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Makhzen auch Makhzan Machzan arabisch المخزن DMG al maḫzan war seit der Herrschaft der Saadier im 16 Jahrhundert bis in die Kolonialzeit die Bezeichnung fur die Regierung des Sultans in Marokko Amtstrager am Herrscherhof gehorten genauso zum Makhzen wie Wurdentrager und Fuhrer von Stammen die loyal zum Herrscherhaus waren und daher mit Vorrechten und Vergunstigungen belohnt wurden Das vom Makhzen verwaltete Land hiess bilad al makhzen Land des Makhzen im Unterschied zum Land ausserhalb das von unabhangigen Berberstammen kontrolliert wurde und bilad al siba Land der Abtrunnigen hiess Letztgenannte Gebiete waren nur selten unter der Kontrolle des Sultans Machtkampfe zwischen beiden Gebieten pragten die gesamte mittelalterliche Geschichte Marokkos Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Verwaltungsstruktur 3 Literatur 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDas Wort ist von khazana wegschliessen aufbewahren abgeleitet und bezeichnete ursprunglich einen Ort an dem Steuern aufbewahrt wurden In dieser Bedeutung wurde makhzen vermutlich erstmals Anfang des 9 Jahrhunderts zur Regierungszeit von Ibrahim I ibn al Aghlab in Ifriqiya fur eine eiserne Truhe verwendet in der die Steuern gesammelt wurden welche das tributpflichtige Land an den Abbasiden Kalifen nach Bagdad schicken musste Ab den Almoraviden im 11 Jahrhundert bezeichnete makhzen in Marokko dezentral uber das Land verteilte Sammelstellen fur die Steuereinnahmen des Herrscherhauses Die Bezeichnung fur die Schatzamter der Regierung ubertrug sich unter den Scherifen Dynastien allmahlich auf die Sultansherrschaft insgesamt Bis zu den Saadiern war er zur ublichen Bezeichnung fur die Regierung die Finanzverwaltung und die ubrigen Institutionen der muslimischen Gemeinschaft al bait al mal geworden Der Begriff stand offensichtlich nicht in einem religiosen Zusammenhang sondern bezog sich auf die Autoritat des Landes und deren Organe zur Durchsetzung der Macht 1 Mit der Etablierung einer Staatsmacht deren Oberhaupt den Titel Sultan trug vollzog sich eine fur Marokko charakteristische Aufteilung des Landes in zwei sich feindselig gegenuberstehende Gebiete Unter der Steuerhoheit und Verwaltung der Regierung stand das Gebiet bilad al makhzen Das angrenzende Land im Einflussbereich einzelner Stammesoberen wurde bilad al siba Land der Abtrunnigen Dissidenten genannt Die Idrisiden bildeten die erste im Land selbst entstandene Dynastie Sie regierten von 789 bis 985 und rechtfertigten sich mit einer scherifischen Abstammung Wahrend Marokko unter ihrer Herrschaft weitgehend islamisiert wurde beschrankte sich ihre Macht auf kleine Teilbereiche im Westen des Landes Erst mit den Almoraviden und ihren Nachfolgern den Almohaden wurde die Zentralgewalt eines Makhzen spurbar der die Bewohner der eroberten Gebiete mit der kharaj Steuer ḫaraj auf bebaubares Land belegte Um diese Steuer einzutreiben war die militarische Kontrolle der Landereien erforderlich Den Militardienst leisteten arabische Stamme die auf der Seite des Makhzen standen und selbst von der Landsteuer befreit waren Die Grenzen zum Feindesland waren jahrhundertelang Schlachtfelder Die berberische Wattasiden Dynastie 1465 1549 ubte nur eine schwache Herrschaft aus Sie wurden zusatzlich zu den inneren Spannungen durch Spanier und Portugiesen bedroht die um 1500 die grossen Hafenstadte an der Atlantikkuste einnahmen Die Wattasiden mussten sich den aus Sudmarokko kommenden Saadiern geschlagen geben Der spanische Einfluss machte sich nun in einer komplexeren Organisation der Verwaltung bemerkbar Aus dem Nachbarland Algerien wirkte Anfang des 16 Jahrhunderts der Kultureinfluss des luxuriosen turkischen Hoflebens der osmanischen Kolonisatoren heruber Durch den Austausch von Botschaftern hergestellte offizielle Beziehungen zu europaischen Landern festigten das politische Ansehen der Herrscher Im 17 Jahrhundert befand sich die Aussengrenze des Sultanslandes etwa am Westhang des Mittleren Atlas von dessen Ruckzugsgebieten unabhangige Berberstamme der Zanata und die Sufi Bruderschaft der Dila iyya die fur den Handel wichtige Kamelkarawanenroute zwischen Fes und Marrakesch bedrohten Der Alawiden Sultan Mulai ar Raschid besiegte 1668 69 die Bruderschaft und zerstorte ihren Hauptsitz zawiya bei Kasba Tadla Mit osmanischer Unterstutzung kehrte der Dila iyya Anfuhrer Ahmad al Dalai 1677 aus dem algerischen Exil zuruck und nahm mit Unterstutzung der regionalen Berberfursten den Kampf gegen die Zentralregierung wieder auf 2 Mulai ar Raschids Nachfolger Sultan Mulai Ismail liess zum dauerhaften Schutz der Ostgrenze Ende des 17 Jahrhunderts entlang der Strecke eine Reihe von befestigten Siedlungen Kasbahs errichten oder ausbauen Sudlich von Kasba Tadla waren dies Beni Mellal nordlich Khenifra Azrou Sefrou bis nach Taza am Nordrand der Atlasberge Die einschliesslich kleinerer Wachtposten insgesamt 70 Stellungen 3 wurden von speziellen aus schwarzafrikanischen Sklaven bestehenden Truppen bewacht und markierten die Grenze des steuereinzugsfahigen Gebietes Die Bewohner dieser weit entfernten Gebiete zahlten ihre Steuern eher unregelmassig Die Herausbildung der Makhzan Strukturen ergaben sich zum einen aus dem innenpolitischen Anspruch ein grosses in weiten Teilen instabiles Gebiet zu kontrollieren zum anderen als Folge ausserer Einflusse Die grosste Ausdehnung besass die Sultansherrschaft unter Mulai al Hassan I reg 1873 1894 sein Nachfolger geriet in die Abhangigkeit der um Kolonialbesitz streitenden europaischen Machte Verwaltungsstruktur BearbeitenDer Sultan wurde von den Autoritaten Ulama also von seiner Verwandtschaft am Hof den Verwaltern der grossen Stadte und aus den Reihen der Stammesfuhrer durch Wahl oder Verhandlungen bestimmt Eine zwingende Erbfolgeregelung gab es nicht Der bisherige Sultan konnte zwar seinen Nachfolger vorschlagen die Wahlmanner waren jedoch bei dessen Ausrufung baʿya nicht an ein solches Votum gebunden Das Gebiet des Makhzen war in drei Regionen aufgeteilt die von einem Sekretar katib verwaltet wurden 1 Die nordliche Region von der Strasse von Gibraltar bis zum Bou Regreg Fluss der zwischen Rabat und Sale in den Atlantik mundet 2 Von hier nach Suden bis an den Rand der Sahara 3 Das Sahara Randgebiet im Osten der Atlasberge um Tafilet Alle Gebiete unterstanden einem Wesir wazir dem al sadr al aʿẓam Ausser diesem Wesir bestand der Rat des Makhzen im 19 Jahrhundert aus einem eigens fur die Beziehungen mit den Europaern zustandigen Wesir dem wazir al baḥr Minister des Meeres Er war von Sidi Muhammad IV reg 1859 1873 als Reprasentant des Sultans naib al sultan eingesetzt worden und sollte von seinem Buro in Tanger aus die standig zunehmenden Forderungen der europaischen Handler nach Niederlassungen in den Kustenstadten verhandeln und deren weiteres Vordringen verhindern Seine Position war nicht gleichbedeutend mit dem Aussen und Kriegsminister dem ʿallaf Hinzu kam eine Gruppe von hohen Offiziellen den umanaʾ Sg amin die in drei Verwaltungsbereiche eingeteilt waren Zuoberst stand der amin al umanaʾ er war verantwortlich fur das Eintreiben der Steuern Unter ihm agierten 1 der umanaʾ al marasiya Leiter der Zollbehorde in den Hafenstadten 2 Der umanaʾ al mustafadat sammelte Torsteuern Pacht von Regierungsland und Bevolkerungssteuern also die Judensteuer ǧizya und die Muslimsteuer al aʿshar ein 3 Schliesslich gab es den umanaʾ al qabaʾil der die Steuern von den Stammen erhob Der Sekretar fur Beschwerden nannte sich katib al shikayat Justizminister war der qaḍi ʾl quḍat Kadi der Kadis Alle Minister hatten ihre Buros banika Pl banaʾik innerhalb des Palastbezirks maschwar wie auch der qaḍi al maschwar der fur die Soldaten Palastwache im Palast zustandig war und die Besucher dem Sultan vorfuhrte Eine Stufe darunter und vom qaḍi al maschwar beaufsichtigt folgten der Stallmeister mawla mul al ruwa und eine Anzahl von weiteren Amtstragern 4 Eine einflussreiche Position hatte auch der hadschib inne Sein Buro lag naher beim eigentlichen Wohnbereich des Palastes fur dessen Organisation er verantwortlich war Ausserhalb des Palastbezirks gab es bis zum einfachen Dorfoberhaupt mukaddam ein Geflecht von mehr oder weniger schlecht bezahlten Angestellten und Zutragern Im Land wurde die Sultansmacht durch die entsprechenden Funktionstrager reprasentiert Der religiosen Macht der berberischen Stammesfuhrer die mit islamischen Heiligen im Bunde waren hielten die Sultane ihre scherifische Abstammung entgegen Um der in weiten Teilen des Volkes vorherrschenden Heiligenverehrung etwas Gleichwertiges gegenuberzustellen installierte Mulai Ismail 1691 den Kult der Sieben Heiligen von Marrakesch Insgesamt aber verlagerte sich die Macht des Staates im Lauf der Zeit von der religiosen Basis hin zu einer politischen Struktur und einer Gesetzgebung die zwar ihre Wurzeln im Islam hatte aber mehrheitlich zivil verfasst war Die Schari a konzentrierte sich auf das Personenrecht Der Begriff makhzen steht fur ein zentralistisches Staatswesen in dem alle Steuern allein dem Machtapparat zugutekamen und kaum Investitionen in Infrastruktur Gesundheitssystem oder Bildung getatigt wurden Er steht ferner fur eine doktrinare Art der Staatsfuhrung deren Entscheidungen von aussen nicht einsehbar waren und die eine Entwicklung zu demokratischen Institutionen nicht zugelassen hat Auf der anderen Seite funktionierte die Burokratie relativ effektiv und sorgte in unsicheren Zeiten fur Stabilitat in einem Gebiet das von allen Seiten von Anarchie umgeben war Im bilad al siba herrschten zur selben Zeit sich regelmassig gegenseitig bekriegende Stammesfursten uber kleine Gebiete die Reisende nur mit Zustimmung und von Mitgliedern des jeweiligen Stammes eskortiert durchqueren konnten Die Aussage der franzosischen Verwaltung dass der Makhzen ohne ihre Unterstutzung zusammengebrochen ware kann als Schutzbehauptung gewertet werden Die finanziellen Schwierigkeiten der Regierung Ende des 19 Jahrhunderts hatten ihre Ursachen uberwiegend im europaischen Kolonialismus 5 Im November 1912 wurde Marokko vertraglich franzosisches Protektorat ein kleiner Teil des Landes im Norden kam unter spanische Verwaltung Die dreihundert Jahre dauernde Sultansherrschaft bestand nur der Form nach weiter alle wesentlichen politischen Entscheidungen trafen die Kolonialmachte Sie modernisierten die Makhzen Verwaltung nach ihren Bedurfnissen und verschafften Marokko erstmals klar definierte Aussengrenzen Mit der Unabhangigkeit 1956 war aus dem Sultan ein Konig geworden der sein neu strukturiertes Land mit einem kaum veranderten absolutistischen Anspruch weiterregierte 6 Literatur BearbeitenC E Bosworth u a Hrsg The Encyclopaedia of Islam New Edition Vol VI Brill Leiden 1990 S 133 137 Thomas K Park Aomar Boum Makhzan In Historical Dictionary of Morocco Library of Congress 2 Aufl Scarecrow Press Lanham 2006 S 226 228Einzelnachweise Bearbeiten EI S 133f Jamil M Abun Nasr A history of the Maghrib in the Islamic period Cambridge University Press Cambridge 1987 S 231f EI S 135 Park Boum S 227 Park Boum S 228 Abdeslam Maghraoui Political Authority in Crisis Mohamed VI s Morocco Middle East Research and Information Project MERIP Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Makhzen amp oldid 216632815