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Eduard Reinhold Karl Schulte 4 Januar 1891 in Dusseldorf 6 Januar 1966 in Zurich war ein deutscher Industrieller Er war Generaldirektor des grossten deutschen Zinkproduzenten Georg von Giesches Erben und ein Gegner des Nationalsozialismus der im Juli 1942 Informationen uber die Ermordung der europaischen Juden in den NS Vernichtungslagern an England und die Vereinigten Staaten weitergab Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung und berufliche Entwicklung 2 Widerstand gegen den Nationalsozialismus 3 Nach dem Krieg 4 Ehrung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAusbildung und berufliche Entwicklung Bearbeiten nbsp Historische Aufnahme der Gieschegrube Kopalnia Wegla Kamiennego Wieczorek um 1915Schulte wurde in eine grossburgerliche Dusseldorfer Familie geboren Er studierte nach dem Abitur in Bonn Koln und Erlangen Rechtswissenschaft wurde 1912 promoviert und begann seinen beruflichen Werdegang 1913 als Wirtschaftsjurist in der Berliner Handels Gesellschaft damals eine der grossten deutschen Banken Im Ersten Weltkrieg war er 1916 im Beschaffungsamt des Kriegsministeriums fur die kriegswichtige Erzeugung von Fetten zustandig und damit auch fur die deutsche Seifenproduktion Diese Kontakte waren ihm nutzlich um 1921 Geschaftsfuhrer der Sunlicht Seifenfabrik AG in Mannheim zu werden einer Vorlauferin des Unilever Konzerns 1925 mit 35 Jahren wurde Schulte Generaldirektor des Bergwerkskonsortiums Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche s Erben mit 30 000 Mitarbeitern 1 Laut der New York Times waren die Giesche Werke eines der wertvollsten Unternehmen in Europa 2 1926 ubernahmen US amerikanische Investoren um W Averell Harriman und die Privatbank Brown Brothers Harriman gemeinsam mit dem Bergwerks Trust Anaconda Copper Mining die Giesche Company Mit der Ubernahme wurde das Unternehmen als Silesian American Corporation Schlesisch Amerikanische Gesellschaft in Delaware registriert der Geschaftsfuhrer wurde Prescott Bush Giesche betrieb zwischen den beiden Weltkriegen eines der grossten Zinkbergwerke Europas und forderte 40 Prozent des gesamten polnischen Zinks war mit einer jahrlichen Forderung von 3 500 000 Tonnen einer der grossten Steinkohleforderer und besass Huttenwerke Walzwerke und weitere Industrieanlagen sowie umfangreiche Land und Forstwirtschaftsflachen Der Produktionsmanager war Otto Fitzner ein Veteran der NSDAP und enger Bekannter von Karl Hanke einem der fuhrenden Nationalsozialisten in Schlesien Mit der Besetzung Polens durch das Deutsche Reich wurde das Konsortium 1940 unter deutsche Verwaltung gestellt Ein Generalmanager der US Interessenvertretung sass in der Schweiz Die Geschaftsburos der Giesche Company befanden sich in der Nahe von Birkenau dem Standort des Konzentrationslagers Auschwitz Birkenau Das Hauptgeschaft war die Gewinnung von Zink einem kriegswichtigen Rohstoff 1933 traf Schulte erstmals mit Fuhrern des nationalsozialistischen Deutschlands unter anderen mit Adolf Hitler zusammen und wandte sich zumindest innerlich von deren Politik ab Er war Teilnehmer des Geheimtreffens vom 20 Februar 1933 bei dem Hitler vor fuhrenden Wirtschaftsvertretern seine politischen Ziele darlegte Schultes Rolle in der Produktion kriegswichtiger Guter sorgte fur seine Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuhrer Widerstand gegen den Nationalsozialismus BearbeitenBeruflich reiste Eduard Schulte viel zwischen dem Firmensitz Breslau und Zurich wo Finanzgeschafte unter anderem auch an der polnischen Regierung vorbei abgewickelt wurden Ab 1939 wurde er uber einen polnischen Agenten zu einem wichtigen Informanten fur judische Organisationen die Schweiz und Geheimdienste der Alliierten Aufgrund seiner Tatigkeit war ihm die Struktur der deutschen Kriegswirtschaft inklusive des Zwangsarbeitersystems und der Konzentrationslager bekannt Geheime Informationen erhielt Schulte durch seinen Stellvertreter Otto Fitzner einen fanatischen Nationalsozialisten und Freund des schlesischen Gauleiters Karl Hanke sowie seinen Vetter Hermann der fur die deutsche Abwehr arbeitete so hatte er schon im April 1941 Kenntnis vom geplanten Angriff auf die Sowjetunion welcher am 22 Juni desselben Jahres erfolgte 1942 erfuhr Eduard Schulte von der beabsichtigten Endlosung der Judenfrage nachdem Fitzner am 17 Juli 1942 an einem Zusammentreffen der oberschlesischen NSDAP Gauleitung mit Heinrich Himmler teilgenommen hatte 3 Uber einen Geschaftspartner Isidor Koppelmann und Benjamin Sagalowitz einen judischen Journalisten der in der Schweiz die Informations und Pressestelle der Judischen Nachrichten aufgebaut hatte gab Eduard Schulte im Juli 1942 die Information uber den Beginn der systematischen Vernichtung der Juden in Deutschland an Gerhart M Riegner weiter damals Vertreter des Judischen Weltkongresses in der Schweiz nbsp Das Riegner Telegram der entscheidende Beleg dafur dass die Westalliierten fruhzeitig von Hitlers Mordabsichten wussten Riegner leitete die Nachricht an die zustandigen Stellen der Alliierten weiter Es enthielt die alarmierende Nachricht im Fuhrerhauptquartier sei der Plan diskutiert und erwogen worden in deutsch besetzten und kontrollierten Landern alle Juden eine Anzahl von 3 bis 4 Millionen nach Deportation und Konzentration im Osten mit einem Schlag auszurotten um ein fur alle Mal die Judenfrage in Europa zu losen Stop Blausaure in Diskussion Stop Das Telegramm traf im Aussenministerium der Vereinigten Staaten und im britischen Aussenministerium ein Die Diplomaten des US Aussenministeriums leiteten es nicht weiter das Ganze sei nur ein wildes von judischen Angsten inspiriertes Gerucht hiess es in der Fehleinschatzung des Office of Strategic Services OSS des Geheimdienstes des US Kriegsministeriums Besonders der Hinweis auf Blausaure wurde als unglaubwurdig eingestuft Zyklon B das Gas welches in den Vernichtungslagern zum Massenmord eingesetzt wurde war Blausaure in Granulatform Bereits Riegner vermutete hinter dem Desinteresse antisemitische Beweggrunde der kontaktierten Diplomaten Eine spatere Untersuchung bestatigte seine Vermutung Es war Sydney Silverman einem judischen Parlamentsmitglied der Labour Party zu verdanken dass Schultes Nachricht schliesslich trotz der Informationsblockade des US Aussenministeriums zu Stephen Wise dem Grunder und Prasidenten des Judischen Weltkongresses durchdrang 4 2 Im November 1942 wurde die Silesian American Corporation unter direkte Regierungskontrolle der USA unterstellt 5 Der Beschlagnahmungsbefehl aufgrund des Gesetzes uber Handel mit dem Feind beschrieb die Schlesisch Amerikanische Gesellschaft als eine US Holding Company mit deutschen und polnischen Tochterfirmen die grosse und wertvolle Kohle und Zinkbergwerke in Schlesien Polen und Deutschland kontrollierten Weiter hiess es da dass diese Besitztumer seit September 1939 als Hitler den Zweiten Weltkrieg begann unter Kontrolle des Naziregimes gestanden hatten das sie in den Dienst des Krieges gestellt habe Erst im Dezember 1942 veroffentlichten die Alliierten eine Erklarung gegen die deutsche Politik der Judenvernichtung Schulte unternahm es daruber hinaus einen befreundeten judischen Unternehmer rechtzeitig zu warnen und unterstutzte ihn so dass dieser sich mit seiner Familie in Sicherheit bringen konnte Seinen Einsatz hatte Schulte fast mit seinem Leben bezahlt Ende 1943 wurde er verraten konnte aber rechtzeitig von Breslau in die Schweiz fliehen nachdem er vor einer drohenden Verhaftung gewarnt worden war Er blieb in Zurich finanziell unterstutzt von dortigen Geschaftsfreunden und Bankiers Er arbeitete hier mit Allen Dulles zusammen der fur das OSS tatig war und entwarf Plane fur die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg Nach dem Krieg Bearbeiten nbsp Grabstatte Schulte Bildhauer Friedrich Kuhn Nordfriedhof DusseldorfIm August 1945 ging Schulte als Berater der amerikanischen Militarregierung nach Berlin wurde aber trotz seiner Verdienste nicht in die engeren Entscheidungskreise beim Wiederaufbau Deutschlands mit einbezogen Daher verliess er Deutschland 1946 wieder und kehrte in die Schweiz zuruck Ein Lastenausgleich fur seine Verluste an der Gesellschaft Georg von Giesches Erben blieb ihm als Wehrwirtschaftsfuhrer verwehrt In der Folge lebte er zuruckgezogen in der Schweiz und starb Anfang 1966 zwei Tage nach Vollendung seines 75 Lebensjahrs in Zurich Als seine Witwe fur die Verluste im Osten staatliche Entschadigungsleistungen beantragte verweigerten die Richter der Bundesrepublik Deutschland das unter Hinweis auf die von ihnen als Straftat gewertete Weitergabe von Informationen an die Alliierten also als Verrat Eduard Schulte wurde im Familiengrab auf dem Nordfriedhof in Dusseldorf beigesetzt Ehrung BearbeitenDass Schulte die Quelle der Informationen fur das beruhmte Riegner Telegramm war blieb ein wenig bekanntes Geheimnis 6 bis es von Historikern Ende der 1970er Jahre ausgegraben wurde 7 2 1986 zeichneten die Historiker Walter Laqueur und Richard Breitman in ihrem Buch Breaking The Silence in deutscher Ubersetzung als Der Mann der das Schweigen brach Frankfurt u a 1988 ein detailliertes Portrat Schultes In Schultes Geburtsstadt Dusseldorf tragt eine kleine Strasse seit dem 18 Mai 1993 seinen Namen Die ortliche Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten hatte eine solche Ehrung beantragt Nach Auffassung Bernward Dorners war Schulte die wohl wichtigste Einzelperson von der die internationale Offentlichkeit erfuhr dass Hitler tatsachlich alle europaischen Juden in seinem Herrschaftsbereich physisch vernichten wollte 3 Literatur BearbeitenWalter Laqueur Richard Breitman Breaking the silence The Story of Eduard Schulte the German industrialist who risked everything to oppose the Nazis Simon amp Schuster New York 1986 ISBN 0 671 54694 5 deutsch Der Mann der das Schweigen brach Wie die Welt vom Holocaust erfuhr Ullstein Frankfurt 1986 ISBN 3 550 06408 X ebd 1988 ISBN 3 54833092 4 Rezension von Hans Otto Eglau Weder ein Linker noch ein radikaler Demokrat Die Autoren haben versucht Licht in das Dunkel um die Person dieses grossen Unbekannten zu bringen In Die Zeit Nr 20 8 Mai 1987 Gerhart M Riegner Ne jamais desesperer Soixante annees au service du peuple juif et des droits de l homme Les Editions du Cerf Paris 1998 ISBN 2 204 06133 6 deutsch Niemals verzweifeln 60 Jahre fur das judische Volk und die Menschenrechte Bleicher Gerlingen 2001 ISBN 3 88350 669 9 Monty Noam Penkower The Mysterious Messenger In Commentary Januar 1984 7 Gunter Schubert Der Fleck auf Uncle Sams weisser Weste Amerika und die judischen Fluchtlinge 1938 1945 Campus Frankfurt 2003 ISBN 3 593 37275 4 Angela Genger Das Schweigen brechen Eduard Schultes Beispiel und die Gegenwart In Augenblick Berichte Informationen und Dokumente der Mahn und Gedenkstatte Dusseldorf Nr 7 1995 ISSN 1434 3606 S 1 5 ausfuhrlicher Lebenslauf mit Fotos Robert Melvin Spector World without Civilization Mass Murder and the Holocaust History and Analysis UP of America Rowman amp Littlefield Lanham MD Maryland 2004 ISBN 0 76182963 6 online lesbar Google oder Internet Handel S 474 f Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Eduard Schulte im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Klaus Wiegrefe Es fehlte der Wille zum Retten In Der Spiegel Nr 44 2001 online 29 Oktober 2001 Gerhart Riegner im Interview uber Schultes Rolle Einzelnachweise Bearbeiten Auch Giesches Erben Zink und Bergbaubetrieb oder Giesches Mining a b c Christoph Gunkel Holocaust Eduard Schulte der vergessene Whistleblower gegen Adolf Hitler In Spiegel online 27 Juli 2017 a b Bernward Dorner Die Deutschen und der Holocaust Was niemand wissen wollte aber jeder wissen konnte Berlin 2007 ISBN 978 3 549 07315 5 S 279 Klaus Wiegrefe Es fehlte der Wille zum Retten In Der Spiegel Nr 44 2001 online 29 Oktober 2001 Robert von Rimscha Die Bushs Weltmacht als Familienerbe 2004 S 25 Eduard Schulte In encyclopedia ushmm org The Holocaust Encyclopedia abgerufen am 6 Dezember 2019 a b Der New Yorker Historiker Monty Noam Penkower reklamiert fur sich in diesem Leserbrief schon Ende der 1970er Jahre bei Archivstudien auf Schulte als den entscheidenden Informanten gestossen zu sein und dies 1983 an mehreren Stellen veroffentlicht zu haben was spater von Breitman u a in ihrem Buch aufgegriffen wurde Normdaten Person GND 11881348X lobid OGND AKS LCCN n85345075 VIAF 72190791 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schulte EduardALTERNATIVNAMEN Schulte Eduard Reinhold Karl vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher IndustriellerGEBURTSDATUM 4 Januar 1891GEBURTSORT DusseldorfSTERBEDATUM 6 Januar 1966STERBEORT Zurich Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eduard Schulte Industrieller amp oldid 239061610