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Die Hexenkartothek auch Hexen Sonderauftrag H Sonderauftrag war eine staatlich wissenschaftliche Grossunternehmung zur Zeit des Nationalsozialismus zur Erforschung der Hexenverfolgung Das Interesse des Reichsfuhrers SS Heinrich Himmler an der Geschichte der fruhneuzeitlichen Hexenverfolgung mundete schon recht bald nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in ein institutionalisiertes Forschungsunternehmen mit dem das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet werden sollte Inhaltsverzeichnis 1 Heinrich Himmlers Interesse an der Hexenverfolgung 2 Die Hexenkartothek 3 Schlussfolgerung 4 Literatur 5 WeblinksHeinrich Himmlers Interesse an der Hexenverfolgung BearbeitenDie Geschichte der fruhneuzeitlichen Hexenprozesse gehorte zu den Lieblingsthemen des Reichsfuhrers SS Heinrich Himmler Einen Grund fur das Faible des SS Chefs vermuten die Forscher in einer Familiensage der Himmlers Ein Vetter namens Wilhelm August Patin SS Obersturmbannfuhrer und Stiftskanonikus der Munchner Hofkirche verbreitete gern eine Urahnin Heinrich Himmlers namens Passaquay sei einst als Hexe verbrannt worden Im Rahmen der Erforschung des Hexenwesens war man auf eine vorgebliche Ahnenfrau Himmlers mit Namen Margareth Himbler aus Markelsheim gestossen welche am 4 April 1629 in Mergentheim als Hexe verbrannt wurde Nach Kriegsende wollte er alle fruheren Hinrichtungsplatze interdisziplinar erforschen lassen Den Anlass dafur lieferte Hermann Goring der einmal beilaufig erwahnte dass er bemerkt habe dass an fruheren Hinrichtungsplatzen heute noch die Raben in besonderem Masse kreisen oder sich dort niederlassen Es zeigt sich dass Himmler bei seinem Interesse an der Hexenverfolgung nicht als Verfolger von Verfolgern lernen wollte wie es auf den ersten Blick scheint vielmehr betrachtete er die Hexenverfolgung als ein Verbrechen der katholischen Kirche und den Versuch altgermanisches Erbe zu vernichten Des Weiteren vermutete er dahinter eine judische Konspiration Was im H exen Sonderauftrag mit fragwurdigen wissenschaftlichen Methoden zusammengetragen wurde sollte nach Himmlers Willen direkt in die Propaganda der NS Volksbildung einfliessen Die Hexenkartothek BearbeitenHeinrich Himmlers Interesse an der Hexenverfolgung fuhrte kurz nach der Machtergreifung durch die NSDAP zu einem Projekt in dem diese wissenschaftlich aufgearbeitet werden sollte Auf Himmlers Veranlassung hin wurde 1935 ein Forschungsunternehmen ins Leben gerufen das sich diesem Thema bis 1944 genauer widmete Dieses Unternehmen auch der H exen Sonderauftrag genannt wurde innerhalb des Sicherheitsdienstes SD eingerichtet Der Auftrag bildete ab 1939 im Reichssicherheitshauptamt Amt II und ab 1941 im Amt VII Weltanschauliche Forschung und Auswertung eine eigene Dienststelle 1935 wurde eine weitere Forschungsstelle Das Ahnenerbe e V gegrundet Im Zweiten Weltkrieg wandte sich Das Ahnenerbe verstarkt den Naturwissenschaften und kriegsbedingten Forschungsauftragen zu Ab 1935 durchkammten hauseigene SS Forscher davon nur 14 hauptamtliche Mitarbeiter unter anderem Rudolf Levin Friedrich Murawski Wilhelm August Patin Wilhelm Spengler im Dienste des als H Sonderauftrag abgekurzten Projekts uber 260 Bibliotheken und Archive auf der Suche nach Spuren samtlicher Hexenprozesse seit dem Mittelalter Ihre Recherchen fuhrten sie uberwiegend verdeckt durch und werteten Akten sowie Forschungsliteratur aus Sie gaben sich zum Beispiel als Studenten der Universitat Berlin oder Universitat Leipzig aus recherchierten unter dem Vorwand der Familienforschung und gingen von heimlichen Tarnadressen aus zu Werke Bei den Forschungen halfen ihnen Empfehlungsschreiben mit dem Briefkopf des Seminars fur historische Hilfswissenschaften am historischen Institut der Universitat Leipzig oder Briefbogen der Reichsstudentenfuhrung Da 1935 Lokal und Regionalstudien uberwogen und es an flachendeckenden Studien mangelte mussten die SD Forscher den Weg in die Archive des Reiches finden Auf 33 846 grossformatigen Karteibogen auch Hexen Blatter genannt dokumentierten sie Falle von Hexenverfolgung und Hexenverbrennung aus ganz Deutschland Ihre Recherchen gingen bis hin nach Indien und Mexiko Der erste ausgefullte Erhebungsbogen ist auf den 12 August 1935 datiert Bei den Karteibogen handelt es sich um DIN A4 grosse Karteiblatter mit 37 vorgedruckten Feldern auf denen zum Beispiel Name Adresse Familienverhaltnisse Verhaftungsdaten Prozessverlauf Gestandnis Urteil und Hinrichtung der Verurteilten stichpunktartig erfasst wurden Die Dokumentation der Hexenkartothek ist also an den Opfern orientiert Die Karteiblatter selbst wurden ortschaftsweise in 3621 Mappen zusammengeheftet und alphabetisch nach Ortsnamen sortiert Von den Ortschaftsmappen betreffen 3104 Deutschland der Rest ging uber Deutschland hinaus In den 9 Jahren der Forschung entstanden 3670 Akteneinhange mit den uber 30 000 Erhebungsbogen H exen Blattern Transkriptionen Aktenkopien regional gegliederte thematische Bibliographien projektierte Publikationen des Nordland Verlages und Historienfilme Von den 30 000 Karten der Kartothek entfallen 6 153 20 5 auf das Gebiet des heutigen Bundeslandes Bayern Die Hexenkartothek umfasst weiterhin eine Urkunden Orts Personen Literatur Archiv sowie Problemkartei I VIII Welche Funktionen die Problemkartei erfullte kann bis zum heutigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden Die H exen Blatter beinhalten weiterhin eine Quellen und Bildsammlung die zusammen mit der Dienstbibliothek des H Sonderauftrags und den Dienstakten die Hinterlassenschaft der SS Hexenforscher bilden Das seinerseits modernste Propagandamittel der Film wurde ebenfalls in das Hexenthema vom Reichsfuhrer SS eingeschlossen Der sudetendeutsche Schriftsteller Friedrich Norfolk von Himmler engagiert volkstumliche Jugendliteratur und historische Romane zum Hexenthema zu verfassen wirkte ebenfalls an den damals befohlenen H Filmfaden mit Norfolk hatte den Plan einer Hexentrilogie fur die er zwei bis drei Jahre plante Heinrich Himmler war dies zu aufwendig gewesen Sein Ziel waren eine ganze Menge kleinerer Hexen Geschichten mit 60 100 Seiten die bequem in kurzester Zeit durchgelesen werden konnen Leiter des H Sonderauftrags war Rudolf Levin Vermutlich verfolgte die Gruppe um Levin ab 1941 nicht nur die Ansatze der Opferforschung sondern suchten den Schuldbeweis gegen das Weltjudentum 1938 skizzierte Levin das Profil seiner Forschungsgruppe So richteten sich die Arbeiten der Gruppe auf folgende Probleme Erforschung der rassen und bevolkerungsgeschichtlichen Folgewirkungen der Hexenprozesse die Wertung der Frau in Hexenprozessen und einen Uberblick uber das bisherige Schrifttum zu den Hexenprozessen sowie das Verfertigen einer thematischen Bibliographie Ab 1941 leitete Levin das Referat C3 wissenschaftliche Sonderauftrage im Amt VII auch ein standiges Hilfsreferat fur die H Forschung Uber die Arbeiten im Sicherheitsdienst Reichsfuhrer SS hinaus versuchte Rudolf Levin sich im universitaren Wissenschaftsbetrieb zu etablieren um in die Fussstapfen seines Amtschefs Franz Alfred Six zu treten stand aber als Assistent in dessen Schatten Uber den H Sonderauftrag wirkende SS Fuhrer waren ebenfalls Franz Alfred Six und Wilhelm Spengler Selbst nach den neun Jahren intensiver Arbeit erschien nicht ein einziges Buch zu diesem Thema geschweige denn gelangte nur eines in druckreifen Zustand Rudolf Levin gelang es nicht mehr sich uber das Thema zu habilitieren 1944 wurde seine Habilitationsschrift sogar von sorgfaltig ausgewahlten Professoren der Universitat Munchen abgelehnt Levins wissenschaftlicher Ehrgeiz war grosser als sein Konnen Auf dem Arbeitsplan von 1942 standen mehr als ein Dutzend aufwendiger Abhandlungen darunter zum Beispiel eine Studie uber die geisteswissenschaftlichen Grundlagen des H Komplexes die wirtschaftlichen Folgen der H Prozesse oder ein Grundbuch der H Forschung Auch kriegsbedingte Benutzungseinschrankungen in Archiven und Bibliotheken behinderten die Forschung Recherchen nach Hexenprozessakten waren weit unwichtiger als die kriegswichtige Arbeit Am 19 Januar 1944 stellte der Sicherheitsdienst SD die Erfassungsarbeiten kriegsbedingt ein da nach Levin jetzt andere politisch aktuelle Fragen sehr drangen Ausgelagert ins Schloss der Grafen Haugwitz bei Glogau uberstand die Hexenkartothek den Zusammenbruch des Dritten Reiches und befindet sich heute im Staatsarchiv Poznan Polen eine Kopie ist im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde einsehbar Heute ist es Professor Gerhard Schormann zu verdanken dass das Material zu den verschiedenen Hexenprozessen Anfang der 1980er Jahre bekannt gemacht wurde Nach Schormanns Ausfuhrungen hat die heutige Wissenschaft sich zwei Fragestellungen zum Ziel gemacht den H Sonderauftrag als SS Institution in die Geschichte des Nationalsozialismus einzuordnen der wissenschaftliche Nutzen der Arbeit fur die damalige und heutige Forschung an der Hexenverfolgung Schlussfolgerung BearbeitenDie Forscher des H Sonderauftrags kamen nicht wesentlich uber das Stadium der Materialsammlung hinaus Grund dafur waren nicht nur Zeitnot sondern vielleicht auch mangelnde Qualifikationen und Kenntnisse der Forscher Das Projekt war uberdimensioniert und in der kurzen Zeit nicht zu verwirklichen Zudem war das Ergebnis ideologisch schon vorgegeben die Schuld der Kirche und die judisch christliche Auflehnung gegen die germanische Kultur 1945 liess jedoch das nahende Kriegsende eine Auswertung des Projektes durch die SS Leute nicht mehr zu Heute sollten die Aufzeichnungen der SS Forscher mit Vorsicht betrachtet werden da die Kartothek Unvollstandigkeiten und Fehler vor allem in den Detailangaben aufweist Mangelnde Regelungen fuhrten dazu dass die Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes bei der Erstellung der Kartothek keine einheitlichen Bewertungskriterien angewandt haben Der Wert der Kartothek fur die Erforschung der Hexenverfolgung in der fruhen Neuzeit lasst sich anscheinend pauschal nicht festlegen Indessen hat diese Forschung im Dritten Reich geholfen die gangige Ideologie historisch zu untermauern Gerhard Schormann der als einer der ersten die Kartei erforschte benannte schon deren doppelten Zweck Uberbleibsel altgermanischen Glaubens aufzufinden und das zu den Hexenprozessen erbrachte Material zu antichristlicher speziell gegen die katholische Kirche gerichteter Propaganda zu verwenden Die Kartothek erhalt ihren Wert dadurch dass die SS inzwischen verlorene oder ganz abgelegene Archivalien zur Forschung nutzte Es sind Daten und Zahlen von angeklagten Hexen entstanden die heute als statistische Schatzwerte von Wert sind Literatur BearbeitenSonke Lorenz Dieter R Bauer Wolfgang Behringer Jurgen Michael Schmidt Hrsg Himmlers Hexenkartothek Das Interesse des Nationalsozialismus an der Hexenverfolgung Hexenforschung 4 2 Auflage Verlag fur Regionalgeschichte Bielefeld 2000 ISBN 3 89534 273 4 Robert Wistrich Wer war wer im Dritten Reich Ein biographisches Lexikon Anhanger Mitlaufer Gegner aus Politik Wirtschaft Militar Kunst und Wissenschaft Fischer 4373 Uberarbeitet und erweitert von Hermann Weiss Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1987 ISBN 3 596 24373 4 Hans Michael Kloth Wo die Raben kreisen In Der Spiegel Nr 2 2000 S 42 f online 10 Januar 2000 Vicki Prause Aufsatz Die Hexenkartothek Himmlers Interesse an der Hexenverfolgung Universitat Koblenz Landau Abteilung Koblenz Institut fur Geschichte 2002 DVD Hexen Magie Mythen und die Wahrheit Von Jan Peter und Yury Winterberg erschienen 2004 bei Icestorm Entertainment der 3 Teil der Reihe beschaftigt sich mit dem H Sonderauftrag der SS Weblinks BearbeitenDigitalisate Jurgen Michael Schmidt Hexen Sonderauftrag Hexenkartothek In Historicum net 13 Dezember 1999 Franz Wegener Eine ca 440 Titel umfassende Bibliographie des Hexen Sonderauftrages des Reichsfuhrers SS 19 Marz 2005 Scans des Aktenbestandes des Reichssicherheitshauptamtes des RSHA Bundesarchiv Berlin Lichterfelde BArch R 58 7484 Blatt 01 69 mit kurzer Einfuhrung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hexenkartothek amp oldid 236264642