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Der Begriff atlantischer Dreieckshandel bezeichnet ein Modell fur den uber den Atlantischen Ozean betriebenen Warenhandel zwischen Europa Afrika und Amerika in der Fruhen Neuzeit der zugleich eine Spezialform des atlantischen Sklavenhandels gewesen sein soll Heute ist es umstritten ihm wird eine zu starke Vereinfachung der tatsachlichen Ablaufe vorgeworfen Dreieckshandel Schematische Darstellung Beispiel 1 Afrika Amerika Europa Dreieckshandel Schematische Darstellung Beispiel 2 Afrika Sudamerika Nordamerika Afrika Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung des Modells 2 Modell des Dreieckshandels 3 Geschichte 4 Akteure 5 Kritik 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntstehung des Modells BearbeitenDie alteste belegte Verwendung der Idee des Dreieckshandels wird beim New Yorker Bibliothekar der New York Historical Society George Henry Moore in seinem 1866 veroffentlichten Buch Notes of the History of Slavery in Massachusetts 1 gesehen Die Idee wurde von George C Mason in seinem Artikel The African Slave Trade in Colonial Times von 1872 weiterentwickelt wobei seine wichtigste Quelle ein gutes Dutzend Briefe von Captain David Lindsay ab 1753 waren der die Reisen auf seinen Schiffen Sanderson und Sierra Leone beschrieb mit denen er mehrfach eine Dreiecksroute von Newport Rhode Island nach Afrika und die Karibik fuhr Dieser Einzelfall wurde in den folgenden Jahren von anderen Autoren aufgegriffen Popularisiert wurde die Idee 1900 als der Journalist John R Spears sein Buch The American Slave Trade veroffentlichte in dem er auch Lindsays Briefe als Quelle verwendete Heutige Historiker werfen diesen Autoren einen nachlassigen Umgang mit historischen Quellen und voreilige Schlusse aus Berichten uber Einzelfalle vor 2 Modell des Dreieckshandels BearbeitenIdealtypisch geht das Modell von drei Stationen des Handels aus die eine geschlossene Kette bildeten aus Europa kamen Fertigwaren wie Feuerwaffen Stahl und Bronzebarren grobes Tuch Glasperlen und Manufakturwaren diese Guter wurden in Afrika gegen Sklaven eingetauscht vor allem an der westafrikanischen Kuste zwischen dem heutigen Liberia und Kamerun bis weiter nach Angola 3 wo lokale Handler Sklavenmarkte abhielten die Sklaven wurden in Sudamerika vor allem Brasilien 3 der Karibik und Nordamerika insbesondere an Plantagenbesitzer verkauft die mit diesen billigen Arbeitskraften profitabel wirtschaften konnten Vom Erlos wurden Plantagenprodukte und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse erworben in Sudamerika und der Karibik eher Zuckerprodukte grober Rohrzucker Rum und Melasse spater auch Kaffee in Nordamerika zunachst vor allem Tabak dann auch Baumwolle Indigo und Reis Diese wurden nach Europa transportiert und dort mit Gewinn verkauft Neben Plantagenprodukten spielten auch Gold und Silber eine Rolle Eine Besonderheit bildeten die als Schiffsballast aus Europa mitgefuhrten Pflastersteine vorwiegend aus Granit Sie wurden in Europa uberwiegend von Straflingen aus Lesesteine auf funf Seiten zugeschlagen und in Sudamerika und in der Karibik an die Plantagenbesitzer verkauft Damit wurden Wege und Stadtstrassen befestigt Ein gutes Beispiel hierfur ist das Altstadt Pflaster von Trinidad auf Kuba Das nun fehlende Gewicht der Ballaststeine wurden durch Fasser mit Rum Melasse und Zucker ersetzt Nach der einfachsten Version des Modells fuhren Segelschiffe aus einem Heimathafen in Europa im Oktober los und erreichten nach einigen Wochen Westafrika Von dort brachen sie etwa Anfang Dezember nach Amerika auf Ab April segelten die Schiffe in ihre Heimathafen zuruck und kamen dort im europaischen Fruhsommer an Dieses einfache Modell wurde spater korrigiert s Abschnitt Kritik In zeitlicher Anpassung an die sich jahreszeitlich verlagernden Passatzonen wurden bei einem Dreieckshandel die Trade Winds die Meeresstromungen und die sich ebenfalls verlagernde Westwindzone genutzt Fahrten im Dreieckshandel konnten je nach Gebieten insgesamt bis zu uber 500 Tage dauern Ein Beispiel fur die unterschiedliche Reisedauer der Sklavenschiffe sind die Fahrten der Leusden einem Schiff der Niederlandischen Westindien Kompanie Geschichte BearbeitenDas System des Dreieckshandels entstand nach diesem Modell mit der Entdeckung Amerikas 1492 Seit 1501 sind erste Sklaventransporte nach Amerika und Rohstofftransporte nach Europa dokumentiert 4 1517 legalisierte Kaiser Karl V den Sklavenhandel in die spanischen Kolonien Ab 1619 wurde Nordamerika in das System eingebunden in diesem Jahr verkauften niederlandische Handler in der ersten britischen Kolonie Jamestown die ersten Sklaven was zur Sicherung der 1611 begonnenen Tabakexporte nach Grossbritannien beitrug 5 Dem Modell folgend nahm der Dreieckshandel im 17 Jahrhundert an Bedeutung zu erreichte seinen Hohepunkt im 18 Jahrhundert und nahm im Zuge der Industrialisierung ab als nach und nach der Sklavenhandel und die Sklavenhaltung verboten wurden die zentraler Bestandteil des Modells sind Der Dreieckshandel sei in dieser Phase allmahlich durch andere Muster des transatlantischen Handels ersetzt worden Akteure BearbeitenAm Handel waren fast alle europaischen Kustenlander beteiligt portugiesische franzosische niederlandische und englische Handelskompanien vor allem aber die englische Royal African Company die den verschiedenen Kolonien Sklaven verkaufte Die Ende des 17 Jahrhunderts aktive deutsche Brandenburgisch Afrikanische Compagnie war zu 0 15 bis 0 2 Prozent am rund vierhundertjahrigen Dreieckshandel mit Sklaven beteiligt 6 Ab Mitte des 17 Jahrhunderts beteiligte sich auch Danemark am transatlantischen Dreieckshandel Zunachst war der Handel durch Privilegien nur Kopenhagener Kaufleuten vorbehalten 1671 fand die erste danische Niederlassung in der Karibik auf der Insel St Thomas statt 1726 und 1733 folgten St John und St Croix Ab 1755 wurde der danische Konig Landherr uber die Kolonien wodurch der Handel an Fahrt aufnahm anderen Stadten auch den Handel mit Danisch Westindien erlaubte und die florissante Zeit Danemarks begann welche bis 1783 dem Ende des amerikanischen Unabhangigkeitskrieges dauerte 7 Diese liegt in der Neutralitat Danemarks in den kriegerischen Handlungen der Zeit begrundet Ab 1803 war der Sklavenhandel allen Danen verboten Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich endete die starke Phase der transatlantischen Handelsbeziehungen Danemarks Auf afrikanischer Seite waren die Gebiete der heutigen Staaten Senegal Nigeria Ghana Benin Kongo und Angola in das System eingebunden Hauptbeteiligte waren afrikanische Stamme bzw Staaten wie das Konigreich Aschanti Ghana oder das Konigreich Dahomey Benin die auf Kriegszugen von ihren Nachbarn Sklaven erbeuteten Diese wurden an die Kuste gebracht und dort von einheimischen Zwischenhandlern an die Europaer verkauft Der Handel fand teils in befestigten Vorposten der Europaer statt wie dem franzosischen Goree Senegal oder dem preussischen Gross Friedrichsburg Ghana 8 Afrikanische Konigreiche mit Zugang zu diesem Handelssystem profitierten davon okonomisch und durch die europaischen Feuerwaffen auch militarisch Die Zahl der aus Afrika entfuhrten Menschen wird auf ca 9 Millionen geschatzt Am Hohepunkt des Systems im 18 Jahrhundert sollen jahrlich rund 55 000 Sklaven nach Amerika verschifft worden sein Aufgrund der brutalen Bedingungen auf den Sklavenschiffen war die Sterblichkeit sehr hoch weshalb nur Schatzungen vorliegen In allen Zielgebieten wehrten sich die Sklaven immer wieder entkamen manche den Plantagen und grundeten im Hinterland versteckte Dorfer Haufig vermischten sie sich mit den dortigen Indigenen zu Maroons und leisteten teils militarischen Widerstand der in einigen entlegenen und schwer zuganglichen Gebieten wie z B dem Hinterland Dominicas uber Jahrhunderte moglich war Kritik BearbeitenBegriff und Modell des Dreieckshandels werden heute als unangemessen und nicht neutral kritisiert So kritisiert die Journalistin Nadja Ofuatey Alazard dieser Begriff reihe versklavte Menschen in eine Verwertungkette mit Waren ein und mache sie sprachlich zu Dingen Kommodifizierung Auch verschleiere dieser Begriff die Ausmasse der Versklavung und deren rassistische Grundlage 9 Der amerikanische Historiker Gilman M Ostrander nennt den Dreieckshandel einen Mythos der erfunden worden sei um die Heuchelei der puritanischen Siedler Neuenglands zu entlarven die fromm fur ihr Seelenheil beteten wahrend sie gleichzeitig mit den Seelen und Korpern anderer Menschen Handel trieben 10 In der Wissenschaft werden vor allem drei Aspekte kritisiert Zum einen wird die strenge Vorstellung einer Dreiecksroute korrigiert 11 Die Vorstellung dass einzelne europaische Schiffe das gesamte Dreieck abgefahren waren wird u a mit dem Hinweis auf die unterschiedliche Bauweise von spezialisierten Sklavenschiffen und normalen Handelsschiffen als sehr unwahrscheinlich eingeschatzt Die meisten Sklavenschiffe waren fur den Massentransport von Kolonialwaren gar nicht ausgelegt Sie fuhren mit wenig Ladung oder nur mit Ballast zuruck nach Europa Wenn es also einen Dreieckshandel gab so war der Schenkel zwischen der Karibik und Europa nur schwach ausgepragt 12 Auch die Quellen zu den Schifffahrtsrouten zeigen dass nur ein geringer Teil der europaischen Afrikafahrten im Rahmen des Dreieckshandels ablief So gab der amerikanische Archivar Clifford K Shipton 1963 an er habe in den Akten kein einziges Schiff finden konnen das die Dreiecksroute gefahren ware 13 Ein grosserer Teil des Handels lief in direkten Handelsbeziehungen zwischen jeweils zwei der gedachten Ecken direkter Handel Europa Karibik Zwischen 1671 und 1807 segelten 95 Prozent der etwas uber 3 000 Schiffe die von Danemark Norwegen und Schleswig Holstein in Richtung Westindien ausliefen auf direktem Wege in die Karibik und zuruck Von den insgesamt nur 229 bis zum Jahr 1754 unternommenen Fahrten waren noch 87 auf der Dreiecksroute verlaufen 14 direkter Handel Europa Afrika Europaische Schiffe hatten zum Beispiel Sklaven an der Sklavenkuste gekauft um sie an der Goldkuste an afrikanische Machthaber zu verkaufen und beladen mit Gold nach Europa zuruckzukehren direkter Handel Amerika Afrika Weil der Sklavenhandel sehr eintraglich war pendelten Segelschiffe die nur zum Transport von Sklaven gebaut worden waren auf direktem Kurs zwischen Afrika und Sudamerika Zwischen Brasilien und Afrika etwa pendelten Schiffe und transportierten Waren in die eine und versklavte Menschen in die andere Richtung Portugiesische oder andere europaische Hafen steuerten sie nicht an Michael Zeuske nennt die These es habe einen Dreieckshandel gegeben deshalb einen nicht ausrottbaren Diskurs 15 Zum zweiten klammere die Bezeichnung den Sklavenhandel innerhalb Afrikas aus und verschleiere den Vorgang der Versklavung selbst der ebenfalls von Afrikanern vorgenommen wurde Afrikaner erschienen in der klassischen Erzahlung vom Dreieckshandel nur als passive Opfer nicht aber auch als Tater Dabei sei davon auszugehen dass afrikanische Akteure uber erhebliche Handlungsmacht verfugten die es ihnen ermoglichte bis ins letzte Drittel des 19 Jahrhunderts ihre Souveranitat beizubehalten und Afrika von direkter Besetzung durch die Europaer weitgehend freizuhalten 16 Drittens klammert nach dem Historiker Matthias Middell die Vorstellung eines Dreieckshandels die eigentliche Antriebskraft des Vorgangs aus die ostasiatische Nachfrage nach dem Silber aus den Bergwerken Sudamerikas 16 Der Erziehungswissenschaftler Roland Bernhard und die Historikerin Jutta Wimmler schlagen vor auf den Terminus Dreieckshandel konsequent zu verzichten 17 Literatur BearbeitenChristian Degn Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel Gewinn und Gewissen 3 unveranderte Auflage Wachholtz Neumunster 2000 ISBN 3 529 06148 4 Armin Fischer Die Sklaventransporter Das Dreiecksgeschaft zwischen Europa Afrika und Amerika mit Zucker und Sklaven In Mare Die Zeitschrift der Meere 1 1997 ISSN 1432 928X S 84 88 Jean Meyer Esclaves et Negriers Gallimard Decouvertes Paris 1998 ISBN 2 07 053018 3 Decouvertes Gallimard Histoire 11 Raymond Marin Lemesle Le commerce colonial triangulaire XVIIIe XIXe siecles Presses universitaires de France Paris 1998 ISBN 2 13 049340 8 Que sais je 3393 Olivier Petre Grenouilleau La traite des noirs 2 edition corrige Presses universitaires de France Paris 1998 ISBN 2 13 048415 8 Que sais je 3248 Gilman M Ostrander The Making of the Triangular Trade Myth In The William and Mary Quarterly 30 Heft 4 1973 S 635 644 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Atlantischer Dreieckshandel Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Der DreieckshandelEinzelnachweise Bearbeiten George Henry Moore Notes of the History of Slavery in Massachusetts Appleton New York 1866 abgerufen am 11 Juli 2022 englisch Gilman M Ostrander The Making of the Triangular Trade Myth In The William and Mary Quarterly Vol 30 No 4 Oct 1973 pp 635 644 Omohundro Institute of Early American History and Culture 1973 abgerufen am 11 Juli 2022 englisch a b Karte 1 Uberblick uber den Sklavenhandel aus Afrika 1500 1900 bei www slavevoyages org Transatlantischer Sklavenhandel und Dreieckshandel Post kolonialismus und Globalgeschichte Bundeszentrale fur politische Bildung 29 Juni 2017 archiviert vom Original am 10 Juli 2022 abgerufen am 10 Juli 2022 20 August 1619 Erste Sklaven aus Afrika erreichen Nordamerika Westdeutscher Rundfunk WDR 20 August 2014 archiviert vom Original am 10 Juli 2022 abgerufen am 10 Juli 2022 Siehe Andrea Weindl Die Kurbrandenburger im atlantischen System 1650 1720 In Arbeitspapiere zur Lateinamerikaforschung II Iberische und Lateinamerikanische Geschichte II 03 PDF S 67 Christian Degn Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel 3 Auflage Neumunster 2000 Spektrum der Wissenschaften Dreieckshandel In Lexikon der Geographie Archiviert vom Original am 10 Juli 2022 abgerufen am 10 Juli 2022 Nadja Ofuatey Alazard Die europaische Versklavung afrikanischer Menschen In dieselbe und Susan Arndt Hrsg Wie Rassismus aus Wortern spricht K Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutscher Sprache Ein kritisches Nachschlagewerk Unrast Verlag Munster 2015 S 112 Gilman M Ostrander The Making of the Triangular Trade Myth In The William and Mary Quarterly 30 Heft 4 1973 S 635 644 Zum Folgenden siehe Roland Bernhard und Jutta Wimmler Dreieckshandel Glasperlen und Gender Mythische Narrative zum transatlantischen Sklavenhandel in aktuellen deutschen und osterreichischen Schulbuchern In Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 70 Heft 3 4 2019 S 149 164 das Zitat S 163 Herbert S Klein The Atlantic Slave Trade 2 Auflage Cambridge University Press Cambridge u a 2010 ISBN 978 0 521 76630 2 S 97 f Zitiert bei Ronald Bailey The Slave ry Trade and the Development of Capitalism in the United States The Textile Industry in New England In Social Science History Bd 14 Nr 3 1990 S 373 414 hier S 406 Anm 8 Dieter Lohmeier Sklaven Zucker Rum Danemark und Schleswig Holstein im Atlantischen Dreieckshandel Ausstellung der Schleswig Holsteinischen Landesbibliothek vom 20 Februar bis 10 April 1994 Schriften der Schleswig Holsteinischen Landesbibliothek Band 18 Heide Holstein 1994 Michael Zeuske Sklavenhandler Negreros und Atlantikkreolen Eine Weltgeschichte des Sklavenhandels im atlantischen Raum Walter de Gruyter Berlin Boston 2015 ISBN 978 3 11 042267 2 S 13 hier das Zitat und 21 a b Matthias Middell Weltgeschichte erzahlen Das Beispiel der Cambridge World History In Gabriele Lingelbach Hrsg Narrative und Darstellungsweisen der Globalgeschichte Walter de Gruyter Berlin Boston 2022 ISBN 978 3 11 074306 7 S 101 128 hier S 110 Roland Bernhard und Jutta Wimmler Dreieckshandel Glasperlen und Gender Mythische Narrative zum transatlantischen Sklavenhandel in aktuellen deutschen und osterreichischen Schulbuchern In Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 70 Heft 3 4 2019 S 149 164 hier S 163 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Atlantischer Dreieckshandel amp oldid 237524778