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Friedrich Tillmann 6 August 1903 in Mulheim am Rhein 12 Februar 1964 in Koln war im nationalsozialistischen Deutschen Reich Direktor der Wohlfahrtswaisenpflege der Stadt Koln und von 1940 bis 1942 auch Leiter der Buroabteilung der mit der Durchfuhrung der Euthanasie Aktion T4 beauftragten Zentraldienststelle T4 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseLeben BearbeitenFriedrich Tillmann wurde als Sohn eines Schmiedemeisters geboren er hatte zwei jungere Bruder Nach vierjahrigem Besuch der Volksschule trat er in das Staatliche Gymnasium ein Nach einem Jahr wechselte er zu einem Realgymnasium spater zu einer Privatschule wo er 1921 die mittlere Reife erlangte Im gleichen Jahr begann er eine kaufmannische Lehre Wie auch seine Eltern war Tillmann tief vom katholischen Glauben gepragt Politisch fuhlte er sich national bestimmten Richtungen verbunden Wahrend seiner Lehrzeit wendete er sich rechtsgerichteten Jugendorganisationen zu 1923 trat er der NSDAP bei Bei einer politisch motivierten Schlagerei wurde er durch einen Messerstich erheblich verletzt Nach dem NSDAP Verbot vom November 1923 schloss Tillmann sich der von dem ehemaligen Freikorpsfuhrer Gerhard Rossbach gegrundeten Schilljugend an und wurde Gaufuhrer in dieser Organisation Nach Wiederzulassung der NSDAP trat er am 27 Juni 1925 erneut ein Mitgliedsnummer 13 351 Er wirkte in nationalsozialistischen Jugendverbanden mit und lernte viele Parteimitglieder kennen die in ihren spateren Fuhrungspositionen seine Karriere beforderten darunter Viktor Brack der als SS Obergruppenfuhrer 1936 Oberamtsleiter der Kanzlei des Fuhrers wurde Tillmanns berufliche Laufbahn war zunachst wenig erfolgreich Er verdingte sich in wechselnden Arbeitsgelegenheiten in der Bonbonfabrik eines Onkels als Lichtbildvorfuhrer in Schulen als Vorkommandofuhrer einer Laienspielschar fur die Ekkehard Spiele und als Angestellter fur das 14 Deutsche Bogenschiessen Seine schlechte finanzielle Lage hinderte ihn offensichtlich daran die Beitrage fur seine Parteimitgliedschaft zu entrichten sodass er im August 1928 ausgeschlossen wurde Eine kurzfristige Beschaftigung als Schriftleiter bei der Niederrheinischen Tageszeitung endete im Juli 1931 als die Deutsche Bankenkrise die Wirtschaftskrise in Deutschland verscharfte Nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten trat er am 1 Mai 1933 wieder in die Partei ein und konnte bei der Stadt Koln seinen beruflichen Aufstieg beginnen Zunachst wurde er Aushilfsangestellter dann Referent im Jugendamt dann wohl auch wegen seines aussergewohnlichen Organisationstalents bereits am 1 Oktober 1933 Direktor der Wohlfahrtswaisenpflege mit dem Gehalt eines Oberregierungsrates Erster Direktor der Wohlfahrtswaisenpflege und Tillmanns Vorganger war Johann Peter Mauel 1873 1944 Dieser war nicht der NSDAP beigetreten und wurde im Alter von 60 Jahren entlassen Tillmann unterstanden alle Heime des Regierungsbezirkes der Stadt Koln und einige Privatanstalten Seine Dienstwohnung hatte Tillmann im Waisenhaus Koln Sulz 1 Tillmann war zu dieser Zeit und auch spater kein bequemer Parteigenosse trotz scharfster Verweise geriet er immer wieder mit Parteifunktionaren aneinander Dies lag auch an seiner tief glaubigen katholischen Haltung So setzte er gegen erhebliche Widerstande durch dass Kruzifixe in den Raumen verblieben oder dass Gottesdienste im Waisenhaus durchgefuhrt werden konnten und durften 2 Einmal nahm Tillmann in seiner Parteiuniform an einer Fronleichnamsprozession teil deswegen erhielt er von der NSDAP Uniformverbot 3 Um NSDAP Funktionare zu beruhigen trat Tillman Anfang 1943 aus der Kirche aus Den im Reichsministerium des Innern mit der Organisation des nationalsozialistischen Euthanasie Programms der gezielten Ermordung von Kranken und Behinderten im Sprachgebrauch ab 1945 Aktion T4 beauftragten Ministerialdirigenten Herbert Linden lernte Tillmann Ende 1939 bei einer Besprechung in Dusseldorf kennen Linden veranlasste Tillmann einen Mobilisierungsplan fur die Evakuierung von Kinder und Sauglingsheimen zu erstellen Zu dieser Zeit hatte Tillmann bereits eine Evakuierung des Stadtischen Kinderheims Koln Sulz in das Kloster Steinfeld geplant und erste Vorbereitungen getroffen 4 Im Februar oder Marz 1940 wurde Tillmann als Nachfolger von Gerhard Bohne fur die Leitung der Buroabteilung der Zentraldienststelle T4 angeworben Diese Tatigkeit ubte er neben seinem Amt in Koln aus indem er in der T4 Zentrale ein Zimmer im Dachgeschoss bezog und zwischen Berlin und Koln im Zweiwochenturnus pendelte sowie zwischendurch einzelne Vergasungsanstalten inspizierte 5 Seine Aufgaben beschrieb er wie folgt Der Buroabteilung oblag anfangs lediglich die Beaufsichtigung uber die Standesamter Spater kam die Beaufsichtigung der Buroarbeiten in den Anstalten die sich an die bereits erfolgten Totungen anschloss hinzu Dazu gehorten insbesondere die Beaufsichtigung der sog Trostbriefabteilungen diese hatten die Hinterbliebenen der Getoteten durch standardisierte Beileidsschreiben zu informieren und des Urnenversandes 6 Anlasslich der monatlich durchgefuhrten Tagungen fur die Buroleiter der einzelnen Vergasungsanstalten sah Tillmann auch personlich bei Totungen zu Um zu vermeiden dass durch eine Haufung von Todesmeldungen Verdacht erregt werde richtete er eine sogenannte Absteckabteilung ein deren Tatigkeit er wie folgt beschrieb Da das d h auffallend hohe Todeszahlen aus einer Anstalt erfahrungsgemass geeignet war die Geheimhaltung der gesamten Aktion zu gefahrden habe ich angeordnet dass in jedem der Standesamter grosse Karten an den Wanden angebracht wurden auf denen mittels einer bunten Nadel ahnlich wie bei den Generalstabskarten alle eigenen Beurkundungen verzeichnet wurden So konnte man gleich feststellen ob in der letzten Zeit aus der Nachbarschaft der Heimat dieses Getoteten schon ein anderer Todesfall eingetreten war Traf das zu so wurde dieser Todesfall als zu einem anderen Zeitpunkt und moglicherweise sogar an einem anderen Ort erfolgt beurkundet 7 Als Dank fur seinen mehrfachen Einsatz nach den Bombenangriffen Evakuierung von Sauglingen und Kindern aus mehreren Kinderheimen wurden Tillmann nachdem er aus der Zentraldienststelle T4 1942 ausgeschieden war am 7 November 1943 das Kriegsverdienstkreuz II Klasse ohne Schwerter und am 22 Dezember 1943 fur seine Verdienste als Buroleiter der T4 Aktion das Ehrenzeichen fur deutsche Volkspflege vom Leiter der Hauptabteilung IIa der Kanzlei des Fuhrers Oberfuhrer Werner Blankenburg uberreicht 8 Nachdem Bomben das Stadtische Kinderheim Koln Sulz in der Nacht zum 21 Februar 1943 zu 90 zerstort hatten zog Tillmann mit seiner Familie nach Kloster Steinfeld wo der grosste Teil der evakuierten Kinder lebte Dort versteckte Tillmann zwei judische Madchen Auch nahm Tillmann aus Luxemburg vertriebene Schwestern vom armen Kinde Jesus gegrundet von Clara Fey im Kolner Waisenhaus auf 9 Viele Parteiobere waren mit Tillmanns Eigenmachtigkeiten nicht einverstanden Der fur den Kreis linksrheinisch Sud zustandige Kreisleiter Alfons Schaller Nach dem gewonnenen Krieg konne er mit den schwarzen Nonnen abhauen man habe dann fur sie und den verkappten schwarzen Bruder im Waisenhaus keine Verwendung mehr 10 Schliesslich wurde Tillmann im Spatsommer 1944 obwohl ausgemustert zum Militar einberufen und an die Ostfront geschickt wo er als Flakhelfer eingesetzt wurde Nach Kriegsende wurde Tillmann von den Alliierten interniert und im Juli 1946 entlassen Ein Wiedereinstellungsantrag vom 17 September 1949 bei der Stadt Koln scheiterte wegen des laufenden Entnazifizierungsverfahrens Am 28 Marz 1950 stellte die Stadt Koln fest dass er keinen Anspruch mehr auf das Amt des Direktors der Wohlfahrtwaisenpflege habe Eine Klage gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht Koln zog Tillmann 1951 zuruck Die Stadt Koln gestand ihm am 22 September 1953 allerdings zu den Titel Direktor der Wohlfahrtswaisenpflege z Wv zur Wiederverwendung zu fuhren Zu einer solchen kam es jedoch nicht mehr Tillmann arbeitete zunachst als Angestellter bei der Heimstatt e V in Opladen Als Heimleiter des Jugendwohnheimes der Stadt Wolfsburg arbeitete er von November 1951 bis Ende 1956 und ubernahm anschliessend die Leitung der Heimstatt St Barbara in Castrop Rauxel Am 15 Juli 1960 wurde er in Untersuchungshaft genommen und angeklagt die Totung von etwa 70 000 erwachsenen Insassen von Heil und Pflegeanstalten gefordert zu haben Durch Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 29 Juni 1961 10 Js 38 60 wurde ihm Haftverschonung gewahrt Im Marz 1963 wurde das Verfahren gegen ihn verbunden mit den beim Landgericht Limburg anhangigen Verfahren gegen den medizinischen Leiter der Aktion T4 Werner Heyde Hans Hefelmann den ehemaligen Leiter der Hauptabteilung IIb der Kanzlei des Fuhrers sowie gegen Gerhard Bohne seinen Vorganger in der Buroabteilung der T4 Zentraldienststelle Der Beginn der Hauptverhandlung war auf den 18 Februar 1964 terminiert Eine Woche vorher am 12 Februar 1964 sturzte Tillmann aus dem achten Stockwerk des Bundesverwaltungsamtes das 1962 am Habsburgerring fertiggestellt worden war Es konnte nie geklart werden ob Tillmann Suizid beging oder durch einen Unfall ohne Fremdeinwirkung zu Tode kam Tillmann war Diabetiker und Asthmatiker An seinem Todestag klagte er uber Atemnot und Herzschmerzen Es wurde damals vermutet dass er einen plotzlichen Asthmaanfall bekam ein Fenster aufriss und sich zu weit hinauslehnte Ein Abschiedsbrief wurde nie gefunden Als sich einen Tag spater der Hauptangeklagte Heyde trotz verscharfter Sicherungen in der Justizvollzugsanstalt Butzbach das Leben nahm ausserte Generalstaatsanwalt Fritz Bauer den Verdacht einer stillschweigenden Ubereinkunft der Beteiligten diesen Prozess nicht stattfinden zu lassen 11 Das Verfahren gegen die beiden verbliebenen Angeklagten fuhrte ebenfalls nicht zu einem Urteil es wurde gegen Hans Hefelmann ab September 1964 und gegen Gerhard Bohne ab Oktober 1968 wegen Verhandlungsunfahigkeit nicht mehr fortgesetzt Bohne starb am 8 Juli 1981 Hefelmann am 12 April 1986 Literatur BearbeitenErnst Klee Euthanasie im NS Staat 11 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24326 2 Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord 12 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24364 5 Ernst Klee Friedrich Tillmann Eintrag in ders Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 S 12 Klaus Schmidt Ich habe aus Mitleid gehandelt Der Kolner Waisenhausdirektor und NS Euthanasie Beauftragte Friedrich Tillmann 1903 1964 Metropol Berlin 2010 ISBN 978 3 940938 71 8 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Friedrich Tillmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Eingeschlafert In Der Spiegel Nr 34 1960 S 31 33 online Artikel zur Buchvorstellung Ich habe aus Mitleid gehandelt Einzelnachweise Bearbeiten Schmidt Ich habe aus Mitleid gehandelt S 20 Laurenz Kiesgen Johann Peter Mauel Ein Gedenkblatt S 19 Schmidt Ich habe aus Mitleid gehandelt S 23 Schreiben von Paul Hermesdorf Religionslehrer im Waisenhaus vom 19 September 1960 an Tillmanns Rechtsanwalt Robert Servatius Schmidt Ich habe aus Mitleid gehandelt S 26 Carl Dietmar und Werner Jung Koln Die grosse Stadtgeschichte 1 Auflage Klartext Essen 2015 ISBN 978 3 8375 1487 2 S 416 Aussage vom 21 Marz 1961 vor dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Dortmund 10 Js 38 60 StA Dortmund zitiert nach Ernst Klee Was sie taten was sie wurden S 35 Aussage vom 21 Marz 1961 vor dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Dortmund 10 Js 38 60 StA Dortmund zitiert nach Ernst Klee Was sie taten was sie wurden S 36 Schmidt Ich habe aus Mitleid gehandelt S 84 Schreiben von Paul Hermesdorf Religionslehrer im Waisenhaus vom 19 September 1960 an Tillmanns Rechtsanwalt Robert Servatius Schmidt Ich habe aus Mitleid gehandelt S 60 DER SPIEGEL 8 1964Normdaten Person GND 141333391 lobid OGND AKS LCCN nb2011009796 VIAF 120928401 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tillmann FriedrichKURZBESCHREIBUNG deutscher Leiter der Buroabteilung der nationalsozialistischen Krankenmorde Direktor der Wohlfahrtswaisenpflege in KolnGEBURTSDATUM 6 August 1903GEBURTSORT Mulheim am RheinSTERBEDATUM 12 Februar 1964STERBEORT Koln Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Friedrich Tillmann amp oldid 237441579