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Die Sieben Heiligen oder Sieben Manner von Marrakesch sind eine im 17 Jahrhundert in Marokko im Auftrag von Sultan Mulai Ismail zusammengefuhrte Gruppe von islamischen Heiligen Durch die Installation dieses Heiligenkults wurde die religiose Macht der Alawidendynastie deutlich gestarkt Die Grabstatten liegen in Marrakesch verstreut und werden bis heute von Pilgern einzeln aufgesucht oder zusammen auf einer Zirkularwallfahrt verehrt Heiligengrab arab tabut im Grabbau von Qadi Ayyad 2 Das Tuch heisst kiswa Beim Bab Aylen im Osten Inhaltsverzeichnis 1 Kulturelles Umfeld 2 Geschichte 3 Die Sieben Heiligen 4 Wallfahrt 5 Literatur 6 EinzelnachweiseKulturelles Umfeld Bearbeiten nbsp Eingang zum Grabmal von Sidi Yusuf 1 Die Heiligengraber werden uberwiegend von Frauen belagert Ausserhalb der Stadtmauern sudlich vom Bab GhematDer Heiligenkult ist ein zentrales Phanomen im islamischen Volksglauben der zusammen mit dem orthodoxen Islam eine Variante derselben Religion darstellt Fur die Beurteilung ist entscheidend dass die Rituale der Heiligenverehrung nach der kollektiven Uberzeugung der Grabbesucher fur gottgefallig und auch wenn es nur um Bittgesuche geht als mit dem Willen Allahs in Ubereinstimmung gesehen werden Ein wesentlicher Grund fur die Verehrung von Heiligen ist ihre Segenskraft Baraka die in verschiedenen Dingen an ihren Kultstatten vorhanden ist und dort direkt empfangen oder in Form von Glucksbringern Baruk mitgenommen werden kann Neben der grossen Pilgerfahrt Haddsch gibt es im Islam Mausim Pl Mawasim genannte Wallfahrten die jahrlich zu Ehren eines Heiligen allgemein Wali zu dessen Erinnerungsstatte veranstaltet werden Der individuelle spontan durchgefuhrte Besuch eines Heiligengrabes an dem meist Bittgebete gesprochen und Opfergaben zuruckgelassen werden heisst Ziyara Pl Ziyarat Heilige in Marokko sind entweder scherifischer Abstammung oder es sind Marabouts Nachkommen eines nichtscherifischen Heiligen Die Bezeichnung Marabout fur samtliche Heiligen ist unscharf 1 Der Kult der Sieben Heiligen sabʿatu riǧal wird auf die in den drei abrahamitischen Weltreligionen heilige Zahl Sieben zuruckgefuhrt Als Heiligenlegende stehen die Sieben Schlafer von Ephesus im Christentum und Islam am Beginn einer Tradition von aberglaubischen und magischen Vorstellungen In Marokko werden erstmals sieben Heilige in einem Werk des Sufimystikers und Hagiographen Yusuf at Talili um 1230 erwahnt Es heisst dass einem glaubigen Muslim im Traum Mohammed erschienen sei Als der Glaubige den Propheten fragte ob es in seinem Land heilige Manner gabe antwortete dieser es gabe sieben Heute sind an mehreren Orten Marokkos Siebenerkulte bekannt an denen die Heiligen an ihren Grabbauten oder an Felsgrotten verehrt werden Etwa 35 Kilometer sudlich von Marrakesch in Lalla Takerkoust an der Strecke nach Amizmiz werden sieben heilige Manner in der Nahe einer Heilquelle mit wunscherfullenden Wasserschildkroten verehrt die ein Pilgerort fur Anhanger der weiblichen Heiligen ist nach der das Dorf benannt wurde 2 Geschichte Bearbeiten nbsp Minarett und Eingang zum Grabbau von Sidi ben Slimane al Jazouli 4 Westliche AltstadtAb dem 15 Jahrhundert mussten die religiosen Bruderschaften Tariqas und Marabouts der Berber Stamme ihre religiose und politische Macht in langen Auseinandersetzungen allmahlich an die Scherifendynastien abgeben zunachst an die Saadier denen 1664 die bis heute herrschende Dynastie der Alawiden nachfolgte In der politischen Auseinandersetzung zwischen den Marabouts und der Herrschaft der Sultane spielte der Sufi Gelehrte Abu Ali al Hassan al Yusi 1631 1691 genannt Sidi el Yusi eine wichtige Rolle Er wurde im Berbergebiet des Mittleren Atlas als Sohn einer Nomadenfamilie geboren Mit 20 Jahren unternahm er die Pilgerfahrt nach Mekka und besuchte auf dem Ruckweg zahlreiche Ordenszentren Zawiya Pl Zawayat von Sufi Bruderschaften Seine Baraka erhielt er von Muhammad ibn Nasir 1603 1674 vom Orden der Nasiriyya in Tamegroute mittleres Draa Tal In jeder Gemeinde brachte ein anderer Gelehrter seine Lehre vom Islam unter das Volk und wurde als Heiliger verehrt Es herrschten religios wie politisch recht anarchische Zustande Im Alter von 40 Jahren lehrte el Yusi eine kurze Zeit in Fes bevor er nochmals als wandernder Marabout umherzog um spater nach Fes zuruckzukehren In einem beruhmt gewordenen Streitgesprach mit dem Alawidensultan Mulai Ismail trug er einen geistigen Sieg davon Zum Dank dass er ihm die Grenze der menschlichen Herrschaft gegenuber der gottlichen aufgezeigt hatte erlaubte der Sultan dass sich el Yusi als Scherif also Nachkomme des Propheten bezeichnen und die Anrede Sidi fuhren durfte 1691 rief el Yusi kurz vor seinem Tod im Auftrag des Sultans die Wallfahrt der Sieben Heiligen von Marrakesch ins Leben Sultan Mulay Ismail hatte kurz zuvor gegen den Berberstamm der Schiadma einen Kampf verloren Die Berber fuhrten ihren Sieg auf die sieben heiligen Manner ihres Stammes zuruck gegen deren augenscheinlich hohere Macht der Sultan ein religioses Gegengewicht auf seiner Seite erschaffen haben wollte 3 Eine andere Begrundung die zum selben Wunsch des Sultans fuhrte lautet Der Sultan furchtete die religiose Macht des Berberstammes der Regragra gehort zum Stammesverband der Chiadma an der Atlantikkuste nordlich von Essaouira die als alte und treue Anhanger des Islam einen hohen Rang als Apostel des Islam genossen und sich sogar als Genossen des Propheten ṣaḥabat an nabiy bezeichneten Ihre fruhe Bekehrung zum Islam wird dadurch erklart dass sieben Manner ihres Stammes nach Mekka reisten wo keiner ihre Sprache verstehen konnte als sie nach dem Propheten fragten Nur Mohammed selbst antwortete ihnen in ihrer Sprache und ubergab ihnen den Koran worauf sie sich sofort zum Islam bekehrten Zuruck in ihrer Heimat traten ihr Stamm dann die anderen Stamme und schliesslich der gesamte Maghreb zum Islam uber Die Regragra verstehen sich bis heute als Nachkommen ihrer sieben Stammesaltesten und veranstalten eine jahrliche an magische Fruchtbarkeitssymbole gekoppelte 38 Tage dauernde Zirkularwallfahrt daur 4 Der grossen Verehrung den diese sieben Berberheiligen genossen wollte der Sultan etwas gegenuberstellen Entscheidend fur die Verankerung seiner Wallfahrt im Volksglauben war ein Grunder von anerkannter hoher Autoritat wie der Gelehrte el Yusi Mulai Ismail gelang es in einer Zeit der Anarchie die Macht der Marabouts zu schwachen Die Bezeichnung Sieben Manner wurde im Lauf der Zeit zu einem Synonym des Ortsnamens Marrakesch die Namen der Sieben Heiligen sind dagegen weniger gelaufig Die Sieben Heiligen BearbeitenEl Yusi hat in einer Qaṣida die Namen der sieben Heiligen und die Reihenfolge in der ihre Grabstatten besucht werden sollen festgehalten der erste liegt im Sudosten vor der Stadt der zweite im Osten direkt an der Stadtmauer der dritte liegt in der Altstadt im Norden die vier letzten Graber beginnen im westlichen Zentrum der Stadt und enden ausserhalb der sudlichen Stadtmauer Die ausgewahlten Heiligen waren alle historische Personlichkeiten von arabischer Abstammung die damals bereits an ihren jeweiligen Grabstatten in der Stadt verehrt wurden Zwischen ihnen gab es vorher kaum Beziehungen Sie stammten aus einer Zeit dem 12 bis 16 Jahrhundert als sich von al Ghazali 1058 1111 inspiriert sufistische Glaubenslehren von ihren geistigen Zentren den Zawayat ausgehend verbreiteten Diese besassen als religiose Inspirationsquellen und Gesellschaftsmodelle eine grosse Bedeutung im Alltag Yusuf bin ʿAli as Sanhagi kurz Sidi Yusuf ben ʿAli 1197 lebte und starb in Marrakesch als Leprakranker ausserhalb der Stadt in einer Grotte Der Lokalheilige wurde wegen seiner Gottesfurcht und Ergebenheit in sein Leid verehrt 5 Auch marokkanische Juden pilgerten regelmassig zu seinem Grab 6 al Qaḍi ʿIyaḍ b Musa b ʿIyaḍ al Yaḥṣubi geb 1083 in Ceuta gest 1149 in Marrakesch studierte wahrend der Almoravidenzeit in Cordoba besonders al Ghazalis Die Wiederbelebung der religiosen Wissenschaften bevor er 1121 zum Qadi in seiner Heimatstadt berufen wurde Bis 1138 wirkte er als Qadi in Granada zur selben Zeit als die Almohaden dabei waren gewaltsam die Macht an sich zu reissen In Ceuta organisierte er um 1146 einen Aufstand gegen die Almohaden worauf er fur drei Jahre ins Exil geschickt wurde Anschliessend durfte er als Qadi in Marrakesch tatig sein bis zu seinem ungeklarten aber vermutlich gewaltsamen Tod Abu l ʿAbbas as Sabti Sidi Bel Abbes 1130 in Ceuta 1204 05 in Marrakesch kam mit 16 Jahren als Islamschuler nach Marrakesch wo er sich wegen der Angriffe der Almohaden unter ihrem ersten Sultan ʿAbd al Muʾmin in eine Einsiedelei ḫalwa ausserhalb in die Hugel von Gueliz zuruckzog Ohne jemals Marrakesch zu betreten lebte er dort 40 Jahre lang mit Gottvertrauen tawakkul und nach den Regeln der tatigen Nachstenliebe iḥsan predigte und wirkte Wunder Sultan Yaʿqub al Mansur reg 1184 1199 bat ihn in die Stadt wo er in seinen Predigten die Reichen wegen ihres Geizes kritisierte und sich um die Armen und Blinden kummerte Bei den einen erwarb er sich einen Ruf als Haretiker fur die anderen galt er als wahrhaftiger und grossmutiger Mystiker Zu Lebzeiten wurde er bereits uber die Grenzen des Landes hinaus bekannt Fur die Nachwelt steigerte sich sein bis heute wahrender Ruhm als Unterstutzer der Armen und Kampfer fur die Gerechtigkeit So soll er 1578 in einer Schlacht gegen die Portugiesen die Seinen beim Heiligen Krieg Dschihad unterstutzt haben 1605 errichtete der Saadier Sultan Abou Fares Abdallah fur Sidi Bel Abbes ein Mausoleum 7 in der Hoffnung damit seine Epilepsie zu kurieren Die Grabstatte lag anfangs ausserhalb der alten Umfassungsmauer eine spatere Stadterweiterung nach Norden schuf einen eigenen Bezirk um das Grab des Schutzheiligen der Stadt Konig Hassan II liess 1998 das Gebaude renovieren Sidi Mohammed bin Sulaiman al Dschazuli Sidi ben Slimane al Jazouli al Gazouli um 1404 in der sudmarokkanischen Region Souss 1465 in Afughal bei Tamanar Provinz Essaouira wurde zwar im Gebiet der Berberdynastie der Meriniden geboren erhielt aber schon fruh eine Anerkennung als Scherif Seine Initiation als Sufi erfolgte in die Tariqa der Schadhiliyya als deren Erneuerer und Trager der spirituellen Kette Silsila er gilt siehe auch Dschazuliyya Etwa 20 Jahre lebte er in Mekka und Kairo spater im marokkanischen Safi an der Atlantikkuste bis er vom Merinidenherrscher wegen seiner ubergrossen Popularitat aus dieser Stadt vertrieben wurde Al Dschazuli zog sich in den Ort Afughal zuruck wo nach seinem moglicherweise gewaltsamen Tod ein Mausoleum fur ihn errichtet wurde 1524 wurden die sterblichen Uberreste nach Marrakesch in einen neu errichteten Grabbau uberfuhrt Das Hauptwerk al Ghazulis ist der Dalail al Khayrat dala il al ḫairat 8 ein Lobgesang auf den Propheten Uber al Dschazuli wollen die Gnawa eine ethnische Minderheit in Marokko ihre Fahigkeit zu heilen erhalten haben die sie in der Heilungszeremonie Derdeba praktizieren Sidi ʿAbd al ʿAziz at Tabbaʿ Sidi ʿAbdelʿaziz Tebbaa oder Abu Faris ʿAbd al ʿAziz al Ḥarrar in Marrakesch 1508 in Fes war der Schuler von al Dschazuli dessen Lehren er weiterfuhrte und ab etwa 1475 in einer eigenen Tariqa lehrte Sein Mausoleum liegt in der nordlichen Altstadt 9 Sein Rufname al Harrar bezieht sich auf die familiare Herkunft und bedeutet Seidenweber Sidi Abdallah al Ġazwani Sidi ben Abdallah El Ghazouani Mul al Qṣur im Dschebel Alam westlich des Rif Gebirges 1528 bei Marrakesch aus dem Berberstamm der Ghomara studierte in Fes und Granada und wurde dann von Sidi at Tabbaʿ in die Tariqa des al Dschazuli eingeweiht Spater grundete er auf der Ghazuliya aufbauend eine eigene Tariqa Deren Ordenszentrum lag im Stadtteil el Qsur von dem er seinen Rufnamen erhalten hat Abu l Qasim ʿAbd ar Raḥman as Sohaili Abderrahmane Souheili 1114 15 bei Malaga 1185 in Marrakesch war fruh erblindet studierte dennoch die arabische Sprache und war als Kenner der Hadithe geschatzt Er starb als verehrter Lehrer und Asket 10 Wallfahrt BearbeitenDie Siebenerwallfahrt wurde bald dermassen popular dass nachfolgende Sultane die Auswuchse der Heiligenverehrung vergeblich einzudammen versuchten Anfang des 20 Jahrhunderts hat Henri De Castries den Kult detailliert geschildert Grundsatzlich ist seine Beschreibung heute noch zutreffend nur die fruher am Stadtrand und ausserhalb der Stadtmauern gelegenen Grabstatten befinden sich nun meist innerhalb von Wohngebieten Von Infrastrukturmassnahmen wie Strassenbauten in direkter Nahe blieben sie verschont Sidi Bel Abbes ist die grosste Grabanlage im Zentrum der nordlichen Altstadt Hierhin pilgern als einzigem Heiligenort Manner und Frauen gleichermassen Alle Mausoleen Kuppelbauten arabisch qubba Pl qibab befinden sich in gutem Erhaltungszustand was ein Indiz fur ein reichliches Spendenaufkommen ist Die Liste der Heiligen ist in der Reihenfolge angeordnet in der die Wallfahrt laut al Yusi durchgefuhrt werden soll Am besten beginnt die Wallfahrt an einem Dienstag dann wird am Freitag dem Feiertag der Woche das Grab von al Dschazuli des Heiligsten der Sieben erreicht Es gibt keine jahrliche organisierte Pilgerfahrt Mausim zu den Orten die Besuche finden privat organisiert im Familienkreis als Ziyara statt Haufiger werden gezielt nur einzelne Grabstatten aufgesucht uberwiegend von Frauen der jeweiligen Stadtviertel Die Heiligengraber durfen wie auch alle Moscheen des Landes in der Regel von Nichtmuslimen nicht betreten werden nbsp Innenhof und Grabbau von Sidi Bel Abbes 3 Wird von Blinden Kranken und alten Mannern und Frauen aufgesucht Altstadtzentrum im Norden nbsp Grabbau von Abderrahmane Souheili 7 vom gleichnamigen Friedhof umgeben Ausserhalb der Stadtmauern beim Bab Er Rob nbsp Grabbau von Moulay al Qsur 6 Westliche AltstadtLiteratur BearbeitenHenri De Castries Les sept patrons de Marrakech In Hesperis 4 1924 ISSN 0399 0052 S 245 303 Hubert Lang Der Heiligenkult in Marokko Formen und Funktionen der Wallfahrten Passavia Universitatsverlag Passau 1992 ISBN 3 86036 006 X S 72 80 140 142 Passauer Mittelmeerstudien Sonderreihe 3 Uwe Topper Sufis und Heilige im Maghreb Eugen Diederichs Munchen 1991 ISBN 3 424 01023 5 S 188 191 Einzelnachweise Bearbeiten Hubert Lang 1992 S 49f Hubert Lang 1992 S 73 Uwe Topper 1991 S 190 Hubert Lang 1992 S 76 143 145 Tomb of Sidi Yusuf United States Naval Academy zwei Fotos vom Grabmal Emily Gottreich Rethinking the Islamic City from the Perspective of Jewish Space In Jewish Social Studies New Series Band 11 Nr 1 Herbst 2004 S 118 146 hier S 123 The Quarter of Sidi Bel Abbes Riad Dreamer Sidi Mohammed bin Sulayman al Jazouli Dala il al Khayraat Memento des Originals vom 23 September 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www dar sirr com dar sirr com PDF 11 1 MB Mausoleum of Sidi Abd El Aziz Marrakesh sacred destinations com Hubert Lang 1992 S 78 80 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sieben Heilige von Marrakesch amp oldid 230199601