www.wikidata.de-de.nina.az
Vielborster oder Polychaeta von altgriechisch polys polys viel und xaith chaite Haar 1 sind eine Klasse der Ringelwurmer Annelida deren Bauplan gegenuber der zweiten Ringelwurmklasse Clitellata meist als relativ ursprunglich angesehen wird Der Formenreichtum der Vielborster ist allerdings derart gross dass bislang keine Einigkeit daruber erzielt werden konnte welche Vielborster Gruppe eine urtumliche Merkmalszusammensetzung reprasentiert Vielborster haben ihren Namen von den zahlreichen Borsten Chaetae auch Setae die an jedem Segment als Stutzelemente und Fortbewegungsapparat dienen VielborsterSedentare SabellidaeSystematikohne Rang Gewebetiere Eumetazoa ohne Rang Bilateriaohne Rang Urmunder Protostomia Uberstamm Lophotrochozoen Lophotrochozoa Stamm Ringelwurmer Annelida Klasse VielborsterWissenschaftlicher NamePolychaetaGrube 1850UnterklassenPalpata ScolecidaDie gut 10 000 beschriebenen Arten werden in bis zu 24 Ordnungen mit uber 80 Familien eingeteilt Auf morphologischer und molekularbiologischer Basis bestehen aber zurzeit erhebliche Zweifel ob die Vielborster eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft Klade bzw Monophylum bilden Inhaltsverzeichnis 1 Lebensraum 2 Lebensweise 3 Aufbau 3 1 Morphologie 3 2 Atmung und Blutgefasssystem 3 3 Fortpflanzung 3 4 Nervensystem und Sinnesorgane 4 Vielborster und Menschen 4 1 Gefahrlichkeit 4 2 Vielborster als Nahrungsmittel 5 Systematik 6 Einige Arten und Gattungen 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 WeblinksLebensraum BearbeitenVielborster leben bis auf wenige Ausnahmen im Meer Hier besiedeln sie alle Lebensraume so beispielsweise den freien Wasserkorper Pelagial als Teil des Zooplanktons die Uferzonen und den permanent wasserbedeckten Bereich Sublitoral Am 31 Mai 2009 wurde durch den Forschungsroboter Nereus ein Vielborster im Challengertief dem tiefsten Punkt der Erde entdeckt 2 Es gibt frei bewegliche Errantia und sessile Arten Sedentaria Diese Untergliederung erfolgt nur noch rein funktionell systematisch ist sie jedoch uberholt Lebensweise BearbeitenDie Formenvielfalt der Vielborster muss im Zusammenhang mit der Besiedelung diverser Lebensraume verstanden werden Hierbei wurden ausserdem sehr unterschiedliche Strategien des Nahrungserwerbes entwickelt Einige Formen sind Jager und mit grossen gut funktionierenden Augen ausgestattet zum Teil mit Linse andere sind Aas und Substratfresser oder Weideganger wieder andere vor allem Sedentaria filtrieren ihre Nahrung aus dem umgebenden Wasser Besonders ungewohnlich sind die Rohrenwurmer der Art Riftia pachyptila die ihre Nahrung in der lichtlosen Tiefsee durch symbiotische Archaeen beziehen die ihrerseits ihre Energie chemotroph aus Schwefelwasserstoff H2S in der Umgebung hydrothermaler Quellen Schwarze Raucher gewinnen Riftia besitzt keinen Darm Aufbau Bearbeiten nbsp Die Chaetae sitzen bei den Polychaeten an den Parapodien Notopodium und Neuropodium Als Beispiel fur eine typische Vielborster Organisation wird haufig die Gruppe der Nereiden genannt etwa Platynereis dumerilii eine besonders gut untersuchte Polychaetenart aus dem Mittelmeer die seit Ende der 1990er Jahre auch als entwicklungsgenetischer Modellorganismus etabliert wurde Morphologie Bearbeiten Vielborster sind primar segmentierte Tiere mit sekundarer Leibeshohle Coelom diese typischen Ringelwurm Merkmale konnen aber bei sehr spezialisierten oder verkleinerten Formen verloren gehen Als hochstwahrscheinlich sehr urtumliches gruppenspezifisches Merkmal besitzen die einzelnen Segmente paarige Anhange Parapodien zur Fortbewegung welche von zahlreichen chitinosen Borsten durchzogen sind Die Chaetae genannten Borsten konnen als kurze Form oder als Schwimmborsten ausgebildet sein und dienen mit ihren diffizil ausgebildeten Spitzen als Halte oder Paddelvorrichtungen Eine weitere Borste ist die sogenannte Stutzborste oder Acicula die je nach Auspragung des Parapodiums einzeln oder paarig quasi als Innenskelett die Parapodien stutzt Faden oder fransenformige Anhange nennt man Cirren seltener auch Zirren schuppenformige werden Elytren genannt Polychaeten besitzen wie alle Ringelwurmer ein Hydroskelett Anders als etwa Fadenwurmer haben sie jedoch einen flexibleren und besser beweglichen Hautmuskelschlauch Unter der Epidermis liegt eine aussere Ring und eine innere Langsmuskelschicht die komplexe Bewegungen ermoglicht Die Mundoffnung liegt vom Prostomium verdeckt im Metastomium Der Schlund Pharynx ist hervorstulpbar und meist bezahnt besonders bei rauberischen Arten Das Darmrohr verlauft gerade durch die Segmente und endet mit der Afteroffnung im Pygidium dem letzten Segment im Hinterende der Tiere Ein weiteres typisches Merkmal sind die Nuchalorgane bei denen es sich um paarige chemosensorische Einrichtungen im Kopfabschnitt handelt Als Negativmerkmal ist im Vergleich zu der anderen traditionellen Ringelwurmklasse den Clitellata das Fehlen eines Clitellums zu nennen Atmung und Blutgefasssystem Bearbeiten Geschlossenes Blutgefasssystem Ein Dorsalgefass und ein Ventralgefass durchziehen den Korper in Langsrichtung und stehen durch Ringgefasse miteinander in Verbindung das Ruckengefass ist kontraktil und wirkt als Herz Pro Segment befindet sich ein Paar Nephridien Zur Atmung sind oft besonders bei grosseren Arten Kiemen ausgebildet Diese sind meist als Anhange an den Parapodien zu finden Bei kleineren Arten genugt haufig die Haut oder Darmatmung diese besitzen dann keine Kiemen Sessile oder in Rohren lebende Arten haben teilweise Verhaltensweisen entwickelt um die sauerstoffarme Umgebung durch Bewegung mit sauerstoffreicherem Wasser zu versorgen oder sie haben besondere Kiemenstrukturen ausgebildet Fortpflanzung Bearbeiten Pro Segment ist ein Paar Gonaden zu finden Getrenntgeschlechtlich selten Zwitter Befruchtung geschieht ausserhalb des Korpers Trochophora LarveNervensystem und Sinnesorgane Bearbeiten Am Kopfabschnitt sitzen Prostomium Kopflappen und Peristomium Mundsegment Dort befinden sich auch die Palpen Tastorgane Antennen und Augen welche fur das Auffinden der Nahrung notwendig sind Am Prostomium sitzen chemische Sinnesorgane Nuchalorgane Das cephalisierte Zentralnervensystem besteht aus dem Ober und dem Unterschlundganglion welche uber die Schlundkonnektive mit dem Bauchmark oft lasst sich pro Segment ein Paar Ganglien finden verbunden sind Vielborster und Menschen BearbeitenGefahrlichkeit Bearbeiten Die harten Borsten dringen leicht in die menschliche Haut ein und brechen darin leicht ab Dies verursacht brennende Schmerzen und Hautreizungen Die Borsten sind nicht mit Gift versehen und der Grund fur die brennenden Schmerzen ist nicht bekannt Im Jahr 2008 wurde der Naturstoff Complanin aus Eurythoe complanata isoliert der eine entzundungsauslosende Wirkung hat In der Literatur wird dazu geraten die Borsten mittels Klebeband zu entfernen und die betroffenen Hautpartien zur Vermeidung von Sekundarinfektionen zu desinfizieren Wurmer der Gattung Glycera konnen schmerzhafte Bisse beibringen Sie verfugen uber vier Greifzangen die den Giftzahnen der Giftschlangen ahneln Mit diesen injizieren sie ein fur nicht allergisch reagierende Menschen ungefahrliches Gift Der Schmerz des Bisses ist mit dem eines Stiches durch eine Honigbiene vergleichbar Vielborster als Nahrungsmittel Bearbeiten Als einzige Art Vielborster wird der Samoa Palolo Palola viridis fur menschliche Ernahrung genutzt Dieser Wurm lebt versteckt in Hohlen und schnurt alle 353 oder 382 Tage seinen Hinterleib ab Dieser tragt die Geschlechtsorgane Die Hinterleiber treiben so in grosser Zahl gleichzeitig an die Wasseroberflache Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Paarung wird auf diese Weise erhoht Die Bewohner der Sudseeinseln insbesondere Samoas und der Fidschi Inseln fischen sie vor Sonnenaufgang als Delikatesse Sie werden roh oder auf diverse Arten zubereitet gegessen Systematik BearbeitenAdolph Eduard Grube beschrieb 1850 als erster die Appendiculata polychaeta als eine Ordnung zu der diejenigen Anneliden mit seitlichen Borstenbundeln oder Borstenkammen welche entweder neben diesen oder am Rucken oder Kopftheil allerlei weiche Anhange bald nur Lappchen bald Blatter Faden oder zusammengesetztere Organe tragen die Borsten stehen ausser zuweilen an den Korperenden mindestens zu je 8 in der Regel jedoch weit zahlreicher beisammen Zunachst im Rang einer Ordnung spater einer Klasse hat sich dieses Taxon bis heute in den Systematiken gehalten wenn auch spatestens seit den molekularbiologischen Untersuchungen von Shigeaki Kojima 1998 die Polychaeta als eine paraphyletische Gruppe ansieht aus der heraus sich Taxa wie die Pogonophora Vestimentifera beide heute Teil der Familie Siboglinidae Echiura und Clitellata entwickelt haben Molekulargenetische Untersuchungen von Torsten H Struck und anderen 2011 legen nahe dass es sich selbst die Spritzwurmer erst nach der Polychaten Familie Chaetopteridae also einer sehr basalen Gruppe der Ringelwurmer abgespalten haben Deswegen ist damit zu rechnen dass die Klasse der Vielborster aufgelost und als jungeres Synonym der Annelida eingeordnet wird Die evolutionsbiologische Debatte dreht sich um die Frage ob der angenommene gemeinsame Vorfahr der Ringelwurmer als grabender Bodenbewohner ohne Parapodien eher einem Wenigborster ahnelte oder an der Oberflache des Meeresgrundes dem Bauplan eines Vielborsters entsprach Wilfried Westheide argumentiert 1997 dass die Segmentscheidewande eine Voraussetzung fur die Entwicklung der Lateralgefasse waren und das hoch komplexe Blutgefasssystem vieler Anneliden auf das Vorhandensein von Parapodien mit Kiemen zuruckzufuhrt werden konnen also der Bauplan der Vielborster der ursprungliche sei Torsten H Struck bestatigt 2011 mit seinen Untersuchungen diese Sicht und argumentiert dass die Entwicklung der Parapodien die Evolution der Segmentierung vorangetrieben habe Die einem solchen Vorfahren ahnelnden Errantia und Sedentaria fasst er als eine von vielen Plesiomorphien gepragte Gruppe Pleistoannelida zusammen Eine vergleichsweise junge Systematik in der die Polychaeta unter Einschluss der Pogonophora und Vestimentifera innerhalb der Familie Siboglinidae noch als monophyletische Gruppe postuliert werden ist die nach Rouse amp Fauchald 1998 Palpata nbsp Der Weihnachtsbaumwurm aus der Familie der Kalkrohrenwurmer Serpulidae Canalipalpata Sabellida Siboglinidae ehemalige Tierstamme Pogonophora und Vestimentifera Sabellariidae Sabellidae Serpulidae Oweniidae Terebellida nbsp Melinninae dubita aus der Familie der AmpharetidaeAcrocirridae Flabelligeridae Cirratulidae Alvinellidae Ampharetidae Pectinariidae Terebellidae Trichobranchidae Spionida Apistobranchidae Spionidae Trochochaetidae Longosomatidae Magelonidae Poecilochaetidae Chaetopteridae Aciculata nbsp Der Bobbitwurm Eunice aphroditois aus der Ordnung der Aciculata Familie EunicidaePhyllodocida Acoetidae Aphroditidae Eulepethidae Polynoidae Sigalionidae Pholoidae Chrysopetalidae Glyceridae Goniadidae Paralacydoniidae Pisionidae Lacydoniidae Phyllodocidae nbsp Eulalia bilineata aus der Familie der Phyllodocidae Nephtyidae Nereididae Hesionidae Pilargidae Sphaerodoridae Syllidae Eunicida Amphinomidae Euphrosinidae Dorvilleidae Lumbrineridae Eunicidae Onuphidae Scolecida nbsp Rhodine bitorquata aus der Familie der Maldanidae Scolecida Scolecida Arenicolidae Maldanidae Capitellidae Opheliidae Scalibregmatidae Orbiniidae Paraonidae Questidae CossuridaeEinige Arten und Gattungen Bearbeiten nbsp Phyllodoce lineata aus der belgischen Nordsee mit Eosin gefarbtBart Feuerborstenwurm Hermodice carunculata Baumchenrohrenwurm Lanice conchilega Bobbitwurm Eunice aphroditois Eusyllis blomstrandi Gruner Meerringelwurm Nereis virens Kiemenringelwurm Scoloplos Kotpillenwurm Heteromastus filiformis Kopfchenwurm Capitella capitata Opalwurm Nephtys hombergii Osedax Palolowurmer Palola Platynereis dumerilii Polydora ciliata Riftia pachyptila Swima bombiviridis Seemaus Aphrodita aculeata Seeringelwurm Nereis diversicolor Wattwurm Arenicola marina Weihnachtsbaumwurm Spirobranchus giganteus Literatur BearbeitenAdolph Eduard Grube 1850 Die Familien der Anneliden Archiv fur Naturgeschichte Berlin 16 1 S 249 364 hier Appendiculata polychaeta S 274f Gesa Hartmann Schroder 1996 Annelida Borstenwurmer Polychaeta Tierwelt Deutschlands 58 S 1 648 Wilfried Westheide 1997 The direction of evolution within the Polychaeta Journal of Natural History 31 1 S 1 15 doi 10 1080 00222939700770011 Greg W Rouse Kristian Fauchald 1998 Recent views on the status delineation and classification of the Annelida PDF 959 kB American Zoologist 38 6 S 953 964 doi 10 1093 icb 38 6 953 Shigeaki Kojima 1998 Paraphyletic status of Polychaeta suggested by phylogenetic analysis based on the amino acid sequences of elongation factor 1 Molecular Phylogenetics and Evolution 9 2 S 255 261 DOI 10 1006 mpev 1997 0472 T H Struck C Paul N Hill S Hartmann C Hosel M Kube B Lieb A Meyer R Tiedemann G N Purschke C Bleidorn 2011 Phylogenomic analyses unravel annelid evolution Nature 471 7336 S 95 98 doi 10 1038 nature09864 PMID 21368831 Torsten H Struck 2011 Direction of evolution within Annelida and the definition of Pleistoannelida Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research 49 4 S 340 345 DOI 10 1111 j 1439 0469 2011 00640 xEinzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Gemoll Griechisch Deutsches Schul und Handworterbuch G Freytag Verlag Holder Pichler Tempsky Munchen Wien 1965 Geography of Guam Memento des Originals vom 27 Oktober 1996 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot ns gov gu ns gov gu Abgerufen am 29 Juni 2015Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Vielborster Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Informationen der Schutzstation Wattenmeer Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vielborster amp oldid 234519016