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Der Begriff Fettlucke bezeichnete den Rohstoffmangel des Deutschen Reiches an Fetten und Olen Sie zahlte neben der Eiweisslucke und der Faserlucke zu den drei grossen Erzeugungslucken 1 Besonders der NS Staat wollte die herrschende Abhangigkeit vom Import technischer Fette und Nahrungsfette beenden Autarkie da sich die Unterversorgung mit Futtermitteln auch negativ auf die Tierhaltung auswirkte Die drei Wege zur Schliessung der Lucken waren die Ertragssteigerung Verbrauchslenkung und mit der Kriegswende 1941 42 chemische Syntheseverfahren 2 Konkrete Massnahmen hierfur waren ab 1935 die Erzeugungsschlacht ab 1936 der Zweite Vierjahresplan die vor Kriegsausbruch am 27 August 1939 eingefuhrten Lebensmittelmarken und nicht zuletzt ab 1941 das Unternehmen Barbarossa der Angriffskrieg auf die Sowjetunion 3 Die Erzeugungsschlacht konnte den Selbstversorgungsgrad an tierischen und pflanzlichen Fetten aber nur geringfugig steigern etwa zwischen 1933 34 bis 1938 39 von 53 auf 57 4 Inhaltsverzeichnis 1 1933 bis 1939 2 1939 bis 1945 3 Nach dem Zweiten Weltkrieg 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 Einzelnachweise1933 bis 1939 BearbeitenWahrend in den ersten Jahren des Dritten Reiches die ubrige Lebensmittelversorgung der Bevolkerung weitgehend aus eigener Landwirtschaft gedeckt werden konnte 5 waren die Eiweiss und die Fettversorgung in erheblichem Masse von Importen abhangig Aus eigener Erzeugung wurde 1936 nur 68 8 des Pro Kopf Fettverbrauchs fur die Ernahrung erwirtschaftet 6 Nach Einschatzung zeitgenossischer Experten gab es 1936 bei der Fettversorgung eine durch Importe zu deckende Erzeugungslucke von 1 Million Tonnen Fett 7 Fur 1937 mussten 90 des industriellen Fettbedarfs aus Importen gedeckt werden 8 Noch 1939 konnte nur 57 des Gesamt Fettbedarfs fur Industrie und Ernahrung aus eigener Produktion bestritten werden 9 Eine im April 1933 eingerichtete Reichsstelle fur Ole und Fette 10 bundelte die staatliche Regulierung des Inlandsmarktes durch Festsetzung von Preisen und Preisspannen sowie Kontingentierung von Importen und Produktion Hinzu kam eine Verbrauchslenkung durch Propaganda und Preisgestaltung Der Verzehr von Brot Kartoffeln und Zucker sollte gefordert werden als Brotaufstrich wurde Marmelade empfohlen und subventioniert 11 der Eintopfsonntag sollte Fleisch und Fett einsparen Die Margarine Industrie war uberwiegend auf Rohstoffimporte angewiesen Bereits im April 1933 wurde eine Fettsteuer erhoben 12 durch die sich der Margarinepreis fast verdoppelte Durch Verordnungen wurde die Produktion auf 60 gedrosselt 13 wenig spater aber die Herstellung einer preisgunstigen Haushaltmargarine gesichert die gegen Bezugsschein von Wohlfahrtsempfangern und Arbeitslosen gekauft werden durfte 14 Im November 1934 rief Landwirtschaftsminister Walther Darre zur Erzeugungsschlacht auf Trotz grosser Bemuhungen blieb die Wachstumsrate der landwirtschaftlichen Wertschopfung bis 1939 gering 15 Die neue deutsche Walfangflotte konnte den Importbedarf an Fetten nicht decken 16 und kam mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zum Erliegen Im Rahmen des Vierjahresplanes waren Herbert Backe als Leiter der Geschaftsgruppe Ernahrung und Wilhelm Keppler fur die Geschaftsgruppe industrielle Fette tatig 17 Zur Schliessung der Fettlucke sollten die Anbauflache fur Olpflanzen Raps Lein vergrossert Milchwirtschaft und Schweinemast gefordert und der Fettverbrauch gesenkt werden Zudem wurden insbesondere fur industrielle Zwecke die Fettruckgewinnung und synthetische Produktion angestrebt Tatsachlich gelang es trotz zahlreicher Regulierungsmassnahmen nicht die Selbstversorgung mit Fett erheblich zu steigern und die Fettlucke zu schliessen 18 Die Buttereinfuhr halbierte sich zwischen 1929 und 1936 von 136 000 auf annahernd 75 000 Tonnen 19 Das lag wohl an der Weltwirtschaftskrise und ihren Folgen fur das Weltwirtschaftssystem Ein Ablieferungszwang fur Milch gekoppelt mit dem Verbot fur den Eigenbedarf zu buttern konnte die Versorgung nicht sicherstellen Der Deutschland Bericht der SoPaDe berichtete 1935 in Berlin stunden lange Warteschlangen vor den Buttergeschaften 20 Joseph Goebbels Reichsminister fur Volksaufklarung und Propaganda notierte in seinem Tagebuch Die Schlangen vor den Laden sind Brutstatten der Sabotage Butter und Fettknappheit Wir mussen nun Massnahmen treffen Und zwar rigorose 21 Im November 1935 wurden Kundenlisten eingefuhrt um Hamsterkaufe fur Butter zu erschweren zugleich wurden Devisen fur Importe freigegeben Offensiv pladierte Goebbels Anfang 1936 an den Opfersinn der Bevolkerung Verzicht zu leisten zugunsten der Aufrustung Wir werden zu Not auch einmal ohne Butter fertig werden niemals aber ohne Kanonen 22 Rudolf Hess benutzte das Schlagwort Kanonen statt Butter in einer Rede am 11 Oktober 1936 und rief dazu auf Versorgungsengpasse hinzunehmen und sich kriegsmassig einzuschranken 23 Hermann Goring wiederum dem dieses Motto Kanonen statt Butter falschlicherweise zugeschrieben wird 24 hielt eine freiwillige Reduzierung des Fettverbrauchs um 25 Prozent fur erforderlich 25 1939 bis 1945 Bearbeiten nbsp Reichsfettkarte fur Jugendliche aus dem Jahr 1941Die Einheitskarte die seit dem 27 August 1939 die Nahrungsmittel rationierte wurde bald ausdifferenziert Seit Ende 1939 gab es Fettkarten und die Kategorien des Schwer und Schwerstarbeiters eine Nacht und Langarbeiterkarte sowie Lebensmittelkarten fur Kinder und Jugendliche 1940 kam es zu ersten Kurzungen in der Lebensmittelzuteilung 26 Bis Ende 1941 konnten jedoch grossere Einschrankungen vermieden werden 27 In einer Aktennotiz vom 2 Mai 1941 heisst es jedoch 1 Der Krieg ist nur weiter zu fuhren wenn die gesamte Wehrmacht im 3 Kriegsjahr aus Russland ernahrt wird 2 Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern wenn das fur uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird 3 Am wichtigsten ist die Bergung und Abtransport von Olsaaten Olkuchen dann erst Getreide 28 Fur die Fettversorgung der deutschen Zivilbevolkerung war die Requirierung von 400 000 Tonnen Ol und 1 Million Tonnen Olkuchen geplant 29 In den beiden Wirtschaftsjahren 1941 42 und 1942 43 holten die Besatzer mehr als 632 000 Tonnen Olsaaten Streichfette und Speiseole aus den eroberten Teilen der Sowjetunion nach Deutschland 30 Einhergehend mit der militarischen Lage an der Ostfront Niederlagen vor Moskau und Stalingrad kam es 1942 zu drastischen Einschnitten in der Lebensmittelversorgung die knappe Fettration fur Normalverbraucher reduzierte sich von 1053 g auf 825 g pro Monat 31 Dies fuhrte nach Angaben der Gestapo insbesondere in Arbeiterkreisen zu einer nicht unbetrachtlichen Beunruhigung und die Stimmung sei auf einem im Verlauf des Krieges bisher noch nicht festgestellten Tiefstand angelangt 32 Im Oktober 1942 wurde seitens der Arzteschaft eine baldige Erhohung der Fettration fur unbedingt notwendig erachtet da sich der Gesundheitszustand der Bevolkerung seit dem Vorjahre wesentlich verschlechtert habe 33 Nach dem Zweiten Weltkrieg BearbeitenDie Fettlucke selbst war kein dezidiert nationalsozialistisches Problem sie wurde bereits wahrend der Hungerkatastrophen im Ersten Weltkrieg sichtbar Steckrubenwinter und zog sich bis in die 1950er Jahre hinein In Westdeutschland wurden 1950 die Lebensmittelkarten abgeschafft in der DDR erst im Mai 1958 Durch die rigorosen Massnahmen des NS Regimes erhielt die Problematik aber besondere Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit der Geschichte des Dritten Reiches Siehe auch BearbeitenAgrarwirtschaft und Agrarpolitik im Deutschen Reich 1933 1945 Eiweisslucke unter Sojabohne Milcherzeugungsschlacht Paraffinoxidation Butter aus Kohle Hungerplan zum zitierten DokumentLiteratur BearbeitenUlrich Kluge Kriegs und Mangelernahrung im Nationalsozialismus in Beitrage zur historischen Sozialkunde 15 1985 Heft 2 S 67 73 Wilhelm Deist Manfred Messerschmidt Hans Erich Volkmann Wolfram Wette Ursachen und Voraussetzungen des Zweiten Weltkrieges Frankfurt a M 1989 v a S 412 417 Gerd R Ueberschar Wolfram Wette Hrsg Der deutsche Uberfall auf die Sowjetunion Unternehmen Barbarossa 1941 Fischer Frankfurt am Main 1991 ISBN 3 596 24437 4 Gustavo Corni Horst Gies Brot Butter Kanonen die Ernahrungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers Akademie Verlag Berlin 1997 ISBN 3 05 002933 1 Arnulf Huegel Kriegsernahrungswirtschaft Deutschlands wahrend des Ersten und Zweiten Weltkrieges im Vergleich Konstanz 2003 Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle Fettlucke und Eiweisslucke im Dritten Reich in Michael Pammer Herta Neiss Michael John Hrsg Erfahrung der Moderne Festschrift fur Roman Sandgruber zum 60 Geburtstag Stuttgart 2007 S 403 426 ISBN 978 3 515 09020 9 Tim Schanetzky Kanonen statt Butter Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich C H Beck Munchen 2015 ISBN 978 3 406 67515 7 Weblinks BearbeitenAntifaschistisches Bild Hurra die Butter ist alle 19 Dezember 1935 Artikel uber eine Fotomontage von John Heartfield Statistik die Selbstversorgung Deutschlands mit wichtigen Nahrungsmitteln 1927 28 1933 34 1938 39Einzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Ziegelmayer Rohstoff Fragen der Deutschen Volksernahrung Eine Darstellung der ernahrungswirtschaftlichen Aufgaben unserer Zeit Dresden Leipzig 1936 S 19 f Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle Fettlucke und Eiweisslucke im Dritten Reich in Michael Pammer Herta Neiss Michael John Hrsg Erfahrung der Moderne Festschrift fur Roman Sandgruber zum 60 Geburtstag Stuttgart 2007 S 403 426 hier S 404 Ernst Langthaler Agrar Europa unter nationalsozialistischen Vorzeichen 1933 1945 in Themenportal Europaische Geschichte 2011 URL lt http www europa clio online de 2011 Article 503 gt Gustavo Corni Horst Gies Brot Butter Kanonen die Ernahrungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers Akademie Verlag Berlin 1997 S 309 318 Zahlen bei Margarete Muths Die deutsche Fettlucke und die Moglichkeit ihrer Schliessung Diss Bottrop 1938 S 10 f Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle Fettlucke und Eiweisslucke im Dritten Reich in Michael Pammer Herta Neiss Michael John Hrsg Erfahrung der Moderne Festschrift fur Roman Sandgruber zum 60 Geburtstag Stuttgart 2007 ISBN 978 3 515 09020 9 S 412 Tab 1 Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle S 404 Bernd Kaiser Die Implikationen wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen fur die Rohstoffbeschaffung Diss Erlangen 2009 S 75 PDF 4 94 MB Bernd Kaiser Die Implikationen wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen fur die Rohstoffbeschaffung Diss Erlangen 2009 S 99 PDF 5 2 MB VO uber die Errichtung einer Reichsstelle fur Ole und Fette vom 4 April 1933 RGBl I S 166 ab Januar 1934 umbenannt in Reichsstelle fur Milcherzeugnisse Ole und Fette Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle S 409 VO uber die Erhebung einer Ausgleichsabgabe fur Fette vom 13 April 1933 RGBl I S 206 2 VO uber die gewerbsmassige Herstellung von Erzeugnissen der Margarinefabriken vom 21 Juni 1933 RGBl I S 376 3 VO uber die gewerbsmassige Herstellung von Erzeugnissen der Margarinefabriken vom 23 September 1933 RGBl I S 662 Stephanie Degler Jochen Streb Die verlorene Erzeugungsschlacht In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte 2008 Heft 1 S 177 Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle S 411 Bernd Kaiser Die Implikationen wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen fur die Rohstoffbeschaffung Diss Erlangen 2009 S 95 96 PDF 5 2 MB Bernd Kaiser Die Implikationen wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen fur die Rohstoffbeschaffung Diss Erlangen 2009 S 99 PDF 5 2 MB Otto Josef Kraus Theorie der zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen Duncker amp Humblot Berlin 1956 S 154 Klaus Behnken Hrsg Deutschland Berichte der Sopade Salzhausen 1980 Bd 2 S 960 Die Tagebucher von Joseph Goebbels hrsg von Elke Frohlich Teil I 3 1 Munchen 2005 ISBN 3 598 23744 8 S 323 324 5 November 1935 Rede von Goebbels im Januar 1936 zitiert nach Kurt Bauer Nationalsozialismus Ursprunge Anfange Aufstieg und Fall Wien 2008 ISBN 978 3 205 77713 7 S 306 abgedruckt in Wolfgang Michalka Das Dritte Reich Dokumente zur Innen und Aussenpolitik Bd 1 Munchen 1985 ISBN 3 423 02925 0 S 191 f ebenso in Norbert Frei Der Fuhrerstaat Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945 Munchen 2013 ISBN 978 3 406 64449 8 S 226 230 Richard J Overy Hermann Goring Machtgier und Eitelkeit Wilhelm Heyne Munchen 1986 EA London 1984 S 12 Tatsachlich stammte es vom Stellvertreter des Fuhrers Rudolf Hess vgl E Kordt Wahn und Wirklichkeit Stuttgart 1948 S 44 Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle S 408 Michael Wildt Der Traum vom Sattwerden Hamburg 1986 ISBN 3 87975 379 2 S 17 Reinhold Reith Hurra die Butter ist alle S 416 Dokument 2718 PS in IMT Der Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher ISBN 3 7735 2524 9 Bd 31 S 84 Gerhard Ueberschar Wolfram Wette Der Deutsche Uberfall auf die Sowjetunion uberarb Neuaufl Frankfurt M 1991 ISBN 3 596 24437 4 S 323 Richtlinien des Wirtschaftsstabes Ost vom 23 Mai 1941 Dokument 126 EC in IMT Der Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher ISBN 3 7735 2526 5 Bd 36 S 150 Gerhard Ueberschar Wolfram Wette Der Deutsche Uberfall S 325 Gotz Aly Hitlers Volksstaat Frankfurt M 2005 ISBN 3 10 000420 5 S 203 Michael Wildt Der Traum vom Sattwerden Hamburg 1986 ISBN 3 87975 379 2 S 17 Meldungen aus dem Reich hrsg von Heinz Boberach Herrsching 1984 ISBN 3 88199 158 1 Bd 9 S 3504 3505 vom 23 Marz 1942 Meldungen aus dem Reich hrsg von Heinz Boberach Herrsching 1984 ISBN 3 88199 158 1 Bd 11 S 4352 vom 19 Oktober 1942 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fettlucke amp oldid 232923658