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Sefrou aus dem mazirischen ⵚⴼⵕⵓ Sfṛu arabisch صفرو DMG Safru Sifru ist eine etwa 70 000 Einwohner zahlende Provinzhauptstadt in der Region Fes Meknes im Norden Marokkos an den Auslaufern des Mittleren Atlas In der von einer Mauer umgebenen Altstadt lebte bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts eine der grossten judischen Minderheiten des Landes Heute ist der malerische Bergort in der Nahe von Fes ein beliebtes Ausflugsziel In der ethnologischen Literatur ist Sefrou durch die Feldforschungen von Clifford Geertz und anderen ein Begriff Sefrou صفرو ⵚⴼⵕⵓHilfe zu Wappen Sefrou Marokko SefrouBasisdatenStaat Marokko MarokkoRegion Fes MeknesProvinz SefrouKoordinaten 33 50 N 4 51 W 33 838888888889 4 8555555555556 850 Koordinaten 33 50 N 4 51 WEinwohner 64 006 2004 1 Hohe 850 m Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Geschichte 3 Stadtbild 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLage Bearbeiten nbsp Tief ausgegrabenes Bachbett des Oued Aggai in der ummauerten AltstadtSefrou liegt 30 Kilometer sudostlich von Fes an einem Berghang der sanften Auslaufer des Mittleren Atlas in einer Hohe von etwa 800 bis 900 Metern Die Nebenstrasse R 503 fuhrt weiter nach Suden uber einen knapp 1800 Meter hohen Pass in die zentralen Atlasberge nach Boulemane und bis Midelt Die Nationalstrasse 8 von Fes nach Suden uber Azrou und Khenifra verlauft 20 Kilometer westlich an der Stadt vorbei Dazwischen erhebt sich das Kandar Gebirge mit dem Jbel Abad von dessen 1768 Meter hohem Gipfel die bewasserten Felder der fruchtbaren Tiefebene von Sais und Hauser von Fes zu sehen sind Die Stadt liegt eingebettet zwischen Obstgarten am Sudrand der Sais Ebene am Ubergang zu den entwaldeten auf ihren Kuppen vegetationsarmen Atlas Bergen An den ortsnahen Hangen gedeihen hauptsachlich Kirschen und Erdbeeren Nach der Kirschenernte im Juni wird deshalb ein dreitagiges Kirschenfest moussem des cerises mit Reiterwettkampfen Fantasias und einem grossen Markt veranstaltet In der Umgebung werden ferner Olivenbaume angepflanzt nach Westen fuhrt ein 1 5 Kilometer langer Fussweg durch das dicht mit Zedern und Laubbaumen bewachsene Bachtal des Oued Aggai bis zu einem Wasserfall Ohne eigene Wasserquellen ware die okologische Nische von Sefrou so trocken wie die Felshugel und Plateaus weiter sudlich erst mehrere Kilometer sudostlich beginnt die naturliche Waldregion Foret de Jabla Geschichte BearbeitenEin erster Lagerplatz oder eine Siedlung wurde im 7 Jahrhundert in vorislamischer Zeit durch den judischen Berberstamm der Ahel Sefrou angelegt dessen Erinnerung sich im Ortsnamen erhalten hat Bis zum 9 Jahrhundert werden Juden und Christen im Gebiet Sefrou erwahnt Nach der ortlichen unbestatigten Legende soll die Stadt Sefrou im 8 Jahrhundert noch vor Fes gegrundet worden sein Die Plane zur Anlage von Fes stammen von 789 als Idris I den Bau einer neuen Hauptstadt fur die spatere Idrisiden Dynastie die erste arabische Herrschaftsfolge in Marokko bekanntgab Idris I hatte die judischen und christlichen Stamme der Gegend unterworfen aber erst sein Nachfolger Idris II wird als tatsachlicher Grunder des unabhangigen Idrisiden Staates betrachtet der seinen Amtssitz 809 von Walila Volubilis nach Fes verlagerte und Fes zur Hauptstadt ausbauen liess 2 Auf ihn geht die Islamisierung der Region zuruck Auch Sefrou wurde wahrscheinlich zur selben Zeit eine Stadt Unter Muhammad ibn Idris reg 828 836 kam es zum Streit um die Herrschaft und zur Zersplitterung des Reiches Dessen Sohn Ali ibn Idris ibn Idris reg 836 848 benutzte Sefrou als Basis fur einen Angriff auf Fes nbsp Befestigtes Dorf al Qala ausserhalb der Altstadt nbsp Tor zur MedinaIm 11 Jahrhundert war Sefrou eine ummauerte Stadt mit einer gewissen Bedeutung Wahrend des 13 Jahrhunderts zogen judische Einwanderer aus dem Tafilalet her Gemass der lokalen Tradition gab es im 15 Jahrhundert zur Merinidenzeit ein spezielles judisches Viertel Mellah innerhalb der Altstadt Eine definierte Mellah setzt voraus dass es fur Juden ein Verbot gab sich ausserhalb anzusiedeln Sollte die Mellah unter Abdalhaqq II reg 1421 1465 eingefuhrt worden sein so ware dies etwa zeitgleich mit deren Einrichtung 1438 in Fes geschehen Die dortige Mellah gilt als das alteste Judenviertel Marokkos 3 Sefrou entwickelte sich als ummauerte Stadt mit bestimmten Vierteln fur Markte Suqs Mellah einem muslimischen Wohnviertel Medina einer Festung Kasbah und einem ausserhalb gelegenen Markt Die Kasbah wurde vom Alawiden Sultan Mulai Ismail reg 1672 1727 erbaut der die Ostgrenze seines Reiches von Unruhen und Aufstanden der Berber bedroht sah Er unternahm mehrfach Militarexpeditionen gegen die Aufstandischen und um seine Sultansmacht dauerhaft zu sichern liess er in den 1680er Jahren eine Reihe von Festungen von Taza im Nordosten am Rand der Atlasberge uber Sefrou Azrou Kasba Tadla bis nach Beni Mellal errichten Mulai Ismail hatte spezielle Truppen aus schwarzafrikanischen Sklaven zur Bewachung der Kasbahs und kleinerer Festungsanlagen aufgestellt 4 Der Wohlstand Sefrous ruhrte zumindest teilweise vom Handel mit Karawanen her die uber Tafilet am Rand der Sahara nach Norden zogen Als die Karawanen im 19 Jahrhundert ihre Route nach Fes weiter nach Osten verlagerten kamen sie nicht mehr durch Sefrou und der Ort verlor einiges seiner Wirtschaftskraft 5 Die Zahl der judischen Einwohner war im 17 und 18 Jahrhundert geringer als in Fes oder Meknes dennoch war Sefrou ein Zentrum judischer Bildung Dies war besonders dem Rechtsgelehrten Rabbiner Moses bin Hamo zu verdanken der Ende des 17 Jahrhunderts eine Religionsschule betrieb Aus seiner Korrespondenz geht hervor dass er vormittags den Studenten den Hulin Traktat aus dem Talmud gelehrt und am Nachmittag einen Kurs fur uber 20 fortgeschrittene Studenten gegeben habe Unter seinen Schulern befanden sich einige die spater im 18 Jahrhundert als spirituelle Fuhrer anerkannt waren 6 Zwischen 1780 und 1830 wanderten 50 7 Juden aus Sefrou nach Palastina aus Um 1910 lebten in Sefrou etwa 6000 Einwohner davon waren 60 8 Muslime und 40 8 Juden Mit dem Vertrag vom 30 Marz 1912 den Sultan Mulai Abd al Hafiz in Fes unterzeichnete wurde Marokko zum franzosischen Protektorat und franzosische Truppen besetzten die Region Meknes Fes Die Sais Ebene wurde zu einem Kernland der landwirtschaftlichen Entwicklung wahrend der Kolonialzeit In den 1920er Jahren richteten dort franzosische Bauern von Zaunen umgebene Gehofte mit Unterkunften fur die einheimischen Landarbeiter ein Bis in die 1950er Jahre nahmen die Investitionen in die Landwirtschaft der Ebene zu gegenuber den gepflegten Gebauden mit Ziegeldachern bildeten die armseligen Lehmziegelbehausungen der einheimischen Bevolkerung in den Hugeln um Sefrou einen sozialen Kontrast Die wirtschaftliche Vernachlassigung des Hinterlands um Sefrou wahrend der Kolonialzeit fuhrte zu einer Zuwanderungsbewegung in die Stadt Gemass der allgemeinen franzosischen Kolonialpolitik wurde eine europaische Ville Nouvelle getrennt von der Altstadt geplant Dennoch kam der Anteil der Franzosen in Sefrou nicht uber ein Prozent der Bewohner hinaus 9 1950 trat der normalerweise als kleiner Bach quer durch die Stadt fliessende Oued Aggai in einer Springflut uber die Ufer 30 Menschen kamen ums Leben und grosse Schaden entstanden an den Gebauden Daraufhin wurde das Bachbett mehrere Meter tief ausgegraben wobei der alte Waschplatz der judischen Frauen verschwand Die franzosische Neustadt erstreckt sich sudwestlich der Altstadt an den Hangen die ursprunglich bewasserte Garten waren Die dortige Bevolkerung bestand in den 1960er Jahren zur Halfte aus einer beguterten marokkanischen Schicht aus ehemaligen Landeigentumern die mit ihren Familien aus der Altstadt nach draussen umgezogen waren und europaisch orientierten Stadtbewohnern Die andere Halfte gehorte zur unteren Klasse 10 Bis spatestens 1970 hatten die meisten Juden die Stadt aus politischen Grunden verlassen die wenigen Verbliebenen sind in neue Stadtteile umgezogen Sefrou ist eine der sozialwissenschaftlich am besten untersuchten Stadte Marokkos Zwischen 1965 und 1971 hielten sich der US amerikanische Ethnologe Clifford Geertz seine Frau Hildred Geertz und einige seiner Schuler langere Zeit in Sefrou auf um Feldforschungen in der Stadt und ihrer Umgebung zu betreiben Die kompakte traditionell strukturierte Altstadt fur Geertz ein kleines Fes 11 eignete sich wegen der zahlreichen Sufi Bruderschaften Tariqas besonders fur das Studium einer islamischen Gesellschaft Zu seinen jungeren Kollegen gehorte Paul Rabinow der 1968 69 im nahegelegenen Dorf Sidi Lahcen Lyusi die Sufi Bruderschaft des gleichnamigen Heiligen aus dem 17 Jahrhundert untersuchte Dale F Eickelmann dessen Dissertation auf einer Feldforschung 1968 70 in Boujad beruht stand mit Geertz ebenfalls in Beziehung Geertz kam bis 1986 immer wieder fur unterschiedlich lange Arbeitsaufenthalte nach Sefrou zuruck ein letztes Mal war er im Mai 2000 anlasslich einer Konferenz in der Stadt Zwischen 1960 und 1986 war eine rasante Bevolkerungsverschiebung vom Land in die Stadt zu beobachten Sefrou ist mit einer Flache von 10 Quadratkilometern die einzige Stadt im rund 2000 Quadratkilometer grossen Distrikt Das Verhaltnis von stadtischer zu landlicher Bevolkerung anderte sich von eins zu vier 1960 bis auf eins zu eins 1986 Es ergab sich eine in Alteingesessene und Zugezogene aufgespaltene Bevolkerung beide sind mit ihrem Schicksal unzufrieden 12 Im September 2007 kam es in Sefrou zu einem sogenannten Brotaufstand Die Unruhen begannen als eine Frauenorganisation zur Demonstration gegen die gestiegenen Lebensmittelpreise aufrief und arteten schnell in gewaltsame Proteste aus nachdem in grosser Zahl Polizeikrafte des Provinzgouverneurs erschienen waren Die Bilder wurden fotografisch und mit Videokameras dokumentiert und in YouTube veroffentlicht 13 Stadtbild Bearbeiten nbsp Sackgasse in der MedinaDie von einer ovalen Stadtmauer vollstandig umgebene Altstadt wird in ihrer Langsausdehnung von West nach Ost in der Mitte vom Oued Aggai durchflossen Der Bach teilt die Altstadt in die beiden etwa gleich grossen Wohngebiete der muslimischen Medina im Norden und der judischen Mellah im Suden Besonders die Gassen in der Mellah sind relativ gerade aber sehr schmal so dass eine Orientierung schwierig ist Die Hauptzugange sind das Bab el Maqam im Norden und das Bab Merba im Suden in dessen Nahe ausserhalb der Stadtmauer die heute geschlossene Synagoge liegt Funf Moscheen verteilen sich innerhalb der Mauer Der bekannteste Sufi Pilgerort ist in der Mellah die Zawiya des Sidi Lahcen ben Ahmed eines Heiligen aus dem 17 Jahrhundert Sein Mausoleum Qubba ist das grosste in den Bergen der Region jedes Jahr im August wird ein Pilgerfest Moussem veranstaltet Mitglieder dieser Bruderschaft neigen dazu die Aissaouas in der Stadt zu meiden 14 Deren islamischer Volksglauben beinhaltet Heilungsrituale und Schlangenbeschworungen Busbahnhof und Taxistand befinden sich auf dem grossen Platz Moulay Hassan nordwestlich der Altstadt an der Ausfallstrasse nach Fes Die franzosische Neustadt erstreckt sich jenseits des Boulevard Mohammed V als weitlaufige ruhige Gartenstadt nach Sudwesten den Hugel hinauf die gesamte heutige Stadterweiterung im Norden und Osten bedeckt ein Vielfaches der ummauerten Altstadt Markttag ist donnerstags an den ubrigen Wochentagen wirkt Sefrou wenig geschaftig Dem Bach nach Westen folgend fuhrt eine kurvige Strasse nach einem halben Kilometer an al Qala Ksar el Kelaa vorbei einem befestigten Dorf mit heute verarmten Einwohnern und weiter zum bereits erwahnten Wasserfall Zwei Kilometer ausserhalb liegt das Heiligtum des Marabouts Sidi Bou Ali Serghin dort in der Nahe die Quelle der weiblichen Heiligen Lalla Rekia der fruher Tiere geopfert wurden damit sie Geisteskrankheiten kurieren moge Ein anderer Weg fuhrt von der Stadt nach einigen Kilometern zum fruher bedeutenden judischen Wallfahrtsort Kef el Yehudi Judenhohle an dem Juden das Grab des Heiligen Daniel oder von vier Kwahnas heiligen judischen Berbern verehrten Fur Muslime lag hier die Hohle fur die sieben Gefahrten die aus der Siebenschlaferlegende bekannt sind 15 Die sieben jungen Manner schliefen sehr lange und als sie aufwachten wollten sie in Sefrou Brot kaufen Da ihr Geld nicht mehr akzeptiert wurde es war zwischenzeitlich veraltet gingen sie wieder schlafen was sie bis heute tun Anhanger beider Religionen opferten fruher Kerzen und Raucherstabchen 16 Siehe auch BearbeitenBhalilLiteratur BearbeitenClifford Geertz Spurenlesen Der Ethnologe und das Entgleiten der Fakten Stadtevergleich Sefrou in Marokko und Pare in Indonesien uber vier Jahrzehnte C H Beck Munchen 1997 ISBN 978 3 406 41902 7 Clifford Geertz Hildred Geertz Lawrence Rosen Meaning and Order in Moroccan Society Three Essays in Cultural Analysis Cambridge University Press Cambridge 1979 Ingeborg Lehmann Rita Henss Marokko Karl Baedeker Ostfildern 2009 S 271f ISBN 978 3 8297 1156 2 Paul Rabinow Reflections on Fieldwork in Morocco University of California Press Berkeley Los Angeles London 1977 Als google book Norman A Stillman The language and culture of the Jews of Sefrou Morocco an ethnolinguistic study University of Manchester Manchester 1988Weblinks BearbeitenWebsite der Stadt franzosisch Sefrou The unspoiled city LookLex Sefrou Morocco Observed The Photographs of Paul Hyman Fotos von Paul Hyman 1969 auf Einladung von Paul Rabinow in Sefrou aufgenommen 64 dieser Fotos sind in Geertz 1979 abgebildetEinzelnachweise Bearbeiten Bevolkerungsstatistik Marokko Memento vom 1 Juli 2016 im Internet Archive Jamil M Abun Nasr A history of the Maghrib in the Islamic period Cambridge University Press Cambridge 1987 S 51 Jane S Gerber Jewish Society in Fez 1450 1700 Studies in Communal and Economic Life Studies in Judaism in Modern Times Bd 6 E J Brill Leiden 1980 S 10 19 Jamil M Abun Nasr S 231 Thomas K Park Aomar Boum Sefrou In Historical Dictionary of Morocco Library of Congress 2 Aufl Scarecrow Press Lanham 2006 S 318 Saul I Aranov A descriptive catalogue of the Bension collection of Sephardic manuscripts and texts University of Alberta Press Edmonton 1979 S 22 Shalom Bar Asher The Jews of North Africa and the Land of Israel in the Eighteenth and Nineteenth Centuries The Reversal in Attitude toward Aliyah Immigration to the Land from 1770 to 1860 In Lawrence A Hoffman Hrsg The Land of Israel Jewish Perspectives Studies of Judaism and Christianity in Antiquity Nr 6 University of Notre Dame Press Notre Dame Indiana 1986 ISBN 0 268 01280 6 Kap 12 S 297 315 hier S 298 a b Georges Bensoussan Juifs en pays arabes Le grand deracinement 1850 1975 In Denis Maraval Hrsg Collection Texto 2 Auflage Editions Tallandier Paris 2021 ISBN 979 1 02105090 7 S 83 Rabinow S 8 10 Rabinow S 22 Geertz 1997 S 23 Geertz 1997 S 25 Sefrou la ville du danger 23 09 2007 Youtube Video uber die Unruhen im September 2007 Rabinow S 52 131 Arnold Betten Marokko Antike Berbertraditionen und Islam Geschichte Kunst und Kultur im Maghreb DuMont Ostfildern 2009 S 189 f Edward Westermarck Ritual and Belief in Morocco Bd 1 Macmillan and Co London 1926 S 72 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sefrou amp oldid 235002189