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Friedrich Schaffstein 28 Juli 1905 in Gottingen 8 November 2001 ebenda war ein deutscher Strafrechtler Kriminologe und Rechtshistoriker Neben Georg Dahm gilt Friedrich Schaffstein als einer der exponiertesten Vertreter der nationalsozialistischen Strafrechtslehre Inhaltsverzeichnis 1 Leben und wissenschaftliches Wirken 1 1 Herkunft Studium und erste Veroffentlichungen 1 2 Verstrickung in die Ideologisierung der Rechtswissenschaft des Dritten Reiches 1 3 Nach 1945 2 Veroffentlichungen Auswahl 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben und wissenschaftliches Wirken BearbeitenHerkunft Studium und erste Veroffentlichungen Bearbeiten Der Vater Friedrich Schaffsteins Carl Schaffstein 1863 1938 Doktor der Philosophie der Mathematik Zahlentheoretiker war Privatgelehrter in Gottingen Friedrich hatte noch zwei jungere Bruder Nach dem Abitur 1924 studierte er an den Universitaten Gottingen und Innsbruck Rechtswissenschaften 1928 wurde er bei Robert von Hippel in Gottingen mit der Dissertation Die Behandlung der Schuldarten im auslandischen Strafrecht seit 1908 zum Dr jur promoviert Er habilitierte sich 1930 ebenfalls bei Robert von Hippel mit einer auch heute noch als bedeutend angesehenen rechtshistorischen Arbeit in der er sich mit den gemeinrechtlichen Vorlaufern der modernen Verbrechenssystematik auseinandersetzte An der Universitat in Gottingen war er ab 1930 als Privatdozent fur Strafrecht tatig und wechselte 1932 an die Universitat nach Marburg Hier vertrat er die Facher Zivilprozessrecht konkursrecht Prozessrecht und ebenfalls Strafrecht Einer grosseren juristischen Offentlichkeit bekannt wurde er sodann durch die um die Jahreswende 1932 33 herum gemeinsam mit Georg Dahm verfasste Streitschrift Liberales oder autoritares Strafrecht In dieser Streitschrift verfochten die beiden jungen Strafrechtler ein antiliberales und autoritares Strafrecht das allein auf Vergeltung und Abschreckung durch harte Sanktionen gegrundet sein sollte nicht jedoch auf die spezialpraventiven Erziehungsgedanken der Modernen Schule Franz von Liszts Insbesondere habe sich das autoritare Strafrecht methodologisch vom Individualismus jedweder geistesgeschichtlichen Pragung ab und sich uberindividuellen Werten zuzuwenden Die Verfasser bekannten sich in diesem Werk noch nicht explizit zum Nationalsozialismus sondern sahen sich als Teil einer breiter angelegten volkischen Gesamtbewegung Verstrickung in die Ideologisierung der Rechtswissenschaft des Dritten Reiches Bearbeiten Bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung bekannte sich Friedrich Schaffstein sodann auch explizit zum Nationalsozialismus Im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen war er zu dieser Zeit Gaufachberater und in der Fachgruppe der Hochschullehrer aktiv 1933 erhielt er einen Ruf an die Universitat Leipzig wo er als Ordentlicher Professor fur Strafrecht wirkte Von Leipzig wechselte er 1935 als Ordinarius nach Kiel 1937 trat er der NSDAP bei Er leitete den Unterausschuss fur Jugendstrafrecht der von Hans Frank gegrundeten Akademie fur Deutsches Recht 1 Neben Dahm stellte Schaffstein den zweiten strafrechtlichen Hauptvertreter der sogenannten Kieler Schule auch genannt Kieler Richtung des Rechts dar Die Kieler Schule zu der neben diesen beiden auch Karl Larenz Franz Wieacker und Ernst Rudolf Huber gehorten bemuhte sich um eine Umgestaltung und Neuinterpretation aller Rechtsgrundbegriffe in einem nationalsozialistischen und volkischen Sinne Nachdem er der Kieler Schule zunachst nur geistig angehort hatte wurde Schaffstein 1935 auch offiziell nach Kiel berufen Schaffstein trug in dreierlei Hinsicht zur Theoriebildung der Kieler Schule bei durch seine Konzeption einer politischen Strafrechtswissenschaft durch seine Lehre vom Verbrechen als Pflichtverletzung durch seine Beitrage zu der von Georg Dahm begrundeten Gesinnungstatertypenlehre Schaffsteins damaliger Auffassung zufolge gibt es keine unpolitische Art Wissenschaft zu betreiben Jede Wissenschaft beruhe vielmehr auf bestimmten politischen Grundanschauungen So sei auch die falschlicherweise als unpolitisch titulierte vornationalsozialistische Strafrechtslehre keineswegs unpolitisch gewesen sondern habe auf den nunmehr uberwundenen politischen Grundsatzen eines individualistischen und rationalistischen Zeitalters gefusst Insofern konsequent forderte Schaffstein ein offenes Bekenntnis der neuen Strafrechtslehre zum Nationalsozialismus Im Lichte der nationalsozialistischen Weltanschauung habe eine politische Strafrechtswissenschaft das Verbrechen nicht als Rechtsgutverletzung sondern als eine Pflichtverletzung gegenuber der Volksgemeinschaft zu betrachten Die von der traditionellen Strafrechtslehre durchgefuhrte systematische Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld sollte aufgegeben und im ubergeordneten Konzept einer materiellen Rechtswidrigkeit vereint werden Schaffstein konkretisierte weiterhin die von Dahm entworfene normative Gesinnungstatertypenlehre indem er dieses neue Taterstrafrecht explizit vom Taterstrafrecht der Strafrechtsschule Franz von Liszts abgrenzte Der Tater durfe nicht wie dies Franz von Liszt gefordert habe rational zweckhaft sondern musse aufgrund einer Wesensschau ganzheitlich und konkret erfasst werden Die Tatertypenlehre Franz von Liszts sei zudem weltanschaulich uberwunden und hier aussert sich Schaffstein ganz im Sinne seines Konzepts der politischen Strafrechtswissenschaft gerade aufgrund ihrer rationalistischen und utilitaristischen Grundhaltung abzulehnen Schaffsteins Ansichten ubten ebenso wie die seines Kieler Kollegen Dahm einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf den strafrechtswissenschaftlichen Diskurs des Dritten Reiches aus Am kontroversesten wurden seine Thesen zur ersatzlosen Ersetzung des Begriffes Rechtsgut durch das Konzept Pflichtwidrigkeit und sein Vorschlag ein nationalsozialistisches Strafrecht solle nicht zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld unterscheiden diskutiert Strikte Ablehnung erfuhren Schaffsteins Ansichten von den beiden Marburger Strafrechtlern Erich Schwinge und Leopold Zimmerl die ihn 1937 38 als Vertreter eines strafrechtlichen Irrationalismus einordneten und kritisierten vgl hierzu vor allem das unten aufgefuhrte Werk Erich Schwinges Im Anschluss an diese Kritik relativierte Schaffstein einige seiner vor 1937 erarbeiteten Theorien formal bzw sprach davon lediglich eine Akzentverschiebung vorgenommen zu haben Im gleichen Jahr wurde er Herausgeber der Zeitschrift fur die Strafrechtswissenschaft in der er weitere in diesen Positionen gehaltene Artikel veroffentlicht Schaffstein lebte und lehrte wahrend des Zweiten Weltkrieges ab 1941 an der Reichsuniversitat Strassburg wo er auch das Institut fur Strafrecht leitete und Dekan war 1 Wahrend seiner Tatigkeit an der auch als NS Kampfuniversitat bezeichneten Lehranstalt beteiligte er sich massgeblich an der Konzipierung und Ausgestaltung eines Jugendstrafrechtes fur das Dritte Reich Nach 1945 Bearbeiten Auf Grund seiner NS Vergangenheit war es Schaffstein zunachst nicht moglich erneut auf einen Lehrstuhl an einer deutschen juristischen Fakultat zu gelangen Erst 1954 erhielt er eine Berufung als Professor an die Universitat Gottingen wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1969 lehrte 1955 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Gottinger Akademie der Wissenschaften gewahlt 2 Wissenschaftlich beschaftigte sich Schaffstein zu dieser Zeit zunachst hauptsachlich mit Wilhelm von Humboldt und mit rechtshistorischen Studien uber die europaische Strafrechtswissenschaft zur Zeit des Humanismus Des Weiteren avancierte Schaffstein in der Nachkriegszeit zu einem der prominentesten Vertreter des deutschen Jugendstrafrechts Sein Lehrbuch Jugendstrafrecht Eine systematische Darstellung erlebte bis 2002 vierzehn Auflagen und wurde zu einem Klassiker der diesbezuglichen juristischen Ausbildungsliteratur Seine eigenen Verstrickungen in die NS Rechtslehre bedauerte Schaffstein gegen Ende seines Lebens zusehends und schrieb 1965 selbstkritisch Aus derselben Wurzel erwuchsen schliesslich Krieg und die Verbrechen von Auschwitz 3 Ab 1966 war er Mitherausgeber der Kriminologischen Studien Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenDie Behandlung der Schuldarten im auslandischen Strafrecht seit 1908 Breslau 1928 Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer Entwicklung durch die Wissenschaft des Gemeinen Strafrechts Berlin 1930 Liberales oder autoritares Strafrecht Hamburg 1933 zusammen mit Georg Dahm Zur Problematik der teleologischen Begriffsbildung im Strafrecht Leipzig 1934 Politische Strafrechtswissenschaft Hamburg 1934 Das Verbrechen als Pflichtverletzung In Karl Larenz Hrsg Grundfragen der neuen Rechtswissenschaft Berlin 1935 S 108 142 Ausleserecht gegen Minderwertigenfursorge Zur Neuordnung des Jugendstraf und Pflegerechts In Das Junge Deutschland 1937 HJ Zeitschrift Wilhelm von Humboldt Ein Lebensbild Frankfurt a M 1952 Die europaische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus Gottingen 1954 Jugendstrafrecht Eine systematische Einfuhrung Stuttgart 1959 14 Aufl 2002 Literatur BearbeitenWerner Beulke In memoriam Friedrich Schaffstein In Monatsschrift fur Kriminologie und Strafrechtsreform 85 2002 S 81 83 Christoph Cornelissen Carsten Mish Hrsg Wissenschaft an der Grenze Die Universitat Kiel im Nationalsozialismus Mitteilungen der Gesellschaft fur Kieler Stadtgeschichte Bd 86 Klartext Essen 2009 ISBN 978 3 8375 0240 4 Jorn Eckert Was war die Kieler Schule In Franz Jurgen Sacker Hrsg Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus Nomos Verlag Baden Baden 1992 ISBN 3 7890 2452 X S 37 70 Gerald Grunwald u a Hrsg Festschrift fur Friedrich Schaffstein zum 70 Geburtstag am 28 Juli 1975 Gottingen 1975 Manfred Maiwald Schaffstein Friedrich In Neue Deutsche Biographie NDB Band 22 Duncker amp Humblot Berlin 2005 ISBN 3 428 11203 2 S 541 f Digitalisat Erich Schwinge Irrationalismus und Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissenschaft Bonn 1938 zeitgen Auseinandersetzung Jan Telp Ausmerzung und Verrat Zur Diskussion um Strafzwecke und Verbrechensbegriffe im Dritten Reich Rechtshistorische Reihe Bd 192 Lang Frankfurt a M 1999 ISBN 3 631 34170 9 zugleich Munchen Universitat Dissertation 1998 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Friedrich Schaffstein im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Friedrich Schaffstein im Professorenkatalog der Universitat LeipzigEinzelnachweise Bearbeiten a b Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 525 f Verzeichnis der Mitglieder In Jahrbuch der Gottinger Akademie der Wissenschaften Band 2000 Gottingen 2001 S 13 Friedrich Schaffstein Die Jugendkriminalitat in der industriellen Wohlstandsgesellschaft In Monatsschrift fur Kriminologie und Strafrechtsreform Band 48 1965 Heft 2 S 53 67 hier S 67 Normdaten Person GND 118748408 lobid OGND AKS LCCN n50020386 VIAF 41922895 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schaffstein FriedrichKURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist und StrafrechtlerGEBURTSDATUM 28 Juli 1905GEBURTSORT GottingenSTERBEDATUM 8 November 2001STERBEORT Gottingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Friedrich Schaffstein amp oldid 236837358