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Unter dem Begriff Berberarchitektur werden Bautypen und Einzelbauten der Berbervolker in den landlichen Regionen des sudlichen Maghreb also im Wesentlichen im Suden Libyens Tunesiens Algeriens und Marokkos zusammengefasst Bei den Bauten handelt es sich generell um dorfliche nicht religiose Konstruktionen somit unterscheiden sie sich grundsatzlich von der weitgehend arabisch islamisch gepragten stadtischen Architektur des Nordens Agadir Imhilene Antiatlas Marokko Die meisten Agadire Marokkos liegen isoliert auf Bergkuppen oder aber am Dorfrand In ihrer Nahe wurde sogar das ansonsten eher unbeliebte Kakteengestrupp als zusatzliche Verteidigungslinie vor dem geschlossenen Mauerring und den dahinter aufragenden fensterlosen Aussenwanden des Agadir stehen gelassen bzw angepflanzt Inhaltsverzeichnis 1 Lebensumstande 2 Bautypen 2 1 Ksur 2 2 Agadire 2 3 Tighremts 2 4 Wohnhohlen 3 Baumaterialien 4 Bauornamentik 5 Heutiger Zustand 6 Bedeutung 7 Siehe auch 8 Literatur 9 WeblinksLebensumstande BearbeitenObwohl es zur Geschichte und Kultur der Berber keinerlei schriftliche Zeugnisse gibt lasst sich aus den mundlichen Uberlieferungen und den erhaltenen Bauten doch einiges erschliessen In den bergigen und semiariden Regionen des sudlichen Maghreb war anders als im Norden eine dauerhafte Sesshaftigkeit der Bevolkerung nur in seltenen Fallen und meist nur fur einen Teil des Jahres November bis April gegeben Den restlichen Teil des Jahres verbrachte ein Grossteil der dorflichen Bevolkerung in Zelten auf Wanderungen mit den Viehherden Schafe und Ziegen in den hoher gelegenen Bergregionen Transhumanz In dieser Zeit blieben die Heimatdorfer die Wohnbauten mit den Ackergeraten und ein Grossteil der Ernte nahezu unbewacht zuruck In einigen Gebieten des Antiatlas und des Hohen Atlas mitsamt seinen ostlichen Auslaufern bildeten sich wahrscheinlich bereits in vorislamischer Zeit zur Abwehr von umherziehenden Nomaden rauberischen Banden oder verfeindeten Nachbardorfern bzw stammen Verteidigungsstrategien heraus die sich ganz besonders in der Architektur zeigen Nach dem Ubertritt der Berber zum Islam je nach Region im 8 bis 12 Jahrhundert anderten sich die Lebensumstande nicht und auch die Berbersprachen blieben bis in die heutige Zeit erhalten Bezeichnend ist die Tatsache dass in den Berberdorfern wenn auch zunachst nur vereinzelt Gebetsraume errichtet wurden die jedoch allesamt uber kein Minarett verfugten obwohl der Bau von Turmen technisch problemlos moglich war siehe Agadire und Tighremts Die in heutigen Berberdorfern zu findenden Minarette stammen allesamt aus der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts Eine grosse Rolle in den von Berbern bewohnten Gebieten spielte schon immer die Bewasserung der Felder mittels kleinerer oberirdischer oder grosserer unterirdischer Kanale Foggaras oder Khettaras In Bergregionen wurde auch die Terrassierung der Ackerflachen in Angriff genommen doch aufgrund des Klimawandels und der damit einhergehenden Durre sind viele der mit grossem Aufwand hergestellten Konstruktionen obsolet geworden und verfallen Bautypen BearbeitenBis ins fruhe 20 Jahrhundert hinein entstanden oft in Gemeinschaftsarbeit befestigte Dorfer ksour Agadire igoudars oder wehrhafte Wohnburgen tighremts die der Gemeinschaft bzw der in ihren Heimatdorfern zuruckbleibenden Bevolkerung meist Alte und Kranke und den Wachmannschaften ein gewisses Mass an Schutz boten Bei allen Bautypen ist ein deutliches Streben in die Hohe festzustellen Zwei oder gar Dreigeschossigkeit war die Regel Hierdurch tritt der wehrhafte Verteidigungscharakter der Bauten vor allem im Vergleich mit der meist eingeschossigen landlichen Architektur des Nordens besonders deutlich in Erscheinung Ksur Bearbeiten nbsp Ksar Hadada TunesienDer Begriff ksar Plural ksour oder dt Ksur bezeichnet im Suden Tunesiens sowohl wehrhafte Dorfer im Bergland mit einem unregelmassigen sich an die naturlichen Gelandeformationen anpassenden Grundriss z B Chenini als auch mehrgeschossige Speicherburgen mit rechteckigem oder ovalen Grundriss z B Medenine die zumeist in ebenem Gelande an den Karawanenwegen lagen und deshalb zeitweise auch als Lager und Handelsplatze genutzt wurden In Marokko wird der Begriff ausschliesslich fur wehrhafte Dorfer z B Ait Benhaddou Tizourgane verwendet Sonderfalle sind die von den regierenden Alawiden im 17 und 18 Jahrhundert erbauten koniglichen ksour in der Umgebung von Rissani mit einem geradlinigen Wegenetz Agadire Bearbeiten nbsp Tighremt im Draa Tal Marokko nbsp Matmata Tunesien Patio eines HausesDie Speicherkammern der mehrfach gesicherten Kakteengestrupp Ringmauer mit Wachturmen fensterlose Aussenwande der Speicherkammern Agadire boten jeder Familie eines Dorfes die Moglichkeit zur Lagerung von haltbaren Lebensmitteln Gerste Arganol Datteln Mandeln Honig Nusse etc und hauslichen bzw landwirtschaftlichen Geratschaften Tighremts Bearbeiten Die zumeist aus Lehm vermischt mit Pflanzenresten und kleinen Steinen errichteten uberaus imposanten meist zwei oder dreigeschossigen fensterlosen Wohnburgen tighremts boten den Familien und ihrem Vieh Schutz in der Nacht und bei Ubergriffen rauberischer Banden oder verfeindeter Stamme Mit ihren engen Treppen bzw Rampen Mobiliar war weitgehend unbekannt man sass oder schlief auf dem mit Schilfmatten und Decken selten auch mit Kissen belegten Boden waren sie vergleichsweise gut zu verteidigen Wohnhohlen Bearbeiten In den Berbergebieten Marokkos und Tunesiens finden sich vereinzelt Hohlenwohnungen die aus dem relativ leicht zu bearbeitenden Felsgestein herausgehauen wurden Sie entfalten sowohl bei sommerlicher Hitze als auch bei nachtlicher und winterlicher Kuhle eine angenehme temperaturausgleichende Wirkung Wahrend in Marokko z B in Bhalil bei Sefrou die Wohnhohlen in senkrechte Felswande hineingetrieben wurden sind die Wohnhohlen von Matmata Tunesien um einen im Erdreich versenkten Innenhof gruppiert welcher zuallererst ausgehoben werden musste Baumaterialien Bearbeiten nbsp Einfache Fischerhauser am Strand von Imsouane MarokkoZum Bau wurden nur die vor jeweils Ort vorhandenen Baumaterialien Bruchsteine oder Lehm Argan oder Mandelholzaste sowie Palmstamme und oder zweige sowie Schilf verwendet die Aussenmauern bestehen zumeist aus Stampflehm Alle Materialien blieben anders als im arabisch islamisch gepragten Norden des Maghreb weitgehend unverputzt Dachziegel wurden angesichts der sparlichen Regenfalle in den Wintermonaten nicht benotigt Fensterglas oder Metalle blieben bis ins fruhe 20 Jahrhundert hinein weitgehend unbekannt oder waren in einer auf Selbstversorgung angewiesenen Gesellschaft und in einer weitgehend geldlosen Umgebung nahezu unerschwinglich Bauornamentik BearbeitenBesonders im Suden Marokkos bildete sich sowohl bei Bruchstein als auch bei Lehmbauten eine Ornamentik heraus wie sie auch an Weberzeugnissen festzustellen ist Rauten Fischgratmuster Dreiecke Gitterformen Diese war ursprunglich nicht als Bauzier gedacht sondern hatte eine unheilabwehrende apotropaische Funktion so konnen beispielsweise die stets wiederkehrenden Rautenmotive als abstrahierte Augen und somit als Zeichen von Wachsamkeit gedeutet werden Heutiger Zustand BearbeitenNach der Befriedung der Berberstamme wahrend und nach der Kolonialzeit anderten sich die Umstande des taglichen Lebens gewaltig hinzu kam die von Jahr zu Jahr zunehmende Trockenheit In den staubigen lichtlosen und standig pflegebedurftigen Tighremts will niemand mehr leben viele vornehmlich jungere Berber wandern auf der Suche nach Arbeit in die grossen Stadte des Nordens ab die Viehwirtschaft und damit das Nomaden oder Halbnomadentum geht stark zuruck Strom und Telefonnetze werden ausgebaut und es gibt Kuhlschranke und Fernseher allenthalben So sind denn die alten Bauformen uberflussig geworden oder nicht mehr zeitgemass mit der Konsequenz dass die alte Bausubstanz zusehends verfallt und nicht mehr wie fruher restauriert wird Das Ende der traditionellen Berberarchitektur zeichnet sich somit ab nur einige wenige Bauten werden als Museen maisons traditionelles uberleben Bedeutung BearbeitenDie Berberarchitektur im sudlichen Maghreb mit ihren Ksur Tighremts Agadiren und Wohnhohlen gehort zweifellos zum Originellsten und Eindrucksvollsten was die Weltarchitektur hervorgebracht hat Uberdies bieten die verbliebenen Bauwerke tiefe Einblicke in eine vergangene Zeitepoche und in eine sich wandelnde in hohem Masse aber auch schon vergangene Kultur ganzer Volker In der Zeit der berberisch stammigen Almoraviden Almohaden und Meriniden gelangte die Stampflehmbauweise auch in den Norden Marokkos teilweise sogar nach Andalusien und diente dort beispielsweise zum Bau von Stadtmauern und Festungen kasbahs oder von Moscheen das nordlichste Beispiel ist die Kasbah von Chefchaouen aus dem 17 18 Jahrhundert Siehe auch BearbeitenBegriffeBerberzelt Atalaya Wachturm Bazina Archaologie Jedar Ghorfa Architektur AgadireAgadir Tasguent Agadir Inoumar Agadir Guimst Agadir Imi m Korn Agadir Itourhaine OrteAmtoudi Ait Kine Icht Igherm Imchiguegueln Igherm n Ougdal N Kob Skoura Timit Tioulit TizourganeLiteratur Bearbeitenzur Geschichte und Soziologie Wolfgang Neumann Die Berber Vielfalt und Einheit einer traditionellen nordafrikanischen Kultur DuMont Dokumente 2 Auflage Koln 1987 ISBN 3 7701 1298 9 Gerhard Schweizer Die Berber Ein Volk zwischen Rebellion und Anpassung 2 Auflage Verlag Das Bergland Buch Salzburg 1984 ISBN 3 7023 0123 2 zur Architektur Djinn Jacques Meunie Les greniers collectifs au Maroc In Journal de la Societe des Africanistes Bd 14 1944 ISSN 0037 9166 S 1 16 Digitalisat Djinn Jacques Meunie Greniers citadelles au Maroc Publications de l Institut des Hautes Etudes Marocaines Bd 52 ZDB ID 761596 6 2 Bande Arts et Metiers Graphiques Paris 1951 Salima Naji Greniers collectifs de l Atlas Patrimoines du Sud marocain Editions EDISUD u a Aix en Provence u a 2006 ISBN 2 7449 0645 X Herbert Popp Abdelfettah Kassah Les ksour du Sud tunesien Atlas illustre d un patrimoine Culturel Naturwissenschaftliche Gesellschaft Bayreuth 2010 ISBN 978 3 939146 04 9 Herbert Popp Mohamed Ait Hamza Brahim El Fasskaoui Les agadirs de l Anti Atlas occidental Atlas illustre d un patrimoine culturel du Sud marocain Naturwissenschaftliche Gesellschaft Bayreuth 2011 ISBN 978 3 939146 07 0 Arnold Betten Marokko Antike Berbertraditionen und Islam Geschichte Kunst und Kultur im Maghreb 5 aktualisierte Auflage DuMont Reiseverlag Ostfildern 2012 ISBN 978 3 7701 3935 4 S 109 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Berberarchitektur Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Berberarchitektur Fotos Berberarchitektur aus Stampflehm Fotos Text Berberarchitektur Fotos Ait Arbi Marokko Fotos Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Berberarchitektur amp oldid 239018396