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Der Dieksanderkoog ist ein etwa 1330 Hektar grosser in den Jahren 1933 1934 eingedeichter und zur Gemeinde Friedrichskoog gehorender Koog im sudwestlichen Kreis Dithmarschen Schleswig Holstein Er wird uberwiegend landwirtschaftlich genutzt und in seinem nordlichen Bereich durch den im Jahr 2015 stillgelegten Hafen Friedrichskoog in zwei Abschnitte geteilt Dieksanderkoog Schleswig Holstein DieksanderkoogLage des Dieksanderkoogs in Schleswig HolsteinDurch Vordeichung des Dieksanderkoogs entstandener Schlafdeich 2020 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Eindeichung 1 2 Besiedlung und Gebaude 1 3 Propaganda 1 4 Gemeindebildung 2 Sachliteratur 3 Belletristik 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenEindeichung Bearbeiten nbsp Ehemaliger Hafen mit Krabbenkuttern 2014 Der Koog erstreckt sich uber einen rund neun Kilometer langen Streifen vor Friedrichskoog Kronprinzenkoog und Kaiser Wilhelm Koog Durch im Bereich der Elbmundung typische Verschlickungen 1 Sedimentation 2 sowie gezielte Landgewinnungsaktivitaten mit Lahnungen und Gruppen hatten sich im Deichvorland Salzwiesen gebildet Bereits Anfang des 20 Jahrhunderts wurden diese nach dem Bau von Sommerdeichen intensiv als Weide genutzt Mit einer Hohe von 50 Zentimetern uber dem mittleren Hochwasser galten die Flachen zu Beginn der Weimarer Republik als deichreif aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation fehlten jedoch die dafur erforderlichen finanziellen Mittel 3 Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erfolgte die Vor bzw Eindeichung als Auftakt zur Realisierung des Generalplans fur die Landgewinnung Schleswig Holstein Im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmassnahme fuhrten bis zu 1700 Arbeitslose uberwiegend aus Hamburg und Kiel die Arbeiten unter bewusstem Verzicht auf Grossgerate hauptsachlich in Handarbeit mit dem Kleispaten aus 4 Davon unabhangig sicherte die Vordeichung das angewachsene Vorland gegen Verluste durch Sturm Fluten und die Verlagerung von Wattstromen 5 Gleichzeitig verkurzte sie die bestehende Deichlinie und verbesserte damit den Kustenschutz Nicht zuletzt konnte mit der Eindeichung der bereits seit 1855 bestehende Friedrichskooger Sielhafen in einen sturmflutsicheren Dockhafen umgewandelt und so der Ausbau der dortigen Krabbenfischerei gefordert werden Besiedlung und Gebaude Bearbeiten nbsp Im Jahr 1934 errichteter Einzelhof mit spateren Erweiterungen 2020 Nachdem die gut neun Kilometer lange Deichlinie geschlossen und das Entwasserungssystem des Koogs hergestellt war begannen im Jahr 1934 Besiedlung und Urbarmachung des Koogs Unter Beteiligung der zunachst nur notdurftig vor Ort untergebrachten Siedler wurden 68 Hofstellen und 29 sonstige Wohn und Gewerbegebaude errichtet 4 Alle Gebaude waren aus Kostengrunden nur funktional ausgestattet aber prinzipiell erweiterungsfahig 3 Fur die damalige Zeit noch relativ ungewohnlich erfolgte die Besiedlung bis zur fertigen Bebauung nach einer zentralen Bauleitplanung Dieser Masterplan orientierte sich an dem fur die Marsch typischen Grundgedanken einer Streusiedlung bei der die auseinanderliegenden Gehofte jeweils Mittelpunkt der zugehorigen landwirtschaftlichen Flachen sind Baulich sah er normale Bauernhofe mit 15 bis 30 Hektar Landflache Kleinbauernhofe mit acht bis 15 Hektar sowie Siedlungshauser fur Arbeiter und Gewerbetreibende mit zwei bis vier Hektar Landzulage vor Direkt am Hafen sollte eine Siedlung fur Fischer und Wasserbauer entstehen die jedoch erst nach 1945 bezogen wurde 3 Der Grundriss der normalen Hofe orientierte sich an dem in den Nachbarkogen bereits zuvor eingefuhrten ostfriesischen Langhaus bzw Gulfhaus Vorbild fur die kleineren Hofstellen war das Dithmarscher Dweerhus 3 Die Entwurfe stammen vom Architekten Ernst Prinz 6 der seit Beginn des 20 Jahrhunderts ein bedeutender Vertreter der Heimatschutzarchitektur in Schleswig Holstein war Dem Wunsch einzelner Siedler die Architektur der 1926 im nordfriesischen Sonke Nissen Koog ebenfalls im Stil der Heimatschutzarchitektur vom Kieler Architekten Heinrich Stav geplanten Gehofte zu ubernehmen wurde nicht entsprochen 4 Fur die Versorgung des langgestreckten Koogs entstanden an der von Sudost nach Nordwest verlaufenden Hauptstrasse zwei Ortszentren jeweils mit Gewerbe Einzelhandel Gastwirtschaft und Schule Gegen teilweisen Widerstand der Siedler wurden alle Gebaude noch in der Bauphase an eine zentrale Wasserversorgung mit Zuleitung aus der Geest angeschlossen 3 In den Folgejahren erfolgte auch der Anschluss an das Stromnetz 4 Die Siedler hatte der Kreisbauernfuhrer des damaligen Kreises Suderdithmarschen im Auftrag des Reichsbauernfuhrers nach politischen Gesichtspunkten ausgewahlt Bevorzugt wurden fruhzeitige Mitglieder von NSDAP SA und SS aus Dithmarschen 4 7 8 Am 29 August 1935 erfolgte die Einweihung des Koogs als Adolf Hitler Koog den Namen hatte die NSDAP Ortsgruppe Friedrichskoog im April 1933 vorgeschlagen 9 Hauptartikel Neulandhalle nbsp Im Jahr 1936 fertiggestellte und 2019 rekonstruierte Neulandhalle 2020 Im Rahmen der Einweihung wurde auch der Grundstein fur die vom Kieler Architekten Richard Brodersen entworfene Neulandhalle gelegt Das im Jahr 1936 fertiggestellte auf einer Warft im sudwestlichen Teil des Koogs und damit dezentral gelegene Gebaude war primar staatlicher Reprasentationsbau und Schulungsstatte fur den Deichbau an der schleswig holsteinischen Nordseekuste Daneben stand es fur Feiern der Einwohner des Koogs sowie als Jugendherberge zur Verfugung 6 Im Jahr 1971 erwarb die evangelische Kirche das Gebaude welches sie nach Umbauten uber etwa 40 Jahre als Jugendfreizeitstatte nutzte Seit dem Jahr 2019 ist die Neulandhalle gemeinsam mit einer freizuganglichen Aussenausstellung Historischer Lernort der im ortlichen Kontext erstmals die ideologischen Schlusselbegriffe Volksgemeinschaft und Lebensraum thematisiert 6 10 11 12 13 Propaganda Bearbeiten Obwohl der Dieksanderkoog maximal 400 Einwohner 6 hatte wurde die Eindeichung des dem Meer abgerungenen Landes sowie die friedliche Gewinnung von neuem Lebensraum von der nationalsozialistischen Propaganda im grossen Stil ausgeschlachtet und uberhoht Mit der Einweihung des Koogs durch Adolf Hitler wurden sie als Auftakt zur Realisation des vom Gauleiter und Oberprasidenten der Provinz Schleswig Holstein in Preussen Hinrich Lohse prasentierten Generalplans fur die Landgewinnung Schleswig Holstein stilisiert danach sollten binnen eines Jahrhunderts an der Nordsee insgesamt 43 neue Koge mit einer Flache von 30 000 Hektar als Lebensraum fur 10 000 Menschen eingedeicht werden 14 Entsprechend offentlichkeitswirksam wurde die Neulandhalle am 30 August 1936 auch eingeweiht Im Beisein zahlreicher Abordnungen und Ehrengaste interpretiert Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht das Gebaude dabei als Wacht deutscher Sitte und Sinnbild neuentstanden Kampfeswillens 15 Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs brachten taglich bis zu 40 Busse und Autos Staatsgaste und andere Besucher in den Koog da die unbefestigten Strassen dieser Belastung nicht standhielten wurden sie unter Kostenbeteiligung des Reichspropagandaministeriums asphaltiert 4 Filme wie Trutz blanke Hans 1935 und Neuland am Meer 1938 sowie Radioubertragungen von verschiedenen Orten der Westkuste machten Landgewinnung und Adolf Hitler Koog im ganzen Reich bekannt 14 Die Propaganda sollte einerseits verdeutlichen dass sich die NSDAP um die Verbesserung der Situation von Bauern kummert International sollte sie zudem uber die laufenden Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten hinwegtauschen 16 Tatsachlich entstanden in den Jahren 1933 bis 1938 an der Westkuste Schleswig Holsteins zehn neue Koge mit einer Gesamtflache von 5600 Hektar danach wurde die Eindeichung aufgegeben 3 14 Teile des Generalplans wie die Anbindung der Insel Trischen mit einem Damm an das Festland erwiesen sich aufgrund der Dynamik des Wattenmeers bereits Mitte der 1930er Jahre als unrealistisch 17 Gemeindebildung Bearbeiten Aus unbewohnten Teilen der Gemeinden Friedrichskoog Kronprinzenkoog und Kaiser Wilhelm Koog sowie aus katastermassig noch nicht erfassten Teilen des in den Jahren von 1933 bis 1934 eingedeichten Kooges wurde am 1 November 1935 die Gemeinde Adolf Hitler Koog gebildet In diese wurde die seit dem Jahr 1854 bestehende grossere Gemeinde Friedrichskoog mit Friedrichskoog und Kaiserin Auguste Viktoria Koog am 1 April 1939 eingegliedert Hauptartikel Friedrichskoog Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Koog und Gemeinde am 25 August 1945 in Dieksanderkoog umbenannt der Name leitet sich von der ehemaligen Hallig Dieksand ab die gemeinsam mit kleineren Quellerinseln in den Friedrichskoog eingedeicht worden war Wahrend fur den Koog dieser Name unverandert gilt erhielt die Gemeinde am 1 April 1948 den historischen und bis heute gultigen Namen Friedrichskoog zuruck 18 Der nordliche Teil des Dieksanderkoogs bildet mit dem im Friedrichskoog befindlichen Siedlungskern Friedrichskoog Ort inzwischen eine uber die alte Deichlinie zusammengewachsene Einheit dabei befinden sich im Dieksanderkoog unter anderem Kindergarten Wirbelwind Grundschule Marschenschool und das Entwicklungsgebiet des ehemaligen Hafens der Gemeinde mit der angrenzenden Seehundstation Sachliteratur BearbeitenLars Amenda Volk ohne Raum schafft Raum Rassenpolitik und Propaganda im nationalsozialistischen Landgewinnungsprojekt an der schleswig holsteinischen Westkuste In Informationen zur Schleswig Holsteinischen Zeitgeschichte 45 2005 S 4 31 online auf akens org PDF 228 kB Klaus Groth Der Aufbau des Adolf Hitler Koogs Ein Beispiel nationalsozialistischen Siedlungsbaues In Erich Hoffmann Peter Wulf Hrsg Wir bauen das Reich Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig Holstein Wachholtz Neumunster 1983 ISBN 3 529 02181 4 Frank Trende Neuland war das Zauberwort Neue Deiche in Hitlers Namen Boyens Buchverlag Heide 2011 ISBN 978 3 8042 1340 1 Belletristik BearbeitenThies Thiessen Die Glocke Das alte Lied E Book CulturBooks 2014 ISBN 978 3 944818 33 7 Einzelnachweise Bearbeiten Peter Wieland Untersuchung uber geomorphologische Veranderungen in der Dithmarscher Bucht in Die Kuste Heft 40 1984 S 107 138 abgerufen am 8 August 2020 Petra Witez Programme zur langfristigen Erhaltung des Wattenmeeres ProWatt Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben MTK 0608 03 KIS 3160 Hrsg Landesamt fur Natur und Umwelt des Landes Schleswig Holstein Juni 2002 abgerufen am 8 August 2020 a b c d e f Richard Brodersen Der Marschenverband Schleswig Holstein e V und sein Wirken fur die Besiedlung und Baugestaltung in den neuen Kogen in Die Kuste Heft 9 1961 S 83 ff abgerufen am 9 Januar 2021 a b c d e f Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte Hrsg Adolf Hitler Koog abgerufen am 22 November 2020 Wilhelm Rohrs Der Dammbau zur Sicherung des Seedeiches an der Friedrichskoogspitze in Suderdithmarschen in Westkuste Jg 1 1938 Heft 2 S 1 15 abgerufen 13 November 2020 a b c d Uwe Danker Die Ausstellung des Historischen Lernorts Neulandhalle im Dieksanderkoog in Demokratische Geschichte Bd 30 2019 S 305 383 abgerufen 15 Januar 2021 Lars Amenda Die Einweihung des Adolf Hitler Koogs am 29 August 1935 Landgewinnung und Propaganda im Nationalsozialismus In Dithmarscher Landeszeitung 29 August 2005 online auf der Webseite des Arbeitskreises zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus Klaus Groth Der Aufbau des Adolf Hitler Kooges Ein Beispiel nationalsozialistischen landlichen Siedlungsbaus In Erich Hoffmann Peter Wulf Hrsg Wir bauen das Reich Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig Holstein Wachholtz Neumunster 1983 ISBN 3 529 02181 4 S 317f S Lars Amenda Volk ohne Raum schafft Raum Rassenpolitik und Propaganda im nationalsozialistischen Landgewinnungsprojekt an der schleswig holsteinischen Westkuste In Informationen zur Schleswig Holsteinischen Zeitgeschichte 45 2005 S 10 Claudia Bade Historischer Lernort Neulandhalle 8 Mai 2019 abgerufen am 30 Januar 2021 NDR Neuer Lernort in Hitlers Muster Koog eroffnet 8 Mai 2019 abgerufen am 10 Januar 2020 Website Historischer Lernort Neulandhalle VHS Dithmarschen Der Historische Lernort Neulandhalle abgerufen am 26 Januar 2020 a b c Peter Maxwill Hitlers Kampf gegen das Meer in Der Spiegel 21 Oktober 2013 abgerufen am 9 Januar 2021 Ev Luth Kirchenkreis Dithmarschen Hrsg Website Historischer Lernort Neulandhalle abgerufen am 7 Februar 2021 Frank Trende Neuland war das Zauberwort Neue Deiche in Hitlers Namen Boyens Buchverlag Heide 2011 ISBN 978 3 8042 1340 1 S 190 Johann M Lorenzen 25 Jahre Forschung im Dienst des Kustenschutzes S 10 f in Die Kuste 8 1960 S 7 28 abgerufen am 25 Januar 2020 Statistisches Landesamt Schleswig Holstein Hrsg Die Bevolkerung der Gemeinden in Schleswig Holstein 1867 1970 Statistisches Landesamt Schleswig Holstein Kiel 1972 S 44 53 966666666667 8 9166666666667 Koordinaten 53 58 N 8 55 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dieksanderkoog amp oldid 239415096