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Als Dorische Wanderung auch Griechische Volkerwanderung wird traditionell die angebliche Volkerwanderung des griechischen Volksstammes der Dorer oder Dorier bezeichnet die im dalmatischen Raum begonnen haben und zunachst in die Landschaft Doris in Mittelgriechenland erfolgt sein soll Ein Einfall der Thessalier in die Doris soll ab etwa 1200 v Chr die eigentliche Dorische Wanderung ausgelost haben im Zuge derer die Dorer auf die Peloponnes vordrangen die Landschaften Argolis Lakonien Messenien sowie Gebiete am Isthmus von Korinth eroberten und sich dabei u a der Burgen von Tiryns und Mykene bemachtigten Aufgrund der archaologischen Funde der letzten Jahrzehnte wird die fruher allgemein akzeptierte Theorie von der Einwanderung grosser geschlossener dorischer Verbande nach Griechenland um 1200 v Chr von der Forschung heute mehrheitlich abgelehnt Inhaltsverzeichnis 1 Die Sage 2 Die alte These 3 Der derzeitige Forschungsstand 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Anmerkungen und EinzelnachweiseDie Sage BearbeitenDer Sage zufolge uberqueren die Dorer nachdem ein Versuch uber den Isthmus einzudringen misslungen ist im Verein mit Aoliern den Golf von Korinth sie werden dabei angefuhrt durch die Nachkommen des Herakles Diese sogenannte Wanderbewegung wird auch nach dem Stammheros der Dorer Herakles als Ruckkehr der Herakliden bezeichnet Das eroberte Land wird unter den drei Heraklidenbrudern Aristodemos Kresphontes und Temenos aufgeteilt Nur ein Teil von Elis Arkadien und Achaia verbleibt den fruheren Bewohnern Achaia wird von den Dorern den Achaiern uberlassen Die alte These BearbeitenLange Zeit wurde durch die Forschung angenommen dass die fruheren Einwohner der Peloponnes Pelasger Achaier Achaer und Ionier aufgrund der militarischen Uberlegenheit und durch neue Kampfmethoden der Dorer teils verdrangt teils unterworfen worden seien Dorisch geworden seien vor allem der Suden Sudwesten und Osten der Halbinsel insbesondere die Landschaften Lakonien Messenien Argolis Korinth und Megaris um Megara Indes hatten sich die Dorer durch Kolonie Grundungen auch ausserhalb der Peloponnes ausgebreitet und seien uber die Sporaden Kykladen und Kreta bis nach Sudwestkleinasien vorgedrungen Sie hatten die Insel Kreta besiedelt die allmahlich vollig von ihnen unterworfen worden sei Von Argos aus hatten sie um 1000 v Chr an der Westkuste Kleinasiens zahlreiche Kolonien gegrundet namentlich Kos Knidos und Halikarnassos Auch die Insel Rhodos sei dorisch besiedelt worden wahrend zugleich auch die vordorische Bevolkerung Griechenlands teilweise nach Kleinasien ausgewichen sei Das Vordringen der Dorer in dieser Zeit soll dabei mit dem Beginn der Eisenzeit in Griechenland zusammengefallen sein Die Dorer hatten vielerorts alte mykenische Burgen besiedelt wodurch zahlreiche Stadtstaaten entstanden seien Die Monarchie sei nur in einigen griechischen Randgebieten erhalten geblieben Besonders deutlich habe sich der kriegerische strenge Charakter der Dorer im spartanischen Stadtstaat gezeigt Oft wurde die Dorische Wanderung als Teil der Seevolkerinvasion angesehen die den gesamten ostlichen Mittelmeerraum betraf Der derzeitige Forschungsstand BearbeitenDie These dass durch die Dorische Wanderung die Vorherrschaft der mykenischen Kultur beendet worden sei und die ubrigen griechischen Stamme mit ihren Bronzewaffen den Dorern mit ihrer mit Eisenwaffen ausgerusteten Reiterei unterlegen gewesen seien gilt heute allgemein als uberholt auch wenn sie sich noch in manch einem Schulbuch findet Der britische Historiker Robin Osborne hat gezeigt dass die Erwahnung der Herakliden erstmals im spaten 6 Jahrhundert v Chr nachweisbar ist Vor diesem Hintergrund ist er zu der Vermutung gelangt dass die Dorische Wanderung eine spate Herkunftssage sei die die Existenz unterschiedlicher und oft verfeindeter Gruppen von Griechen erklaren sollte Die archaologischen Forschungen der letzten Jahrzehnte haben daruber hinaus ergeben dass der Untergang der mykenischen Kultur Folge einer allgemeinen uber einen langeren Zeitraum andauernden sozialen Krise gewesen sein muss im Zuge derer eine Vielzahl von Faktoren zur Zerstorung und Aufgabe der Palastzentren gefuhrt hat Obwohl in den Jahrzehnten nach 1200 v Chr die meisten bisher bekannten mykenischen Palaste auf dem griechischen Festland zerstort wurden das Palastwirtschaftssystem zusammenbrach und es demographische Verschiebungen gab ist fur die Zeit um und nach 1200 v Chr kein Artefakt in Mittel oder Sudgriechenland nachgewiesen das eindeutig den Dorern zugeordnet werden konnte Zwar tritt grobe handgemachte Keramik sogenannte Handgemachte Geglattete Keramik abgekurzt HGK bzw HBW Handmade Burnished Ware in der englischsprachigen Literatur 1 in einer Reihe mykenischer Siedlungen u a auch in Mykene oberhalb der Zerstorungsschichten auf und in Aigeira im Norden der Peloponnes ist sie fur das 12 Jahrhundert v Chr in grosseren Mengen belegt jedoch kann man sie nicht mit einer bestimmten Ethnie verbinden Sie muss auch nicht von Invasoren stammen Da sie allerdings in sehr geringem Umfang auch in Fundzusammenhangen entdeckt wurde die vor den Zerstorungen datieren z B in Tiryns konnte sie auch z B von Fremdarbeitern oder Soldnern stammen 2 Zudem ging die mykenische Kultur um 1200 nicht unter sondern bestand noch ca 150 Jahre weiter und erlebte in einigen Regionen ab Mitte des 12 Jahrhunderts v Chr sogar eine Nachblute Erst gegen 1050 v Chr setzen deutliche Veranderungen ein wie man am Ubergang der ornamentalen Keramik von spathelladischem IIIC Stil zum submykenischen und protogeometrischen Stil verfolgen kann Gleichzeitig nehmen Brandbestattungen zu Aufgrund dieser Forschungsergebnisse wird eine Dorische Wanderung heute nicht mehr als Ursache fur den Untergang der mykenischen Kultur angenommen Manche Historiker zum Beispiel Jonathan Hall nehmen aufgrund von Uberlegungen zur Verteilung der griechischen Dialekte sogar an infolge innerer Wirren sei es um 1100 v Chr zu einer zeitweiligen Aufgabe der Sesshaftigkeit gekommen so dass nicht fremde Einwanderer sondern uberwiegend nur Teile der bereits einheimischen Bevolkerung als Halbnomaden durch Hellas gewandert seien Gleichwohl wird eine langsame gruppenweise Einwanderung von Dorern in nachmykenischer Zeit von vielen Forschern fur wahrscheinlich gehalten Entscheidend ist dabei die Beobachtung dass sich bislang keine Spuren dorischen Dialekts in Schriftdokumenten der mykenischen Zeit s Linearschrift B gefunden haben in klassischer Zeit der dorische Dialekt jedoch in weiten Teilen der Peloponnes auf Kreta und den sudlichen Agaisinseln gesprochen wurde Daruber hinaus wird eine Einwanderung ab ca 900 v Chr durch die schrittweise Herausbildung der dorischen Bauordnung nahegelegt wenngleich nicht bewiesen Wahrscheinlich sind Dorer in dieser Zeit in kleinen Gruppen nach Mittel und Sudgriechenland vorgedrungen Da der Ubergang von der spatmykenischen zur protogeometrischen Epoche vielerorts fliessend war handelte es sich dabei vermutlich um eine unkoordinierte Zuwanderung uber einen langeren Zeitraum die wohl auch nicht grundsatzlich gewalttatig verlief Diese Wanderung hatte ihren Ausgangspunkt allerdings hochstwahrscheinlich nicht im illyrisch dalmatinischen Raum sondern in der mittelgriechischen Landschaft Doris Die Dorer sprachen einen eigenen ursprunglich nordgriechischen Dialekt der nun neben den achaischen und ionischen Dialekt trat und in klassischer Zeit in weiten Teilen der Peloponnes auf Kreta den sudlichen Kykladen und in den griechischen Stadten Sudwest Kleinasiens gesprochen wurde Siehe auch BearbeitenSparta Liste dorischer Stadtgrundungen Griechische Sprache Mykenische Kultur Zusammenbruch der Bronzezeit SeevolkerLiteratur BearbeitenJonathan Hall A history of the Archaic Greek World Oxford 2007 Karl Joachim Holkeskamp Elke Stein Holkeskamp Vom Palast zur Polis die griechische Fruhgeschichte als Epoche in H J Gehrke H Schneider Hrsg Geschichte der Antike Ein Studienbuch Stuttgart Weimar 2006 2 Aufl S 53 59 ISBN 3 476 02074 6 Robin Osborne Greece in the Making London 1996 ISBN 0 415 03582 1 Karl Wilhelm Welwei Die griechische Fruhzeit Munchen 2002 2007 ISBN 3 406 47985 5 Birgitta Eder Dorische Wanderung In Der Neue Pauly DNP Band 3 Metzler Stuttgart 1997 ISBN 3 476 01473 8 Sp 787 791 Anmerkungen und Einzelnachweise Bearbeiten Vor allem in etwas alteren Publikationen sind auch andere Bezeichnung dieser Keramik anzutreffen wie Barbarian Ware Barbarische Keramik Coarse Ware oder wertend was die mogliche Herkunft angeht Nordwestgriechische Keramik Der Ursprung der Handgemachten Geglatteten Keramik wurde vor allem in den 1980er Jahren sehr kontrovers diskutiert Einen Uberblick zu den wichtigsten alteren Publikationen dazu bei Sigrid Deger Jalkotzy Die Erforschung des Zusammenbruchs der sogenannten mykenischen Kultur und der sogenannten Dunklen Jahrhunderte In Joachim Latacz Hrsg Zweihundert Jahre Homer Forschung Colloquium Rauricum Band 2 1991 S 140 f bes Anm 88 90 Zum wichtigen Fundplatz Aigeira dies Fremde Zuwanderer im Spatmykenischen Griechenland Zu einer Gruppe handgemachter Keramik aus den Mykenischen IIIC Siedlungschichten von Aigeira Wien 1977 Einen neueren Uberblick zu Benennung und Herkunftstheorien bei Reinhard Jung XRONOLOGIA COMPARATA Vergleichende Chronologie von Sudgriechenland und Suditalien von ca 1700 1600 bis 1000 v u Z Wien 2006 S 21 ff Tafel 26 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dorische Wanderung amp oldid 218904480