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Das Kaufhaus Friedmann war eines der ersten Kaufhauser in Bayreuth Das in judischem Besitz befindliche Gebaude wurde auf Anordnung Adolf Hitlers im Jahr 1939 abgerissen 1 Kaufhaus Friedmann in Bayreuth um 1900 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Geschichte 3 Nachspiel 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenAm 19 Mai 1845 2 wurde im unterfrankischen Frankenwinheim Joseph Friedmann geboren Er besuchte die judische Handelsschule in Segnitz und absolvierte von 1860 bis 1862 eine kaufmannische Lehre im Textilgeschaft M L Harburger in der Opernstrasse 7 in Bayreuth Anschliessend war er fur Harburger und andere Firmen als Reisender tatig Im Alter von 22 Jahren liess er sich 1868 in Bayreuth nieder er stellte den notwendigen Antrag auf Ansassigmachung um einen selbstandigen Betrieb des kaufmannischen Gewerbes mit Kurzwaren en Detail zu grunden und sich mit der geburtigen Furtherin Karoline Heymann zu verehelichen Obwohl Friedmann die Prufung fur den Selbstbetrieb des Handelsgewerbes mit der Note vorzuglich bestanden hatte sein guter Leumund und seine finanzielle Leistungsfahigkeit bestatigt waren genehmigte der Magistrat den Antrag nicht Friedmann legte bei der Regierung von Oberfranken Einspruch ein die den Magistrat Im Namen seiner Majestat des Konigs zurechtwies Nach Zahlung einer Gemeindeaufnahmegebuhr in Hohe von 80 Gulden wurde er Bayreuther Burger 3 Bald nach der Hochzeit kamen seine Kinder Emma 1869 Rosa 1870 und Max 1871 zur Welt 2 Um 1875 erwarb Friedmann das Anwesen Friedrichstrasse 9 wo er einen Laden einrichtete und diesen nach zwei Jahren zum Volksbazar zur billigen Quelle erweiterte Im Haus Maximilianstrasse 65 eroffnete er bald darauf den Centralbazar am unteren Markt zudem grundete er Filialen in Passau 1888 Schweinfurt 1891 und Kulmbach 1893 Spatestens 1895 verfugten seine Bayreuther Geschafte uber Fernsprechanschlusse mit der Nummer 21 gehorte Friedmann vermutlich zu den ersten Telefonbesitzern der Stadt 3 Geschichte Bearbeiten nbsp Werbung des Kaufhauses um 1900 Am 23 Juni 1898 kaufte Friedmann gemeinsam mit seinem Sohn Max und Joseph Rindsberg dem Ehemann seiner Tochter Rosa fur 100 000 Mark das Baugrundstuck Schlossberglein 3 Zu diesem gehorte das zwischen 1759 und 1761 errichtete Gontard Haus welches Friedmann selbst bezog In dessen Vorgarten beabsichtigte er ein Kaufhaus zu errichten und reichte einen Monat spater das Baugesuch ein Ungeachtet einer negativen Beurteilung des Bauamts das eine Beeintrachtigung des Stadtbilds rugte genehmigte der Magistrat das Vorhaben Vermutlich hatte er die Absicht die Nordseite der unteren Opernstrasse durch eine Hauserzeile im Stil der gegenuberliegenden Wolfelbauten zu erganzen mit dem Kaufhaus Friedmann als erstem Glied Ein Indiz dafur ist dass dessen westliche Aussenwand nur als Brandmauer entstand 3 Geplant wurde das Gebaude vom Further Architekten Adam Egerer 1 die Bauausfuhrung oblag der Firma Wolfel die in der Stadt eine fast monopolartige Stellung innehatte 3 In eines der oberen Stockwerke zog Friedmanns Tochter Emma Rindsberg mit ihrer Familie ein 1 Am 23 November 1899 um 17 Uhr offnete mit der Anschrift Opernstrasse 11 das Waarenhaus Joseph Friedmann seine Pforten Vor den uberdimensionalen von Eisentragern unterteilten Schaufenstern hatte sich wie das Bayreuther Tagblatt schrieb eine ungeheuere Menschenmenge versammelt Auf zwei Etagen verteilt wurden auf einer Flache von 700 Quadratmetern Textilien aller Art Galanterie und Luxuswaren wie Porzellan und Gipsfiguren Bronze und Gussartikel alle Sorten von Kurzwaren sowie Spielwaren angeboten Die Verkaufsraume waren attraktiv und grosszugig gestaltet erstmals war ein Zutritt ohne Kaufzwang moglich Vermutlich in diesem Zusammenhang schloss Friedmann im November 1899 den Volksbazar auch die Filialen in den anderen Stadten wurden wieder aufgegeben 3 Eine 1903 erlassene ministerielle Anweisung fur eine erhohte Feuer und Betriebssicherheit in grossen Geschaftshausern fuhrte erneut zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Magistrat Mit Hilfe des Rechtsrats Albert Preu konnte auch diesmal Friedmann seine Interessen durchsetzen 1904 wandelte er sein Unternehmen mit Sohn Max und Schwiegersohn Joseph Rindsberg als weitere Gesellschafter in eine Offene Handelsgesellschaft um 3 Am 9 Mai 1908 erlag Joseph Friedmann der u a zum Vorstand des judischen Geselligkeitsvereins Phonix gehort hatte im Alter von nicht ganz 63 Jahren einem Herzinfarkt Er wurde auf dem ortlichen judischen Friedhof beigesetzt 2 Der Betrieb wurde von Max Friedmann und Joseph Rindsberg fortgefuhrt Fur die Zeit bis 1930 ist uber das Geschaft wenig bekannt Spatestens in der Weltwirtschaftskrise scheint sich dessen wirtschaftliche Lage ernstlich verschlechtert zu haben Anfang 1931 wurde das Anwesen Opernstrasse 11 der Stadtischen Sparkasse erfolglos zum Verkauf angeboten Einige Monate spater grundeten der Barmer Fabrikant Max Treu und Rindbergs in Bayreuth lebende Schwagerin Selma Rindsberg geb Daniel 4 die Einheitspreisgesellschaft GmbH Rechtlich und personell nicht mit dem Kaufhaus Friedmann verbunden wurde sie ebenfalls in der Opernstrasse 11 angesiedelt 1932 wurde der Betrieb dieses Einheitspreisgeschafts das mit niedrigen Preisen fur Waren des Massenbedarfs eine ernsthafte Konkurrenz des etablierten Einzelhandels war wieder verboten 3 Im Januar 1933 fusionierten die beiden Firmen zum Kaufhaus Erwege Dieses Akronym stand fur Rheinisch Westfalische Einkaufsgesellschaft deren Name mit der Herkunft des Gesellschafters Max Treu zu erklaren sein durfte Am 13 Marz 1933 wurde das Unternehmen erstmals vom Boykott judischer Geschafte beruhrt Angehorige der SA schreckten mit einem Transparent mit der Aufschrift Deutsche kauft nicht bei Juden am Eingang potentielle Kunden ab worauf das Kaufhaus vorubergehend schloss 1936 verkaufte Sema Rindsberg als mittlerweile alleinige Geschaftsfuhrerin das Erwege an den Bayreuther Sagewerksbesitzer Hans Loher das Gebaude blieb zunachst Eigentum von Max Friedmann und Joseph Rindsberg Dokumente aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg lassen vermuten dass der Verkauf des Geschafts zwar unter dem Druck der politischen Verhaltnisse aber nicht unter direkter Bedrohung erfolgte Loher der 1935 der NSDAP beigetreten war galt seinen Parteigenossen wegen seiner judischen Schwagerin als judisch versippt Auch hatte er der Verkauferin eine Rucktrittsfrist eingeraumt und die Weiterbeschaftigung von drei nichtarischen Angestellten zugesichert Die verwitwete Selma Rindsberg die 1935 bereits einmal Palastina besucht hatte wanderte mit ihrem minderjahrigen Kind im Sommer 1936 dorthin aus Soweit bekannt ist erhob sie nach dem Ende des Dritten Reichs keine Wiedergutmachungsanspruche 3 Anfang 1938 wurde die Erwege Kaufhaus GmbH in Erwege Kaufhaus Hans Loher K G umbenannt ein Jahr spater hiess das Unternehmen nur noch Kaufhaus Loher K G bis Sommer 1940 wurde in Anzeigen noch der Zusatz Vormals Erwege Bayreuth verwendet Den Bayreuther Nationalsozialisten war das Kaufhaus schon lange ein Dorn im Auge gewesen Bereits kurz nach der Machtergreifung wurden Forderungen nach seiner Beseitigung erhoben Adolf Hitler kam oft und gern nach Bayreuth 5 in den Jahren von 1933 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war er zur Festspielzeit Dauergast in der Stadt und sein Weg zum und vom Festspielhaus fuhrte am Kaufhaus Friedmann vorbei 1937 sprach er sich erstmals fur einen Abbruch des Gebaudes aus Friedrich Kempfler seit dem 1 Juli 1938 Bayreuther Oberburgermeister verkundete unmittelbar nach Amtsantritt seinen festen Willen das Gebaude bis zu den Festspielen des Jahres 1939 abreissen zu lassen 3 Fur den Abriss war es notwendig das Haus in stadtischen Besitz zu uberfuhren Dessen Eigentumer waren nach wie vor Max Friedmann und die im Juli 1938 nach Wurzburg verzogene Rosa Rindsberg Witwe des 1937 verstorbenen Joseph Rindsberg Ein geeigneter Zeitpunkt fand sich im Anschluss an die Pogromnacht Vom 9 auf den 10 November 1938 wurde am Schlossberglein die kleine Spielwarenhandlung die Max Friedmanns Tochter Ilse fuhrte verwustet und Ilse Friedmann anschliessend schwer misshandelt Durch Drohungen gefugig gemacht unterzeichnete Rosa Rindsberg am 11 November den Kaufvertrag noch in Schutzhaft im Gefangnis Sankt Georgen 6 leistete tags darauf ihr 66 jahriger Bruder Max Friedmann die verlangte Unterschrift Fur die Stadt Bayreuth die das Anwesen mit einem Wert von 250 000 Mark zu einem Kaufpreis von 152 000 Mark erwarb unterschrieb ein Angestellter der Gauleitung Das Geld stammte wie das Parteiorgan Bayerische Ostmark berichtete aus einer hochherzigen Spende Adolf Hitlers fur diesen Zweck Am 14 November 1938 wurde der Vertrag notariell beglaubigt Loher wurde als Ersatzstandort fur sein Kaufhaus zunachst die zerstorte Synagoge vorgeschlagen letztlich musste er jedoch in die Turnhalle des Stadtbads ausweichen bis ein Neubau an der Kanalstrasse zur Verfugung stand Der Abriss des massiven und keineswegs altersschwachen Kaufhauses stiess bei der Bevolkerung weitgehend auf Unverstandnis Selbst die Bayerische Ostmark raumte ein die Aktion finde nur bei den aufgeschlossenen Bayreuthern Zustimmung Wie von Kempfler angekundigt war das Gebaude zum Festspielbeginn 1939 verschwunden 3 Nach dem Tod seiner Gattin Hermine geb Kaufmann die 1906 die Tochter Ilse geboren hatte heiratete Max Friedmann seine zweite Ehefrau Lane geb Munster 1934 beantragte er fur sich seine Frau und seine Tochter Reisepasse deren Ausstellung die Stadt Bayreuth jedoch ablehnte Die drei lebten zuletzt in Wurzburg von wo das Ehepaar am 23 September 1942 deportiert wurde Max Friedmann starb am 1 Marz 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt Die ledig gebliebene Ladeninhaberin und Kindergartnerin Ilse Friedmann wurde am 25 Marz 1942 von Wurzburg nach Krasniczyn deportiert wo sich ihre Spur verliert 7 Vermutlich wurde sie mit den meisten Bewohnern des dortigen Ghettos am 6 Juni 1942 in das Vernichtungslager Sobibor gebracht und dort in der Gaskammer ermordet 2 3 Nachspiel Bearbeiten1951 einigte sich die Stadt im Zuge der Wiedergutmachung mit den Friedmannschen Erben auf die Zahlung einer Ruckerstattung in Hohe von 275 000 DM Haupterbin war Joseph Friedmanns Enkelin Emmy C Rindsberg die sich 1941 mit ihrer Mutter in die USA hatte retten konnen Das Bayreuther Tagblatt hatte hierfur wenig Verstandnis Dieser Betrag sei fur die leidtragende Stadt Bayreuth eine grosse Last und ware fur Zwecke die einen praktischen Nutzen ergeben besser angelegt 3 Weblinks BearbeitenSelma Rindsberg bei geschichtswerkstatt bayreuth de mit Foto des Kaufhauses ErwegeEinzelnachweise Bearbeiten a b c Sylvia Habermann Bernd Mayer Christoph Rabenstein Reichskristallnacht Eine Gedenkschrift der Stadt Bayreuth S 13 a b c d Joseph Friedmann bei steinheim institut de abgerufen am 15 Januar 2022 a b c d e f g h i j k l Siegfried Pokorny Kaufhaus in den Sturmen der Zeit in Heimatkurier 4 1999 des Nordbayerischen Kuriers S 3 ff Kind Rindsberg bei steinheim institut de abgerufen am 26 Januar 2022 Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth bei deutschlandfunk de abgerufen am 15 Januar 2022 Nazi Terror der in den Tod trieb in Nordbayerischer Kurier vom 9 September 2021 S 12 Gedenkbuch der Stadt Bayreuth fur die Opfer des Nationalsozialismus bei gedenkbuch bayreuth de abgerufen am 16 Januar 202249 94487 11 57735 Koordinaten 49 56 41 5 N 11 34 38 5 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kaufhaus Friedmann amp oldid 226753596