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Die Kiemenlochtiere Hemichordata sind ein Tierstamm zu dem nur gut 100 bekannte rezente Arten gehoren Sie umfassen zwei Gruppen die in der klassischen Systematik im Rang von Klassen gefuhrt werden die wurmartigen Eichelwurmer Enteropneusta und die koloniebildenden festsitzenden sessilen Flugelkiemer Pterobranchia KiemenlochtiereEichelwurm Saccoglossus sp Systematikohne Rang Vielzellige Tiere Metazoa ohne Rang Gewebetiere Eumetazoa ohne Rang BilateriaUberstamm Neumunder Deuterostomia ohne Rang AmbulacrariaStamm KiemenlochtiereWissenschaftlicher NameHemichordataBateson 1885KlassenEichelwurmer Enteropneusta Flugelkiemer Pterobranchia Die Kiemenlochtiere zahlen zum Uberstamm der Neumunder Deuterostomia zu denen auch die Chordatiere Chordata und mit diesen die Wirbeltiere Vertebrata gehoren Der wissenschaftliche Name Hemichordata halbe Chordatiere spiegelt die traditionelle Ansicht wider sie seien die Urform der Chordata Tatsachlich stehen die Hemichordata mit den Stachelhautern Echinodermata Seesterne Asteroidea Seeigel Echinoidea und andere in einem Schwestergruppenverhaltnis und bilden mit ihnen ein Taxon das Ambulacraria genannt wird Inhaltsverzeichnis 1 Anatomie 2 Ernahrung Lebensraum und Verbreitung 3 Fortpflanzung 4 Fossilien 5 Systematik 6 Stammesgeschichte 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 WeblinksAnatomie Bearbeiten nbsp Darstellung verschiedener Vertreter der EnteropneustaKiemenlochtiere haben einen weichen wurmahnlichen aber von einer groben Dreiteilung abgesehen innerlich unsegmentierten Korper der wie bei allen zweiseitig symmetrisch gebauten Tieren eine Spiegelsymmetrie aufweist und somit uber drei klar definierte Korperachsen verfugt Sie kommen in verschiedenen Farben von weiss bis dunkelviolett vor und konnen bis zu 2 50 m lang werden andererseits finden sich aber auch nur millimetergrosse Tiere Charakteristisch ist die Gliederung des Korpers in drei Teile Der vorderste Abschnitt ist der Kopflappen Prosoma der in der Klasse der Flugelkiemer Pterobranchia schildformig geformt ist und daher auch als Kopf oder Rostralschild bezeichnet wird Darauf folgt ein kurzer Kragen Mesosoma in dem die Mundoffnung untergebracht ist und ein langer Rumpf Metasoma Diese grundlegende Dreiteilung des Korpers betrifft auch die Leibeshohle das Coelom welche in Pro Meso und Metacoel gegliedert ist die raumlich in den entsprechenden Korperabschnitten liegen Insbesondere in der Klasse der Eichelwurmer Enteropneusta befinden sich im Rumpfabschnitt bis zu hundert fur die Gruppe namensgebende Kiemenspalten durch welche die Tiere atmen und an denen das durch den Mund eingesogene Wasser unter Ruckhaltung der Nahrungspartikel wieder ausstromen kann Sie verbinden den ersten Darmabschnitt den Kiemendarm mit der Aussenwelt Bei den Flugelkiemern dagegen sind entweder nur zwei paarig angelegte Kiemen vorhanden oder diese fehlen ganz Als Ausstulpung des Magens in den Mundlappen Buccaltasche existiert bei den Eichelwurmern eine weitere charakteristische Struktur namlich das Stomochord Fruher galt es als moglicher Vorlaufer des Notochords also der elastischen stabformigen Stutzstruktur der Chordatiere Da es mit diesem allerdings keine wesentlichen Gemeinsamkeiten aufweist und auch zu keinem Zeitpunkt als hydrostatisches Skelett dient wird diese Ansicht heute wissenschaftlich kaum mehr vertreten Das offene Blutgefasssystem der Kiemenlochtiere ist recht primitiv ausgebildet nur im Kragen und Kopflappen befinden sich zwei echte Blutkanale Im Kopflappen liegt auch das sehr elementare Herz das lediglich aus einem einzigen zusammenziehbaren kontraktilen Blutgefass besteht das ruckseitig dorsal ankommendes Blut in die bauchseitige ventrale Ader pumpt Der Blutfluss ist also gerichtet unidirektional Die Ausscheidung flussiger Abfallstoffe geschieht hauptsachlich durch die Haut daruber hinaus existiert ein Glomerulus genanntes Membransystem in dem aus dem Herz einstromendes Blut mehrfach gefiltert wird Der entstehende Urin wird in die Leibeshohle des Kopflappens entlassen und gelangt von dort durch eine Pore nach aussen Das Nervensystem besteht im Wesentlichen aus je einem bauchseitigen und ruckseitigen Nervenstrang die im Kopflappen und um den Darm herum ringformig verbunden sind und Nervenenden in die Aussenhaut Epidermis entsenden Bei den Eichelwurmern verlauft der ruckseitige Nerv in einer speziellen Falte im Kragen Dieser hohle Nervenstrang das Kragenmark der Eichelwurmer wird vor allem wegen seiner embryonalen Entstehung manchmal als Homologon des Ruckenmarks der Chordatiere angesehen beide waren also stammesgeschichtlich aus derselben Vorgangerstruktur hervorgegangen Ernahrung Lebensraum und Verbreitung BearbeitenKiemenlochtiere konnen sich auf zwei verschiedenen Wegen ernahren Entweder graben sie sich durch das Sediment des Meeresbodens das heisst sie nehmen Bodenschlamm auf und verdauen den darin enthaltenen organischen Inhalt einem Regenwurm vergleichbar oder sie filtrieren frei im Wasser schwebende Nahrungsteilchen wie zum Beispiel Algen Sie leben daher meist in oder unterhalb der Gezeitenzone auf oder im Grund des Meeres benthisch zum Teil bis in Tiefen von 5000 Metern und bilden dort oft U formige Wohnhohlen Nur wenige Arten leben im offenen Meer pelagisch Kiemenlochtiere sind weltweit in allen Meeresgewassern von den Tropen bis in polare Zonen verbreitet Fortpflanzung BearbeitenKiemenlochtiere haben getrennte Geschlechter die sich allerdings ausserlich kaum unterscheiden Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich meist erst bewimperte Larven Tornaria Larven die den Larven der Stachelhauter ahneln und aus denen sich die erwachsenen Tiere entwickeln Sie verbringen einen Teil ihres Lebenszyklus vor der Metamorphose im Plankton wo sie sich von feinen Nahrungspartikeln ernahren die in Wimpernbandern der Larve hangenbleiben und von dort zum Mund transportiert werden man bezeichnet sie daher auch als planktotroph Bei manchen Arten geschieht die Entwicklung allerdings auch direkt das heisst ohne ein dazwischengeschaltetes Larvenstadium Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung findet man auch die ungeschlechtliche Dabei schnurt sich ein Jungtier in einem Knospung genannten Vorgang einfach vom genetisch identischen Elterntier ab Daneben kann es auch vorkommen dass ein Individuum einfach in zwei Teile zerfallt die dann unabhangig voneinander fortbestehen Fossilien BearbeitenDie ersten fossilen Funde von Kiemenlochtieren entstammen der chinesischen Chengjiang Faunengemeinschaft und dem etwas jungeren kanadischen Burgess Schiefer die im erdgeschichtlichen Zeitalter des Kambrium entstanden sind Eine heute ausgestorbene Gruppe von Kiemenlochtieren die Graptolithen Graptolithina bilden sogar wichtige Leitfossilien fur Ordovizium und Silur Systematik BearbeitenMan unterscheidet zwei Klassen noch heute lebender Kiemenlochtiere Die Eichelwurmer Enteropneusta umfassen ungefahr 90 bis 100 Arten in vier Familien Sie leben als Einzeltiere und sind im Gegensatz zu den Flugelkiemern nicht mit Tentakeln ausgestattet Ihre Grosse variiert zwischen 2 5 und 250 Zentimetern Die etwa zwanzig Arten der Flugelkiemer Pterobranchia haben einen eher vasenformigen Korper verfugen uber Tentakel und werden hochstens einen Zentimeter lang Anders als die Eichelwurmer leben sie in Kolonien in denen die Einzeltiere Zooide durch rohrenformige Auslaufer namlich Stolons miteinander verbunden sind Eine solche Kolonie ist oft von einem aus Kollagen bestehenden Netzwerk von Hohlungen umgeben Unsicher und ratselhaft ist die Zuordnung der Art Planctosphaera pelagica fur die manchmal eine eigene Klasse Planctosphaeroidea unterschieden wird Von dieser Art ist allerdings nur die charakteristische rundliche Tornaria Larve bekannt die im freien Ozean lebt und bis zu einem Zentimeter gross werden kann Die meisten Forscher nehmen an dass sie zu einer bisher unbekannten Eichelwurm Art gehort die vermutlich in der Tiefsee lebt Die Graptolithen Graptolithina bilden daruber hinaus eine wichtige Gruppe ausgestorbener Kiemenlochtiere ihre Fossilien sehen wie spiralig aufgewundene kleine Sageblatter aus Es wird vermutet dass dies eine Anpassung an das Schweben im freien Ozeanwasser ihre pelagische Lebensweise darstellt Nach der Entdeckung der Flugelkiemer Art Cephalodiscus graptolitoides vor der Kuste Neukaledoniens die in ihrem Korperbau verbluffende Ubereinstimmung mit den fossilen Graptolithen zeigt nehmen die meisten Forscher an dass auch die Graptolithen zu den Flugelkiemern gehort haben Stammesgeschichte BearbeitenNach einigen Zweifeln die Monophylie der Kiemenlochtiere und ihrer Teilgruppen betreffend gilt heute die Monophylie aller drei Taxa nach morphologischen 1 und genetischen 2 Daten als wahrscheinlichste Hypothese wenn auch die genetischen Daten gewisse Zweifel offenlassen ob nicht die Flugelkiemer innerhalb der Eichelwurmer positioniert werden mussten 3 was diese in diesem Fall paraphyletisch machen wurde Das folgende Kladogramm gibt die nach heutigem Wissen wahrscheinlichsten Verwandtschaftsverhaltnisse wieder 4 5 Neumunder Deuterostomia Ambulacraria Stachelhauter Echinodermata Kiemenlochtiere Hemichordata Flugelkiemer Pterobranchia Eichelwurmer Enteropneusta Schadellose Cephalocordata Chordata Manteltiere Urochordata Wirbeltiere Vertebrata Literatur BearbeitenD T Anderson Invertebrate Zoology Kap 17 Oxford Univ Press Oxford 2001 2 Aufl S 418 ISBN 0 19 551368 1 Richard S K Barnes P Calow P J W Olive D W Golding J I Spicer The invertebrates a synthesis Kap 7 2 3 Aufl Blackwell Oxford 2001 S 147 ISBN 0 632 04761 5 Richard C Brusca G J Brusca Invertebrates Kap 23 Sinauer Sunderland Mass 2003 2 Aufl S 847 ISBN 0 87893 097 3 A Goldschmid Hemichordata Branchiotremata in Wilfried Westheide Spezielle Zoologie Teil 1 Einzeller und Wirbellose Tiere Gustav Fischer Stuttgart Jena 1996 Akademie Verlag Heidelberg 2004 ISBN 3 8274 1482 2 E E Ruppert R S Fox R P Barnes Invertebrate Zoology A functional evolutionary approach Kap 27 Brooks Cole 2004 S 857 ISBN 0 03 025982 7 J van der Land Hemichordata in M J Costello u a Hrsg European register of marine species a check list of the marine species in Europe and a bibliography of guides to their identification Collection Patrimoines Naturels Bd 50 Publication scientifiques du M N H N Paris 2001 S 336f ISBN 2 85653 538 0Einzelnachweise Bearbeiten C B Cameron 2005 A phylogeny of the hemichordates based on morphological characters Canadian Journal of Zoology 83 196 215 doi 10 1139 Z04 190 Oleg Simakov et al 2015 Hemichordate genomes and deuterostome origins Nature 527 459 465 doi 10 1038 nature16150 Johanna T Cannon Amanda L Rychel Heather Eccleston Kenneth M Halanych Billie J Swalla 2009 Molecular phylogeny of hemichordata with updated status of deep sea enteropneusts Molecular Phylogenetics and Evolution 52 17 24 doi 10 1016 j ympev 2009 03 027 Casey W Dunn Gonzalo Giribet Gregory D Edgecombe Andreas Hejnol 2014 Animal Phylogeny and Its Evolutionary Implications Annual Review of Ecology Evolution and Systematics 45 371 395 doi 10 1146 annurev ecolsys 120213 091627 Maximilian J Telford Graham E Budd Herve Philippe 2015 Phylogenomic Insights into Animal Evolution Current Biology 25 R876 R887 doi 10 1016 j cub 2015 07 060Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kiemenlochtiere Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Hemichordata World Database by Noa Shenkar and Billie J Swalla nbsp Dieser Artikel wurde am 23 August 2004 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kiemenlochtiere amp oldid 239311981