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Das Compoundsystem compound auf Deutsch Gelande Gehege im erweiterten Sinne ein Verbund bezeichnet in Sudafrika eine historische Form von eingezaunten und bewachten Bergarbeitersiedlungen Darin lebten mannliche Bergarbeiter meist Schwarze unter Verhaltnissen einer familiaren Deprivation und ungunstigen hygienischen Rahmenbedingungen Das Compoundsystem war ein funktioneller Bestandteil der Wanderarbeitsstrukturen zwischen den Reservaten und den Bergbauzentren spater auch unter Einbindung umliegender britischer und portugiesischer Kolonien 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Ausstattung und Bauweise 3 Ernahrung 4 Die Einwohner und ihre hierarchische Beziehungen 5 Gesundheitliche Fragen 6 Weiterfuhrende Literatur 7 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenZu Beginn waren die Compounds einfache Baracken aus Holz oder Eisenkonstruktionen auf dem Bergbaugelande von Diamanten Gold und Kohlelagerstatten Etwa 15 Jahre nach der Entdeckung der Diamantenlagerstatte von Kimberley um 1885 errichteten einzelne Bergbauunternehmen ein System geschlossener Compoundsiedlungen um ihre schwarze Arbeiterschaft darin unterzubringen Die Siedlungen waren eingezaunt und enthielten neben den Wohnbaracken fur die schwarzen Kontraktarbeiter auch Wachhauser mit bewaffnetem Wachpersonal des Unternehmens Cecil Rhodes und Joseph Robinson gehorten zu den ersten Bergbauunternehmern die das Compoundsystem stark ausbauten Der unerlaubte Verkauf von Diamanten englisch illicit diamond buying IDB war in den 1870er und 1880er Jahren eine der grossten Problemstellungen fur die Bergbauunternehmen Zwischen einem Drittel und der Halfte aller Diamanten wurden gestohlen und illegal gehandelt 3 Vor 1885 waren die schwarzen Arbeiter der Claimbesitzer in Zelten oder Schuppen nahe der Abbaustellen untergebracht genossen jedoch nach der Arbeit ihre individuelle Freizugigkeit Die geschlossenen Compoundsiedlungen unterbanden die freie Bewegungsfahigkeit der Bergarbeiter 2 Ausstattung und Bauweise BearbeitenDie Ausstattung in der Compoundanlage war sehr karg Innerhalb der Hutten in Etagen ubereinander gab es Bettstellen aus Beton Der Fussboden bestand anfangs aus Lehm da er sich wegen der permanenten Feuchtigkeit als ungesund erwies spater aus Beton Einfachste Waschraume gab es erst um 1900 innerhalb der Gebaude Fur den personlichen Besitz der Bewohner waren keine festen Behaltnisse vorgesehen Fahrrader Kleidung und andere Gegenstande hingen von der Decke und waren moglichen Dieben ausgeliefert Viele Hutten hatten keine Ofen keine funktionell sinnvolle Beluftung und nach Eintritt der Dunkelheit waren sie zunachst unbeleuchtet Elektrisches Licht wurde erst spater eingefuhrt Auf Grund dieser Unterbringungsweise konnte fur die Bewohner keine Privatsphare entstehen Die Toiletten bestanden aus einer langen Sitzbank fur 20 Personen Die Waschraume fur die individuelle Korperhygiene glichen offenen Arealen Nach den Traditionen der schwarzen Bevolkerung war es undenkbar dass der Sohn seinen nackten Vater zu sehen bekam Das Compoundsystem griff in solche Sozialbeziehungen grundlegend ein Uber die Jahrzehnte hatte sich eine Bauweise herausgebildet nach der die Hutten ohne Zwischenraume einen grossen rechteckigen bzw quadratischen Hof umschlossen der durch einen kontrollierten Durchlass betreten oder verlassen werden konnte Das bebaute Areal hatte einen eisernen Zaun als aussere Begrenzung der in seinem oberen Bereich mit Stacheldraht zusatzlich gesichert war Einige Verbesserungen in der Ausstattung gab es 1903 als die Bergbauunternehmen versuchten chinesische Arbeiter einzubeziehen Dieser Versuch wahrte nicht lange hinterliess jedoch einen leichten Qualitatsgewinn in der Ausstattung der Beherbergungen 2 Bis in die 1930er Jahre waren in den einzelnen Raumen der Hutten 40 und mehr Manner untergebracht Mitte der 1940er Jahre anderte sich die Belegung und es kamen nun 16 bis 20 Manner auf einen Schlafraum 1 Ernahrung BearbeitenFur die Ernahrung der Bergarbeiter sorgten eigene Grosskuchen im Compound Die kleine Mahlzeit lambalaza bestand aus einem ungesussten Haferbrei Brot Kaffee und Zucker Danach arbeiteten die Manner im Bergwerk Nach der Schicht erhielten sie die Hauptmahlzeit Diese bestand aus einem Brei auf Maisgrundlage mit Bohnen und Maiskornern sowie aus Gemuse und einem fleischhaltigen Eintopf Rohes Fleisch stand wochentlich pro Person bis maximal drei Pfund zur Verfugung und wurde zwei oder dreimal in der Woche in den Raumen ausgereicht Als Getrank gab es in unbegrenzter Menge Marewu ein vergorenes nichtalkoholisches Getrank aus Maismaische Zudem gewahrten die Bergbaugesellschaften pro Mann zwei Schoppen mit Millet beer kaffir beer dreimal in der Woche 1 Die Einwohner und ihre hierarchische Beziehungen BearbeitenDie zahlenmassig grosste Gruppe waren die einfachen Bergarbeiter In einem Compound konnten etwa 3000 Manner beherbergt werden Sie lebten hier nach Sprachgruppen kulturell getrennt Das waren Sotho isiXhosa und Xitsonga sprechende Personen Das Alltagsleben verlief zwischen den Gruppen in getrennter Weise 2 Zunachst lagen die Herkunftsregionen der Bergarbeiter relativ nah bei den Bergbauzentren Als sich ein hoherer Arbeitskraftebedarf ergab wurden Arbeiter aus ferner gelegenen Regionen angeworben wobei damalige Verwaltungsgrenzen uberschritten wurden Die Anwerbung neuer Arbeiter in Portugiesisch Ostafrika Nord und Sudrhodesien sowie in Njassaland und in Regionen nordlich des 22 sudlichen Breitengrades ubernahm die Witwatersrand Native Labour Association Die Arbeitskraftgewinnung aus der Sudafrikanischen Union selbst und von den High Commissioner Territories lief uber die Native Recruiting Corporation 1 Die vorrangige Einbindung schwarzer Arbeitskrafte in den umfangreichen sudafrikanischen Bergbau bildete einen Meilenstein in der fruhen Rassentrennungspolitik und der sich daraus entwickelten Apartheid Die Macht der Bergbauunternehmen uber ihre Kammer Chamber of Mines wurde schon fruhzeitig dazu genutzt politischen Einfluss auf die Regierungsstellen auszuuben um die Arbeiter in den Compounds politisch zu entmundigen und ihre Flexibilitat Mitarbeiterbindung am Arbeitsmarkt extrem einzuschranken Eines der wichtigsten Mittel dazu boten die Regelungen der Passgesetze Das Compoundsystem diente auf diese Weise zur Disziplinierung der Bergarbeiter Die monopolartig ausgerichteten Rekrutierungssysteme beforderten stets genugend konkurrierende Arbeitsanwarter in die Bergbauregionen Auf diese Weise liess sich eine Konkurrenz der Bergbauunternehmen untereinander weitgehend ausschalten und die Lohne niedrig halten Jedoch entwickelte sich ein Spannungsverhaltnis im Arbeitskraftebedarf zwischen dem Bergbau und Agrarsektor des Landes Beide Sektoren organisierten zunehmend die faktische Rechtlosigkeit ihrer nichteuropaischen Beschaftigten zum Nutzen der Unternehmensgewinne und zur Starkung der kolonialen Herrschaftsstrukturen die schliesslich in den Apartheidstaat Sudafrika und in die ahnlichen Verhaltnisse im von ihm annektierten Sudwestafrika mundete 4 Die Binnenorganisation des Compounds hatte mehrere Ebenen In jedem Unterbringungsraum gab es einen gewahlten Stubenaltesten den Sibonda Dieser ordnete die Verhaltnisse teilte Dienste ein und schlichtete kleinere Konflikte Die Funktion war ein Ehrenamt und deshalb standen die Sibonda auf der Seite der Arbeiter Auf der nachsten Ebene befanden sich die Compoundpolizisten In vielen Fallen hatten die Bergwerksverwaltungen mit dieser Aufgabe Zulu betraut Zwischen ihnen und den anderen ethnischen Gruppen bestand ein Dauerkonflikt mit Hasselementen Sie trugen Stocke bewachten das Lager und schliefen mit den Arbeitern Ihnen oblagen die Kontrolle der wartenden Menschenschlangen vor den Hygieneeinrichtungen und der Kuche sowie das Wecken der jeweiligen Schichtmannschaft In deren Zustandigkeit lag auch die Suche nach gestohlenen Dingen oder gefahrlichen Waffen Ebenso fahndeten diese Lagerpolizisten nach Alkohol und Dagga einer narkotisierenden Hanfdroge Der ethnisch instruierte Konflikt garantierte den europaischen Verwaltern die Macht und ihre faktische Existenz vor Ort Uber den Compoundpolizisten stand der Induna Das war eine vom Bergwerksverwalter erwahlte Person aus dem Kreise der Arbeiter auch als Boss Boy bezeichnet Dieser lebte in einem eigenen Raum erhielt einen hoheren Lohn und bessere Verpflegung Der Induna organisierte die Arbeitsablaufe und trat als Streitschlichter auf Die Akzeptanz der Induna war unterschiedlich Mitunter erlebten sie Ablehnung weil sie nicht von den Arbeitern gewahlt worden waren In anderen Fallen wandten sie sich zu Besserung der Lage im Compound an aussenstehende Chiefs in der Heimatregion der jeweiligen ethnischen Gruppe Der Induna musste seine Aufgabe zwischen den Interessen seiner Bergbaugesellschaft und ihrer Arbeiterschaft ausbalancieren Der Compoundverwalter eine europaischstammige Person stand an der Spitze der Lagerverwaltung In dessen Pflichten lag die gesamte Funktionsfahigkeit des Compounds und der untertagigen Arbeitsablaufe Zugleich ubte er uber alle Arbeiter das Disziplinarrecht aus wozu auch weisse Mitarbeiter gehorten 2 Gesundheitliche Fragen BearbeitenNeben den gesundheitlich medizinischen Begleiterscheinungen bei Massenunterkunften mit schlechten hygienischen Rahmenbedingungen gab es zudem spezifische Krankheitsrisiken Die geographische Lage der transvaalischen Bergbaugebiete im Binnenland und ihre Hohe uber dem Meeresspiegel bedingten kalte Nachte Die Temperaturdifferenz zwischen den Ortsstossen in den Bergbauschachten und der Ubertagesituation war erheblich Viele Bergleute starben deshalb an Lungenentzundung Besonders hart traf es angeworbene Manner aus heissen Gebieten Afrikas wie den heutigen Staaten Sambia DRC und Tansania Ein damaliger Minister fur Eingeborenenangelegenheiten bezeichnete um 1913 den weiteren Einsatz solcher Personen kaum etwas anderes als Mord Seitens der Unionsregierung wurde daraufhin der Anwerbung von Arbeitskraften aus diesen Gebieten Grenzen gesetzt 2 Weiterfuhrende Literatur BearbeitenRuth First Black Gold The Mozambican Miner Proletarian and Peasant Harvester Press Brighton 1983 ISBN 0312083181 John M Smalberger I D B and the Mining Compound System in the 1880s In South African Journal of Economics Vol 42 Ausgabe 4 S 247 258Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Sheila T van der Horst Labour In Ellen Hellmann Leah Abrahams Handbook on Race Relations in South Africa Oxford University Press Cape Town London New York 1949 S 128 129 a b c d e f Luli Callinicos Gold in Sudafrika Schwarze Arbeit weisser Reichtum 11 Kapitel Das Compoundsystem Bergarbeitersiedlungssystem ISSA edition sudliches afrika 10 Bonn 1982 S 51 57 ISBN 3 921614 02 3 deutsche Ubersetzung von Gold and Workers Ravan Press Johannesburg 1980 Martin Zhuwakinyu Kimberley s demeaning closed compound system Artikel vom 22 Juli 2011 auf www miningweekly com englisch Christoph Marx Sudafrika Geschichte und Gegenwart Kohlhammer Stuttgart 2012 S 138 139 ISBN 978 3 17 021146 9 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Compoundsystem amp oldid 211771897