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Adolf Wahlmann 10 Dezember 1876 in Koblenz Ehrenbreitstein 1 November 1956 in Michelfeld war ein deutscher Arzt Er leitete von 1942 bis 1945 die NS Totungsanstalt Hadamar in der seinerzeit Tausende Behinderte und psychisch Kranke im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasie Programms ermordet wurden Adolf Wahlmann 1945 beim Verhor in Hadamar durch amerikanische Soldaten Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Studium 2 In den Landesheilanstalten des Bezirksverbandes Hessen Nassau 3 In der NS Totungsanstalt Hadamar 4 Prozesse 5 Schriften 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHerkunft und Studium BearbeitenNach dem Abitur 1897 in Laubach studierte Adolf Wahlmann Medizin in Giessen Marburg Erlangen und Kiel Das Studium beendete er mit seiner Dissertation 1903 In den Landesheilanstalten des Bezirksverbandes Hessen Nassau BearbeitenAls junger Assistenzarzt war Wahlmann in der Landesheilanstalt Merxhausen des Bezirksverbandes Hessen bis 1905 beschaftigt In diesem Jahr erhielt er auch seine Facharztanerkennung als Psychiater Ab dem 5 Mai 1905 war er beim Bezirksverband Nassau tatig und wurde bis 1906 in der Landesheilanstalt Weilmunster und dann bis 1908 in der Landesheilanstalt Eichberg eingesetzt Dort erfolgte am 1 Oktober 1906 seine Ernennung zum Oberarzt Seine Tatigkeit in der Landesheilanstalt Eichberg unterbrach Wahlmann durch einen Dienst als leitender Arzt in der Landesheilanstalt Hadamar von 1908 bis 1911 Danach kehrte er wieder zum Eichberg zuruck wo er bis 1933 nochmals unterbrochen durch seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 verblieb Politisch orientierte sich Wahlmann im deutsch konservativen Umfeld 1925 trat er der Deutschen Volkspartei DVP bei Nach der nationalsozialistischen Machtubernahme trat Wahlmann am 1 April 1933 der NSDAP bei Mitgliedsnummer 1 795 834 Eineinhalb Jahre spater trat er am 9 November 1934 auch der Allgemeinen SS bei Parteipolitisches Engagement zeigte Wahlmann allerdings nicht Er weigerte sich auch aus der Kirche auszutreten In seinem ersten Prozess heisst es uber ihn Er war ein glaubiger Christ und Leiter eines Kirchenchores da er ebenso sehr Musiker als Arzt war 1933 trat er in die NSDAP ein weil alle Anderen eintraten ohne innere Bindung Er nahm keine Parteiamter an weil ihn das zu sehr irritiert hatte und ihn verhindert hatte seine Freizeit der Musik zu widmen Er hatte auch verschiedentliche Schwierigkeiten mit der Partei besonders weil er Versammlungen fernblieb um seinen Kirchenchor nicht zu versaumen 1 Im September 1933 wurde Wahlmann nunmehr wieder in die Landesheilanstalt Hadamar versetzt wo er bis zu Beginn seines vorzeitigen Ruhestandes am 1 Januar 1937 beschaftigt blieb Da er schon ab dem 1 Oktober 1936 beurlaubt wurde zog er am 3 Oktober 1936 nach Heidelberg um und war von dort aus fur die pharmazeutische Industrie Firma Knoll tatig indem er bei seinen Arztkollegen fur das neu entdeckte Cardiazolschockverfahren in der psychiatrischen Anwendung warb In Hadamar war Wahlmann der erste Arzt der Cardiazolschocks in Deutschland angewendet hat 2 Am 28 Juni 1940 wurde Wahlmann wegen Personalmangels als Oberarzt fur die Landesheilanstalt Weilmunster vom Bezirksverband Hessen Nassau wieder reaktiviert und zum Provinzialmedizinalrat ernannt In der NS Totungsanstalt Hadamar BearbeitenSiehe auch Totungsanstalt Hadamar Anlasslich eines Besuchs des Dezernenten fur Anstaltswesen in Hessen Nassau SS Standartenfuhrer und Landesrat Fritz Bernotat in der Anstalt Weilmunster kundigte dieser Wahlmann seine Versetzung nach Hadamar an Dieser hatte hiergegen keine Einwande vorzubringen obwohl ihm sicherlich der Zweck seiner dortigen Verwendung nicht vorenthalten wurde Die ersehnte Moglichkeit noch eine Direktorenstelle zu erhalten wurde ihm jedoch von vorneherein nicht in Aussicht gestellt da Masorsky als Direktor der Hadamarer Anstalt zwar zur Marine eingezogen worden war seine Direktorenstelle aber weiterhin behielt Lediglich eine Beforderung konnte Wahlmann erhoffen Zum 5 August 1942 wurde er als Chefarzt nach Hadamar versetzt und hier im Rahmen der zweiten Phase der nationalsozialistischen Euthanasie Programms als Totungsarzt eingesetzt Als Chefarzt und arztlicher Leiter oblag ihm zwar formal die Fuhrung der Anstalt diese war jedoch weitgehend in den Handen des ehrgeizigen und langjahrigen Verwaltungsleiters der Anstalt Inspektor Alfons Klein Wahlmann legte viel Wert auf Titel und fuhlte sich nach seiner Aussage gegenuber dem vom Anstaltsdezernenten bevorzugten Verwaltungsleiter Klein zuruckgesetzt so dass er sich in einer vollkommen entwurdigenden Stellung sah 3 Obwohl Wahlmann in Hadamar mehr als Werkzeug als aus eigener Initiative wirkte stand er aus Uberzeugung dem nationalsozialistischen Euthanasie Programm grundsatzlich positiv gegenuber Er hielt die neuen kostenintensiven Heilmethoden in der Psychiatrie nur dann fur realistisch wenn durch Einsparungen an anderer Stelle ein finanzieller Ausgleich vorgenommen werde Hierzu teilte er die Auffassung der T4 Verantwortlichen dass die Einsparungen zu Lasten der unheilbar Kranken erfolgen mussten Grundsatz musse sein sich verstarkt um die Heilbaren zu kummern und die Unheilbaren zu eliminieren oder pragnant formuliert Heilen und Vernichten Wahlmann ausserte sich hierzu unmissverstandlich Ich kann es mit meiner nationalsozialistischen Einstellung nicht vereinbaren irgendwelche medizinische Massnahmen anzuwenden seien sie medikamentoser oder sonstiger Art damit das Leben dieser fur die menschliche Gesellschaft vollkommen ausfallenden Individuen verlangert wird ganz besonders in der jetzigen Zeit unseres Existenzkampfes bei dem jedes Bett fur die Wertvollsten unseres Volkes benotigt wird 4 Im Rahmen der Aktion Brandt ab dem 13 August 1942 kamen wieder selektierte Kranke nach Hadamar Bis zum 24 Marz 1945 verstarben hier 4 422 Menschen zum uberwiegenden Teil veranlasst durch die gezielte Mangelernahrung oder die Totung durch Medikamentenuberdosen Wahlmann bekundete hierzu spater Die Ernahrung genugte nicht um die Kranken bei Kraften zu halten so dass zahlreiche Patienten an Unterernahrung und Entkraftung verstarben Wenn ich gefragt werde ob die Verpflegungsverhaltnisse auf eine bewusste Politik des Bezirksverbandes bezw des LR Bernotat zuruckzufuhren sind so glaube ich diese Frage mit gutem Gewissen bejahen zu konnen Ich bin jedenfalls der festen Ansicht dass Bernotat den von ihm zu eigentlichen Anstaltsleitern gemachten Anstaltsbeamten die ihm zum Teil personlich oder parteipolitisch nahe standen Vollmacht gegeben hat die Zahl der Kranken auf diese Weise herabzumindern und dass er seine Ansichten insoweit ihnen gegenuber auch offen ausgesprochen hat 5 Das neue unauffalligere Totungsverfahren kam schnell in Gang Wahlmann benannte taglich die Opfer der Oberschwester und dem Oberpfleger Diese gaben die Namen in der Regel schriftlich in Form von Zetteln an die Leitungen der Stationen weiter wo das Pflegepersonal den Opfern die bezeichneten Mittel verabreichten die in absehbarer Zeit zum Tode fuhrten Ein Teil der Totungen wurde auch in abgesonderten Sterbezimmern vorgenommen Hierzu wurden Schlaf und Beruhigungsmittel in Tablettenform Veronal Luminal oder Trional sowie Morphium oder Scopolaminspritzen und in Flussigkeit gelostes Chloral verwendet Die erforderlichen Medikamente wurden teilweise von Bernotat mit nach Hadamar gebracht oder direkt durch die T4 Zentrale ubersandt Nach Kriegsende wurde in der Anstalt ein Vorrat von funf Kilogramm Veronal und Luminal in Pulverform sowie weitere 10 000 Veronaltabletten vorgefunden den Wahlmann noch im Januar 1945 bestellt hatte Die Wirkungen dieser Mittel wurden 1947 in Hadamar Prozess gutachterlich mit Vergiftungserscheinungen Lahmung des Atemzentrums krampfartige tetanusartige Zustande s ekundare Pneumonie beschrieben 6 Der Kreis der Opfer in der zweiten Phase des Euthanasie Programms war wesentlich grosser als bisher So wurden psychisch und physisch kranke Zwangsarbeiter ebenso umgebracht wie psychisch kranke Soldaten der Wehrmacht wenn feststand dass sie nicht mehr einsatzfahig waren Schliesslich kamen sogar psychisch kranke auslandische Angehorige der Waffen SS aus der in der Landesheil und Pflegeanstalt Giessen eingerichteten Neurologisch psychiatrischen Beobachtungsstation fur nervenkranke Angehorige der Waffen SS ab 1944 nach Hadamar Mit der Verlegung nach Hadamar galten sie als aus der SS entlassen und damit den anderen Euthanasie Opfern gleichgestellt 7 Am 24 August 1943 erhielt Wahlmann die lang ersehnte und ehrgeizig nachgesuchte Ernennung zum Provinzialobermedizinalrat die ohne Bezugeerhohung eine reine Prestigesache darstellte mit folgender Begrundung durch den Personaldezernenten des Bezirksverbandes i n Anbetracht Ihres vorgeschrittenen Alters Ihrer eifrigen Mitarbeit als wieder in Dienst gestellter ehemaliger Ruhestandsbeamter im Dienste der Verwaltung des Bezirksverbandes Nassau und im Hinblick darauf dass Sie in Vertretung des einberufenen Anstaltsdirektors seit nunmehr einem Jahr die Direktorentatigkeit in Hadamar selbstandig wahrnehmen Von seiner ausgepragten Geltungssucht zeugte auch die Anbringung eines geanderten Namensschildes mit seinem neuen Titel an der Ture seines Dienstzimmers noch bevor ihm die Ernennungsurkunde uberreicht worden war Prozesse Bearbeiten nbsp Wahlmann mit Hilfspfleger Karl Willig rechts April 1945 nbsp Wahlmann Beim Verhor in HadamarBereits vor Kriegsende wurde Wahlmann zusammen mit dem Personal der NS Totungsanstalt Hadamar am 28 Marz 1945 von der amerikanischen Armee festgenommen Die offizielle Dienstentlassung fand erst auf Veranlassung der Militarregierung im Juni 1945 statt Im amerikanischen Hadamarprozess in Wiesbaden wurde Wahlmann am 15 Oktober 1945 wegen Mordes an polnischen Zwangsarbeitern in der NS Totungsanstalt Hadamar von einem US Militargericht zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt und in die Haftanstalt Bruchsal eingewiesen Von dort kam er am 2 Februar 1946 nach Schwabisch Hall und schliesslich in die Haftanstalt Landsberg Am 2 April 1946 erhob die deutsche Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Mordanklage Mit Urteil vom 26 Marz 1947 erkannte das Landgericht Frankfurt am Main wegen Mordes in mindestens 900 Fallen auf die Todesstrafe Im Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main wurde das Urteil bestatigt jedoch nunmehr Anstiftung zum Mord statt wie bisher Mittaterschaft festgestellt Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23 Mai 1949 und der damit abgeschafften Todesstrafe wurde das Urteil in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt Am 20 Oktober 1953 wurde Wahlmann vorzeitig aus der Haftanstalt Landsberg entlassen 1955 zog er nach Michelfeld in Baden Wurttemberg wo er am 1 November 1956 verstarb Der Direktor der Landesheilanstalt Eichberg und kurzzeitiger Vorgesetzter Wahlmanns Wilhelm Hinsen charakterisierte ihn zusammenfassend so Er war von Haus aus ein durchaus reichbegabter Mann Aber es zerrann ihm so das Leben unter den Fingern weil er nicht fleissig war nicht konzentriert 8 Er sei bei seinen Kranken beliebt gewesen eine gewisse Gutmutigkeit habe immer wieder bestechend auf die Patienten gewirkt Allerdings sei Wahlmann zu seinen Patienten besser als zu dem Personal gewesen was ihm im Kollegium der Anstalt Weilmunster den Spitznamen Jesus Christus einbrachte 8 Schriften BearbeitenWahlmann Adolf Die Familienpflege der Landes Heilanstalt Eichberg Rheingau In Die Irrenpflege 33 Jg 1929 S 11 15 Adolf Wahlmann Zur Kasuistik der Diabetischen Gangran nach den Erfahrungen in der chirurgischen Klinik zu Kiel Hirt Plon 1903 zugleich Dissertation Universitat Kiel 1903 Literatur BearbeitenWulf Steglich Gerhard Kneuker Hrsg Begegnung mit der Euthanasie in Hadamar Psychiatrie Verlag 1985 ISBN 978 3 88414 068 0 Neuauflage Heimdall Verlag 2013 ISBN 978 3 939935 77 3 Ernst Klee Euthanasie im NS Staat 11 Auflage Fischer Taschenbuch Frankfurt M 2004 ISBN 3 596 24326 2 Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord 12 Auflage Fischer TB Frankfurt M 2004 ISBN 3 596 24364 5 Ernst Klee Adolf Wahlmann Eintrag in ders Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 S 652 Henry Friedlander Der Weg zum NS Genozid Von der Euthanasie zur Endlosung Berlin Berlin Verlag 1997 ISBN 3 8270 0265 6 Peter Sandner Verwaltung des Krankenmordes Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 320 8 Verlegt nach Hadamar Die Geschichte einer NS Euthanasie Anstalt Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Kataloge Band 2 Kassel 1994 ISBN 3 89203 011 1 Trial of Alfons Klein Adolf Wahlmann Heinrich Ruoff Karl Willig Adolf Merkle Irmgard Huber and Philipp Blum the Hadamar trial William Hodge London 1949 LG Frankfurt am Main 21 Marz 1947 In Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Bd I bearbeitet von Adelheid L Ruter Ehlermann C F Ruter Amsterdam University Press 1968 Nr 17 S 303 379 Totung von Geisteskranken durch Giftgas und GiftinjektionWeblinks BearbeitenFoto Zeitzeugenbericht bei einestages spiegel deEinzelnachweise Bearbeiten Alice Platen Hallermund Die Totung Geisteskranker in Deutschland Aus der Deutschen Arztekommission beim Amerikanischen Militargericht Frankfurt Main 1948 zitiert nach Klee Euthanasie im NS Staat S 190 Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 87 Aussage des Angeklagten Dr Adolf Wahlmann im Hadamar Prozess Frankfurt Main 1 Hauptverhandlungstag 24 Februar 1947 zitiert nach Sandner Verwaltung des Krankenmordes S 615 Landesheilanstalt Hadamar Der Chefarzt gez Prov Med Rat Wahlmann an Bezirksverband Nassau 2 Oktober 1942 zitiert nach Sandner Verwaltung des Krankenmordes S 643 Aussage Dr Adolf Wahlmann gegenuber Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt M am 10 Januar 1947 Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abteilung 461 Nr 3 061 Band 6 Blatt 882 886 zitiert nach Sandner Verwaltung des Krankenmordes S 591 Zeugenaussage Dr Franz Josef K als Sachverstandiger im Hadamar Prozess Frankfurt M am 4 Marz 1947 dem 5 Hauptverhandlungstag Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abteilung 461 Nr 32061 Band 7 Blatt 185 zitiert nach Sandner Verwaltung des Krankenmordes S 623 Landeswohlfahrtsverband Archiv Bestand 11 Giessen 12 zitiert nach Verlegt nach Hadamar S 149 150 a b Zeugenaussage Dr Wilhelm Hinsen im Hadamar Prozess Frankfurt M am 10 Marz 1947 3 Hauptverhandlungstag zitiert nach Sandner Verwaltung des Krankenmordes S 613 Normdaten Person GND 128645806 lobid OGND AKS VIAF 42895105 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Wahlmann AdolfALTERNATIVNAMEN Wahlmann AdolphKURZBESCHREIBUNG Leiter der NS Totungsanstalt HadamarGEBURTSDATUM 10 Dezember 1876GEBURTSORT Koblenz EhrenbreitsteinSTERBEDATUM 1 November 1956STERBEORT Michelfeld Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Adolf Wahlmann amp oldid 219950913