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Chairephon auch Chairephon von Sphettos altgriechisch Xairefῶn Chairephṓn nach 470 v Chr zwischen 403 und 399 v Chr war ein antiker griechischer Philosoph Er war ein Schuler des ungefahr gleichaltrigen beruhmten Philosophen Sokrates den er bewunderte und mit dem er eng befreundet war Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Orakelspruch 3 Darstellung in der Komodie 4 Rolle in literarischen Dialogen 5 Literatur 6 AnmerkungenLeben BearbeitenChairephon stammte wahrscheinlich aus Sphettos einem Demos Stadtteil von Athen 1 Uber seine Familie ist nur bekannt dass er einen jungeren Bruder namens Chairekrates hatte der auch zum Freundeskreis des Sokrates gehorte Chairephons Freundschaft mit Sokrates bestand seit seiner Jugendzeit 2 doch war er zugleich auch mit dem beruhmten Redner Gorgias befreundet 3 einem der Hauptvertreter der Sophistik deren Einfluss Sokrates fur verhangnisvoll hielt und bekampfte 4 Der Schriftsteller Xenophon der ebenfalls ein Schuler des Sokrates war berichtet in seinen Erinnerungen an Sokrates ausfuhrlich von einem Zerwurfnis zwischen den Brudern Chairephon und Chairekrates Sokrates dem die Zwietracht aufgefallen war wollte vermitteln Er wandte sich an Chairekrates dem er mehr Verstandigungsbereitschaft zutraute und ermunterte ihn die Initiative zu einer Versohnung zu ergreifen Die Misshelligkeit betraf unter anderem finanzielle Fragen bei denen sich Chairekrates benachteiligt fuhlte Ausserdem behauptete Chairekrates sein alterer Bruder habe ihn durch Wort und Tat gekrankt und bereite ihm stets Arger 5 Sokrates hingegen lobte Chairephon der grossmutig und grosszugig sei 6 Chairephon war ein Anhanger der athenischen Demokratie die nach der Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg eine schwere Krise durchmachte und zeitweilig abgeschafft wurde Als im Jahr 404 v Chr der oligarchische Rat der Dreissig Dreissig Tyrannen die Macht ubernahm und die demokratische Staatsordnung beseitigte ging Chairephon zusammen mit anderen Demokraten ins Exil Doch schon bald stellte der demokratische Exilpolitiker und Feldherr Thrasybulos eine Streitmacht von Gesinnungsgenossen zusammen und nahm den Kampf gegen die Oligarchen auf Nach militarischen Erfolgen der Aufstandischen kam es im Sommer 403 zur Wiederherstellung der Demokratie Mit den anderen Demokraten konnte nun auch Chairephon zuruckkehren Unbelegt ist die Hypothese er sei bei Kampfen mit den Anhangern der Oligarchie gefallen Die Umstande seines Todes sind unbekannt Sicher ist jedenfalls dass er nicht mehr lange lebte denn als im Jahr 399 der Prozess gegen Sokrates stattfand war er bereits verstorben Sein Bruder Chairekrates hingegen lebte noch und wurde von Sokrates als Zeuge benannt 7 Unecht und als Quelle fur Chairephon ohne Wert ist ein angeblicher Brief des Sokrates an Xenophon in dem er diesen bittet Chairephon der fur seine Heimatstadt eine Gesandtschaftsreise unternehme gastfreundlich aufzunehmen 8 Orakelspruch BearbeitenBekannt war Chairephon in der Antike vor allem als derjenige der in Delphi das dortige beruhmte Orakel uber Sokrates befragte Daruber lasst Platon Sokrates selbst berichten In der Apologie der von Platon literarisch ausgestalteten Verteidigungsrede des Sokrates beim Prozess im Jahr 399 geht Sokrates auf die Orakelbefragung ein Nach dieser Darstellung besass Chairephon die Kuhnheit das Orakel des Gottes Apollon in Delphi zu fragen ob jemand weiser sei als Sokrates Darauf habe die Pythia die weissagende Priesterin geantwortet dies sei nicht der Fall Dieser Ausspruch sei ihm Sokrates mitgeteilt worden Dadurch sei er in Verwirrung geraten da er sich fur unwissend hielt Um die Behauptung der Pythia zu uberprufen habe er als weise geltende Manner Politiker und Dichter befragt denn er habe herausfinden wollen was es mit deren Weisheit auf sich habe Dabei habe sich herausgestellt dass er diese vermeintlichen Weisen mit seinem wenn auch sehr geringfugigen Erkenntnisstand ubertreffe Seither habe er es als seine Berufung im Dienste des Gottes betrachtet Unwissenden die sich fur kompetent hielten ihre Unwissenheit aufzuzeigen 9 Xenophon der zwar ebenso wie Platon zu den Schulern des Sokrates zahlte aber beim Prozess nicht anwesend war da er sich nicht in Athen aufhielt gab in seinem Bericht uber die Verteidigungsrede eine abweichende Darstellung Dabei berief er sich auf Angaben des Hermogenes eines Freundes und Schulers des Sokrates Seiner Version zufolge antwortete Apollon auf die Anfrage Chairephons in Anwesenheit zahlreicher Zeugen niemand sei unabhangiger gerechter oder verstandiger als Sokrates 10 Die Historizitat der Orakelbefragung wurde schon in der Antike bestritten Fur erfunden hielten sie mehrere Autoren die scharfe Gegner des Platonismus oder der Philosophie im Allgemeinen waren der Epikureer Kolotes von Lampsakos gegen dessen Kritik sich Plutarch wandte 11 ein von Athenaios zitierter Widersacher der Sokratiker wahrscheinlich der Grammatiker Herodikos von Seleukia 12 und der Rhetor Apollonios Molon 13 Die von Athenaios uberlieferte Argumentation die wohl von Herodikos stammt lautet es sei nicht glaubhaft dass der Gott eine derart torichte Frage erwartungsgemass im Sinne des Fragestellers beantwortete In der modernen Forschung ist die Glaubwurdigkeit der Erzahlung ebenfalls umstritten Manche Forscher sind der Meinung dass Chairephons Frage in Delphi eine literarische Fiktion aus dem Schulerkreis des Sokrates ist Sie machen unter anderem geltend Chairephon habe zu einem Zeitpunkt als Sokrates noch nicht beruhmt war keinen Anlass gehabt dem Orakel eine solche Frage zu stellen 14 Die Befurworter der Historizitat meinen Platon habe keinen Grund gehabt eine so detaillierte Geschichte zu erfinden und Sokrates in den Mund zu legen Hatte dann ein Gegner sie als Fiktion entlarvt was damals leicht moglich gewesen ware so hatte dies die Glaubwurdigkeit der ganzen Verteidigungsrede erschuttert 15 Darstellung in der Komodie BearbeitenChairephon war eine auffallige ungewohnliche Personlichkeit und als solche uber einen langen Zeitraum eine beliebte Zielscheibe des Spotts der Komodiendichter Er diente als allgemein bekanntes abschreckendes Beispiel eines seltsamen lacherlichen Philosophen Aristophanes nahm sowohl sein Ausseres als auch seinen Eifer aufs Korn In den 423 v Chr aufgefuhrten Wolken dieses Komodiendichters wird Chairephon als blasser windiger Barfusser und lebendiger Leichnam beschrieben wobei das ungesunde Aussehen auf seinen Studienfleiss zuruckgefuhrt wird 16 Gemeinsam mit Sokrates geht er geheimen abstrusen Fragen nach 17 In den Wespen die Aristophanes im folgenden Jahr auf die Buhne brachte tritt Chairephon zusammen mit einer Frau auf die blass vor Wut ist er passt seinem Teint nach zu dem gelbbleichen Weib das sich auf ihn als Zeugen beruft 18 In Aristophanes 414 aufgefuhrten Vogeln entsteigt er als gespensterhafte Totenseele in Gestalt einer Fledermaus der Tiefe der Unterwelt 19 Auch in anderen nur fragmentarisch erhaltenen Komodien des Aristophanes wird auf ihn in unfreundlicher Weise Bezug genommen In den Jahreszeiten Horai wird er Kind der Nacht genannt in Die Dramen oder Niobos erscheint er als Dieb und in Die Telemesser als Sykophant Verleumder 20 Die Komodiendichter Kratinos und Eupolis griffen das dankbare Sujet ebenfalls auf Wegen der fragmentarischen Uberlieferung ihrer Stucke sind die Zusammenhange nicht erkennbar In Kratinos 423 aufgefuhrter Flasche erscheint Chairephon als ungewaschen und arm 21 Bei Eupolis kommt er in den Schmeichlern Kolakes vor wo er als einer der Schmeichler des reichen Kallias erscheint und in den Stadten Poleis wo das beliebte Motiv seiner gelbbleichen Hautfarbe verwertet wird 22 Rolle in literarischen Dialogen BearbeitenPlaton legt in seinem Dialog Charmides dem Berichterstatter Sokrates die Feststellung in den Mund Chairephon sei stets manikos heftig temperamentvoll oder auch leicht verruckt gewesen 23 In der Apologie lasst er Sokrates sagen Und ihr wisst ja wie Chairephon war wie ungestum sphodros in allem was er sich vornahm 24 In den Dialogen Charmides und Gorgias gehort Chairephon zu den Gesprachspartnern Im Gorgias ermuntert Sokrates Chairephon dazu den beruhmten Sophisten Gorgias vor mehreren Personen kritisch uber dessen Beruf zu befragen Daraufhin stellt Chairephon Fragen im sokratischen Stil die aber nicht von Gorgias sondern von dessen Schuler Polos beantwortet werden Schliesslich greift Sokrates selbst ein und fuhrt die Auseinandersetzung mit Polos fort 25 Chairephon ist der Gesprachspartner des Sokrates im pseudoplatonischen zu Unrecht Platon zugeschriebenen Dialog Halkyon der schon in der Antike als unecht galt Literatur BearbeitenLuc Brisson Cherephon de Sphettos In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Band 2 CNRS Editions Paris 1994 ISBN 2 271 05195 9 S 304f Debra Nails The People of Plato Hackett Indianapolis 2002 ISBN 0 87220 564 9 S 86f John S Traill Persons of Ancient Athens Band 18 Philosyria to Ōphiliōn Athenians Toronto 2009 ISBN 978 0 9810250 1 8 S 247f Nr 976060 Zusammenstellung der Belege Anmerkungen Bearbeiten Diese Nachricht wird in der Forschung meist als glaubwurdig betrachtet Zweifel an der Herkunft aus Sphettos ausserten aber u a Kenneth J Dover Hrsg Aristophanes Clouds Oxford 1968 S 114f und Jeffrey Henderson Hrsg Aristophanes Clouds Wasps Peace Cambridge Massachusetts 1998 S 27 Anm 14 Platon Apologie 20e 21a vgl Xenophon Memorabilia 1 2 48 Platon Gorgias 447b Die Beziehung zu Gorgias war allerdings weit weniger eng als die zu Sokrates siehe Joachim Dalfen Platon Gorgias Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2004 S 165 Xenophon Memorabilia 2 3 Xenophon Memorabilia 2 3 16 Platon Apologie 21a Abraham J Malherbe Hrsg The Cynic Epistles A Study Edition Atlanta Georgia 1986 Nachdruck der Ausgabe von 1977 S 226f griechischer Text und englische Ubersetzung Platon Apologie 20d 23c vgl Diogenes Laertios 2 37 Xenophon Apologie 14 Plutarch Adversus Colotem 1116e f Athenaios 5 218e 219a Douwe Holwerda Hrsg Scholia in Aristophanem Teil 1 Prolegomena de comoedia scholia in Acharnenses Equites Nubes Fasc 3 1 Scholia vetera in Nubes Groningen 1977 S 41 Scholion 144 Robin Waterfield Xenophon s Socratic Mission In Christopher Tuplin Hrsg Xenophon and his World Wiesbaden 2004 S 79 113 hier 94f Mario Montuori The Oracle Given to Chaerephon on the Wisdom of Socrates An Invention by Plato in Kernos 3 1990 S 251 259 Olof Gigon Antike Erzahlungen uber die Berufung zur Philosophie In Museum Helveticum 3 1946 S 1 21 hier 3 8 Louis Andre Dorion The Delphic Oracle on Socrates Wisdom A Myth In Catherine Collobert u a Hrsg Plato and Myth Leiden 2012 S 419 434 Vgl Klaus Doring Sokrates die Sokratiker und die von ihnen begrundeten Traditionen In Klaus Doring u a Sophistik Sokrates Sokratik Mathematik Medizin Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Basel 1998 S 155 Emile de Strycker Plato s Apology of Socrates hrsg Simon R Slings Leiden 1994 S 74 Ernst Heitsch Platon Apologie des Sokrates Ubersetzung und Kommentar Gottingen 2002 S 73f Aristophanes Die Wolken 104 501 504 Aristophanes Die Wolken 140 168 Zur mutmasslichen Darstellung Chairephons in der Urfassung des Stucks siehe Harold Tarrant Clouds I Steps towards Reconstruction In Arctos 25 1991 S 157 181 hier 160 162 Aristophanes Die Wespen 1412f Aristophanes Die Vogel 1562 1564 vgl 1296 Aristophanes Die Jahreszeiten Fragment 584 Die Dramen oder Niobos Fragment 295 Die Telemesser Fragment 552 Kratinos Die Flasche Pytine Fragment 215 Eupolis Die Schmeichler Fragment 180 und Die Stadte Fragment 253 Platon Charmides 153b Platon Apologie 21a Platon Gorgias 447c 449a PersonendatenNAME ChairephonALTERNATIVNAMEN Chairephon von SphettosKURZBESCHREIBUNG antiker griechischer PhilosophGEBURTSDATUM nach 470 v Chr STERBEDATUM zwischen 403 v Chr und 399 v Chr Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Chairephon amp oldid 227487033