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Als Anschlussverbot wird die erstmals nach dem Ersten Weltkrieg im Friedensvertrag von Versailles und dem Vertrag von Saint Germain im Jahr 1919 festgelegte Bestimmung bezeichnet die einen Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich ausschloss Osterreich durfte seine Unabhangigkeit demnach nur mit Zustimmung des Volkerbundes aufgeben und hatte alles zu unterlassen das diese Unabhangigkeit gefahrden konnte Erneut bekraftigt wurde das Anschlussverbot mit den Genfer Protokollen des Jahres 1922 und dem Protokoll von Lausanne von 1932 Nachdem der Anschluss an das inzwischen nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 auch militarisch erzwungen wurde und Osterreich bis 1945 Teil des somit Grossdeutschen Reiches geworden war wurde im Osterreichischen Staatsvertrag mit dem das Land 1955 wieder seine Souveranitat erlangte ein explizites Verbot des Anschlusses festgehalten Inhaltsverzeichnis 1 Vertrage 1919 1920 2 Genfer Protokolle 1922 3 Versuch der Zollunion 1931 4 Ereignisse ab 1933 5 Moskauer Deklaration 1943 6 Staatsvertrag 1955 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseVertrage 1919 1920 BearbeitenAuf Verlangen Frankreichs 1 wurde im Friedensvertrag von Versailles der am 10 Januar 1920 in Kraft trat Deutschland und Osterreich ein Zusammenschluss mit dem sie ihre Gebietsverluste hatten kompensieren konnen versagt Deutschland musste die Unabhangigkeit Osterreichs anerkennen Artikel 80 des Vertrages lautet Deutschland erkennt die Unabhangigkeit Osterreichs innerhalb der durch Vertrag zwischen diesem Staate und den alliierten und assoziierten Hauptmachten festzusetzenden Grenzen an und verpflichtet sich sie unbedingt zu achten es erkennt an dass diese Unabhangigkeit unabanderlich ist es sei denn dass der Rat des Volkerbunds einer Abanderung zustimmt Fur Osterreich wurde das Unabhangigkeitsgebot im Staatsvertrag von Saint Germain en Laye 2 in Kraft getreten am 16 Juli 1920 festgehalten Das Anschlussverbot wurde Osterreich bereits vor dem Sommer 1919 von britischer Seite deutlich gemacht der Sozialdemokrat Otto Bauer als Staatssekretar des Aussern und stellvertretender Vorsitzender seiner Partei Motor der Verhandlungen mit Deutschland trat daraufhin im Juli 1919 zuruck Auf Intervention der Siegermachte wandte sich die Staatsregierung gegen in einzelnen Bundeslandern veranstaltete bzw geplante Abstimmungen zu diesem Thema Staatskanzler Karl Renner unterzeichnete den Vertrag von Saint Germain mangels geeigneter Alternativen am 10 September 1919 mit seiner Ratifizierung durch die Konstituierende Nationalversammlung am 21 Oktober 1919 legte das Land den Staatsnamen Deutschosterreich ab und bezeichnete sich fortan vertragsgemass als Republik Osterreich Artikel 88 des Vertrages von Saint Germain lautet Die Unabhangigkeit Osterreichs ist unabanderlich es sei denn dass der Rat des Volkerbundes einer Abanderung zustimmt Daher ubernimmt Osterreich die Verpflichtung sich ausser mit Zustimmung des gedachten Rates jeder Handlung zu enthalten die mittelbar oder unmittelbar oder auf irgendwelchem Wege namentlich bis zu seiner Zulassung als Mitglied des Volkerbundes im Wege der Teilnahme an den Angelegenheiten einer anderen Macht seine Unabhangigkeit gefahrden konnte Genfer Protokolle 1922 BearbeitenErneut bekraftigt wurde das Anschlussverbot in den vom christlichsozialen osterreichischen Bundeskanzler Ignaz Seipel unterzeichneten Genfer Protokollen vom 4 Oktober 1922 eine der Voraussetzungen fur die Gewahrung von Anleihen des Volkerbundes in Hohe von 650 Millionen Goldkronen an Osterreich Die Sozialdemokraten polemisierten gegen diese Vereinbarungen heftig stimmten aber letztlich im Nationalrat nicht gegen die verfassungsandernden Vertrage die finanzielle Entscheidungen Osterreichs fur einige Zeit internationaler Kontrolle unterwarfen Versuch der Zollunion 1931 BearbeitenDie am 19 Marz 1931 vereinbarte Zollunion Deutschland Osterreich wurde auf Basis der Vertrage von Saint Germain und Versailles vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag am 5 September 1931 untersagt Zwei Tage vorher hatten die Regierungen Deutschlands und Osterreichs von sich darauf verzichtet das Zollunionsprojekt weiter zu verfolgen 3 Im Protokoll von Lausanne vom Juli 1932 bestatigte die osterreichische Regierung noch einmal auf Bestrebungen einer Vereinigung mit dem Deutschen Reich zu verzichten Ereignisse ab 1933 BearbeitenAls im Deutschen Reich 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde widerrief die osterreichische Sozialdemokratie ihren Anschlusswunsch Hitler begann mit Destabilisierungsaktionen gegen den 1934 errichteten diktatorischen Standestaat Dollfuss und Schuschniggs den Anschluss vorzubereiten Dieser wurde vom 11 bis 13 Marz 1938 in einer Aktion osterreichischer Nationalsozialisten und der Wehrmacht erzwungen Grossbritannien und Frankreich sandten lediglich Protestnoten Naheres siehe Anschluss Osterreichs Internationale Reaktionen Im Herbst 1938 stimmten sie im Munchner Abkommen zu Lasten der Tschechoslowakei einer weiteren Revision der Friedensvertrage 1919 1920 zu Moskauer Deklaration 1943 BearbeitenDrei der vier spateren Partner Osterreichs beim Staatsvertrag 1955 die USA Grossbritannien und die Sowjetunion einigten sich im Herbst 1943 in der Moskauer Deklaration darauf Osterreich mit ihrem Sieg im Zweiten Weltkrieg von deutscher Herrschaft befreit wieder als selbststandigen Staat zu errichten Den Anschluss von 1938 erklarten sie fur ungultig Wer in Deutschland und Osterreich es wagte Feindsender zu horen erfuhr diese Entscheidung bereits lang vor Kriegsende Wie Adolf Scharf berichtete waren auch in Osterreich verbliebene Politiker der Ersten Republik etwa ab 1943 der Auffassung Osterreich werde nach dem Krieg nicht mehr zu Deutschland gehoren Staatsvertrag 1955 BearbeitenNach der Ruckgangigmachung des Anschlusses durch die Osterreichische Unabhangigkeitserklarung vom 27 April 1945 mit der Osterreich als Staat wiederhergestellt wurde wurde das Anschlussverbot nunmehr explizit als solches bezeichnet in Teil 3 des Osterreichischen Staatsvertrages vom 15 Mai 1955 aufgenommen Artikel 3 Anerkennung der Unabhangigkeit Osterreichs durch Deutschland Die Alliierten und Assoziierten Machte werden in den deutschen Friedensvertrag Bestimmungen aufnehmen welche die Anerkennung der Souveranitat und Unabhangigkeit Osterreichs durch Deutschland und den Verzicht Deutschlands auf alle territorialen und politischen Anspruche in bezug auf Osterreich und osterreichisches Staatsgebiet sichern Artikel 4 Verbot des Anschlusses 1 Die Alliierten und Assoziierten Machte erklaren dass eine politische oder wirtschaftliche Vereinigung zwischen Osterreich und Deutschland verboten ist Osterreich anerkennt voll und ganz seine Verantwortlichkeiten auf diesem Gebiete und wird keine wie immer geartete politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland eingehen 2 Um einer solchen Vereinigung vorzubeugen wird Osterreich keinerlei Vereinbarung mit Deutschland treffen oder irgendeine Handlung setzen oder irgendwelche Massnahmen treffen die geeignet waren unmittelbar oder mittelbar eine politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland zu fordern oder seine territoriale Unversehrtheit oder politische oder wirtschaftliche Unabhangigkeit zu beeintrachtigen Osterreich verpflichtet sich ferner innerhalb seines Gebietes jede Handlung zu verhindern die geeignet ware eine solche Vereinigung mittelbar oder unmittelbar zu fordern und wird den Bestand das Wiederaufleben und die Tatigkeit jeglicher Organisationen welche die politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland zum Ziele haben sowie grossdeutsche Propaganda zugunsten der Vereinigung mit Deutschland verhindern Osterreich hatte 1955 kein Problem mit diesen Bestimmungen war doch die Anschlussbegeisterung vieler im Zweiten Weltkrieg mit der Dauer des Krieges und der drohenden Niederlage vollig verschwunden Artikel 4 des Staatsvertrages diente der Sowjetunion dazu Osterreich vom Beitritt zur EWG abzuhalten Der EU Beitrittsantrag Osterreichs wurde in weltpolitisch veranderter Lage erst 1989 gestellt 4 Siehe auch BearbeitenGrossdeutsche Volkspartei Erste Republik OsterreichLiteratur BearbeitenFelix Ermacora Das Deutschlandproblem im osterreichischen Staatsvertrag Die Friedens Warte 1986 S 82 90 Gerald Stourzh Zur Genese des Anschlussverbots in den Vertragen von Versailles Saint Germain und Trianon In Wissenschaftliche Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Osterreich Band 11 Saint Germain 1919 Verlag fur Geschichte und Politik Wien 1989 Detlef Merten Siegermacht und Selbstbestimmungsrecht der Volker Deutschosterreich Vereinigungsverbot zweier jahrhundertelang verbundener Staaten ZoR 2020 S 317 385 Weblinks BearbeitenDemokratiezentrum Wien Anschluss VerbotEinzelnachweise Bearbeiten Lutz Raphael Imperiale Gewalt und mobilisierte Nation Europa 1914 1945 C H Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 62352 3 S 69 Art 88 StGBl Nr 303 1920 S 1052 Hermann Graml Zwischen Stresemann und Hitler Die Aussenpolitik der Prasidialkabinette Bruning Papen und Schleicher Oldenbourg Verlag Munchen 2001 S 110 Zum 1 Januar 1995 traten nach zugigen Beitrittsverhandlungen drei Staaten der EU bei die bis zum Ende der Ost West Konfrontation durch ihre strikte Neutralitatspolitik daran gehindert waren Osterreich Schweden und Finnland siehe EU Erweiterung 1995 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anschlussverbot amp oldid 231920474