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Als Erdstall wird im nordostlichen Alpenvorland ein im Mittelalter von Menschenhand geschaffenes unterirdisches nicht ausgebautes Gangsystem bezeichnet Der Begriff Erdstall bedeutet Statte unter der Erde oder Erd Stollen und hat nichts mit einem Viehstall zur separaten Unterbringung der Haustiere zu tun Engstellen sind charakteristisch fur Erdstalle Um in den nachsten Abschnitt zu gelangen muss man sich durch diese Schlupfe zwangen Grundriss eines Erdstalls im oberosterreichischen Bad ZellErdstall Ratgobluckn bei Perg OsterreichInhaltsverzeichnis 1 Benennung 2 Beschreibung 3 Erscheinungsformen 4 Verbreitung 4 1 Mahren 4 2 Niederosterreich 4 3 Oberosterreich 4 4 Steiermark 4 5 Bayern 4 6 Baden Wurttemberg 5 Datierung 5 1 Errichtung 5 2 Nutzung 5 3 Urkundliche Erwahnung 6 Zweck 6 1 Kultstatten 6 2 Zufluchtsstatten 7 Erdstallforschung 8 Museen und offentlich zugangliche Erdstalle 9 Filme 10 Literatur 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseBenennung BearbeitenDer Volksmund nennt die Anlagen unterirdische Gange oder einfach Geheimgange Vor allem in Bayern ist die Bezeichnung Schratzlloch verbreitet da sie dem Volksglauben nach von Zwergen Schrat Schratzl Schrazel Schranzen gegraben wurden Daneben kommen oft Bezeichnungen wie Zwerg oder Quergloch in Oberosterreich Grufen sowie mannigfache lokale Begriffe vor 1 Seit dem 19 Jahrhundert wurde der in Niederosterreich gebrauchliche Begriff Erdstall in der Fachliteratur vorherrschend 2 Beschreibung BearbeitenDie Gange sind meist winkelig angeordnet bis zu 60 cm breit und 1 0 bis 1 4 m hoch In vielen Erdstallen gibt es auch sogenannte Lampennischen sowie zumeist endstandige kammerartige Erweiterungen und Sitznischen Engstellen die nur kriechend passiert werden konnen werden als Schlupf bezeichnet 3 4 Erscheinungsformen BearbeitenZur neuzeitlichen Systematisierung wurde von Erdstallforschern eine grobe Kategorisierung der am haufigsten vorkommenden Bauformen vorgenommen 3 Typ A besitzt einen langeren Hauptgang mit Durchschlupfen und Seitengangen Typ B erstreckt sich uber mehrere Etagen die durch vertikale Schlupfe miteinander verbunden sind Auch ein mit einer Trockenmauer verschlossener Bauhilfsschacht ist anzutreffen Am Ende des Ganges gibt es Sitznischen oder eine Raumerweiterung mit einer Sitzbank Typ C besitzt meist horizontale Schlupfe und am Ende oder mittendrin einen Rundgang in dessen Bereich der Gang eine aufrechte Begehung zulasst Typ D weist Kammern auf die durch Gange miteinander verbunden sind Die Engstellen dazwischen sind uberwiegend horizontal angelegt Verbreitung Bearbeiten nbsp Waagerechter SchlupfErdstalle gibt es in Bayern uber 700 Oberosterreich Niederosterreich und vereinzelt in der Steiermark und im Burgenland Ahnliche Anlagen kennt man auch in Baden Wurttemberg Sachsen Anhalt Polen Tschechien der Slowakei und Ungarn Die geographische Verbreitung der Erdstalle hangt u a mit geologischen Bedingungen zusammen Der Boden muss ausreichend fest und doch gut bearbeitbar sein Entsprechende Bedingungen bietet etwa der Loss Schlier Lehm Sandstein oder der sogenannte Flins verwitterter Granit In massivem Fels oder losem Schotter kommen Erdstalle nicht vor Unterirdische Objekte in vergleichbarer Bauweise aber teilweise auch anderer Zeitstellung und wahrscheinlich auch Funktion finden sich in Grossbritannien besonders Cornwall und Schottland wo sie als Souterrain Weem Fogou oder Earthhouse bezeichnet werden sowie in Irland Spanien und Frankreich 5 Es gibt auch Sagen von unterirdischen Gangen die einen Ort A mit einem mehrere Kilometer entfernten Ort B verbinden sollen Erdstalle dieser Lange gibt es jedoch nicht Existierende Gangsysteme sind selten langer als 50 Meter Wahrer Kern hinter derartigen Sagen ist aber oft dass an beiden Orten ein Erdstall existiert Mahren Bearbeiten Erdstall von Preskace Zlabings Erdstalle unter mehreren Hausstellen der Wustung Pfaffenschlag in den 1970er Jahren archaologisch untersucht 6 Bozice Erdstall am Tancici kopec Tanzberg Niederosterreich Bearbeiten Durnkrut Bei Kellersanierungsarbeiten entdeckter Erdstall Nonndorf Stadt Raabs an der Thaya Gut erhaltener Erdstall mit zwei Rundgangen einer versturzt unter einem Bauernhof Kleinzwettl Erdstall mit Rundgang unter einer Wehrkirche Ruppersthal Erdstalle auf mehreren Grundstucken des Ortes Herrnbaumgarten Mehrere Hauser besitzen einen Erdstall Gaweinstal Bei einer Kellergrabung zufallig gefundener Erdstall Thaya In einem Herrenhaus der Wustung Hard 7 Althoflein Katastralgemeinde von Grosskrut Erdstallanlagen im Kapellenberg samt Erdstallmuseum Schwedenhohlen Mehrere Erdstalle im Rohrwald Roschitz Ort mit den meisten Erdstallen 8 Stillfried Einer von ursprunglich mindestens drei Erdstallen ist noch begehbar Oberosterreich Bearbeiten Erdstall Ratgobluckn in Perg Erdstall unter dem Denkmalhof Mittermayr im Freilichtmuseum Pelmberg Gemeinde Hellmonsodt 9 Erdstall Flehlucka in der Gemeinde Wartberg ob der Aist 10 Erdstall unter dem Gasthaus zum Feuchten Eck in der Gemeinde Bad Zell 11 Erdstall unter dem Gasthof Wosner in der Gemeinde Munzkirchen Erdstall unter dem Bauernhaus Kleinmollsberg Nr 2 in der Gemeinde Neustift im Muhlkreis 12 Erdstall am Schlosserhugel in Rohrbach 12 Steiermark Bearbeiten Mehrere Erdstalle in der Region Vorau z B in PucheggBayern Bearbeiten Erdstall Doblberg bei Glonn Oberbayern Landkreis Ebersberg Mitterschneidhart Erdstall mit sich uberkreuzenden Gangen unter einem Hof neben der Kirche verfullt im 15 Jahrhundert 13 Teunz Erdstall Hocherlmuhle 2002 auf freiem Feld entdeckt 14 Viechtach Im Stadtgebiet sind neun Erdstalle in der naheren Umgebung noch sechs andere bekannt 15 Grasfilzing Erdstall Lkr Cham 16 Baden Wurttemberg Bearbeiten Erdstall von Rot am See Ringingen Erdstall unter dem Brauhaus der Adlerbrauerei 17 Datierung BearbeitenDie eindeutige Datierung der einzelnen Erdstalle ist vielfach problematisch da bisher nur wenige systematische facharchaologische Untersuchungen durchgefuhrt wurden Haufig werden sie als fundleer klassifiziert Zudem wurde bei in der Vergangenheit geborgenen Funden der archaologische Kontext oft nicht beachtet Sie sind daher lediglich ein Beleg fur die Anwesenheit von Menschen im Laufe der verschiedenen Jahrhunderte haben aber ihren Informationsgehalt fur eine Datierung oder gar Zweckbestimmung der Erdstalle grosstenteils eingebusst Karl Schwarzfischer legte 1980 eine umfangreiche Auswertung der Kleinfunde in den Erdstallen vor 18 Auch fur Oberosterreich existiert von 1991 ein Verzeichnis der Funde in den Erdstallen 19 Fur Bayern wurden Keramikfunde aus mehreren Erdstallen von Werner Endres 1937 2015 vorgelegt und 2004 eine detailliertere Bearbeitung der Funde aus dem Erdstall Hocherlmuhle Gde Teunz Lkr Schwandorf von Verena Kaufmann publiziert Die von Josef Weichenberger erstellte chronologische Entwicklung fur die Erdstalle gibt insgesamt ein schlussiges Bild wieder Danach kamen die Erdstalle um 1100 auf und hatten im 12 und 13 Jahrhundert ihre Hochblute Ab dem 13 Jahrhundert wurden in Bayern Erdstalle wieder verfullt eine deutliche Haufung der Erdstall Verfullungen zeigt sich im 15 und 16 Jahrhundert Ab ca 1500 wurden keine Anlagen mehr gebaut Funde belegen dass sich von ungefahr 1100 bis ca 1945 50 immer wieder Menschen in den Erdstallen aufhielten 20 14C Analysen von Probenmaterial aus Erdstallen insbesondere aus gesicherten archaologischen Kontexten liegen bisher nur vereinzelt vor nbsp An den Gangenden von Erdstallen finden sich oft Nischen und Banke Erdstall Material Datierung datierende FundeHocherlmuhle Gde Teunz Lkr Schwandorf Holzkohle unterste Schicht Bauhilfsschacht zwischen 991 und 1163 bzw 954 und 1071 Trebersdorf Gde Traitsching Lkr Cham zwischen 950 und 1050 Doblberg Gde Glonn Lkr Ebersberg Holzabdeckung aus einer Nische in einem Vertikalschlupf zwischen 1020 und 1160 Aying Lkr Munchen Holzkohle aus Laufhorizont und Russ aus Lichtnische Mitte des 11 bis in das 13 Jahrhundert Niederpretz Markt Hutthurm Lkr Passau zwischen 1051 und 1088 bzw 1045 und 1213 Grasfilzing Gde Arnschwang Lkr Cham zersetztes nicht identifizierbares organisches Material zwischen 1297 und 1388 bzw 1289 und 1394 Keramik 12 bis 14 JahrhundertErrichtung Bearbeiten Ein Holzkohlefund aus dem Bauhilfsschacht eines Erdstalls in Bad Zell Oberosterreich wurde mittels Radiokohlenstoffdatierung 14C in die Zeit zwischen 1030 und 1210 datiert Der Erdstall Hocherlmuhle Bayern ist ebenfalls nach einer 14C Datierung aus dem Bauschacht fruhestens zwischen dem Ende des 10 und der Mitte des 11 Jahrhunderts n Chr gebaut worden Da Bauhilfsschachte nur fur die Errichtung eines Erdstalls angelegt und zugeschuttet wurden sobald der Erdstall fertiggestellt war kann angenommen werden dass die Erdstalle in dieser Zeit errichtet worden sind Im Erdstall von Rot am See wurde ein Gang mit Steinblocken nachtraglich wieder zu einem Durchschlupf verengt was nach einer 14C Datierung der Lehmverfugung zwischen 1034 und 1268 n Chr geschehen ist 21 Nutzung Bearbeiten Daruber hinaus ermoglichen Funde in Erdstallen eine Aussage daruber wann die Gange von Menschen aufgesucht wurden Holzkohle aus dem Erdstall von Trebersdorf die mittels Radiokohlenstoffdatierung datiert wurde erbrachte ein Datum von 950 bis 1050 22 Die Radiokohlenstoffdatierung von Proben aus dem Erdstall von Kuhried in Bayern zeigte ein Datum von 950 bis 1160 23 In einem Erdstall in Pregarten im Bezirk Freistadt fanden sich an einem Gangende ein holzerner Schemel eine Feuerstelle und Keramik Es handelt sich dabei um Bruchstucke von Gefassen mit Bodenzeichen aus der Zeit um 1100 In einem Erdstall in der Gemeinde St Agatha im Bezirk Grieskirchen fanden sich Keramikbruchstucke von Gefassen des 12 Jahrhunderts 24 Urkundliche Erwahnung Bearbeiten Die erste urkundliche Erwahnung der Bezeichnung Erdstall stammt aus dem Jahr 1449 Im Urbar der Herrschaft Asparn an der Zaya ist ein Untertan namens Methl Huendl erwahnt der fur den 3 1 2 Joch grossen Acker auf den erdstelln sechs Pfennig an die Herrschaft zu zahlen hat Ein Untertan namens Tumeregker muss fur sein 3 Joch grosses Feld auf den erdstelln ebenfalls sechs Pfennig an Abgabe entrichten Zweck BearbeitenErdstalle sind weder Bergbau noch Prospektions oder Quellstollen Die im Laufe der Zeit entwickelten Thesen uber ihren Zweck lassen sich generell drei verschiedenen Grundannahmen zuordnen Die einen gehen davon aus dass Erdstalle als Zweckbauten angelegt wurden Fur einen langeren Aufenthalt waren die Anlagen allerdings nicht geeignet Andere Theorien nehmen hingegen an dass diese unterirdischen Bauwerke als Kultstatten oder Sakralbauten im Zusammenhang mit vorchristlichen Ritualen oder aber hochmittelalterlichen Jenseitsvorstellungen als Leergraber oder Seelenkammern geschaffen worden sind Loffelmann 1997 Auch ein Zusammenhang mit dem Durchschlupfbrauchtum wird postuliert wie es z B an der Kirche St Petrus bei Marienstein Markt Falkenstein Lkr Cham im Bayerischen Wald praktiziert wird Die ab 1719 anstelle eines Vorgangers errichtete Kirche wurde so gebaut dass zwischen Kirchenwand und Felsen ein kunstlicher Durchschlupf entstand Die Glaubigen kamen hierhin um ihre korperlichen Leiden abzustreifen wenn sie sich durch den schmalen Spalt zwischen Granitfels und Kirchenmauer durchzwangten Kultstatten Bearbeiten Die Kultstatten These geht davon aus dass es sich bei Erdstallen um symbolische Leergraber handelt Solche Leergraber sollen von mittelalterlichen Siedlern am neuen Wohnort gegraben worden sein um fur die Seelen ihrer Ahnen ein neues symbolisches Grab anzulegen weil sie die alten Graber zuvor an den alten Siedlungsorten zurucklassen mussten Eine Variante ist die These von der Seelenkammer Der 2007 verstorbene Heimatforscher Anton Haschner 25 aus Markt Indersdorf vermutete in den Erdstallen einen vorubergehenden Aufenthaltsort der Seelen von Verstorbenen an dem sie die Wartezeit bis zum Jungsten Gericht verbringen wurden Die Lebenden wollten damit vermeiden dass die Verstorbenen Angst und Schrecken unter den Menschen verbreiten konnten Erst als sich die theologische Vorstellung des Fegefeuers Ende des 11 Jahrhunderts herausbildete horten die Menschen damit auf Erdstalle zu errichten da sie die Seelen nun sicher an einem jenseitigen Ort aufgehoben glaubten 26 Gelegentlich wird als Argument fur diese These angefuhrt dass manche Erdstalle spitzbogige Bauelemente aufweisen was an sakrale Gebaude erinnere Der im 13 Jahrhundert aufkommende Spitzbogen ist jedoch nicht auf Sakralbauten beschrankt er findet sich als typisches stilistisch konstruktives Element der gotischen Stilepoche genauso an den Profanbauten Dem Bau Element des Rundgangs am Ende mancher Erdstall Anlagen lasst sich kein praktischer Nutzen zuschreiben Zufluchtsstatten Bearbeiten Der Zufluchtsstatten These zufolge wurden Erdstalle als Verstecke angelegt in denen gefahrdete Personen etwa bei Uberfallen wie vom Erdboden verschluckt verschwinden konnten Viele Erdstalle weisen Bauelemente auf die nur bei einer Deutung als Zufluchtsort sinnvoll erklart werden konnen etwa Verriegelungsvorrichtungen die ausschliesslich von innen bedient werden konnen Auch Nischen Banke und Luftlocher in Erdstallen weisen auf die Verwendung als Aufenthaltsort vom Menschen hin Ein wichtiger Hinweis zum Zweck der Erdstalle ist in einer unter dem Namen Kleiner Lucidarius oder Seifried Helbling erschienenen Sammlung von 15 Gedichten aus dem Ende des 13 Jahrhunderts enthalten Darin wird erzahlt wie ein Bauer bei einem Uberfall auf den Bauernhof Frau und Kind in einem slafluoc bzw sloufluoc versteckt 27 Der Begriff ist zusammengesetzt aus dem Grundwort luoc und dem Bestimmungswort slouf Die Wortbedeutung richtet sich nach dem Grundwort welches als Hohle Loch und im ubertragenen Wortsinne als Versteck ubersetzt werden kann Das Bestimmungswort slouf kann als Schlupfen Schliefen oder Schlufen verstanden werden Damit ergibt sich eine Bedeutung als Schlupfloch Wahrend die Zusammensetzung sloufluoc sich bisher nur bei Seifried Helbling findet sind die Worter in anderen Verbindungen ofter zu beobachten 28 Der Zweck des sloufluoc war das Versteck Im 15 Gedicht wird es mit Befestigungen Burgen und Stadten gleichgesetzt in denen sich Ritter und Burger vor Feinden verschanzen Es scheint sich um einen regionalen Begriff fur Erdstalle des spaten Mittelalters zu handeln 29 Der Autor des Seifried Helbling stammt aus Niederosterreich so dass ihm die Anlagen bekannt gewesen sein durften Ab dem 15 Jahrhundert erscheint dann der Terminus Erdstall Mit Seifried Helbling kann erstmals eine mittelalterliche Quelle identifiziert werden die die Benutzung eines Erdstalls im 13 Jahrhundert beschreibt Moglicherweise sollte er nur als Schutz fur Frau und Kinder wahrend eines kurzfristigen Uberfalls dienen Der Text lasst anklingen dass der Begriff sloufluoc fur eine derartige Anlage eventuell weiter verbreitet und die Nutzung als Festung der Bauern zumindest regional ublich war Dieser Umstand spricht dafur dass die Anlagen auch zu diesem Zweck errichtet worden sind Sie konnen damit im Kontext des mittelalterlichen Fehdewesens gesehen werden das die Zerstorung gegnerischen Besitzes also auch der Hofe bauerlicher Hintersassen als wichtiges Mittel der Konfliktaustragung kannte 30 Ebenfalls zu berucksichtigen sind hier auch Untergangsprophezeihungen wie der Toledobrief von 1186 der eine weite Verbreitung fand So wurde die coniunctio aurea Jupiter und Saturn im Luftzeichen Waage von den Astrologen gedeutet als Vorzeichen fur schreckliche Erdbeben Unwetter und vor allem verheerende Sturme die samtliche Hauser dem Erdboden gleich machen und das Ende der Menschheit bedeuten sollten Solche Prophezeiungen wurden 1179 an Hofe und Kloster in ganz Europa verschickt Ausgehend von Schriftquellen und den archaologischen Befunden wurden Erdstalle von den Bewohnern der Hofstellen genutzt zu denen sie gehorten d h sie waren kein Versteck fur eine grossere Dorfgemeinschaft Die fur Erdstalle typischen hautengen Schlupfe bewirken einen wirksamen Schutz gegen Eindringlinge Die engen winkeligen Gange zwingen Eindringlinge sich einzeln und in kriechender Stellung fortzubewegen Beim Durchqueren der Engstelle ist ein Eindringling in seiner Bewegungsfreiheit deutlich eingeschrankt und kann seine Hande nicht zu seiner Verteidigung verwenden hinzu kommt dass er den engen dunklen und verwinkelten Gang vor sich im Gegensatz zum Verteidiger nicht kennt So sind Eindringlinge einem Verteidiger hilflos ausgeliefert und konnen sogar von einem deutlich schwacheren Gegner uberwaltigt werden Die engen und leicht zu tarnenden Einstiege belegen die Geheimhaltung der Anlage Bei Uberfallen ermoglicht der Erdstall ein rasches Verschwinden und Verstecken Erdstalle die in direkter Verbindung mit mittelalterlichen Wehranlagen stehen und wesentlicher Bestandteil der Wehranlage sind sprechen ebenfalls fur die Zufluchtsstatten These Beispiele fur derartige Erdstallanlagen finden sich unter dem Hausberg von Gaiselberg oder Grossriedenthal Niederosterreich oder unter der Wehrkirche von Kleinzwettl Niederosterreich Bezirk Waidhofen an der Thaya Von dieser Wehrkirche aus ist ein 52 Meter langes Gangsystem zuganglich Wenn auch nicht aus der Zeit ihrer Errichtung so gibt es doch zahlreiche Belege dass Erdstalle zumindest spater immer wieder als Zufluchtsanlagen genutzt wurden und dafur durchaus geeignet sind Dass Erdstalle fur einen kurzen Aufenthalt geeignet sind ist empirisch erwiesen Drei Personen konnten bei einem Experiment problemlos 48 Stunden in einem Erdstall uberleben 31 Andererseits ist der Aufenthalt in Erdstallen unbequem in den Kammern kann ein Erwachsener meist nicht aufrecht stehen Eingeschrankte Bewegungsfreiheit Kalte und Feuchtigkeit stellen eine erhebliche Belastung dar Erdstalle sind nur fur einen kurzen Aufenthalt geeignet weil die lebensnotwendige Nahrung und Wasser mitgenommen werden mussen In Erdstallanlagen fehlt auch die Moglichkeit Fakalien zu entsorgen Diese konnen bestenfalls vergraben werden Kranke alte und zu dicke Menschen oder Schwangere konnen die engen Schlupfe nicht passieren Die in Erdstallen herrschende niedrige Temperatur kann wegen Sauerstoffmangels und Rauchbildung nicht durch ein Feuer erhoht werden selbst wenn Abzuge fur den Rauch vorhanden gewesen waren hatte dieser das Versteck verraten Hatten Plunderer den Eingang zu einem Erdstall entdeckt dann hatten sie die Menschen im Erdstall ausrauchern oder den Eingang zuschutten konnen was fur die im Erdstall Eingeschlossenen den Erstickungstod zur Folge gehabt hatte Zudem wurden in Erdstallen kaum Artefakte gefunden was gegen den Aufenthalt von Menschen spricht da auch bei einem nur kurzen Aufenthalt doch mit verlorenen oder zuruckgelassenen Gegenstanden zu rechnen ware Erdstallforschung BearbeitenAls Pionier der Erdstallforschung gilt der Benediktiner Pater Lambert Karner Stift Gottweig Er untersuchte von 1879 bis 1903 zahlreiche Erdstalle und publizierte seine Forschungsergebnisse in dem Buch Kunstliche Hohlen aus alter Zeit Karner fuhrt in seinem Werk eine Reihe von Argumenten gegen die Fluchtwegtheorie an Der Heimatforscher Franz Xaver Kiessling beschaftigte sich speziell mit den Erdstallen des Waldviertels Nordwestliches Niederosterreich In Bayern setzte sich Karl Schwarzfischer ab 1950 60 ausgiebig mit Erdstallen auseinander und grundete 1973 den Arbeitskreis fur Erdstallforschung Von ihm gingen durch seine Forschungen Publikationen und einer breiten Offentlichkeitsarbeit viele Impulse aus Er gilt als der Wegbereiter der heute noch aktiven Erdstallforschung im deutschsprachigen Raum Der Arbeitskreis fur Erdstallforschung mit Sitz in Roding Bayern koordiniert die Erdstallforschungen mit Ausgrabungen Vermessungen und internationalen Treffen und publiziert seit 1975 in seinen Jahresheften Der Erdstall aktuelle Forschungsergebnisse Erst in den letzten Jahrzehnten werden Erdstalle gelegentlich auch durch die zustandigen Denkmalpflegebehorden untersucht Beispiele sind die Erdstalle von Stutzenhofen in Niederosterreich 1983 32 Rot am See in Baden Wurttemberg 1990 21 Mitterschneidhart in Niederbayern 1991 33 und 2011 im oberbayerischen Glonn Damit wird heute auch die denkmalpflegerische Bedeutung der Erdstalle anerkannt 26 Museen und offentlich zugangliche Erdstalle BearbeitenAm Kapellenberg von Althoflein in der Marktgemeinde Grosskrut in Niederosterreich gibt es ein Erdstallmuseum bei dem auch die dortigen Erdstalle besichtigt werden konnen Im oberpfalzischen Neukirchen Balbini befindet sich seit 2019 ein Erdstall Forschungszentrum mit Archiv Europaischer Bibliothek fur Erdstallforschung und Museum Unter dem denkmalgeschutzten Schiessl Hof in dem eine interaktive Dauerausstellung uber Erdstalle informiert liegt ein originaler Erdstallgang in den Besucher einen Blick werfen konnen Fur wissenschaftliche Recherchen stehen die Fachbibliothek und digitalisiertes Informationsmaterial aus Archivbestanden des Arbeitskreises fur Erdstallforschung e V zur Verfugung Im Rahmen einer Fuhrung kann in Zwiesel Bayern ein unterirdisches Gangsystem besichtigt werden dessen Ursprunge in Erdstallen liegen Von 2010 bis 2012 wurde im Freilichtmuseum Glentleiten in Passau und Kelheim eine Wanderausstellung uber Erdstalle gezeigt Der Erdstall Ratgobluckn in Perg ist der grosste begehbare Erdstall in Oberosterreich und gehort zu den Aussenanlagen des Heimathaus Stadtmuseum Perg Im Jahr 2015 wurde das Sub Terra Museum Vorau im Stift Vorau eroffnet Unter dem Stift existiert nach Meinung des Hohlenforschers Heinrich Kusch ein Labyrinth an Gangen das sich uber sieben Ebenen bis in eine Tiefe von mehr als 78 Metern erstrecken soll 34 wofur es aber keinerlei wissenschaftlichen Beweis gibt 35 36 Filme BearbeitenIn der Pilotfolge Das Labyrinth der ZDF Fernsehserie Ihr Auftrag Pater Castell geht es um Erdstalle Exkursion in die Unterwelt Erdstallforschung in Stamsried 37 Literatur BearbeitenAnton Schuberl Die Erdstalle im bayerisch osterreichischen Raum in Passauer Jahrbuch 62 2020 S 15 17 ISSN 1862 3212 Online Volltext Anton Vrbka Erdstalle in Sudmahren Deutsch mahrischer Lehrerbund 1912 Dieter Ahlborn Geheimnisvolle Unterwelt Das Ratsel der Erdstalle in Bayern Kultisurium Aying 2010 ISBN 978 3 00 030203 9 Franz Kiessling Uber das Ratsel der Erdstalle Wien 1925 Hans Falkenberg Die Erdstalle Zwischenbilanz einer ratselhaften Unterwelt in Oberosterreich In Oberosterreichische Heimatblatter Nr 3 4 Linz 36 1982 ISSN 0029 7550 S 179 216 ooegeschichte at PDF 7 3 MB Lambert Karner Kunstliche Hohlen aus alter Zeit Wien 1903 Nachdruck 2018 ISBN 978 3 96401 000 1 Dorothee Kleinmann Die mittelalterlichen Souterrains in Frankreich In Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters Koln 7 1979 ISSN 0340 0824 S 143 165 Maria Rind Erdstalle ein ratselhaftes Phanomen In Beitrage zur Archaologie in der Oberpfalz Buchenbach 2 1998 ISSN 1433 433X S 475 489 Jerome und Laurent Triolet Les Souterrains Le monde des souterrains refuges en France Paris 1995 ISBN 2 87772 101 9 Jerome und Laurent Triolet Souterrains et croyances Mythologie folklore cultes sorcellerie rites initiatiques Ed Ouest France Rennes 2002 ISBN 2 7373 2872 1 Josef Weichenberger Erdstalle geheimnisvolle unterirdische Gange In Jutta Leskovar Worauf wir stehen Archaologie in Oberosterreich Weitra 2003 ISBN 3 85252 525 X S 207 212 Josef Weichenberger Autriche Les souterrains refuges In Les Dossiers d Archeologie Nr 301 Dijon 2005 ISSN 0184 7538 S 62 67 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Erdstalle Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Erdstall Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Arbeitskreis fur Erdstallforschung e V Europaisches Erdstall Forschungszentrum Neukirchen Balbini subterravorau at Martin Strassburger Erdstall Historisches Lexikon Bayerns Simone Kapp Ratselhafte Gange National Geographic Deutschland 10 Februar 2022Einzelnachweise Bearbeiten Lambert Karner Kunstliche Hohlen aus alter Zeit Lechner Wien 1903 S 8 221 Karl Schwarzfischer Zur Frage der Schrazellocher oder Erdstalle Schriftliche Zeugnisse Mythologie kulturkundlicher Vergleich Aussage v Ortsnamen Knauf Weiden 1968 S 27 R Keller Versteckt im Slauflueg Eine mittelalterliche Quelle zur Erdstallfrage In Der Erdstall Band 44 2018 S 22 45 hier S 28 f Vgl auch Ngram Viewer In Google Books a b Herbert Wimmer Die Regional Typisierung der Erdstalle In Der Erdstall Nr 26 Roding 2000 ISSN 0343 6500 S 54 56 Josef Weichenberger Signifikante Kennzeichen der Erdstalle In Der Erdstall Nr 30 Roding 2004 ISSN 0343 6500 S 89 90 http chateaudebazert free fr patrimoine souterrain htm Vladimir Nekuda Erdstalle in den mittelalterlichen Wustungen Mahrens In Der Erdstall Roding 18 1992 ISSN 0343 6500 S 25 42 Fritz Felgenhauer Ausgrabungen im Bereich der mittelalterlichen Dorfwustung Hard bei Thaya Niederosterreich Stand 1984 In Beitrage zur Mittelalterarchaologie in Osterreich Wien 1 1985 ISSN 1011 0062 S 15 28 Lambert Karner Kunstliche Hohlen aus alter Zeit Wien 1903 S 127 Verbund Oberosterreichischer Museen Freilichtmuseum Pelmberg Denkmalhof Mittermayr Gemeinde Website Wartberg ob der Aist Memento vom 31 Juli 2012 im Internet Archive Website des Tourismusverbandes Bad Zell Memento vom 30 Oktober 2016 im Internet Archive a b Josef Weichenberger Zwei neu aufgedeckte Erdstalle in Oberosterreich In Oberosterreichische Heimatblatter Linz 1990 Heft 4 S 289 297 zobodat at PDF Michael M Rind Brigitte Kaulich Mitterschneidhart In Michael M Rind Hrsg Scherben Schadel Schratzellocher 1991 1993 Regensburg 1994 ISBN 3 927529 04 4 S 113 121 Thomas Beilner Harald Schaller Peter Forster Der Erdstall Hocherlmuhle Gemeinde Teunz Landkreis Schwandorf In Beitrage zur Archaologie der Oberpfalz Buchenbach 6 2004 ISSN 1433 433X S 303 318 Franz Lindenmayr Mensch und Hohle Erdstalle in Viechtach Bayern Abgerufen am 22 November 2020 Birgit Symader Erdstall Grasfilzing Gde Arnschwang Lkr Cham archaologische Freilegung und Dokumentation In der Erdstall Nr 43 Neukirchen Balbini 2018 S 16 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spiegel online 18 Juli 2011 Martin Strassburger Erdstalle und Bergwerke im Vergleich In Der Erdstall 42 2016 S 36 63 Ralf Keller Versteckt im Slauflueg Eine mittelalterliche Quelle zur Erdstallfrage In Der Erdstall 44 2018 22 45 Ralf Keller Versteckt im Slauflueg Eine mittelalterliche Quelle zur Erdstallfrage In Der Erdstall 44 2018 Anhang S 30 42 Ralf Keller Versteckt im Slauflueg Eine mittelalterliche Quelle zur Erdstallfrage In Der Erdstall 44 2018 28f Martin Strassburger Erdstall In Historisches Lexikon Bayerns online publiziert am 16 Dezember 2020 abgerufen am 19 April 2021 Josef Weichenberger Wurden Erdstalle als Zufluchtsanlagen gebaut In Der Erdstall Nr 11 Roding 1985 ISSN 0343 6500 S 24 33 Johannes Wolfgang Neugebauer Ein Erdstall in Stutzenhofen Gem Drasenhofen Niederosterreich In Fundberichte Osterreich 21 1983 S 97 106 Michael M Rind Ausgrabungen im Erdstall von Mitterschneidhart Gemeinde Langquaid Lkr Kelheim Niederbayern In Das archaologische Jahr in Bayern 1991 S 167 170 Museum uber unterirdische Gange Kleine Zeitung abgerufen am 3 Januar 2017 Josef Weichenberger Kritische Anmerkungen zu den Forschungsergebnissen von Heinrich Kusch Zeitschrift des Historischen Verein fur Steiermark auf erdstallforschung at vom 25 Juli 2013 Thomas Kuhtreiber in Die Hohle Zeitschr fur Karst und Hohlenkunde 61 2010 S 137 140 v a 138 f PDF In der BR mediathek Normdaten Sachbegriff GND 4435642 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erdstall amp oldid 235798628