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Die Dienststelle Schmelt auch Organisation Schmelt genannt organisierte zwischen dem 15 Oktober 1940 und Mitte 1943 den Zwangsarbeitereinsatz von Juden in Oberschlesien und im Sudetenland Der Sonderbeauftragte des Reichsfuhrers SS fur fremdvolkischen Arbeitseinsatz in Oberschlesien SS Brigadefuhrer Albrecht Schmelt errichtete ein Netz von bis zu 177 Lagern und verfugte zeitweilig uber 50 000 Arbeitskrafte 1 Inhaltsverzeichnis 1 Struktur 2 Geschichte 2 1 Lager und Einsatz 2 2 Zwangsarbeit und Vernichtung 2 3 Auflosung 3 Historische Einordnung 4 Literatur 5 EinzelnachweiseStruktur BearbeitenDie Dienststelle Schmelt wurde auf Anordnung Heinrich Himmlers am 15 Oktober 1940 eingerichtet zur Erfassung und Lenkung des fremdvolkischen Arbeitseinsatzes in Ostoberschlesien wobei sich der Zustandigkeitsbereich bald auch auf Niederschlesien und Teile des Sudetengaus erstreckte 2 Stellvertreter von Albrecht Schmelt war seit Sommer 1941 SS Sturmbannfuhrer Heinrich Lindner Sitz der Dienststelle die anfangs aus acht bald schon aus vierzig Mitarbeitern bestand wurde Sosnowitz eigentlich poln Sosnowiec Dort befand sich auch das Buro des Zentralen Altestenrates der Juden mit Moshe Merin an der Spitze 3 Dieser wurde zum ausfuhrenden Organ fur den Arbeitseinsatz und musste die vorgegebene Anzahl judischer Manner und Frauen rekrutieren Dazu stellte Schmelt dem Judenrat volksdeutsche Hilfs und Schutzpolizisten zur Verfugung und liess zusatzlich einen judischen Ordnungsdienst aufstellen Geschichte BearbeitenLager und Einsatz Bearbeiten Als das SS Wirtschaftsgebiet um Auschwitz freigemacht wurde deportierte die Lager SS die ansassigen Polen die Dienststelle Schmelt wurde mit der Deportation der judischen Bevolkerung beauftragt Im Herbst 1941 hatte die Dienststelle Schmelt rund 17 000 judische Zwangsarbeiter in Lagern untergebracht die Halfte von ihnen lebten in Lagern entlang der geplanten Reichsautobahn Berlin Breslau Krakau Andere Lager entstanden unmittelbar bei Industrieunternehmen wie in Blechhammer oder Freudenthal die spater als Aussenlager von Auschwitz fortgefuhrt wurden Besonders die I G Farben waren Nutzniesser der Zwangsarbeit Seit Juni 1942 waren neben den Haftlingen aus Auschwitz auch 600 Schmelt Juden beim Aufbau der Buna Werke tatig Sie wohnten in einem eigenen Barackenlager und trugen gelbgestreifte Drillichanzuge Die Lager waren meist klein und mit Stacheldraht umzaunt Die dort untergebrachten 100 bis 400 Juden wurden von SS und Ordnungspolizei bewacht Innerhalb des Lagers gab es vergleichbar mit den Konzentrationslagern eine haftlingsinterne Selbstverwaltung mit den hier so genannten Judenaltesten Lagerordnern und Kolonnen Altesten Je nach Bedarf wurden die Zwangsarbeiter in andere Lager uberfuhrt Vom Arbeitslohn den die Unternehmen zahlten behielt die Dienststelle Schmelt einen erheblichen Teil ein anderer wurde fur Unterkunft und Verpflegung abgezogen so dass nur Pfennigbetrage verblieben Ausser diesen Lagern bei Baustellen und Industrieunternehmen setzte die Dienststelle zahlreiche Juden zur Zwangsarbeit in Wehrmachtsfertigungsstatten ein Diese kriegswichtigen oft privatwirtschaftlich organisierten Betriebe zur Herstellung von Wehrmachtsstiefeln Tornistern Uniformteilen usw beschaftigten im Jahr 1941 rund 20 000 Schmelt Juden Die meisten dieser Betriebe siedelten sich um Stadte wie Sosnowitz Bendzin Warthenau und Krenau an die eingesetzten Zwangsarbeiter wohnten am Ort bei ihren Familien Diese Zwangsarbeiter erhielten zwar Lohn ausgezahlt mussten jedoch 30 Prozent an die Aufbaukasse der Dienststelle Schmelt abfuhren Das Geld wurde fur Ansiedlungsprojekte von Volksdeutschen und die Familienfursorge der SS verwendet Zwangsarbeit und Vernichtung Bearbeiten Wahrend im ubrigen Teil des deutsch besetzten Polens die Juden ab Dezember 1941 in Kulmhof und spater in weiteren Vernichtungslagern systematisch ermordet wurden blieben die fur die Rustungsproduktion wichtigen Zwangsarbeiter Oberschlesiens zunachst verschont Trager dieser an kriegswirtschaftlichen Bedurfnissen orientierten Judenpolitik war die Dienststelle Schmelt die im Fruhjahr 1942 uber rund 40 000 Zwangsarbeiter verfugte und einige von ihnen zu Facharbeitern ausbilden liess 4 Richard Korherr Statistiker beim Reichsfuhrer SS gibt fur Januar 1943 die Zahl von 50 570 Arbeitern an die der Dienststelle Schmelt unterstellt waren Dies entsprach einem Drittel aller reichsweit eingesetzten judischen Zwangsarbeiter 5 nbsp Denkmal in KoselMit unzureichender Kleidung und mangelhafter Ernahrung bei zwolfstundiger schwerer Arbeit sank die Anzahl der arbeitsfahigen judischen Zwangsarbeiter Ab Ende 1941 kam es in einigen Lagern zu Selektionen die ausgemusterten Juden wurden im KZ Auschwitz I Stammlager umgebracht Damit wurde das im Sommer 1942 im KZ Auschwitz Birkenau eingefuhrte Selektionsverfahren vorweggenommen Im August 1942 wurden rund 11 000 Juden aus Sosnowitz und Bendzin die zur Arbeit in kriegswichtigen Betrieben ungeeignet waren nach Auschwitz Birkenau abtransportiert insgesamt fielen zwischen Mai und August 1942 fast 35 000 oberschlesische Juden aus den Schmelt Lagern den Mordaktionen zum Opfer 6 Zwischen dem 26 August und dem 9 November 1942 liess Schmelt mit Erlaubnis Himmlers mehrere Deportationszuge aus Westeuropa in Kosel halten um dort insgesamt 8 000 bis 10 000 kraftige Juden als Zwangsarbeiter zu rekrutieren 7 Alte Leute und Frauen mit Kindern wurden nach Auschwitz weitertransportiert und viele von ihnen dort sofort ermordet Nach dem niedergeschlagenen Aufstand im Warschauer Ghetto befahl Himmler am 21 Mai 1943 alle Juden nach dem Osten abzuschieben Im August 1943 wurden mehr als 30 000 Juden aus Sosnowitz und Bendzin 8 ins KZ Auschwitz Birkenau deportiert und dort 24 000 von ihnen sofort umgebracht Auflosung Bearbeiten Im September verlegte Schmelt seinen Dienstsitz nach Annaberg Es ist unklar welche Lager ihm noch unterstanden und wie viele polnische Zwangsarbeiter er anstelle der Juden einsetzte Die meisten Lager wurden aufgelost oder zwischen September 1943 und Juli 1944 der Aufsicht des WVHA unterstellt 28 Arbeitslager wurden vom KZ Gross Rosen ubernommen 15 vom KZ Auschwitz Birkenau und funf wurden zu Aussenlagern des Stammlagers Albrecht Schmelt wurde im Marz 1944 vom Amt des Regierungsprasidenten Oppeln beurlaubt und musste sich Ende 1944 wegen Bereicherung im Amt vor einem SS Gericht verantworten Naheres dazu ist nicht bekannt Historische Einordnung BearbeitenDie Dienststelle Schmelt vielfach auch als Organisation Schmelt bezeichnet wird trotz ihrer Bedeutung fur die Vernichtungspolitik in historischen Darstellungen nur am Rande erwahnt Alle Unterlagen der Dienststelle sind vernichtet worden Sybille Steinbacher konnte einiges rekonstruieren indem sie die verstreute Empfangerkorrespondenz sichtete Mit den Lagern der Organisation Schmelt beutete die SS zu einem sehr fruhen Zeitpunkt die Arbeitskraft polnischer Juden aus und entwickelte und erprobte dabei Formen die im spateren KZ Aussenlagersystem Anwendung fanden 9 Mit der von ihm geschaffenen Dienststelle Schmelt gelang es Himmler die Okonomisierung der Haftlingsarbeit in grossem Stil zu installieren und die wirtschaftliche Verselbstandigung der SS voranzutreiben Schmelt schuf Arbeitsbedingungen die spater vom Wirtschafts und Verwaltungshauptamt WVHA ubernommen wurden So liess sich schon Schmelt die Arbeitsleistung durch Kollektivvertrag pro Facharbeiter taglich mit 6 RM bezahlen fur Hilfsarbeiter verlangte er 4 50 RM bei einem zwolfstundigen Arbeitstag Schmelt liess in seinen Lagern Selektionen durchfuhren und schickte ab Februar 1942 arbeitsunfahige Juden zur Vernichtung nach Auschwitz 10 Die Historikerin Aleksandra Namyslo stellt zusammenfassend fest eine allgemeine Beschaftigung die vergleichsweise spat erfolgte Ghettoisierung und als Folge davon eine niedrige Sterberate und das Ausbleiben von Hungertoten seien Begleiterscheinungen von Schmelts Politik Sie grundete nicht auf humanitaren Einstellungen sondern aus dem Bestreben mit riesigen Gewinnen die judische Arbeitskraft auszubeuten und dieses auch noch zu den Zeiten als in anderen Gebieten der planmassige Massenmord durchgefuhrt wurde 11 Sybille Steinbacher kommt zum Urteil dass die systematische Zwangsarbeit eine Etappe zum Mordprozess war diesen verzogerte jedoch nicht verhinderte sondern vielmehr einen gleitenden Ubergang in den Massenmord bahnte 12 Im Interessenkonflikt zwischen den an wirtschaftlichen Nahzielen orientierten Instanzen und den auf die systematische Ermordung ausgerichteten Behorden ging es im Kern einzig um die Frage zu welchem Zeitpunkt auch die Arbeitsjuden deportiert und ermordet werden sollten 13 Literatur BearbeitenMary Fulbrook A small town near Auschwitz Ordinary Nazis and the Holocaust Oxford University Press Oxford u a 2012 ISBN 978 0 19 960330 5 Wolf Gruner Juden bauen die Strassen des Fuhrers In Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft Bd 44 1996 S 798 808 Andrea Rudorff Organisation Schmelt In Wolfgang Benz Barbara Distel Hrsg Der Ort des Terrors Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 9 Arbeitserziehungslager Ghettos Jugendschutzlager Polizeihaftlager Sonderlager Zigeunerlager Zwangsarbeiterlager C H Beck Munchen 2009 ISBN 978 3 406 57238 8 S 155 150 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz Germanisierungspolitik und Judenmord in Ostoberschlesien Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz Bd 2 Saur Munchen 2000 ISBN 3 598 24031 7 Zugleich Bochum Universitat Dissertation 1998 Einzelnachweise Bearbeiten Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 149 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 130 und 140 Datum S 139 Zur Rolle Merins und der Opposition vergl Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 296 301 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 275 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 293 35 000 bei Jan Erik Schulte Die Wannsee Konferenz und Auschwitz Rhetorik und Praxis der judischen Zwangsarbeit als Voraussetzung des Genozids In Norbert Kampe Peter Klein Hrsg Die Wannsee Konferenz am 20 Januar 1942 Dokumente Forschungsstand Kontroversen Bohlau Koln u a 2013 ISBN 978 3 412 21070 0 S 216 238 hier S 235 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 288 und 278 Mary Fulbrook A small town near Auschwitz 2012 S 291 ff Andrea Rudorff Organisation Schmelt In Wolfgang Benz Barbara Distel Der Ort des Terrors Bd 9 2009 S 159 Saul Friedlander Das Dritte Reich und die Juden Die Jahre der Verfolgung 1933 1939 Die Jahre der Vernichtung 1939 1945 Durchgesehene Sonderausgabe Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 56681 3 S 741 Aleksandra Namyslo Ostoberschlesien Organisation und Formen von Beschaftigung der judischen Bevolkerung 1939 1943 In Jurgen Hensel Stephan Lehnstaedt Hrsg Arbeit in den nationalsozialistischen Ghettos Osnabruck 2013 ISBN 978 3 938400 92 0 S 158 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 329 Sybille Steinbacher Musterstadt Auschwitz 2000 S 293 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dienststelle Schmelt amp oldid 235281942