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Die mittlere quadratische Verschiebung r 2 t displaystyle langle r 2 tau rangle englisch mean squared displacement MSD ist in der statistischen Physik ein Mass fur die Strecke die ein Teilchen im Mittel z B uber viele Versuche in einer gewissen Zeit zurucklegt Dieses Mass ist besonders bei der Beschreibung Brownscher Dynamik und anderen Zufallsbewegungen wichtig da dort typischerweise keine ausgezeichnete Richtung vorliegt entlang der man eine zuruckgelegte Strecke messen konnte Mittlere quadratische Verschiebung eines Tracer Teilchens in einer rein viskosen oder viskoelastischen FlussigkeitDarstellung einiger Trajektorien und des resultierenden MSD in der ublichen log log Darstellung einer einfachen Zufallsbewegung Die schwarzen Kreise haben den Radius r 2 t displaystyle sqrt langle r 2 tau rangle fur ausgewahlte t Inhaltsverzeichnis 1 Anschauliche Beschreibung und Interpretation 2 Exakte Definition 3 Bedeutung 4 Messung und Anwendung 5 Verbindung zur Geschwindigkeitsautokorrelation 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAnschauliche Beschreibung und Interpretation BearbeitenAnschaulich ist die mittlere quadratische Verschiebung ein Mass fur das Volumen das ein Teilchen das eine Zufallsbewegung ausfuhrt in einer gewissen Zeit durchstreift Als Beispiel betrachtet man eine reine Brownsche Bewegung in zwei Dimensionen vgl Abbildung rechts Lasst man mehrere Teilchen in der oberen Teilabbildung in verschiedenen Farben am gleichen Ort starten so bewegen sich zwar einzelne Teilchen vom Startpunkt weg aber jeweils in unterschiedliche Richtungen Auch kann jedes Teilchen durchaus zum Startpunkt zuruckkehren Mittelt man nun uber alle Teilchenpositionen nach einer Wartezeit t so wird dieser Mittelwert wieder nahe dem Startpunkt liegen die Teilchen haben sich also im Mittel nicht fortbewegt Hatten die Teilchen im Gegensatz dazu eine Vorzugsrichtung so wurde sich auch ihr Mittelwert mit einer gewissen Geschwindigkeit in diese Vorzugsrichtung bewegen Man beobachtet aber nun dass die Teilchen eine umso grossere Flache uberstreichen je langer man wartet konzentrische Kreise in der Abbildung die ausseren Kreise entsprechen langeren Wartezeiten t d h je langer man wartet desto eher befindet sich auch einmal ein Teilchen in grosserem Abstand vom Ausgangspunkt Zur Beschreibung dieser uberstrichenen Flache die langsam mit der Wartezeit t wachst kann man die mittlere quadratische Verschiebung aller Teilchen nutzen Ihre Wurzel r 2 t displaystyle sqrt langle r 2 tau rangle nbsp beschreibt namlich den Radius dieser grosser werdenden Kreise Flache Man kann also die Kurve r 2 t displaystyle langle r 2 tau rangle nbsp so interpretieren dass Teilchen die sich nach ihr bewegen nach einer Zeit t mit hoher Wahrscheinlichkeit schon einmal im Abstand r 2 t displaystyle sqrt langle r 2 tau rangle nbsp von ihrem Ausgangspunkt anzutreffen waren Exakte Definition BearbeitenDie mittlere quadratische Verschiebung wird uber den Ensemblemittelwert uber viele Trajektorien R n t n 1 N displaystyle vec R n t n 1 dotsc N nbsp definiert r 2 t 1 N n 1 N R n t R n 0 2 displaystyle langle r 2 tau rangle frac 1 N cdot sum limits n 1 N left vec R n tau vec R n 0 right 2 nbsp 1 Hierbei wird uber viele Teilchen gemittelt die jeweils uber die Zeitspanne t displaystyle tau nbsp beobachtet werden Alternativ und vor allem in theoretischen Betrachtungen in denen diese Grossen berechenbar sind kann dies auch uber die Aufenthaltswahrscheinlichkeit siehe Greensfunktion n r t displaystyle n vec r tau nbsp von Teilchen zur Zeit t displaystyle tau nbsp geschrieben werden 2 r 2 t R 3 r 2 n r t d 3 r displaystyle langle r 2 tau rangle iiint limits mathbb R 3 r 2 cdot n vec r tau mathrm d 3 r nbsp Man beachte dass n r t displaystyle n vec r tau nbsp den Abstand zum Startpunkt der Trajektorie der in den Ursprung gelegt wird misst Je nach System kann die mittlere quadratische Verschiebung auch uber einen Zeitmittelwert uber eine Trajektorie R t displaystyle vec R t nbsp eines Teilchens im Raum definiert werden 2 M S D t r 2 t lim T 1 T 0 T R t t R t 2 d t displaystyle mathrm MSD tau equiv langle r 2 tau rangle lim limits T rightarrow infty frac 1 T cdot int limits 0 T left vec R t tau vec R t right 2 mathrm d t nbsp Das bedeutet dass nur ein Teilchen beobachtet wird und dann ausgehend von verschiedenen Zeitpunkten t displaystyle t nbsp gemessen wird wie weit sich das Teilchen bis zur Zeit t t displaystyle t tau nbsp bewegt hat Es wird dann uber die Verschiebungen R t t R t 2 displaystyle left vec R t tau vec R t right 2 nbsp wahrend aller moglichen Zeitspannen t displaystyle tau nbsp innerhalb der Dauer T displaystyle T nbsp der Trajektorie gemittelt Beide Definitionen ergeben nur dann dieselbe Grosse wenn das betrachtete System ergodisch ist siehe auch Ergodenhypothese Oft werden auch Mischformen dieser zwei idealen Definitionen verwendet besonders wenn in Experimenten beide Mittelwerte vermischt werden z B bei der Fluoreszenz Korrelations Spektroskopie Zusatzlich wird oft auch die Wurzel aus der mittleren quadratischen Verschiebung R M S D t r 2 t displaystyle mathrm RMSD tau sqrt langle r 2 tau rangle nbsp verwendet und dann meist als englisch root mean squared displacement RMSD bezeichnet Bedeutung Bearbeiten nbsp MSD Kurven fur verschiedene BewegungsartenBesonders bei ungerichteten und zufalligen Bewegungen gibt es oft keine ausgezeichnete Raumrichtung Die Mittelung uber die vektoriellen Verschiebungen um den Anfangspunkt ist daher Null da fur jede Bewegung in eine Richtung eine Bewegung in entgegengesetzte Richtung mit gleicher statistischer Haufigkeit existiert So ist beispielsweise die mittlere Auslenkung R t R 0 displaystyle langle vec R tau vec R 0 rangle nbsp eines Random Walks eines einzelnen Teilchens fur alle Zeiten t displaystyle tau nbsp gleich Null Trotzdem uberdeckt das Teilchen in einer gegebenen Zeit einen gewissen Raumbereich der durch die mittlere quadratische Verschiebung charakterisiert wird Fur normale Diffusion ergibt sich ein einfacher Zusammenhang fur die mittlere quadratische Verschiebung r 2 t 2 n D t displaystyle langle r 2 tau rangle 2n cdot D cdot tau mathrm mathbf nbsp mit D displaystyle D nbsp dem Diffusionskoeffizient n displaystyle n nbsp der Anzahl der Raumdimensionen in denen die Bewegung stattfindet Fur normale Diffusion in Verbindung mit einer gerichteten Bewegung Fluss der Geschwindigkeit V displaystyle V nbsp ergibt sich weiter 3 r 2 t 2 n D t V t 2 displaystyle langle r 2 tau rangle 2n cdot D cdot tau V cdot tau 2 nbsp Im Falle anomaler Diffusion ergibt sich oft allgemeiner der Zusammenhang 3 r 2 t 2 n G a t a displaystyle langle r 2 tau rangle 2n cdot Gamma alpha cdot tau alpha nbsp mit dem verallgemeinerten Diffusionskoeffizient G a displaystyle Gamma alpha nbsp einer Proportionalitatskonstante die u U von a displaystyle alpha nbsp abhangt a displaystyle alpha nbsp zur Beschreibung der Anomalie der Bewegung fur a lt 1 displaystyle alpha lt 1 nbsp spricht man von Subdiffusion fur a gt 1 displaystyle alpha gt 1 nbsp von Superdiffusion fur a 1 displaystyle alpha 1 nbsp ergibt sich wieder normale Diffusion Oft erfolgt die Diffusion in porosen Medien wobei nur ein Anteil des gesamten Volumens fur die Teilchen zuganglich ist In solchen Systemen sieht man oft einen Ubergang zwischen zwei normal diffusiven Regimen Zunachst erfolgt schnelle Diffusion innerhalb einer Pore Auf langeren Zeitskalen geht das MSD dann in ein langsameres aber immer noch normal diffusives Regime uber das die Diffusion zwischen den Poren beschreibt 4 5 Wird der Anteil des nicht zuganglichen Volumens so gross dass die Poren nicht mehr unbedingt verbunden sind so sind die Teilchen in den entstehenden abgegrenzten Raumbereichen gefangen Man spricht von confined diffusion Das MSD geht dann fur grosse Zeitskalen gegen einen konstanten Wert r c displaystyle langle r text c rangle nbsp der die Grosse des zuganglichen Bereichs beschreibt Das MSD kann dann folgendermassen modelliert werden mit freien Fit Parametern A 1 A 2 displaystyle A 1 A 2 nbsp 6 r 2 t r c 2 1 A 1 exp A 2 2 n D t r c 2 displaystyle langle r 2 tau rangle langle r text c rangle 2 cdot left 1 A 1 cdot exp left A 2 cdot frac 2n cdot D tau langle r text c rangle 2 right right nbsp In vielen Systemen beschrankt sich die Anomalie einer Bewegung auf einen bestimmten Zeitbereich fur t c displaystyle tau c nbsp Oberhalb dieser kritischen Zeit t c displaystyle tau c nbsp geht die Bewegung wieder in normale Diffusion uber Dieser Fall ist z B in der Kurve fur viskoelastische Flussigkeiten zu sehen und tritt z B auch bei der Monomerdynamik von Polymeren auf siehe Rouse Modell Messung und Anwendung BearbeitenDie mittlere quadratische Verschiebung wird oft zur Charakterisierung zufalliger Bewegungen in Simulationen benutzt Dabei kann sie direkt aus den simulierten Teilchentrajektorien bestimmt werden Mit Hilfe des Zusammenhangs s o fur normale Diffusion kann etwa ein Diffusionskoeffizient D aufgrund der Gitterweite a und des Zeitschritts Dt der Simulation definiert werden D a 2 2 n D t displaystyle D frac a 2 2n cdot Delta t nbsp Damit kann dann die Simulation die oft in idealisierten und normalisierten Koordinaten ablauft auf reale Systeme normiert werden Die mittlere quadratische Verschiebung ist auch experimentell zuganglich So kann sie etwa durch Single Particle Tracking Techniken direkt aus den dort gemessenen Trajektorien bestimmt werden 7 8 Auch mit Hilfe von Fluoreszenz Korrelations Spektroskopie ist sie unter gewissen Annahmen experimentell zuganglich 9 Aus der gemessenen Kurve r t kann dann auch der Diffusionskoeffizient bestimmt werden D 1 2 n lim t d d t r 2 t displaystyle D frac 1 2n cdot lim limits tau rightarrow infty frac mathrm d mathrm d tau langle r 2 tau rangle nbsp Verbindung zur Geschwindigkeitsautokorrelation BearbeitenDie mittlere quadratische Verschiebung steht uber die Green Kubo Relation in enger Verbindung zur Geschwindigkeitsautokorrelationsfunktion v t v t t displaystyle langle vec v t cdot vec v t tau rangle nbsp 10 11 v t v t t d d t r 2 t 6 t displaystyle langle vec v t cdot vec v t tau rangle frac mathrm d mathrm d tau frac langle r 2 tau rangle 6 tau nbsp Weblinks BearbeitenNSDL Materials Digital Library Wiki softmatter Mean Squared Displacement Memento vom 25 Februar 2012 im Internet Archive abgerufen am 5 August 2012Einzelnachweise Bearbeiten Jae Hyung Jeon Natascha Leijnse Lene B Oddershede Ralf Metzler Anomalous diffusion and power law relaxation of the time averaged mean squared displacement in worm like micellar solutions In New Journal of Physics Band 15 Nr 4 17 April 2013 ISSN 1367 2630 S 045011 doi 10 1088 1367 2630 15 4 045011 iop org abgerufen am 27 Mai 2023 a b Vincent Tejedor Olivier Benichou Raphael Voituriez Ralf Jungmann Friedrich Simmel Christine Selhuber Unkel Lene B Oddershede Ralf Metzler Quantitative Analysis of Single Particle Trajectories Mean Maximal Excursion Method In Biophysical Journal Band 98 Nr 7 April 2010 ISSN 0006 3495 S 1364 1372 doi 10 1016 j bpj 2009 12 4282 a b Ralf Metzler Joseph Klafter The restaurant at the end of the random walk recent developments in the description of anomalous transport by fractional dynamics In Journal of Physics A Mathematical and General Band 37 Nr 31 6 August 2004 ISSN 0305 4470 S R161 R208 doi 10 1088 0305 4470 37 31 R01 Online PDF 1000 kB abgerufen am 8 Oktober 2021 V V Loskutov V A Sevriugin A novel approach to interpretation of the time dependent self diffusion coefficient as a probe of porous media geometry In Journal of Magnetic Resonance Band 230 Mai 2013 S 1 doi 10 1016 j jmr 2013 01 004 Michael Baum Fabian Erdel Malte Wachsmuth Karsten Rippe Retrieving the intracellular topology from multi scale protein mobility mapping in living cells In Nature Communications Band 5 24 Juli 2014 doi 10 1038 ncomms5494 A Kusumi Y Sako M Yamamoto Confined lateral diffusion of membrane receptors as studied by single particle tracking nanovid microscopy Effects of calcium induced differentiation incultured epithelial cells In Biophysical Journal Band 65 Nr 5 November 1993 S 2021 doi 10 1016 S0006 3495 93 81253 0 Michael J Saxton Ken Jacobson SINGLE PARTICLE TRACKING Applications to Membrane Dynamics In Annual Review of Biophysics and Biomolecular Structure Band 26 Nr 1 Juni 1997 ISSN 1056 8700 S 373 399 doi 10 1146 annurev biophys 26 1 373 PDF Memento vom 23 April 2014 im Internet Archive Sripad Ram Prashant Prabhat Jerry Chao E Sally Ward Raimund J Ober High Accuracy 3D Quantum Dot Tracking with Multifocal Plane Microscopy for the Study of Fast Intracellular Dynamics in Live Cells In Biophysical Journal Band 95 Nr 12 Dezember 2008 ISSN 0006 3495 S 6025 6043 doi 10 1529 biophysj 108 140392 Roman Shusterman Sergey Alon Tatyana Gavrinyov Oleg Krichevsky Monomer Dynamics in Double and Single Stranded DNA Polymers In Physical Review Letters Band 92 Nr 4 Januar 2004 ISSN 0031 9007 doi 10 1103 PhysRevLett 92 048303 Robert Zwanzig Nonequilibrium Statistical Mechanics Oxford University Press USA 2001 ISBN 978 0 19 514018 7 John H van Zanten Samiul Amin Ahmed A Abdala Brownian Motion of Colloidal Spheres in Aqueous PEO Solutions In Macromolecules Band 37 Nr 10 Mai 2004 ISSN 0024 9297 S 3874 3880 doi 10 1021 ma035250p Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mittlere quadratische Verschiebung amp oldid 234078066