die Energie dafur konstant und die Moden werden bei hinreichend hoher Temperatur angeregt sein In drei Dimensionen bzw im Volumen V L 3 displaystyle V L 3 nbsp ist die Energie E ges N 3 g i 2 L 3 p 2 L 2 displaystyle E text ges propto N 3 cdot gamma i 2 propto L 3 frac pi 2 L 2 nbsp Fur beliebig grosse Systeme divergiert die Energie fur die langwelligste Mode und wird folglich unterdruckt sein Die langreichweitige Ordnung wird in 3D nicht gestort Entropisches Argument Bearbeiten nbsp Abbildung 2 In einer Dimension gibt es nur einen Pfad zwischen benachbarten Teilchen in zwei Dimensionen gibt es zwei Pfade und in drei Dimensionen gibt es sechs PfadeEin entropisches Argument gegen perfekte langreichweitige Ordnung in Kristallen in D lt 3 displaystyle D lt 3 nbsp geht wie folgt siehe Abbildung 2 Betrachtet man eine Kette von Atomen Teilchen mit dem mittleren Teilchenabstand lt a gt displaystyle lt a gt nbsp dann werden thermische Fluktuationen z B zwischen Teilchen 0 displaystyle 0 nbsp und Teichen 1 displaystyle 1 nbsp dafur sorgen dass der Abstand um eine Lange 3 0 1 displaystyle xi 0 1 nbsp fluktuiert a lt a gt 3 0 1 displaystyle a lt a gt pm xi 0 1 nbsp Genau so gross wird die Amplitude der Abstandsfluktuationen zwischen Teilchen 1 displaystyle 1 nbsp und 0 displaystyle 0 nbsp sein 3 1 0 3 0 1 displaystyle xi 1 0 xi 0 1 nbsp Sind die beiden Abstandsfluktuationen statistisch unabhangig wie es fur thermische Fluktuationen der Fall ist dann addieren sich die Abstandsfluktuationen zwischen den zwei Teilchen 1 displaystyle 1 nbsp und Teilchen 1 displaystyle 1 nbsp d h beim doppelten mittleren Abstand auch statistisch unabhangig 3 1 1 2 3 0 1 displaystyle xi 1 1 sqrt 2 cdot xi 0 1 nbsp Fur zwei Teilchen im N fachen mittleren Abstand folgt bei statistisch unabhangiger Addition der Fluktuationen 3 0 N N 3 0 1 displaystyle xi 0 N sqrt N cdot xi 0 1 nbsp Obwohl der mittlere Abstand lt a gt displaystyle lt a gt nbsp gut definiert ist wachsen die Abweichungen von einer perfekt periodischen Kette mit der Wurzel der Systemgrosse In drei Dimensionen muss man um das gesamte Volumen abzustreichen in mindestens drei verschiedene Raumrichtungen laufen in einem kubischen Kristall ware das in der Summe entlang der Raumdiagonalen eines Wurfels von Teilchen 0 displaystyle 0 nbsp zu Teilchen 3 displaystyle 3 nbsp Wie in der Abbildung 2 nachzuzahlen ist gibt es dafur insgesamt sechs verschiedene Moglichkeiten Die Fluktuationen der Lange der sechs Pfade konnen jetzt nicht statistisch unabhangig sein da sie zwischen denselben Teilchen 0 displaystyle 0 nbsp und 3 displaystyle 3 nbsp herrschen Sie konnen sich nur koharent addieren und bleiben auf der Raumdiagonalen des Wurfels von der Grossenordnung 3 displaystyle xi nbsp In zwei Dimensionen haben Herbert Wagner und David Mermin gezeigt dass die Abstandsfluktuationen logarithmisch mit der Systemgrosse L displaystyle L nbsp anwachsen 3 ln L displaystyle xi propto ln L nbsp Beispiel in einer kolloidalen Monolage Bearbeiten nbsp Zweidimensionaler Kristall mit thermischen Fluktuationen der Teilchen Die roten Linien symbolisieren Kristallachsen und die grunen Pfeile die Auslenkung aus der jeweiligen Gleichgewichtslage Das Foto zeigt einen quasi zweidimensionalen Kristall aus Kolloiden kleine Partikel in wassriger Losung die an eine Grenzflache sedimentiert sind und nur in der Ebene Brownsche Diffusion machen konnen Die hexagonale kristalline Ordnung ist auf mittleren Skalen gut zu sehen weil die Abweichungen vom perfekten Kristall nur logarithmisch also recht langsam anwachsen Gut sind aber auch die Fluktuationen zu sehen als Abweichung der Positionen von den hier rot eingezeichneten Gitterlinien Diese Fluktuationen sind im Wesentlichen die Gitterschwingungen des Kristalls akustische Phononen Ein direkter experimenteller Nachweis der Mermin Wagner Hohenberg Fluktuationen ware wenn die Abweichungen grune Pfeile in der Vergrosserung logarithmisch mit dem Abstand von einem lokal angepassten Koordinatensystem blau anwachsen Diese sogenannte logarithmische Divergenz geht einher mit einem algebraischen langsamen Zerfall von Orts Korrelationsfunktionen Die Ordnung wird dann quasi langreichweitig genannt siehe auch Hexatische Phase Interessanterweise sind deutlichen Anzeichen von Mermin Wagner Fluktuationen in amorphen ungeordneten Systemen gefunden worden 9 10 11 In diesen Arbeiten wurde nicht die Abweichung von Gitterpositionen sondern die Grosse des mittleren Verschiebungsquadrates der Teilchen als Funktion der Zeit untersucht Die Fragestellung wurde gleichsam aus dem Ortsraum in die Zeitdomane verlagert Den theoretischen Hintergrund hat D Cassi sowie F Merkl und H Wagner geliefert 12 13 In diesen Arbeiten ist ein Zusammenhang zwischen der Ruckkehrwahrscheinlichkeit bei Zufallswegen und der spontanen Symmetriebrechung in verschiedenen Dimensionen aufgezeigt worden Die nichtverschwindende Ruckkehrwahrscheinlichkeit eines Zufallspfades bzw Random Walk in ein und zwei Dimensionen ist dual zum Fehlen der langreichweitigen Ordnung in ein und zwei Dimensionen wahrend die verschwindende Ruckkehrwahrscheinlichkeit dual zur Existenz von langreichweitiger Ordnung in 3D ist Limitierung BearbeitenBei realen Magneten liegt haufig keine kontinuierliche Symmetrie vor da schon bei vorhandener LS Kopplung das System anisotrop wird Bei atomaren Systemen wie Graphen lasst sich zeigen dass Monolagen kosmologischer Grosse notig sind um hinreichend grosse Amplituden der langwelligen Fluktuationen messen zu konnen 14 Eine weitere Diskussionen des Mermin Wagner Hohenberg Theorems und seiner Limitierungen hat Bertrand Halperin zusammengefasst 15 Anmerkung BearbeitenDer Widerspruch zwischen dem Mermin Wagner Theorem das langreichweitige Ordnung in Kristallen verbietet und den ersten Computersimulationen Alder amp Wainwright die Kristallisation in 2D andeuteten hatte Michael Kosterlitz und David Thouless motiviert ihre Arbeiten zu topologischen Phasenubergange in 2D zu entwickeln KTHNY Theorie fur die sie 2016 den Nobelpreis fur Physik verliehen bekamen Fussnoten Bearbeiten In der Originalarbeit von Mermin und Wagner Wechselwirkungen endlicher Reichweite entsprechend realistischen kurzreichweitigen Wechselwirkungen Bedingung ist dass die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten oder den Teilchen integrierbar ist d h schneller als 1 r abfallen Fur das 1 r Potential in 2D sind die ubernachsten und uberubernachsten Nachbarkorrelationen hinreichend stark dass z B das entropische Argument nicht funktioniert Der Artikel wurde nur zwei Tage spater als die Arbeit uber Magnetismus eingereicht ist aber erst ein halbes Jahr spater erschienenEinzelnachweise Bearbeiten H Wagner Long Wavelength Excitations and the Goldstone Theorem in Many Particle Systems with Broken Symmetries In Zeitschrift fur Physik 195 Jahrgang 26 April 1966 S 273 299 doi 10 1007 bf01325630 N D Mermin H Wagner Absence of Ferromagnetism or Antiferromagnetism in One or Two Dimensional Isotropic Heisenberg Models In Physical Review Letters 17 Jahrgang Nr 22 28 November 1966 S 1133 doi 10 1103 PhysRevLett 17 1133 N D Mermin Crystalline Order in Two Dimensions In Physical Review 176 Jahrgang 6 Juni 1968 S 250 254 doi 10 1103 PhysRev 176 250 P C Hohenberg Existence of Long Range Order in One and Two Dimensions In Physical Review 158 Jahrgang 24 Oktober 1966 S 383 386 doi 10 1103 PhysRev 158 383 Coleman There are no Goldstone bosons in two dimensions Commun Math Phys Band 31 1973 S 259 F Bloch Zur Theorie des Ferromagnetismus In Zeitschrift fur Physik 61 Jahrgang 1 Februar 1930 S 206 219 doi 10 1007 bf01339661 R E Peierls Bemerkungen uber Umwandlungstemperaturen In Helv Phys Acta 7 Jahrgang S 81 doi 10 5169 seals 110415 L D Landau Theory of phase transformations II In Phys Z Sowj 11 Jahrgang S 545 H Shiba Y Yamada T Kawasaki K Kim Unveiling Dimensionality Dependence of Glassy Dynamics 2D Infinite Fluctuation Eclipses Inherent Structural Relaxation In Physical Review Letters 117 Jahrgang Nr 24 2016 S 245701 doi 10 1103 PhysRevLett 117 245701 S Vivek C P Kelleher P M Chaikin E R Weeks Long wavelength fluctuations and the glass transition in two dimensions and three dimensions In Proc Nat Acad Sci 114 Jahrgang Nr 8 2017 S 1850 1855 doi 10 1073 pnas 1607226113 B Illing S Fritschi H Kaiser C L Klix G Maret P Keim Mermin Wagner fluctuations in 2D amorphous solids In Proc Nat Acad Sci 114 Jahrgang Nr 8 2017 S 1856 1861 doi 10 1073 pnas 1612964114 D Cassi Phase transitions and random walks on graphs A generalization of the Mermin Wagner theorem to disordered lattices fractals and other discrete structures In Journal of Statistical Physics 68 Jahrgang Nr 24 1992 S 3631 3634 doi 10 1103 PhysRevLett 68 3631 F Merkl H Wagner Recurrent random walks and the absence of continuous symmetry breaking on graphs In Journal of Statistical Physics 75 Jahrgang Nr 1 1994 S 153 165 doi 10 1007 bf02186284 R C Thompson Flagg M J B Moura M Marder Rippling of graphene In Europhys Lett 85 Jahrgang Nr 4 2009 S 46002 doi 10 1209 0295 5075 85 46002 B I Halperin On the Hohenberg Mermin Wagner Theorem and Its Limitations In Journal of Statistical Physics 175 Jahrgang Nr 3 4 2019 S 521 529 doi 10 1007 s10955 018 2202 y Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mermin Wagner Theorem amp oldid 239542524