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Das Westminster System in einschlagiger englischer Literatur Westminster system Westminster model 1 oder in deutscher Literatur auch Westminster Demokratie genannt ist ein parlamentarisches Regierungssystem das im 13 Jahrhundert im Konigreich England gebildet 2 und uber die Jahrhunderte weiterentwickelt wurde und als eines der altesten parlamentarischen Systeme der Welt gilt Palace of Westminster mit dem Victoria Tower links und dem Elizabeth Tower mit Big BenEinflusse des britischen Westminster Systems konnen uberall dort in anderen Landern der Welt gefunden werden wo die britische Sicht des Parlamentarismus direkt oder indirekt als ehemalige britische Kolonie gewollt oder ererbt ubernommen wurde 3 So findet das Westminster System noch heute in mehr oder weniger abgewandelter Form in den meisten Commonwealth Staaten Nord und Mittelamerikas Asiens in Australien Neuseeland und in einigen Staaten Ozeaniens Anwendung Inhaltsverzeichnis 1 Namensherkunft 2 Grundzuge des britischen Westminster Systems 3 Varianten des Westminster Systems 3 1 Europa 3 2 Naher Osten 3 3 Nord und Mittelamerika 3 4 Afrika 3 5 Asien 3 6 Australien und Ozeanien 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weitergehende Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseNamensherkunft Bearbeiten House of Commons 1851Die Bezeichnung Westminster system bzw Westminster model bezieht sich auf eine Regierungsform die ab dem 13 Jahrhundert in England entwickelt wurde Sie erhielt ihren Namen von dem Palace of Westminster der im Stadtteil Westminster in London liegt und in dem die beiden Kammern des britischen Parlamentes das House of Commons Unterhaus und das House of Lords Oberhaus ihren Sitz haben 4 Mit dem Begriff versucht man nach wie vor das politische und parlamentarische System des Vereinigten Konigreichs zu benennen Grundzuge des britischen Westminster Systems BearbeitenObwohl es bis heute keine allgemein gultige Beschreibung bzw Definition des Westminster system gibt 5 so lassen sich doch einige institutionelle Grundzuge des Systems beschreiben 6 Das Westminster System britischen Vorbilds besitzt keine in einem einzelnen Dokument zusammengefasste geschriebene Verfassung Verfassunggebende Elemente sind uber viele Gesetze des Landes verteilt werden genauso wie allgemein im angelsachsischen Rechtskreis durch Rechtsprechung definiert oder sind einfach durch althergebrachte Praxis entstanden 7 Gesetze und damit auch verfassunggebende Elemente konnen mit einfacher Mehrheit im Parlament geandert werden 8 Bis auf das Vereinigte Konigreich und Neuseeland haben heute alle anderen Lander mit Westminster System Adaption eine geschriebene Verfassung die nur mit einer hoher definierten Mehrheit als der einfachen Mehrheit geandert werden kann Im britischen Westminster System hat das Parlament zwei Kammern das House of Commons dessen Reprasentanten direkt vom Volk gewahlt werden und das die gesetzgeberische Macht hat und das House of Lords das ein aufschiebendes Vetorecht besitzt und in dem vom Staatsoberhaupt ernannte Personen Lords fruher war dies der Erbadel sitzen Charakteristisch ist zudem die Anordnung der Sitze durch die Regierung und Opposition sich im Parlament gegenuber statt nebeneinander sitzen und abwechselnd haufig heftige verbale Schlagabtausche liefern Hierbei wird jedoch stets das Wort an den Sprecher gerichtet und nur in dritter Person ubereinander geredet Es gibt ausserdem einen offiziellen Oppositionsfuhrer Der Vertreter der Krone ist Teil des Parlaments hat aber kein Wahlrecht Das Staatsoberhaupt ist zumeist ein Erbmonarch auch ausserhalb des Vereinigten Konigreichs haufig der britische Monarch und hat vor allem reprasentative Funktionen die Regierungsgewalt liegt jedoch beim Chef der Exekutive Uber das Staatsoberhaupt hat der Regierungschef erhebliche Reservebefugnisse inklusive dem Erlass von Verordnungen mit Gesetzeskraft ein Veto Recht gegen Gesetze und die Parlamentsauflosung Das Staatsoberhaupt gibt jedoch normalerweise mit seiner Unterschrift nur Parlamentsgesetzen Rechtskraft und eroffnet mit der Verlesung des Regierungsprogramms die jeweilig neue Sitzungsperiode des Parlamentes Die Regierung besteht aus dem Premierminister den Ministern und ist dem Parlament gegenuber rechenschaftspflichtig 9 Sie werden jedoch nicht vom Parlament gewahlt sondern allein vom Staatsoberhaupt ernannt wobei dieser allerdings in der Regel den Vorsitzenden der starksten Partei ernennt Zudem mussen die Minister der Regierung zwingend Mitglieder des Parlamentes sein 10 Die politische Macht konzentriert sich dabei auf ein kollektiv arbeitendes und gegenuber dem Parlament verantwortliches Kabinett Dieses versammelt sich wochentlich zu politischen Beratungen bildet die Kernmannschaft der Regierung und besteht aus dem Premierminister und rund 20 Ministern Es wird von den Ministern verlangt uneingeschrankt die Politik der Regierung zu vertreten und gegenuber dem Parlament und der Offentlichkeit zu verteidigen Walter Bagehot beschreibt in seinem Buch The English Constitution dass das Geheimnis der Leistungsfahigkeit der englischen Verfassung in der fast vollstandigen Verschmelzung der exekutiven und legislativen Gewalten besteht und das Bindeglied zwischen ihnen das Kabinett darstellt 11 Er beschreibt das Kabinett als eine Art geheimen Ausschuss in dem keine Sitzungsprotokolle angefertigt werden und keine Informationen uber Sitzungsinhalte nach aussen dringen 12 Die gesetzgebende Macht ist im Gegensatz zu einem foderalen System zentral organisiert und die Zentralregierung durch entsprechende Vertreter in den Regionen reprasentiert Im britischen System gibt es zwar seit 1998 fur Schottland Wales und Nordirland auf dem Wege der Devolution jeweils ein mit eigenen Rechten versehenes Parlament 13 trotzdem verblieb die entscheidende politische Macht in London Der Souveran ist weder das Volk noch der Monarch sondern kollektiv das Parlament Seit mit der Magna Carta handelt es sich somit um eine konstitutionelle Monarchie in dem das Staatsoberhaupt nicht uber dem Gesetz steht Allerdings kann der Monarch das Parlament fur Neuwahlen auflosen Im britischen Parlamentswahlsystem gibt es lediglich ein einfaches Mehrheitswahlsystem Demnach ist gewahlt wer die einfache Mehrheit der Wahlerstimmen in einem Wahlbezirk auf sich vereinigt hat Das System bevorzugt grossere Parteien Minderheiten haben keine Chance politisch im Parlament vertreten zu sein Das Wahlrecht fur jedermann wurde erst 1832 eingefuhrt Frauen durften erst ab 1918 wahlen aber nur wenn sie uber 30 Jahre alt waren 1928 wurde ihr Wahlrecht auf 21 Jahre heruntergesetzt und erst mit dem People Act 1949 wurde das universelle Wahlrecht eingefuhrt 14 Uber lange Zeit war Grossbritannien begunstigt durch sein Mehrheitswahlsystem fur sein Zweiparteiensystem bekannt in welchem die beiden Parteien sich unter soziookonomischen Gesichtspunkten unterschieden 6 Die Mehrheitspartei stellte die Regierung und die zweitgrosste Partei die Opposition Dass dies nicht mehr uneingeschrankt gilt zeigte spatestens die Wahl im Jahr 2010 bei der die Conservative Party keine Mehrheit mehr fand und mit den Liberal Democrats eine Regierungskoalition bilden musste Die Labour Party stellte seinerzeit die Opposition Die Anerkennung des Rule of Law in dem jeder vor dem Gesetz gleich ist das Gesetz vor Willkur schutzt und Rechte aus der Rechtsprechung entstehen stellt eine wesentliche Grundlage der Burgerrechte dar und ist Bestandteil des Westminster Systems 15 In der Vergangenheit war das Westminster System gekennzeichnet von Gewaltenverschrankung Nicht nur der Monarch in dem alle Gewalten Exekutive Legislative Judikative vereint waren sondern auch andere Institutionen wie der Kronrat oder das Oberhaus hatten Befugnisse in mehreren der Bereiche Mit dem Act of Settlement 1701 wurde erstmals die Unabhangigkeit der Justiz eingefuhrt Davor konnten missliebige Richter vom Konig abgesetzt werden Mit dem Gesetz wurde festgeschrieben dass Richter des High Court auf Lebenszeit ihr Amt bekamen und nur durch eine Entscheidung der beiden Kammern des Parlamentes im Einverstandnis mit der Krone ihres Amtes enthoben werden konnten Dies ist seitdem nie geschehen 16 Varianten des Westminster Systems BearbeitenVarianten des Westminster Systems sind in folgenden Staaten zu finden Europa Bearbeiten Irland ist eine Republik mit einem Prasidenten als Staatsoberhaupt Es besitzt ein Zwei Kammer Parlament wobei im Unterschied zum britischen Parlament die Mitglieder des Oberhauses Seanad Eireann mehrheitlich indirekt gewahlt werden sechs Mitglieder durch die Graduierten von den zwei Universitaten und 43 Mitglieder durch gesellschaftliche Gruppen aus Kultur Bildung Landwirtschaft Gewerkschaften Industrie und Handel und der offentlichen Administration 11 Mitglieder werden durch den Premierminister bestimmt 17 Das Oberhaus auch Senat genannt hat hingegen legislative Aufgaben und kann in Sachen Finanzen Parlamentswahlen und Auflosung der Regierung keinen Einfluss nehmen 18 MaltaNaher Osten Bearbeiten Israel hat nur eine Parlamentskammer die Knesset das nach dem Verhaltniswahlrecht zusammengesetzt istNord und Mittelamerika Bearbeiten KanadaAntigua und Barbuda Bahamas Barbados Belize Bermuda Dominica Grenada Jamaika Saint Kitts and Nevis Saint Lucia St Vincent und die Grenadinen Trinidad und TobagoAfrika Bearbeiten MauritiusAsien Bearbeiten Bangladesch Indien bekam wahrend seiner Zeit als Kolonie des Vereinigten Konigreichs in einer Serie von funf Verfassungsreformen zwischen den Jahren 1861 und 1935 das britische Westminster System installiert 19 Nach seiner Unabhangigkeit im Jahr 1947 gab sich Indien 1950 eine auf dem Westminster System basierende Verfassung 20 Abweichend vom britischen System wurde Indien eine Republik mit einem Prasidenten als Staatsoberhaupt und gab sich eine foderale Struktur mit heute 28 Bundesstaaten und neun Unionsterritorien Das Oberhaus Rajya Sabha genannt besteht abweichend vom britischen Modell aus gewahlten Vertretern der Bundesstaaten und der Unionsterritorien In Indien findet das Common Law Anwendung Die Schwache in der indischen Westminster Adaption besteht darin dass das Westminster System bestens ausgelegt ist fur eine homogene Gesellschaft aber durch seine Machtkonzentration in der Exekutive in tief gespaltenen Gesellschaften mit grossen ethnischen religiosen und kulturellen Differenzen wie in Indien die gesellschaftlichen Probleme eher noch verstarkt 21 Malaysia Pakistan SingapurAustralien und Ozeanien Bearbeiten Australien Neuseeland wurde nach der Vertragsunterzeichnung des Treaty of Waitangi im Jahr 1840 britische Kolonie und hatte mit dem New Zealand Constitution Act 1852 das britische Westminster System uneingeschrankt ubernommen 22 Mit dem Legislative Council Abolition Act 1950 verabschiedete sich Neuseeland 1951 von dem Zwei Kammer System und hat seitdem nur noch das House of Representatives in dem die gewahlten Vertreter des Landes sitzen 23 Mit dem Constitution Act 1986 bekam Neuseeland seine volle Souveranitat uber seine Gesetzgebung und fuhrte nach einem bindenden Referendum 1993 24 das Mixed Member Proportional Wahl System MMP nach deutschem Vorbild ein Nauru Papua Neuguinea Salomonen Tuvalu VanuatuSiehe auch BearbeitenMagna Carta Bill of Rights Commonwealth of Nations Britisches Weltreich Petition of Right Politisches System des Vereinigten KonigreichsLiteratur BearbeitenWestminster Legacies Democracy and Responsible Government in Asia and Pacific University of New South Wales Press Sydney 2005 ISBN 0 86840 848 4 englisch R A W Rhodes Patrick Weller Westminster Transplanted and Westminster Implanted Exploring Political Change In Westminster Legacies 2005 S 1 12 Haig Patapan John Wanna The Westminster Legacy Conclusion In Westminster Legacies 2005 S 242 255 Simon James British Cabinet Government 2 Auflage Routledge London 1999 ISBN 0 415 17977 7 englisch R K Mosley Westminster Workshop A Student Guide to British Government 5 Auflage Pergamon Press 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Workshop 1985 S 15 Seanad Eireann House of the Oireachtas abgerufen am 19 Juni 2015 englisch MacCarthaigh Accountability in Irish Parliamentary Politics 2005 S 50 Robert W Stern India s Westminster System In Westminster Legacies 2005 S 152 Juergenmeyer India A Westminster Model of Democracy In The Indian Parliament A Comparative Perspective 2003 S 42 Juergenmeyer India A Westminster Model of Democracy In The Indian Parliament A Comparative Perspective 2003 S 43 44 John Wanna New Zealand s Westminster Trajectory Archetypal Transplant to Maverick Outlier In Westminster Legacies 2005 S 152 Neill Atkinson 1 2 New Zealand Politics 1935 to 1984 In New Zealand Government and Politics 2015 S 17 Kenneth Keith On the Constitution of New Zealand An Introduction to the Foundations of the Current Form of Government In dpmc govt nz Cabinet Office 20 November 2017 abgerufen am 20 Januar 2021 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Westminster System amp oldid 235000733