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Die Lowenberger Arbeitsgemeinschaft war eine 1927 vom Breslauer Hochschullehrer Eugen Rosenstock Huessy in der Stadt Lowenberg Provinz Niederschlesien gegrundete Initiative zur Verbesserung der Wohn und Arbeitsverhaltnisse im Waldenburger Land Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Grundung 2 Die Lowenberger Arbeitslager 3 Bekannte Teilnehmer 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte und Grundung BearbeitenNach dem Ersten Weltkrieg wurde durch den Versailler Vertrag vom 20 Juni 1922 Ostoberschlesien vom Deutschen Reich abgespalten und an Polen abgetreten Dadurch gingen grosse Teile der Industrie fur Deutschland verloren und es entstanden grosse wirtschaftliche Probleme Das Waldenburger Steinkohlerevier war in den 1920er Jahren eine der armsten Gegenden Mitteleuropas Dadurch war es zu einer Verelendung breiter Bevolkerungsschichten gekommen die mit staatlicher Wirtschafts und Sozialpolitik nicht zu beheben war Helmuth James Graf von Moltke hatte im Herbst 1926 eine Begegnung mit dem Waldenburger Landrat Karl Franz und war erschuttert uber die dort herrschenden katastrophalen Lebensbedingungen Deshalb plante er eine Hilfsaktion fur die Region und brachte Journalisten aus dem Ausland nach Waldenburg um die Missstande an die Offentlichkeit zu bringen Am 18 September 1927 trafen sich in Kreisau die Hochschullehrer Gerhart von Schulze Gaevernitz Eugen Rosenstock Huessy Hans Peters sowie die Studenten Helmuth James von Moltke Carl Dietrich von Trotha und Horst von Einsiedel Sie grundeten die Lowenberger Arbeitsgemeinschaft die wissenschaftliche erzieherische und publizistische Aufgaben wahrnahm Sie wollte Menschen aller Generationen Konfessionen und Bevolkerungsschichten zur Losung der wirtschaftlichen Probleme zusammenbringen Als erste Aktion fand im Oktober 1927 ein Kolloquium im Lowenberger Boberhaus statt an dem 70 Personen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen teilnahmen Darunter waren Fabrikanten Gutsbesitzer Pfarrer Lehrer Bergarbeiter Gewerkschaftssekretare Professoren und Verwaltungsbeamte Es wurden Ausschusse gebildet zu einem Arbeitslager von Arbeitern Bauern und Studenten eingeladen 1 Die Lowenberger Arbeitslager BearbeitenDas erste Lowenberger Arbeitslager fand vom 14 Marz bis 1 April 1928 im Boberhaus statt Es wurde von der Schlesischen Jungmannschaft der bundischen Deutschen Freischar organisiert Es versammelten sich Studenten Jungarbeiter und Jungbauern aus allen politischen Lagern um gemeinsam eine Losung der Wirtschaftsprobleme im Waldenburger Notstandsgebiet herbeizufuhren 2 Behandelt wurden u a die Themen Arbeiterleistung und Arbeitereinkommen Konsumgewohnheiten und Verkehrsfrage in der Auswirkung auf die Preisbildung Unter der Leitung von Eugen Rosenstock Huessy trafen sich Peter Graf Yorck von Wartenburg Horst von Einsiedel Carl Dietrich von Trotha Theodor Steltzer Adolf Reichwein und Helmuth James von Moltke 3 Rosenstock Huessy wollte dass Professoren und Studenten mit allen Bevolkerungsschichten zusammenkommen um durch gemeinsames Nachdenken konkrete Losungen der anstehenden Probleme zu erarbeiten Am ersten Lager nahmen nur Manner teil 1930 kamen auch Frauen hinzu Der Tagesablauf gestaltete sich wie folgt Er begann mit einem Waldlauf danach hielt Rosenstock Huessy eine Ansprache zu Themen die den Arbeitsalltag und das Leben der Jugendlichen betrafen und die den geistigen Zusammenhalt fordern sollte Nach dem Fruhstuck stand korperliche Arbeit auf dem Programm Nachmittags gab es Vortrage und Gesprachsrunden Die Teilnehmer hatten Gelegenheit ihre Lebenssituation zu schildern und so das gegenseitige Verstandnis fureinander zu verbessern Abends wurden kulturelle Veranstaltungen angeboten Im Verlauf des ersten Lagers kamen zu den 100 jungen Teilnehmern noch 70 Personen der alteren Generation aus fuhrenden Stellungen hinzu Bei diesen sogenannten Fuhrerbegegnungen kamen Professoren hohe Regierungsbeamte Kirchenvertreter und Gewerkschaftsfuhrer zu Vortragen und Aussprachen in das Boberhaus 4 Einen Eindruck von diesem Arbeitslager vermittelt ein Brief von Moltkes Mutter Unser Lowenberger Ausflug war ein grosser Erfolg Meinungen aller Schattierungen waren vertreten vom Grossgrundbesitzer bis zum Kommunisten Und alle mussten ihre Meinung frei aussern was sie auch taten so kam sozusagen eine freundliche Opposition zustande Helmuth sass beim Essen neben einem Arbeiter einem enthusiastischen sozialistischen Gewerkschafter von den Zeisswerken in Jena und sie vertrugen sich so gut dass der Arbeiter ihm schliesslich ein Buch uber den Grunder der Zeisswerke mit einer netten kleinen Widmung schenkte Alle waren dort gleich keine Titel wie Herr Professor oder Herr Bischof usw die die Deutschen doch so lieben Alle Meinungen sollten zum Ausdruck kommen alle gleich stark 5 Im Ruckblick schreibt Rosenstock Huessy 1965 Das Beispiel ging wie ein Lauffeuer durch die Landschaften Unser schlesisches Muster erwies sich als unwiderstehlich Die Arbeitslosen leiden unter ihrer Ausgliederung Arbeitslose mussen trotz des Fehlens der Arbeit angehoren mussen Freunde finden konnen Die Arbeitenden aber mussen die Nase aus ihrer Arbeitsteilung herausstecken Arzte so gut wie Dreher Pfarrer so gut wie Alpler jedes Schicksalsgenossen Feierabends und Sonntagsgesicht muss aus ihm herausgeholt werden Nur wer zwischen den zwei Gesichtern in der Arbeit und bei der Feier abwechselt wird unser Mitmensch Ohne den Zutritt von Nichtarbeitslosen konnten und konnen die Arbeitslosen ihren Frieden mit der Gesellschaft nicht schliessen und nicht einmal einander den Frieden entbieten Einhundert Arbeitslose in ihrem abgesonderten Lager sind deshalb weil sie unter sich bleiben mussen mehr ein Korps der Rache als ein Friedenskorps 6 Auf Anfrage von Moltke erwirkte der Zentrums Abgeordnete Heinrich Bruning beim Reichsprasidenten eine hohe finanzielle Unterstutzung fur das Lager Die Arbeitslager wurden noch zweimal in den Jahren 1929 und 1930 durchgefuhrt Sie trafen auf ein enthusiastisches Echo und hatten eine starke Wirkung im In und Ausland In allen Landern Deutschlands ahmte man sie nach Nach 1930 kam es zu Unstimmigkeiten in der schlesischen Gruppe die in der Folgezeit die Unterstutzung sozialistischer kirchlicher und industrieller Kreise einbusste Nach der Machtubernahme durch die Nationalsozialisten verlor die Bewegung ihren fuhrenden Kopf Rosenstock Huessy war judischer Herkunft und emigrierte 1933 in die Vereinigten Staaten Die anhaltende Weltwirtschaftskrise beendete die Tatigkeit der Lowenberger Arbeitsgemeinschaft Mit ihrer personellen Zusammensetzung und der weltanschaulichen Pragung kann die Lowenberger Arbeitsgescheinschaft als Keimzelle und Vorlaufer des Kreisauer Kreises angesehen werden Die schlesischen Arbeitslager sind strikt zu unterscheiden vom Freiwilligen Arbeitsdienst FAD der 1931 von der Regierung Bruning gegrundet wurde sowie vom 1935 eingefuhrten Reichsarbeitsdienst RAD im Nationalsozialistischen Deutschen Reich Bekannte Teilnehmer BearbeitenHorst von Einsiedel Mitglied des Kreisauer Kreises Helmuth James Graf von Moltke Jurist und Grunder des Kreisauer Kreises Hans Poeschel Regierungsprasident in Liegnitz Adolf Reichwein Padagoge Wirtschaftswissenschaftler Politiker und Mitglied des Kreisauer Kreises Eugen Rosenstock Huessy Rechtshistoriker und Soziologe Gerhart von Schulze Gaevernitz Politiker der DDP Theodor Steltzer Politiker Wilhelm Teichmann Rittergutsbesitzer in Brodelwitz Carl Dietrich von Trotha Hochschullehrer und Mitglied des Kreisauer Kreises Peter Graf Yorck von Wartenburg Jurist und Mitglied des Kreisauer KreisesLiteratur BearbeitenPeter Dudek Erziehung durch Arbeit Arbeitslagerbewegung und freiwilliger Arbeitsdienst 1920 1935 Leske amp Budrich Opladen 1988 Eugen Rosenstock Huessy Das Arbeitslager fur Jungarbeiter Jungbauern und Jungakademiker in Lowenberg vom 14 31 Marz 1928 Freie Volksbildung Neue Folge des Archivs fur Erwachsenenbildung 3 1928 S 217 224 Eugen Rosenstock und Carl Dietrich von Trotha Hrsg Das Arbeitslager Berichte aus Schlesien von Arbeitern Bauern Studenten Eugen Diederichs Jena 1931 S 87 116 Adolf Reichwein Ein Arbeitslager In Volkshochschulblatter fur Thuringen 10 1928 29 H 1 S 14 19 Johann Georg Keil Hans Dehmel u a Vormarsch der Arbeitslagerbewegung Geschichte und Erfahrung der Arbeitslagerbewegung fur Arbeiter Bauern Studenten 1925 1932 Hrsg Deutsches Studentenwerk Reihe Studentenwerk Schriften Bd 6 de Gruyter Berlin 1932 Ullrich Amlung Nicole Hoffmann Bettina I Reimers Hrsg Adolf Reichwein und Fritz Klatt Ein Studien und Quellenband zu Erwachsenenbildung und Reformpadagogik in der Weimarer Republik 2007 ISBN 978 3 7799 1619 2 S 79 85 Weblinks BearbeitenKreisau und die Tradition der Freiwilligendienste Helmuth James von Moltke 1907 1945 Einzelnachweise Bearbeiten Andreas Mockel Kreisau und die Tradition der Freiwilligendienste Abgerufen am 4 Marz 2011 Gunter Brakelmann Die Kreisauer folgenreiche Begegnungen Biographische Skizzen zu Helmuth James Graf von Moltke Peter Yorck von Wartenburg Carlo Mierendorff und Theodor Haubach Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft 20 Juli 1944 e V Band 4 S 187 Detlef Graf von Schwerin Dann sind s die besten Kopfe die man henkt Die junge Generation im deutschen Widerstand Piper Munchen 1991 Andreas Mockel Kreisau und die Tradition der Freiwilligendienste Abgerufen am 4 Marz 2011 Andreas Mockel Kreisau und die Tradition der Freiwilligendienste Abgerufen am 4 Marz 2011 Eugen Rosenstock Huessy Dienst auf dem Planeten W Kohlhammer Verlag Stuttgart Berlin Koln Mainz 1965 S 48 52 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lowenberger Arbeitsgemeinschaft amp oldid 235395308