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Das Judische Leben in Brilon im Hochsauerlandkreis Nordrhein Westfalen lasst sich bis zum 13 Jahrhundert zuruckverfolgen Die Judische Gemeinde Brilon bestand vom 17 Jahrhundert bis 1943 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 17 Jahrhundert 1 2 18 Jahrhundert 1 3 19 Jahrhundert 1 4 20 Jahrhundert 1 5 21 Jahrhundert 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenErstmals urkundlich erwahnt wurde ein judischer Einwohner Brilons 1297 als ein Johannes dictus Judaus medicus ein Arzt genannt Jude Johannes 17 Jahrhundert Bearbeiten Eine judische Gemeinde existierte seit dem 17 Jahrhundert die Mitglieder waren aus Sud und Westdeutschland zugezogen Aufgrund landesherrlicher Privilegien konnten sie als sogenannte Schutzjuden in Brilon leben Trotz Widerstandes der Einwohner bildeten sich kleine Siedlungen die aus vergeleiteten Juden solche die Geleite Aufenthaltsgenehmigungen vom Landesherren bekommen hatten bestanden Der Landkreis Brilon gehorte zum Herzogtum Westfalen seit der Verabschiedung der kurkolnischen Judenordnung am 28 Juni 1700 konnte nur ein Geleit fur eine Stadt bekommen wer mindestens 1000 Reichstaler besass Fur ein Geleit auf dem Land wurde ein Nachweis von 600 Talern verlangt Das Ausstellen des Geleitbriefes durch die kurfurstliche Behorde kostete 20 Taler 18 Jahrhundert Bearbeiten Die Juden im Herzogtum Westfalen bildeten im 18 Jahrhundert eine Korperschaft unter der Oberaufsicht der Regierung An ihrer Spitze stand ein besoldeter Vorsteher der mit drei Helfern die judischen Gemeindeangelegenheiten verwaltete Konkrete Angaben uber das Leben der judischen Familien in dieser Zeit fehlen vereinzelt sind antijudische Vorfalle uberliefert Die Stadt Brilon strengte 1712 einen Prozess an weil eine Christenmagd ein Judenkind mit ihrer christlichen Milch gestillt habe Der katholische Pfarrer Bernhard Wiemann versuchte um 1720 ohne Erfolg einen Juden zu bekehren Doch hat er Widerstand gefunden bei den eigenen Mitgliedern seiner Gemeinde Im Jahr 1783 kam es zweimal zu Ausschreitungen gegen Juden Der Birnbaum eines Juden wurde zu Brennholz fur das Gymnasium zerhackt und die Schuler des Gymnasiums zerschlugen gegen eine Belohnung von den Briloner Kaufleuten die Buden von Arnsberger Juden auf dem Briloner Markt und verprugelten die Arnsberger anschliessend 19 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Mahnmal zur Judenverfolgung am Standort der Synagoge Im Holocaust wurden 103 Juden aus Brilon ermordet Es gibt mehrere Dokumente uber das Leben judischer Familien in Brilon und auch uber die alltagliche Feindschaft die ihnen entgegenschlug Die Juden fuhrten in Bezug auf Kultur und Religion ein weitgehend abgeschottetes Leben in der Synagogengemeinschaft Die Gemeinde wurde von einem gewahlten Vorstand vertreten die Frauen hatten kein Wahlrecht Der Vorstand kummerte sich um die judischen Privatschulen und pflegte die religiosen Sitten und Gebrauche Angestellte Kultusbeamte der Gemeinde waren der Synagogendiener ein Vorbeter und der Lehrer Der Briloner Jude Joseph Abraham Friedlander wurde 1832 im Alter von 80 Jahren als Oberrabbiner der Landjudenschaft des Herzogtums Westfalen eingesetzt Wahrend der Franzosenzeit und auch 1815 bei der Grundung der Provinz Westfalen gab es fur die Juden des ehemaligen Herzogtums Westfalen keine Verbesserung Sie waren weiterhin Schutzverwandte Auch die revidierte Stadteordnung von 1837 brachte keine Verbesserung Im Gegenteil wurde immer wieder versucht die Rechtsstellung der Juden noch weiter zu verschlechtern So wurde zum Beispiel den Juden im Regierungsbezirk Arnsberg der Verkauf von Branntwein verboten obwohl dies an anderen Orten noch erlaubt war Um die wirtschaftliche Konkurrenz zu reduzieren bemuhten sich die Briloner immer wieder die Anzahl der judischen Familien am Ort zu begrenzen Der Magistrat wies 1840 auf die stadtischen Statuten hin nach denen im Gefolge der Judenordnung von 1700 der Kurfurst hochstens zehn Judengeleite zugewiesen habe Der Antrag des Magistrats an das preussische Innenministerium eine Zuzugsbegrenzung zu erlauben wurde allerdings abgelehnt Eine grosse Rolle im gesellschaftlichen Leben der Stadt Brilon spielte der Briloner Schutzenverein Die Statuten des Vereins schlossen die Aufnahme von Juden aus die somit auch bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben benachteiligt wurden Das Gesetz vom 23 Juni 1847 wurde als Verbesserung angesehen Die judischen Gemeinden erhielten eine niedrigere Rechtsstellung als die christlichen sie wurden aber immerhin von der Regierung als offentlich rechtliche Korperschaften anerkannt Als weiterer Fortschritt wurden die Freizugigkeit im Inland und das passive Wahlrecht fur die kommunalen Magistrate empfunden Uberwiegend waren die Juden im Konfektionshandel im Lebensmittelbereich und als Fleischer aktiv ubten aber keine Handwerksberufe aus Seit Jahrhunderten wurden die Juden als Konkurrenten der Christen von Handwerk und Landwirtschaft ausgeschlossen Ein zeitgenossischer Bericht sagt Die Juden pflegten jeden Handelszweig soweit er gewinnbringend war Im geschaftlichen Leben der Stadt spielten sie immerhin eine Rolle und zwar durch ihr Geld Ein Handwerk ubte kein Jude aus sie waren insgesamt Handels und Geschaftsleute Auch Ackerwirtschaft war nicht ihre Sache Fur die meisten Christen blieb die judische Kultur unverstandlich Uber zwei antisemitische Vorfalle wurde vom Sauerlander Anzeiger berichtet 1877 wurde ein judischer Gottesdienst gestort und 1884 wurden auf dem judischen Friedhof funf Grabsteine zum Teil ganzlich zerstort oder umgeworfen Um ihren bisher erworbenen burgerlichen Status zu erhalten und um sich gegen den Antisemitismus zu wehren grundeten die Briloner Juden einen Verein der dem Centralverein deutscher Staatsburger judischen Glaubens angehorte Das Wochenblatt fur den Kreis Brilon wurde seit 1842 von Moritz Friedlander herausgegeben und 1851 durch den Sauerlandischen Anzeiger abgelost der damals einzigen Zeitung am Ort die auch von Friedlander herausgegeben wurde Die Auflage betrug 1851 180 Exemplare Das Erscheinen wurde 1904 eingestellt der Konkurrenzdruck durch den Centrums nahen Briloner Anzeiger der 1893 gegrundet wurde war zu gross geworden 20 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Synagoge von 1910 bis 1929 nbsp Die in der Pogromnacht verbrannte Synagoge nbsp Judischer Friedhof Brilon Ende 1927 wurde durch die Parteimitglieder Wagner und Nierfeld eine Ortsgruppe der NSDAP in Brilon gegrundet die 1928 zehn Mitglieder hatte Bei der Reichstagswahl 1930 kam die NSDAP in Brilon auf 7 3 1932 auf 12 4 1933 auf 24 3 und 1938 auf 99 5 Die NSDAP pragte inzwischen das politische Klima und ubernahm die Meinungsfuhrerschaft Verstarkt traten Manner in SA Uniformen in Erscheinung und besetzten auch in Uniform die Zuschauerplatze bei den Stadtverordnetensitzungen Etliche nationalsozialistische Organisationen grundeten Ortsgruppen in Brilon nach einem Propagandamarsch durch die Stadt wurde im Mai 1933 eine SS Ortsgruppe gegrundet Unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler wurde verstarkt antijudische Hetze verbreitet Am 28 Februar 1933 wurde die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat erlassen und so die Grundrechte der Weimarer Verfassung aufgehoben Im Marz 1933 erging ein Aufruf der Parteileitung an alle NSDAP Untergliederungen sofort Aktionskomitees zur praktischen planmassigen Durchfuhrung des Boykotts judischer Geschafte judischer Waren judischer Rechtsanwalte und judischer Arzte zu grunden Der Bevolkerung sollte klargemacht werden Kein Deutscher kauft mehr bei Juden Auf dem Briloner Marktplatz wurden Boykottschilder aufgestellt und verblieben dort Dr Hans Rothschild ein Briloner Jude fotografierte eines dieser Schilder und wurde daraufhin verhaftet Am 28 Marz 1933 schlossen Angehorige der NSDAP die judischen Geschafte fur einen Tag Der Propagandawart fur den Kreis Brilon erliess im August 1933 eine letzte Mahnung nicht mehr in judischen Geschaften einzukaufen Pensionsbesitzern wurde in einem Schreiben mitgeteilt Wir weisen die Besitzer darauf hin das lt sic oder dass dass gt es ihre eigene Schuld ist wenn nationalsozialistische Manner die Hauser und Veranden meiden wo sich judische Frauen und Manner breit machen Auch Besitzer von Gaststatten Badern usw wurden mit Boykott bedroht falls sie Juden den Zutritt gestatteten Im September 1933 veroffentlichte die Sauerlander Zeitung ein Schild eines deutschen Geschaftes das nur an Mitglieder einer nationalsozialistischen Vereinigung ausgegeben wurde alle Parteimitglieder sollten nur noch in solchen Geschaften kaufen Den judischen Fell Haute und Viehhandlern wurde 1937 in Brilon das Gewerbe untersagt Am 26 April 1938 erfolgte die Verordnung uber die Anmeldung des Vermogens von Juden Die Lebensmoglichkeiten wurden damit noch weiter eingeschrankt und die spatere Enteignung wurde vorbereitet In der Reichspogromnacht ging die Briloner Synagoge in Flammen auf Nach der Pogromnacht wurden 15 judische Manner in Brilon verhaftet 11 davon wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht die anderen vier wurden nach einiger Zeit aus der Haft entlassen Um ihre Flucht in das Ausland zu finanzieren verkauften etliche Juden ihre Hauser und Geschafte Die Preise durften den Einheitswert nicht uberschreiten sonst wurde der Verkauf nicht genehmigt Der Regierungsprasident wies den Landrat in Brilon an bei der Preisbildung und Preisuberwachung des Verkaufs von judischem Grundbesitz im engsten Einvernehmen mit den ortlichen Parteidienststellen zu handeln Fur den Fall eines erheblichen Unterschiedes zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert eines Betriebes fur einen neuen arischen Besitzer war eine Ausgleichsabgabe an das Deutsche Reich vorgesehen Dort war vorgeschrieben dass Entjudungsgewinne im Allgemeinen mit 70 des Mehrwertes Unterschied zwischen Kaufpreis und Verkehrswert angesetzt werden Nur in den seltensten Fallen konnten die judischen Verkaufer einen angemessenen Kaufpreis erhalten Beim Verkauf des Grundstucks auf dem die Synagoge gestanden hatte an die Stadt Brilon wurde schriftlich vermerkt dass der Kaufpreis von 1 665 Reichsmark nicht bezahlt wurde Insgesamt wurden in Brilon nach der Einfuhrung der Genehmigungspflicht 36 Grundstucksverkaufe getatigt Ende 1938 wurden die judischen Kinder vom allgemeinen Schulbesuch ausgeschlossen Im April 1939 wurde das Gesetz uber Mietverhaltnisse mit Juden erlassen Judische Mieter mussten nun ihre Wohnungen verlassen und wurden in Judenhausern an der Konigstrasse und an der Mariengasse von der restlichen Bevolkerung abgesondert Diese Hauser wurden 1942 wieder geraumt um Kriegerwitwen darin unterzubringen Alle Juden wurden in einem Wohnhaus an der Friedrichstrasse untergebracht Nach dem Einspruch der arischen Hausbesitzerin wurde dann in ein anderes Haus an der Konigstrasse umquartiert Elf judische Manner wurden in verschiedenen Briloner Betrieben zur Zwangsarbeit verpflichtet die Arbeitszeit betrug bis zu zwolf Stunden voller Lohn vereinbart waren 120 RM pro Monat wurde nicht immer gezahlt Zwei Zwangsarbeiter verungluckten 1943 todlich Auch auswartige Zwangsarbeiter waren in Brilon Von 1944 bis Marz 1945 wurde im Bereich Pulvermuhle ein Lager unterhalten von dem aus die Zwangsarbeiter zum Holzeinschlag fur Vergasertankholz fur Militarfahrzeuge getrieben wurden Anweisungen zur Deportation von Briloner Juden ergingen im Marz 1942 Die judische Kulturvereinigung Brilon wurde zur Mithilfe bei den Vorbereitungen zum Abtransport gezwungen Es wurde auch genau geregelt wie das Vermogen und der hinterlassene Wohnraum der Juden sicherzustellen waren Elf Briloner Juden wurden im April 1942 nach Zamosc deportiert Uberlebende dieses Transportes sind nicht bekannt Die nachste Deportation erfolgte im Juli 1942 und dann noch eine im Marz 1943 bei der 15 Personen in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden Im Mai 1943 wurden funf verbliebene Briloner Juden in das KZ Theresienstadt verbracht Am 16 Juni 1933 lebten 75 Juden in Brilon am 8 Mai 1945 keiner mehr Insgesamt verloren wahrend der Zeit des Naziterrors 103 Juden das Leben 21 Jahrhundert Bearbeiten Auf Wunsch des Jugendparlaments von Brilon sollen 120 Stolpersteine an die Verfolgung im Nationalsozialismus erinnern In einer Broschure wurden 22 Wohnorte dokumentiert 1 Siehe auch BearbeitenJudisches Leben in Nordrhein WestfalenLiteratur BearbeitenSigrid Blomeke Hans Gunther Bracht Gisela Kemper unter Mitarbeit von Wolfgang Arnolds Juden in Brilon zur Zeit des Nationalsozialismus Dokumente Familienschicksale Zeitzeugenaussagen Demokratische Initiative Verein zur Forderung Sozialer Kultureller und Politischer Bildung e V Brilon 1988 ISBN 3 9801960 0 3 Alfred Bruns Ortsartikel Brilon in Historisches Handbuch der judischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg hg von Frank Gottmann Munster 2016 S 233 246 Online Fassung der Historischen Kommission fur Westfalen Weblinks BearbeitenGedenksteinEinzelnachweise Bearbeiten http www derwesten de staedte nachrichten aus brilon marsberg und olsberg an juedische schicksale in brilon erinnern id10454259 html Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Brilon amp oldid 237725846