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Als Kulmer Handfeste wird das am 28 Dezember 1233 durch den Deutschen Orden in Kulm ausgestellte Dokument bezeichnet mit dem die Siedlungen Kulm und Thorn zu den ersten Stadten im zwischen der Weichsel und zweien ihrer Zuflusse gelegenen Kulmer Land erhoben wurden und eine Stadteordnung erhielten Die in der Kulmer Handfeste in Latein aufgezeichneten Rechtsnormen wurden schon bald fur das gesamte Ordensland und sogar dessen Nachbarterritorien vorbildlich und bildeten die Grundlage fur ein neues Recht das spater als Kulmer Recht bezeichnet wurde Inhaltsverzeichnis 1 Ausstellungs und Uberlieferungsgeschichte 2 Inhalt 3 Bewertung 4 Quellen und Literatur 5 Siehe auch 6 EinzelnachweiseAusstellungs und Uberlieferungsgeschichte BearbeitenAm 28 Dezember 1233 stellten Hermann von Salza 1239 der Hochmeister des Deutschen Ordens Hermann Balk 1239 der Landmeister Prazeptor im Slawenland und in Preussen per Sclavoniam et Prusiam preceptor 1 sowie der gesamte Ordenskonvent die nach ihrem Ausstellungsort benannte Urkunde aus die Kulm und Thorn zu den beiden ersten Stadten im von der Weichsel der Drewenz und der Ossa begrenzten Kulmer Land machte Die Kulmer Handfeste ist somit quasi die offizielle Grundungsurkunde 2 bzw das Lokationsprivileg von Kulm und Thorn Als Zeugen wurden in der Kulmer Handfeste die Mitglieder des Ordens und die ubrigen Personen genannt die zusammen mit Hermann Balk an die Weichsel gekommen waren Keine Erwahnung fand hingegen Herzog Konrad von Masowien 1247 der die Ordensritter in sein Territorium gerufen und ihnen 1228 das Kulmer Land verliehen hatte Das Original der Kulmer Handfeste ging wahrscheinlich 1244 wahrend des Angriffs von Herzog Swantopolk von Pommerellen 1266 beim Brand des Kulmer Rathauses verloren Unser heutiges Wissen uber ihre Bestimmungen verdanken wir drei spater verfassten Schriftstucken die allerdings nicht in allen Details ubereinstimmen Das erste dieser Schriftstucke ist die so genannte Erneuerte Kulmer Handfeste datiert auf den 1 Oktober 1251 Sie wurde auf Grundlage einer in Thorn befindlichen Urkunde angefertigt von der allerdings nicht bekannt ist ob es sich bei ihr um ein zweites Original oder nur eine Abschrift des Originals handelte Fest steht dass in der 1251 vom Orden neu ausgestellten Handfeste einige Anderungen vorgenommen wurden die letztlich einer Beschneidung der in der ursprunglichen Handfeste von 1233 verliehenen Rechte gleichkamen Das zweite erhaltene Schriftstuck ist eine vom Kulmer Stadtschreiber Konrad Bitschin 1431 angefertigte Abschrift die sich in einer Abschriftensammlung der Stadt erhalten hat Er machte jedoch keinerlei Angaben daruber auf welchem Text seine Abschrift beruht Sicher ist dass dieses Schriftstuck in Kulm entstand woraus geschlossen werden kann dass dort moglicherweise eine weitere Abschrift der Handfeste von 1233 existierte Das dritte Schriftstuck schliesslich ist die so genannte Danziger Kopie die 1684 vom Historiker Christoph Hartknoch 1644 1687 in Alt und Neues Preussen einer umfangreichen Darstellung der Geschichte Preussens publiziert wurde 3 Inhalt BearbeitenDie Kulmer Handfeste 4 legte fur beide Stadte die Ubernahme des Magdeburger Rechts fest allerdings mit leichten Abanderungen wie z B gunstigeren Satzen fur die Bussgelder das um einige Elemente des flamischen und Freiberger Rechts erweitert wurde Beide Stadte erhielten umfangreichen Landbesitz und eine grosszugige Ausstattung fur ihre Pfarreien Ihren Burgern wurde das Recht der freien Wahl von Richtern zugestanden die jedoch dem Orden und der Gemeinde unterstehen sollten Damit verbunden war auch die niedere Gerichtsbarkeit mit einem Anteil von einem Drittel an den Gerichtsbussen Kulm sollte dafur wohl in Anknupfung an die zentrale Funktion der alten Kulmer Burg die von den Prussen 1216 zerstort worden war als Hauptstadt und Oberhof fungieren was bedeutete dass seine Ratsherren Anfragen zur stadtischen Gerichtsbarkeit beantworten und etwaige Zweifel klaren sollten Weitere Bestimmungen regelten die Ausubung diverser Herrschaftsrechte vor allem Boden und Wasserrechte Fahrabgaben aber auch das Erbfolgerecht Kriegsdienstverpflichtungen sowie die Abgaben und Dienste der Besitzer von Landgutern Der Orden behielt sich zwar die Verfugung uber Seen Erz und Salzvorkommen vor gewahrte den Stadtburgern aber umfangreichere Jagd und Fischereirechte als sie im Heiligen Romischen Reich und in den polnischen Herzogtumern ublich waren und beteiligte sie auch am Muhlenwesen Stadtburger beiderlei Geschlechts verfugten uber ihre Guter nach dem flamischen Erbrecht was umso bemerkenswerter war als es Frauen beispielsweise nach dem Magdeburger und auch dem polnischen Recht nur gestattet war beweglichen Besitz zu erben Ferner sicherte der Orden den Burgern und ihren Gutern Schutz vor allen ungebuhrlichen Steuern und Abgaben sowie vor zwangsweisen Einquartierungen zu und versprach ihm zugefallene Hauser in den Stadten nur so zu nutzen wie es auch die anderen Stadtburger taten Allerdings verpflichtete der Orden die Land besitzenden Burger zum Kriegsdienst wobei genau festgelegt wurde wie das Burgeraufgebot ausgerustet und bewaffnet zu sein hatte Schliesslich wurde als Masseinheit fur den Grundbesitz die flamische Hufe rund 16 ha festgelegt und das Land von Zollzahlungen befreit Eine wichtige Regelung betraf auch das Munzwesen Es wurde bestimmt dass es im ganzen Gebiet eine Munze geben soll und dass die Denare aus gutem und reinem Silber hergestellt werden sollen ut una moneta sit per totam terram et ut de puro et mundo argento denarii fabricentur 5 wobei 12 Denare bzw Pfennige einem Schilling und 60 Schillinge einer Mark entsprechen sollten 6 Wesentlich gunstiger als im Heiligen Romischen Reich waren auch die Wechselkurse beim Umtausch von alten in neue Munzen 14 alte gegen 12 neue Pfennige bei einer relativ seltenen auf alle zehn Jahre beschrankten Munzneupragung Bewertung BearbeitenAufgrund des allgemeinen Anspruchs der in der Kulmer Handfeste verbrieften Rechtsnormen bzw der vorgenommenen Veranderungen des Magdeburger Stadtrechts war diese von Anfang an mehr als nur das Lokationsprivileg zweier Stadte 7 Mit der Handfeste hatte der Orden die aus dem Westen gekommenen Neusiedler grosszugig an den von ihm erworbenen Rechten partizipieren lassen wodurch nicht nur gunstige Voraussetzungen fur ein relativ rasches Aufbluhen der im Ordensgebiet gegrundeten Stadte geschaffen sondern auch zahlreiche weitere Siedler angelockt wurden weil diese hier in den Genuss weiter reichender Privilegien kommen konnten als im Heiligen Romischen Reich Wegen der Vorbildwirkung ihrer Bestimmungen fur das gesamte spatere Ordensterritorium und sogar noch daruber hinaus wurde die Kulmer Handfeste schliesslich zur Grundlage des spater so bezeichneten Kulmer Rechts Aus diesem Grund wurde die Kulmer Handfeste auch als d ie Magna Charta des Ordensgebietes bezeichnet 8 Quellen und Literatur BearbeitenKarola Ciesielska Przywileje Lokacyjne Torunia Torun 2008 ISBN 978 83 7285 408 7 polnisch deutsch und englisch Guido Kisch Die Kulmer Handfeste Text rechtshistorische und textkritische Untersuchungen nebst Studien zur Kulmer Handfeste dem Elbinger Privilegium von 1246 und einem Beitrag zur Geschichte des Begriffes ius teutonicum Deutsches Recht im Deutschordensgebiet Sigmaringen Thorbecke 2 Auflage 1978 ISBN 978 3 7995 7109 8 Johann Karl Kretzschmer Die Kulmische Handfeste Bei der sechshundertjahrigen Feier ihrer Ertheilung Im Verlage bei Albert Baumann Marienwerder 1832 Volltext Alexander Rogatschewski Kul mskaja gramota pamjatnik prava Prussii XIII v St Petersburg 2002 ISBN 5 288 02289 5 mit dt Zusammenfassung Die Kulmer Handfeste ein preussisches Rechtsdenkmal des 13 Jahrhunderts Siehe auch BearbeitenDeutscher Orden Geschichte PolensEinzelnachweise Bearbeiten Ciesielska 2008 S 25 Ciesielska 2008 S 107 Zur Uberlieferungsgeschichte der Kulmer Handfeste vgl Ciesielska 2008 S 110f Vgl dazu Ciesielska 2008 mit dem lateinischen Originaltext auf S 25 32 Auf den Seiten 47 55 83 90 und 115 124 finden sich eine polnische englische und deutsche Ubersetzung mit entsprechenden Anmerkungen Ciesielska 2008 S 31 und 120 Schilling und Mark waren im Ordensstaat zunachst nur Rechnungseinheiten da der Pfennig bis etwa 1380 die einzige dort gepragte Munze zunachst in Form des Brakteaten spater des Hellers blieb Ciesielska 2008 S 121 Anm 5 und S 123 Anm 31 und 32 Ciesielska 2008 S 111 Zit nach Konrad Fuchs und Heribert Raab Worterbuch zur Geschichte 10 Aufl Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH amp Co KG Munchen 1996 S 452 Stichwort Kulmer Handfeste ISBN 3 423 03364 9 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kulmer Handfeste amp oldid 237891119