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Der Agadir taschelhit pl ⵉⴳⵓⴷⴰⵔ igoudar ist ein burgartig ausgebautes Speicher und Lagergebaude im Gemeinschaftsbesitz einer Stammesuntergruppe Clan der Berber im Suden von Marokko Im Suden Tunesiens und im Westen Libyens werden Bauten mit ahnlicher Funktion aber anderem Aussehen als Ksur bezeichnet Agadir Imhilene oder Imhailen Antiatlas Marokko Die meisten Agadire Marokkos liegen isoliert auf Bergkuppen oder aber am Dorfrand Das haufig in ihrer Nahe anzutreffende Kaktus und Dornengestrupp gehorte zum Verteidigungskonzept Inhaltsverzeichnis 1 Wortbedeutung 2 Geschichte 3 Funktion 4 Architektur 4 1 Antiatlas 4 2 Hoher Atlas 4 3 Jbel Sirwa 5 Bedeutung 6 Heutiger Zustand 7 Regionale Verteilung 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseWortbedeutung BearbeitenAgadir sinngemass ubersetzt mit Speicherburg franzosisch grenier citadelle oder grenier fortifie englisch fortified granary hat ursprunglich in etwa die Bedeutung von Mauer oder Festung spater auch von Schatzhaus oder Bank Das Wort entstammt dem Taschelhit der Sprache der Schloh Berber und hat auch in andere Berbersprachen Eingang gefunden Das Wort wird auf den phonizischen Wortstamm gdr gesprochen wahrscheinlich gadir Bedeutung Zaun Einfassung Festung zuruckgefuhrt 1 Auf Zentralatlas Tamazight das in weiten Teilen des Hohen Atlas gesprochen wird bezeichnet man derartige Bauten meist als igherm oder tighremt Es existiert auch die weibliche Diminutivform tagadirt ⵜⴰⴳⴰⴷⵉⵔⵜ pl ⵜⵉⴳⵓⵉⴷⴰⵔ tiguidar die vor allem bei kleineren Bauten dieser Art in Gebrauch ist Geschichte BearbeitenEs ist derzeit nicht eindeutig nachweisbar wo der regional unterschiedliche Bautypus der Speicherburgen entstanden ist Allein aufgrund der Anzahl der erhaltenen Bauten kamen zwei Regionen in Frage der Suden Tunesiens bzw der Westen Libyens ksour ghorfas oder das Gebiet des westlichen Antiatlas im Suden Marokkos igoudar tiguermin Die Bewohner beider Regionen lebten uber Jahrhunderte grosstenteils als Halbnomaden Transhumanten Manchmal werden auch schwarzafrikanische Ursprunge Mali ins Spiel gebracht doch steht bei den dortigen Bauten der Speicheraspekt gegenuber dem Verteidigungsaspekt eindeutig im Vordergrund Sicher ist jedoch In den fruchtbareren Regionen des Maghreb mit uberwiegend sesshafter Bevolkerung entstanden keine Agadire Eine genaue Datierung der erhaltenen Bauten ist bislang nicht moglich die altesten durften etwa 500 bis 800 Jahre alt sein die jungsten nur etwa 150 bis 200 Jahre Uber eventuelle Vorgangerbauten ist so gut wie nichts bekannt einige wenige Speicherbauten im Hohen Atlas und im Gebiet des Jbel Siroua liegen allerdings in bzw unter schutzenden Felswanden moglicherweise eine Fruhform Funktion BearbeitenJede Ackerbau treibende Kultur fruherer Zeiten musste zwangslaufig Techniken entwickeln um die in muhseliger Arbeit erzeugten Nahrungsmittel vor Raub Nomaden und Naturgewalten Tierfrass Pilzbefall infolge von Feuchtigkeit zu schutzen Die Speicherburgen der Berber im Suden Tunesiens und im Suden Marokkos Antiatlas Hoher Atlas Jbel Siroua gehoren zum Originellsten und Eindrucksvollsten was diesbezuglich von Menschen entwickelt und geschaffen wurde Ein weiteres isoliert liegendes Exemplar ist der eng mit dem Karawanenhandel verbundene Ksar Draa in der zentralalgerischen Sandwuste Die in den unzuganglichen Bergregionen liegenden Zellen Agadire Marokkos hatten ursprunglich eine doppelte Funktion Einerseits dienten sie den als Halbnomaden lebenden Stammen als sicherer Hort Speicher fur ihre Wertgegenstande Nahrungsmittel Hausrat Werkzeug Familiendokumente in der Zeit der alljahrlichen Wanderungen mit den Viehherden Schafe Ziegen in die hoher gelegenen Bergregionen Wahrend dieser Zeit wurden die Agadire von einer Wachmannschaft verteidigt Andererseits waren sie in Zeiten von Ubergriffen anderer Berberstamme Fehden Razzien ein letzter Zufluchtsort Burg der Dorf oder Stammesgemeinschaft Doch auch in Friedenszeiten fungierten sie als zentraler unantastbarer Ort fur das gemeinschaftliche Leben so hat beinahe jeder Agadir im Eingangsbereich zwei gegenuberliegende Bankreihen wo die Dorf oder Stammesaltesten sich beraten und Entscheidungen manchmal auch Gerichtsurteile fallen konnten nbsp Ksar Hadadda TunesienIn einigen Agadiren hat sich auch ein einfacher Gebetsraum ohne Minarett erhalten selbst eine kleine Gefangniszelle ist manchmal noch zu sehen In unmittelbarer Nahe der Agadire finden sich oft uberwolbte Zisternen matfiyas die nicht nur die Wasserversorgung der Wachmannschaft sondern in Krisen oder Trockenzeiten die des ganzen Dorfes sicherten Bei alledem handelt es sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um ursprungliche sondern um spater hinzugekommene Aufgaben Viele der zumeist turmlosen Speicherburgen ksour Sudtunesiens und Westlibyens deren gewolbte Kammern ghorfas in zwei bis vier Geschossen um weitraumige Innenhofe herum gebaut sind dienten auch als Handelsplatze und Karawansereien Aufgrund ihrer Lage an wichtigen Handelsstrassen und in offenem leicht zuganglichem Gelande ist anzunehmen dass diese Funktionen bereits zur Zeit ihrer Planung mitkonzipiert waren Architektur BearbeitenAlle Agadire sind lokale Gemeinschaftsbauten in einer nach den Prinzipien der individuellen Selbstversorgung und Selbstverantwortung ausgerichteten Lebenswelt Antiatlas Bearbeiten Die grosseren oft einzeln auf Hugeln stehenden Agadire im Antiatlas z B der Agadir Inoumar wurden von mehreren Dorfern bzw von einem ganzen Stammesverband errichtet und genutzt wahrend die kleineren meist am Rand oder inmitten eines Dorfes stehenden Agadire im gemeinsamen Eigentum der Familien dieses Dorfes standen An vielen Agadiren wurde uber Jahrhunderte gebaut Bei Bedarf wurden sie erweitert was sich an der verwendeten Modulbauweise gut ablesen lasst Ein Bauteil besteht normalerweise aus drei ubereinander liegenden Kammern mit eigenen Aussenwanden auch ein komplett neuer Bauflugel konnte einem bestehenden Agadir hinzugefugt werden Auf Grund ihrer Funktion als Wehrbauten haben nahezu alle Agadire des Antiatlas eine Einfassungsmauer einen oder mehrere freistehende oder an den Bau angelehnte Wach bzw Wehrturme mit quadratischem Querschnitt und hohe fensterlose Aussenwande mit Luftungsoffnungen bzw Schiessscharten in den oberen Speicherkammern Die Mauern wurden aus kleineren und grosseren Steinen wie sie uberall in der Umgebung in Massen zu finden sind handwerklich perfekt ohne Verwendung von Mortel aufgerichtet Einige Bauteile wurden im 20 Jahrhundert zum Schutz vor Auswaschungen und somit zur Stabilisierung mit einem Aussenputz versehen nbsp Agadir Imhilene oder Imhailen Antiatlas Marokko nbsp Agadir Turen im Dar Si Said Museum MarrakeschWahrend die Agadire des westlichen Anti Atlas die bis auf wenige Ausnahmen ostlich der Strasse Biougra Tafraoute stehen nahezu ausnahmslos uber geradlinig verlaufende Gange verfugen ist dies bei den weiter ostlich Agadir Tasguent bzw weiter sudlich Agadir Agellouy bei Amtoudi gelegenen Bauten eher selten der Fall hier uberwiegen unregelmassige Formen die sich durch ihre exponierte Lage auf Felsspornen oder Hugelspitzen ergaben in ebenem Gelande sind auch runde oder quadratische Speicherburgen Hofagadire anzutreffen Das Innere der Zeilen Agadire z B Agadir Tasguent Agadir von Imchiguegueln ist gepragt durch einen oder mehrere schluchtartige Gange mit zahlreichen beidseitig uber Trittsteine asekfel pl isoukfal erreichbaren Kammern die zumeist in drei ubereinander liegenden Ebenen angeordnet sind auch zwei oder vier Etagen sind moglich Bei den in Marokko eher seltenen Hof Agadiren z B Agadir Id Aissa bei Amtoudi oder der Agadir von Ait Kine eine Gruppe befindet sich in der Umgebung von Igherm und Tleta Tagmoute sind die Kammern um einen grossen Innenhof herum angeordnet und zumeist uber versetzbare Leitern bzw mit Einkerbungen versehene Baum oder Palmstamme zuganglich Die Kammern sind ca 6 bis 8 m tief ca 1 50 bis 2 m breit und nur ca 1 60 m hoch Die Kammern im Erdgeschoss haben zum Schutz gegen aufsteigende Bodenfeuchte oft ein ca 20 cm hohes Podest Die Decken bzw Boden der oberen Zellen bestehen aus krummen aber ausserst haltbaren Arganholzasten mit einer Abdeckung aus Schilfrohr und Erde Die kleinen nur ca 1 20 bis 1 40 m hohen fruher mit komplizierten Holzschlossern gesicherten Turen waren aus gebeilten spater gesagten Argan oder Mandelholzbalken und brettern gefertigt und oft mit geometrischen Ornamenten Rauten Dreiecke etc verziert die ursprunglich wohl eine unheilabwehrende apotropaische Bedeutung hatten einige besonders reich verzierte Exemplare werden in marokkanischen Museen gezeigt andere dagegen in Antiquitatenladen verkauft Auf halber Hohe neben dem Turrahmen sieht man oft ein Loch im Mauerwerk das zum Aufschliessen der ehemals innen befindlichen Turschlosser diente durch welches aber auch Katzen zwecks Mausevertilgung in die Kammern gelangen konnten Hoher Atlas Bearbeiten nbsp Agadir von Igherm n Ougdal Hoher Atlas MarokkoDie Speicherburgen des ostlichen Antiatlas z B Ait Kine und des Hohen Atlas z B Ighrem n Ougdal sind dagegen meist in sich geschlossene Bauten die keine Erweiterungen zulassen Auf dem Hintergrund besonderer klimatischer und materieller Rahmenbedingungen haben sich hier auch andere Bauweisen durchgesetzt Uber einer felsigen bzw steinernen Sockelzone erhebt sich der meist aus Stampflehm vermischt mit kleinen Steinen und Pflanzenresten errichtete Bau Eine separate Umfassungsmauer ein grosser Innenhof und Zisternen fehlen die Turme sind wie bei den Tighremts in den Baukorper integriert oder fehlen ganz wie in Ibakliwin oder im Anergui Tal Schiessscharten die auch eine Funktion als Luftungsoffnungen hatten sind in der Regel vorhanden Die Speicherkammern im Innern waren ursprunglich weder uber Trittsteine noch uber Treppen erreichbar sondern uber versetzbare Holz oder Palmstamme mit eingekerbten Stufen sowie uber umlaufende Gange Da im Hohen Atlas keine Arganbaume oder Dattelpalmen wachsen bilden meist Aste aus Mandel Nussbaum oder Pappelholz die Grundlage fur die Decken bzw Boden Eindrucksvolle Sonderfalle sind die im Schutz einer hohen Felswand errichteten und nur schwer erreichbaren Speicherkammern in der Aoujgal Schlucht sowie die Hohlenspeicher bei Tazlaft im Ounila Tal nbsp Agadir Tizgui Jbel Siroua Marokko nbsp Agadir Ifri Jbel Siroua MarokkoJbel Sirwa Bearbeiten Auch in den abgelegenen Gebieten des Jbel Sirwa oder Jbel Siroua finden sich zahlreiche jedoch meist arg zerstorte Agadire Einige wenige nahezu fensterlose Speicherbauten wurden unter Felsvorsprungen errichtet Tizgui Ifri was sowohl aus klimatischen als auch aus Verteidigungsgrunden von grossem Vorteil war Die aus kleinen Steinen zusammengesetzten Bauten befinden sich in sehr gutem Erhaltungszustand Bedeutung BearbeitenIn Anbetracht des Nichtvorhandenseins schriftlicher Aufzeichnungen gewahren die Agadire Sudmarokkos bzw die Ksur Sudtunesiens einzigartige Einblicke in andere Zeiten und in Lebensumstande wie sie fur viele Berber uber Jahrhunderte hin charakteristisch und pragend waren Angesichts ihrer zentralen Funktionen im Gemeinschaftsleben eines Dorfes oder Stammes wurden sie als heilige und unantastbare Orte angesehen Zumindest ein Agadir im Hohen Atlas ist denn auch eng mit dem Grab eines lokalen bis auf den heutigen Tag verehrten Heiligen Marabouts verbunden der auf einer Bergkuppe gelegene Agadir Sidi Moussa bei Timit im Ait Bougoumez Tal Auch beim Agadir Tasguent wird vereinzelt eine derartige Konstellation erwahnt Der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen ist jedoch nicht nachzuprufen es handelt sich hierbei wohl zumeist um Legenden die gleichwohl die uber Jahrhunderte tradierte Achtung der Menschen vor diesen Bauten verdeutlichen Heutiger Zustand BearbeitenIn fruheren Zeiten wurden Schaden an den Speicherburgen stets unverzuglich ausgebessert doch die Befriedung der Berberstamme sowie die allgemeine Modernisierung der Lebensumstande wahrend und nach der Protektoratszeit haben diese einstmals fur die Kultur der Berber so charakteristischen Bauten funktionslos werden lassen Infolge von Naturgewalten Regenfalle Sturme sowie der Uberalterung der Holzer sind einige Kammern in sich zusammengefallen was unweigerlich weitere Schaden zur Folge hat Viele der Bauten sind bereits arg verfallen z B Agadir Guimst Regionale Verteilung BearbeitenIm Antiatlas stehen die meisten und wahrscheinlich auch altesten Agadire Marokkos ostlich von Ait Baha Agadir Inoumar Agadir Imi m Korn Imchiguegueln und nordlich von Ait Abdallah Agadir Tasguent Agadir Itourhaine Weitere Speicherburgen finden sich etwas weiter sudostlich bei Igherm Ait Kine sowie im Gebiet des Jbel Sirwa Tizgui Eine kleine aber hochst sehenswerte Gruppe befindet sich bei Amtoudi Im Hohen Atlas gibt es nur einzeln stehende Agadire wie in Igherm n Ougdal kleinere Gruppen bilden allerdings auch die Bauten im Ait Bougoumez Tal Timit Ibakliwin im Anergui Tal und im Ahansal Tal Hochst originell sind die Felsenspeicher von Aoujgal Die uberwiegende Zahl der Ksur Sudtunesiens Ksar Ouled Soltane Ksar Haddada Ksar Ouled Debbab Gattoufa Metameur mit ihren gewolbten Speicherkammern ghorfas findet sich in der naheren und weiteren Umgebung der Stadte Medenine und Tataouine Die architektonisch ganz ahnlich konstruierten Ksur Westlibyens Nalut Qasr el Hadj Cabao und Qasr Bou Neran befinden sich nordostlich von Ghadames Auch im algerischen Aures Gebirge gab es ahnliche Bauten die jedoch bis auf wenige Reste ausnahmslos verschwunden sind Der mitten in einer Sandwuste errichtete Ksar Draa bei Timimoun ist aus Bruchsteinen errichtet Siehe auch BearbeitenBerberarchitekturLiteratur BearbeitenD Jacques Meunie Les greniers collectifs au Maroc Paris 1944 D Jacques Meunie Greniers citadelles au Maroc Paris 1951 Salima Naji Greniers collectifs de l Atlas Paris 2006 ISBN 978 9981 896 89 5 Herbert Popp Mohamed Ait Hamza Brahim El Fasskaoui Les agadirs de l Anti Atlas occidental Atlas illustre d un patrimoine culturel du Sud marocain Naturwissenschaftliche Gesellschaft Bayreuth 2011 ISBN 978 3 939146 07 0 Herbert Popp Abdelfettah Kassah Les ksour du Sud tunesien Naturwissenschaftliche Gesellschaft Bayreuth 2010 ISBN 978 3 939146 04 9 Arnold Betten Marokko Antike Berbertraditionen und Islam Geschichte Kunst und Kultur im Maghreb DuMont Ostfildern 2012 ISBN 978 3 7701 3935 4 S 119ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Agadire Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Speichergebaude in Marokko Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Ksour in Tunesien Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Arnold Betten Agadire Speicherburgen Igoudars Agadire in Marokko Memento vom 6 Dezember 2016 im Internet Archive Andreas Conrad Speicherburgen Agadir Igoudar Vergessene Schatze im Berberland Michel Grenier Les Greniers d Amtoudi franzosisch Fotos Agadire Fotos Memento vom 14 Januar 2015 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Zuzana Malaskova Vaclav Blazek Phoenician Punic loans in Berber languages and their role in chronology of Berber Abstract zu Rethinking Africa s transcontinental continuities in pre and protohistory Leiden 2012 Archivierte Kopie Memento vom 3 Dezember 2013 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agadir Speicherburg amp oldid 236665716