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Die kaiserliche Bucherkommission mit Sitz in Frankfurt am Main war eine Behorde des Heiligen Romischen Reiches zur Kontrolle des Druck und Pressewesens Sie entstand seit dem 16 Jahrhundert und bestand bis zum Ende des Reiches 1806 Die Kontrolle der Frankfurter Verleger und Drucker fuhrte dazu dass viele von ihnen nach Leipzig auswichen Inhaltsverzeichnis 1 Rahmenbedingungen 2 Grundlage das kaiserliche Bucherregal 3 Entstehung 4 Kompetenzen 5 Apostolisches Bucherkommissariat 6 Bekannte Bucherkommissare 7 Literatur 8 EinzelnachweiseRahmenbedingungen BearbeitenAllmahlich entwickelte sich im Reich eine Kontrolle des Verlags und Druckwesens Im Jahr 1521 wurde die Vorzensur eingefuhrt und die Schriften Martin Luthers verboten Die Fursten und Stadte erhielten das Recht Veroffentlichungen zu kontrollieren In der Folgezeit wurde das Recht zur Pflicht Der Reichstag zu Augsburg sprach dem Kaiser 1530 die Oberaufsicht uber das Druckwesen zu Er durfte eingreifen sollten die Stande ihrer Pflicht nicht nachkommen Zu Beginn versuchten die Kaiser die Kommission nicht dazu zu nutzen die katholische Sache zu fordern Maximilian II war es wichtig mit Hilfe der Kommission Freiexemplare von Werken mit Druckprivileg fur die kaiserliche Bibliothek zu erhalten 1 Zusammengefasst wurden die Regelungen in der Reichspolizeiordnung von 1577 Seit 1653 waren Bestimmungen zur Regelung des Pressewesens auch in den kaiserlichen Wahlkapitulationen enthalten 2 Noch einmal verscharft wurden die Bedingungen zum Pressewesen in der Wahlkapitulation von Leopold II von 1790 Danach durfte unter dem Eindruck der franzosischen Revolution keine Schrift geduldet werden die mit den symbolischen Buchern beiderlei Religionen und mit den guten Sitten nicht vereinbarlich ist oder wodurch der Umsturz der gegenwartigen Verfassung oder die Storung der offentlichen Ruhe befordert wird 3 Grundlage das kaiserliche Bucherregal BearbeitenDas kaiserliche Bucherregal umfasste die Befugnis die Veroffentlichung und Verbreitung von Schriften zu kontrollieren die den gegenlaufigen Interessen des Corpus Catholicorum und des Corpus Evangelicorum unterlag Privilegien fur den ausschliesslichen Druck zu erteilen aber auch Pflichtexemplare zu fordern 4 Auf dieser Grundlage versuchte der Kaiser auf die gedruckten Schriften und den Buchhandel Einfluss zu nehmen der andernfalls nur von den einzelnen Territorialherren kontrolliert werden konnte Allerdings waren die Befugnisse und Zustandigkeiten einerseits die Moglichkeit zur Durchsetzung von Regelungen andererseits wie so vieles im Heiligen Romischen Reich keine klare Angelegenheit 4 Der deutsche Kaiser hatte nicht die Mittel samtliche Schriften im Reich zu kontrollieren musste sich also auf die Landeshoheiten verlassen Diese waren aber teils protestantisch und liessen Schriften zu die gegen die papstliche Seite oder Habsburg gerichtet waren wahrend sie katholische Streitschriften nicht zuliessen Weil die tatsachlichen Mittel fehlten beschrankte sich die kaiserliche Kontrolle der Druckschriften der Habsburger auf Osterreich ausgeubt vom Wiener Reichshofrat auf die Frankfurter Bucherkommission die im protestantischen Frankfurt die Messe durch katholische Bucherkommissare kontrollierte oder dies zumindest versuchte und einige Reichsfiskale 4 Entstehung BearbeitenDie Frankfurter Buchmesse hatte sich seit dem 16 Jahrhundert zu einem Zentrum des Buchhandels entwickelt Dies rief die obrigkeitliche Kontrolle auf den Plan Schon 1567 ist ein kaiserlicher Bucherkommissar nachweisbar Kurze Zeit spater wies Kaiser Maximilian II den Rat der Stadt Frankfurt an wahrend der Buchmesse acht zu geben dass Drucker und Verleger die kaiserlichen Rechte beachten wurden 1569 wird in Frankfurt am Main die kaiserliche Bucherkommission eingerichtet die im Auftrag des Reichshofrats uber die Einhaltung der Zensurvorschriften wacht 5 Seit 1579 fanden dann regelmassige Kontrollen und Suche nach anstossigen Werken statt Erster standiger Bucherkommissar wurde der Fiskal am Reichskammergericht Johannes Vest 1597 bis 1619 amtierte der Geistliche Valentin Leucht als papstlicher und kaiserlicher Bucherkommissar in Frankfurt Die Buchhandler wurden verpflichtet uber die von ihnen vertriebenen Werke Auskunft abzugeben eine Druckerlaubnis nachzuweisen und je ein Exemplar des Werkes an die Kommission abzuliefern Beschrankte sich die Tatigkeit anfangs auf die Zeiten der Buchmesse ubte die Kommission spater mit Zustimmung der Stadt ihre Funktion auch in der ubrigen Zeit aus Seit 1608 war die Kommission eine dauerhafte Institution Kompetenzen BearbeitenDie Buchkommission unterstand dem Reichshofrat Enge Beziehungen bestanden auch zum Reichserzkanzler also dem Erzbischof von Mainz sowie zum Reichstag und zum Reichskammergerichtsfiskal Ganz klar waren die Rechte und Aufgaben der Kommission nie geregelt Streit um die Kompetenzen gab es insbesondere mit dem Rat der Stadt Frankfurt Wenn auch teilweise bestritten gehorte zu den Aufgaben der Kommission Die Kontrolle der Buchstande wahrend der Buchmesse die Kontrolle der Verzeichnisses der gedruckten Bucher sowie der Druckerlaubnis der Verleger Auch achtete die Kommission auf die Ablieferung eines Pflichtexemplars diese gingen an die Wiener Hofbibliothek Ausserdem wurde die Umsetzung der kaiserlichen Druckprivilegien durchzusetzen versucht Verbotene Schriften liess die Kommission einziehen Es fand allerdings keine Vorzensur von Manuskripten sondern nur eine Nachkontrolle der gedruckten Werke statt Problematisch war dass die Kommission im Wesentlichen nur in Frankfurt durchsetzungsfahig war Oft beklagt wurde dass andere Reichsstande die Arbeit nur unzureichend unterstutzen wurden Vergleichsweise gering war die Zustandigkeit der Kommission bei der Kontrolle der politischen Schriften Dafur war der Reichshofrat direkt zustandig Die Frankfurter Kommission widmete sich vor allem religiosen oder philosophischen Veroffentlichungen Hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung von Bedeutung war dass die Kommissare auch haufig offene oder heimliche papstliche Bucherkommissare waren und daher im gegenreformatorischen Sinn tatig waren Viele der Kommissare waren zudem Geistliche Der Kommissar Georg Friedrich Sperling war so extrem in religioser Hinsicht dass zahlreiche Buchhandler Frankfurt verliessen und sich in Leipzig niederliessen Dort hatte die kaiserliche Buchkommission keine unmittelbaren Rechte Die kursachsische Buchkommission ubte keine inhaltliche Kontrolle aus auch wenn Verstosse gegen Reichsgesetze oder landesherrliche Anweisungen vorlagen sondern beschrankte sich im Wesentlichen darauf die Druckprivilegien zu kontrollieren Es war nicht zuletzt diese mildere Zensurpraxis die dazu fuhrte dass Leipzig gegenuber Frankfurt als Verlagsort an Boden gewann Auch in Frankfurt wurden die Massnahmen der Kommission unterlaufen und die kaiserliche Zensur war auf Dauer nur bedingt wirksam Die strikt katholische Ausrichtung anderte sich teilweise mit der Wahlkapitulation von Joseph I in der festgelegt wurde dass keine Bevorzugung der katholischen Seite mehr stattfinden durfte Dennoch waren bis auf den 1780 eingesetzten letzten Kommissar Johann Konrad Deinet 6 alle Kommissare Katholiken Als letzter katholischer Bucherkommissar amtierte der Wormser Weihbischof Franz Xaver Anton von Scheben 1779 Im 18 Jahrhundert gewann die Kontrolle der Schriften der Aufklarer an Bedeutung Im Jahr 1750 etwa verbot die Kommission die Schriften des radikalen Aufklarers Johann Christian Edelmann Eine grosse Menschenmenge war Zeuge als etwa 1000 Exemplare seiner Schriften verbrannt wurden 7 Apostolisches Bucherkommissariat BearbeitenMit der Institution des apostolischen Bucherkommissariats das in aller Regel in verdeckter Personalunion mit dem Amt des kaiserlichen Bucherkommissars in Frankfurt am Main verbunden war existierte im Alten Reich ein Nebengleis der romischen Medienkontrolle Das Wirken dieses geheimen Amtes wurde unter dem letzten Amtsinhaber Franz Xaver Anton von Scheben gest 1779 in dessen Rolle als Informant der Kolner Nuntiatur uber Reichsangelegenheiten besonders deutlich 8 Er setzte in den 1769er Jahrgang des furstbischoflich wormsischen Schematismus folgende Charakterisierung seiner eigenen Wurde ein Seiner Pabstlichen Heiligkeit und Kaiserlichen Majestat im Heil Rom Reiche verordneter Bucher Commissarius 150 Jahre Geheimhaltung waren damit geopfert worden 9 Vorher hatte niemand gewusst oder kaum je geahnt dass der kaiserliche Bucherkommissar auch in papstlichen Diensten stand Furstbischof Emmerich Joseph war ausserst verargert und liess Scheben zur Rechenschaft ziehen 9 Bekannte Bucherkommissare BearbeitenListe der Bucherkommissare Adjunkten und zustandigen Reichsfiskale soweit bekannt 10 Johann Vest 1579 1608 11 Johannes Latomus 1579 1580 Valentin Leucht 1597 1619 seit 1604 auch papstlicher Bucherkommissar Carolus Seiblis von Boll 1608 Johann Ludwig von Hagen ca 1654 Ajunktus noch zu Lebzeiten Leuchts Apostolischer Bucherkommissar Bartholomaus Immendorff Ludwig von Hornigk 12 Georg Friedrich Sperling 1667 1685 Adjunktus ab 1661 13 Michael Breunig Adjunktus fur Sperling ab 1669 Caspar Vollmar 1685 17081695 erfahrt der Reichshofrat von der doppelten Praxis der Bucherkommissare als gleichzeitig auch papstliche Bucherkommissare Andreas Hohfeldt 1708 ca 1722 Adjunktus ab 1692 Ludwig de Chanxe ca 1722 1735 Johann Jacob Dunnwald 1735 ca 1743 45 Adjunktus ab 1732 nebenbei apostolischer Bucherkommissar bis 1766 9 Franz Xaver Anton von Scheben ca 1734 45 1780 seit 1765 Kaiserlicher und 1767 Apostolischer Bucherkommissar 14 Ernst August Koch erw 1757 Johann Konrad Deinet Bucherkommissar 1780 1783 von Joseph II entlassen 15 Johannes Wolff 1798weitere Mitglieder der Bucherkommission unter Josef II von Birckenstock erwahnt 1768 1770 1778 Reichsfiskal am Reichskammergericht zu Wetzlar Johann Carl Ebenau erwahnt 1768 1770 1777 1778 Bucherkommissionsaktuar de Boulanger Reichsfiskal 1790er Jahre Literatur BearbeitenRudolf Stober Deutsche Pressegeschichte Stuttgart 2005 S 105 108 Ernst Fischer Die Geschichte der Zensur In Medienwissenschaften Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen Band 1 Berlin u a 1999 S 503 Friedrich Kapp Zehntes Kapitel Die frankfurter Bucherkommission In Geschichte des Deutschen Buchhandels bis in das siebzehnte Jahrhundert Band 1 Leipzig Verlag des Borsenvereins der Deutschen Buchhandler 1886 Ulrich Eisenhardt Die kaiserliche Aufsicht uber Buchdruck Buchhandel und Presse im Heiligen Romischen Reich Deutscher Nation Karlsruhe C F Muller 1970 Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts Reihe A Studien Bd 3 Hans Joachim Koppitz Die kaiserlichen Druckprivilegien im Haus Hof und Staatsarchiv Wien Verzeichnis der Akten vom Anfang des 16 Jahrhunderts bis zum Ende des Deutschen Reichs 1806 Harrassowitz Wiesbaden 2007 ISBN 978 3 447 05527 7 Google Book Friedrich Lehne Zur Rechtsgeschichte der kaiserlichen Druckprivilegien Ihre Bedeutung fur die Geschichte des Urheberrechtes Institut fur Osterreichische Geschichtsforschung Mitteilungen Innsbruck Bd 53 Jan 1 1939 S 323 Rotraud Becker Die Berichte des kaiserlichen und apostolischen Bucherkommissars Johann Ludwig von Hagen an die romische Kurie 1623 1649 in Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Deutsches Historisches Institut in Rom Hrsg Band 51 1971 S 422 Alexander Dietz Frankfurter Handelsgeschichte Frankfurt am Main 1921 Internet Archive Franz Stephan Pelgen Das Apostolische Bucherkommissariat unter Franz Xaver Anton von Scheben 1766 1779 In Hubert Wolf Inquisitionen und Buchzensur im Zeitalter der Aufklarung Schoningh 2019 ISBN 978 3 506 77147 6 S 243 262 PDF onlineEinzelnachweise Bearbeiten Joachim Whaley Das Heilige romische Reich deutscher Nation und seine Territorien Bd 1 Darmstadt 2014 S 457 Andreas Wurgler Medien in der fruhen Neuzeit Munchen 2009 S 24 Ludwig Hoffmann Geschichte der Buchercensur Berlin 1819 S 92 a b c Eckhard Hoffner Das kaiserliche Bucherregal In Geschichte und Wesen des Urheberrechts Munchen 2010 ISBN 978 3 930983 16 2 Abschnitt 2 4 5 Karin Angelike Presse nouvelle a la Main und geheime Konferenz In Wilhelm Haefs York Gothart Mix Hrsg Zensur im Jahrhundert der Aufklarung Geschichte Theorie Praxis Wallstein Verlag Gottingen 2007 S 227 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Deinet Johann Konrad Christopher Clark Preussen Aufstieg und Niedergang 1600 1947 Bonn 2007 S 301 Tagungsbericht Inquisitionen und Buchzensur im Zeitalter der Aufklarung In H Soz Kult 10 Februar 2010 a b c Pelgen S 252 Bucherkommission im Reich bei Osterreichisches Staatsarchiv AT OeStA HHStA RHR vgl v a Eisenhardt S 82ff Vest Johannes J U D bei Thesaurus Personarum Ludwig von Hornigk ca 1654 1667 Adjunktus ab 1648 Gutenberg Biographics Akten betreffend Sperling im Osterreichischen Staatsarchiv Franz Stephan Pelgen Das Apostolische Bucherkommissariat unter Franz Xaver Anton von Scheben Sabine Hock Deinet Johann Conrad In Frankfurter Biographie 1994 S 147 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kaiserliche Bucherkommission amp oldid 238218110