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Johann Georg Kerner 9 April 1770 in Ludwigsburg 7 April 1812 in Hamburg alterer Bruder des deutschen Romantikers Justinus Kerner war Arzt politischer Publizist und kritischer Chronist der Franzosischen Revolution Johann Georg Kerner Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Schriften 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenDie Familie Kerners genoss in Wurttemberg hohes Ansehen Der Vater war der Ludwigsburger Oberamtmann und Regierungsrat Christoph Ludwig Kerner ein treuer Untertan des Herzogs Carl Eugen Durch seine Grossmutter mutterlicherseits Wilhelmine Luise geb Herpfer 1730 1788 Tochter von Veit Philipp Herpfer und Johanna Katharina Bacmeister zahlen die Mediziner Johann Bacmeister 1624 1686 dessen Vater Matthaus Bacmeister 1580 1626 und der Grossvater der Lutherische Theologe Lucas Bacmeister 1530 1608 zu seinen Ahnen 1 Die Mutter brachte zwolf Kinder zur Welt von denen nur zwei Tochter darunter die Mutter von Ferdinand von Steinbeis und vier Sohne uberlebten Johann Georg war das alteste Justinus Andreas der bekannte Dichter und Arzt das jungste der Kinder Ein weiterer Bruder Karl Friedrich Freiherr von Kerner diente im wurttembergischen Heer und wurde spater Innenminister in Wurttemberg in welcher Eigenschaft er zur Modernisierung des Huttenwesens beitrug In seiner Schulzeit litt Kerner unter der Strenge seines Vaters und den Hanseleien seiner Mitschuler die dem kleinwuchsigen und schwachlichen Knaben das Leben schwer machten Kerners Widerspruchsgeist blieb aber dadurch ungebrochen auch als der Vater Kerners seine Aufnahme in die Hohe Karlsschule in Stuttgart erwirkte Diese vom Herzog Karl Eugen eingerichtete Eliteschule deren Drill bereits 1782 Friedrich Schiller entflohen war vermochte es aber nicht den revolutionaren Geist des jungen Kerner zu brechen In einer Rede zum Namenstag des Herzogs setzte er sich fur die Einrichtung einer staatlichen Armenfursorge ein Ausserdem grundete er im gleichen Jahr in den Raumen der Schule einen politischen Klub von begeisterten Anhangern der franzosischen Revolutionsideen u a Christoph Heinrich Pfaff Ernst Franz Ludwig Marschall von Bieberstein Joseph Anton Koch Sie feierten im Geheimen den ersten Jahrestag des Sturms auf die Bastille Diese und ahnliche Aktionen bei denen Kerner mit seinen Freunden die Feudalgesellschaft und die von ihr hofierten franzosischen Emigranten mit Freiheitsparolen provozierten liessen ein Verbleiben in Stuttgart nicht geraten erscheinen Nachdem er mit Hilfe seiner Freunde in aller Eile sein Medizinstudium mit einer Dissertation beendet hatte zog es Kerner dorthin wo sich zu diesem Zeitpunkt bereits viele deutsche Freiheitsfreunde aufhielten Er setzte seine gerade erst vollzogene Verlobung mit einer Stuttgarterin aufs Spiel und ging 1791 unter dem Vorwand seine Medizinkenntnisse vervollkommnen zu wollen nach Strassburg Daraufhin verlor er sein Stipendium an der Hohen Karlsschule und die Berechtigung nach Wurttemberg ungestraft zuruckzukehren In Strassburg begann nun seine aktive Betatigung als Revolutionar im Land der Revolution selber Er trat der Gesellschaft der Freunde der Revolution bei trat als Redner in franzosischer Sprache auf und schrieb fur Journale Im selben Jahr begab er sich zu Fuss und ohne Geld nach Paris ins Zentrum des revolutionaren Geschehens Fur seinen Lebensunterhalt arbeitete er als Berichterstatter einer Hamburger Zeitung und als Arzt in einem Hospital Auch in Paris versammelten sich wie in Strassburg zahlreiche junge Deutsche die sich fur die Verwirklichung von Freiheit Gleichheit und Bruderlichkeit einsetzten und mit denen er freundschaftlich verbunden war z B Adam Lux Gustav Graf von Schlabrendorf Konrad Engelbert Oelsner Johann Georg Adam Forster und Karl Friedrich Reinhard Ahnlich wie viele seiner Freunde misstraute Kerner der Radikalisierung der Revolution als Freiheitsverlust und neigte daher aus Oppositionsgeist politischen Stromungen zu deren Interessen nicht immer die seinen waren So erklarte sich vor allem die Nahe vieler ernuchterter deutscher Revolutionsfreunde zu den Girondisten Es kam nicht zur volligen Abkehr von den Revolutionsideen die Kerner immer noch menschenwurdiger erschienen als das Leben unter den Greueln der Anarchie die der Feudalismus in Osterreich Preussen und Russland fur ihn darstellten 1794 floh Kerner wie Konrad Engelbert Oelsner und andere deutsche Revolutionare in die Schweiz von wo er in geheimer Mission von der dortigen franzosischen Gesandtschaft in seine wurttembergische Heimat geschickt wurde um fur die franzosische Republik einen Separatfrieden zwischen dem Herzog und Frankreich herbeizufuhren Erfolglos kehrte er 1795 nach Paris zuruck Er schrieb fur Paul Usteris Zeitschrift Klio eine Artikelserie seine Briefe aus Paris Darin beschrieb er als Augenzeuge die Ereignisse an denen er auch stets handelnd beteiligt war Immer wieder geriet er durch seine gemassigte Haltung in Gefahr und Verdacht z B wenn er versuchte bei den Volksaufstanden des Germinal und Prairial die Sansculotten zu beschwichtigen Dabei stand er in engem Kontakt mit politisch Gleichgesinnten wie Konrad Engelbert Oelsner Karl Friedrich Reinhard Gustav Graf von Schlabrendorf Emmanuel Joseph Sieyes und dem Deutsch Danen Jens Immanuel Baggesen Als Privatsekretar Karl Friedrich Reinhards der Gesandter der franzosischen Republik bei den deutschen Hansestadten geworden war reiste Kerner 1795 nach Hamburg wo ihn neue politische Herausforderungen erwarteten Noch verteidigte er die Expansionspolitik des revolutionaren Frankreich und warb fur dessen Politik in den liberalen und demokratischen Zirkeln Hamburgs wo er u a auch dem Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock begegnete Haufig war er in Sonderauftragen oft zu Pferde zwischen Deutschland den Niederlanden und Frankreich unterwegs hatte aber wenig diplomatischen Erfolg nicht zuletzt wegen seiner brusken Art fur die revolutionare Sache einzutreten Auch als Spion beim Hildesheimer Kongress wurde er als Parteiganger der Revolution enttarnt ebenso in Berlin wo er sich auf einer Mission nach St Petersburg aufhielt Mit bedeutenden Zeitgenossen wie Adolph Freiherr Knigge Charles Maurice de Talleyrand Emmanuel Joseph Sieyes und dem Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling stand Kerner um 1796 im Briefwechsel Er grundete im damals danischen Altona einen politischen Klub der sich als Philanthropische Gesellschaft tarnte aber revolutionaren Zusammenkunften diente und 1797 bereits verboten wurde Bei einem kurzen Aufenthalt in Paris erlebte Kerner den Staatsstreich des 18 Fructidor V 4 September 1797 mit und freute sich uber die Siege des anfanglich von ihm bewunderten Generals Bonaparte Im Mai 1798 begleitete Kerner den inzwischen zum franzosischen Gesandten in Florenz ernannten Karl Friedrich Reinhard ins Grossherzogtum Toskana Es charakterisierte Kerners Temperament dass er sich auch in Italien leidenschaftlich in die politischen Unruhen einmischte und fur Frankreich agierte Mit einer von ihm aufgestellten Burgerwehr zog er gegen aufstandische Bewohner von Arezzo ins Gefecht und wurde dabei verwundet was ihn nicht hinderte bald darauf in Reinhards Auftrag in die Niederlande zu eilen wo er als Pionieroffizier gegen die Koalitionstruppen an einer Schlacht teilnahm Nach Napoleons Staatsstreich Ende 1799 wurde Reinhard in Italien abgelost und in die Schweiz entsandt wo nunmehr die Helvetische Republik entstanden war Kerner folgte ihm dorthin in der offiziellen Funktion eines franzosischen Legationssekretars Angesichts der napoleonischen Politik in den besetzten Landern wuchs Kerners Kritik und Ablehnung gegenuber Napoleon Nachdem bei einer Deutschlandreise Kerners Versuche in seiner Heimat Wurttemberg einen Friedensaufstand herbeizufuhren gescheitert waren wuchs seine politische Enttauschung und Ernuchterung In der Schweiz hatte er Johann Heinrich Pestalozzi kennengelernt und begeisterte sich von nun an fur dessen Padagogik Bildung die die geistigen psychischen und praktischen Fahigkeiten in gleichem Masse forderte erschien ihm als ein Ausweg aus dem politischen Dilemma 1801 reiste Kerner dessen publizistische Bemuhungen in der Schweiz keinen Erfolg hatten nach Hamburg um sich eine neue Existenz als Kaufmann aufzubauen Seine politische Vergangenheit machte ihn jedoch bei der konservativen hanseatischen Kaufmannschaft verdachtig so dass er als Verleger eines politischen Journals Nordstern versuchte sein Gluck zu machen In den von Kerner selbst verfassten Beitragen kritisierte er die Politik der franzosischen Republik und Napoleons und entwickelte dabei eine geschickte Form der verdeckten Schreibweise indem er negative Bemerkungen anderer Kritiker kommentarlos zitierte Ausgerechnet der aus der Schweiz zuruckkehrende Reinhard sah sich nun veranlasst die Zeitschrift zu verbieten Kerners Entschluss stand nun fest Ich wollte der Bekampfung der geistigen Gebrechen der Menschheit mein Leben weihen es gelang mir nicht Nun kehre ich zur Bestimmung meiner Jugend zuruck zur Bekampfung korperlicher Gebrechen der Menschen 1803 liess er sich in Hamburg als Arzt nieder Er fuhrte die Pockenschutzimpfung ein die er auf einer Schweden Reise Reise uber den Sund kennengelernt hatte und wurde 1804 vom Senat zum Arzt fur die Baracken gemeint sind die Elendsviertel auf dem Hamburger Berg das heutige St Pauli ernannt Neben der Einfuhrung der Impfungen baute er das Entbindungswesen der Stadt auf und setzte sich unermudlich fur Armenpflege und Sozialeinrichtungen ein Damit war jedoch der politische Publizist keineswegs verstummt Er schrieb fur das Hamburger Wochenblatt Nordische Miszellen regelmassig Artikel in denen er seiner politischen Unzufriedenheit Ausdruck verlieh Als 1806 die Franzosen Hamburg und Bremen besetzten stellte Kerner sich noch einmal der aktiven Politik zur Verfugung Bremen und Lubeck machten ihn auf Grund seiner Kontakte zu den neuen Machthabern zum Beauftragten bei den franzosischen Behorden in Hamburg 1806 berief der Senat ihn zusatzlich zum Armenarzt Im Fruhjahr 1812 infizierte er sich bei seiner aufopfernden Tatigkeit im Verlauf einer Epidemie am Nervenfieber wahrscheinlich an einer Flecktyphus Erkrankung Unter grosser Anteilnahme der Bevolkerung wurde Johann Georg Kerner auf dem Hamburger St Petri Kirchhof begraben In einem Nachruf heisst es Eine sich selbst vergessende Uneigennutzigkeit eine seltene Genialitat und eine nichts verhehlende Offenheit machten ihn seinen Freunden besonders teuer Er scheint in einem kurzen aber gehaltvollen Leben die Summe eines langeren Daseins erschopft und dessen Zweck erfullt zu haben Schriften BearbeitenAllgemeines positives Staats Genossenschaftsrecht der unmittelbaren freyen Reichsritterschaft in Schwaben Franken und am Rhein Lemgo 1788 online Uber den wichtigen Einfluss gut eingerichteter Kranken Anstalten und Armen Hauser auf das Wohl eines Staates Rede zum Namenstag des Herzogs Karl Eugen Stuttgart 1790 Einige Bemerkungen uber Tochtergeschwulste Doktorarbeit Stuttgart 1791 Briefe aus Paris In Klio Band 1 Heft 2 4 1705 S 245 261 310 379 und 424 506 sowie Band 2 Heft 5 1795 S 90 126 Der Nordstern Ein politisches Wochenblatt 1 19 Stuck 1802 Reise uber den Sund Cotta Tubingen 1803 online Das blaue Fieber Gedicht gegen Napoleon fruhestens 1806 online Uber das Hamburgische Entbindungshaus und das Entbindungswesen der Armenanstalt Hamburg 1810 onlineLiteratur BearbeitenAdolf Wohlwill Kerner Georg In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 15 Duncker amp Humblot Leipzig 1882 S 640 643 Adolf Wohlwill Georg Kerner Ein deutsches Lebensbild aus dem Zeitalter der franzosischen Revolution Hamburg Leipzig 1886 Hedwig Voegt Hrsg Georg Kerner Jakobiner und Armenarzt Reisebriefe Berichte Lebenszeugnisse Rutten und Loening Berlin Ost 1978 Hellmut G Haasis Gebt der Freiheit Flugel Die Zeit der deutschen Jakobiner 1789 1805 2 Bande Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1988 ISBN 3 499 18363 3 rororo Sachbuch 8363 Andreas Fritz Georg Kerner 1770 1812 Furstenfeind und Menschenfreund Eine politische Biographie 4 erweiterte Auflage Liberte Verlag Ludwigsburg 2003 ISBN 3 00 010372 4 Zugleich Stuttgart Univ Diss 1998 99 Andreas Fritz KERNER Johann Georg In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon Band 23 Erganzungen X Verlag Traugott Bautz Nordhausen 2004 ISBN 3 88309 155 3 Spalten 786 800 frei zugangliche Internetausgabe Andreas Fritz Georg Kerner Freiheit Freiheit uber alles DIE ZEIT 4 April 2012 Nr 15 S 20 Digitalisierte Fassung Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Johann Georg Kerner Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Johann Georg Kerner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von Johann Georg Kerner im Projekt Gutenberg DE Susanne Mathes Georg Kerner Arzt Journalist und Revolutionar Ein Leben wie ein Abenteuerroman Interview mit seinem Biografen Andreas Fritz auf Stuttgarter Zeitung de vom 2 Mai 2020 Internetseite zu Person und Schaffen von Georg Kerner eingerichtet als virtuelle Party zu seinem 250 Geburtstag und seither sporadisch weiterentwickeltEinzelnachweise Bearbeiten Bacmeister StammbaumNormdaten Person GND 118561537 lobid OGND AKS LCCN n79035357 VIAF 2543914 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kerner Johann GeorgKURZBESCHREIBUNG Arzt politischer Publizist und kritischer Chronist der Franzosischen RevolutionGEBURTSDATUM 9 April 1770GEBURTSORT LudwigsburgSTERBEDATUM 7 April 1812STERBEORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Johann Georg Kerner amp oldid 234040279