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Das Weisse Buch von Sarnen ist eine Handschrift im Staatsarchiv des Kantons Obwalden Das Buch enthalt eine Chronik mit der altesten Uberlieferung der Tellsgeschichte Auf sie stutzte sich Friedrich Schiller als er sein Drama Wilhelm Tell 1804 schrieb Das Weisse Buch Inhaltsverzeichnis 1 Die Handschrift und ihr Inhalt 2 Form und Name 3 Verfasser 4 Der erzahlende Teil 5 Rezeption 6 Entdeckung des Weissen Buches fur die Forschung 7 Beurteilung der historischen Erzahlung 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseDie Handschrift und ihr Inhalt BearbeitenDas Weisse Buch von Sarnen ist ein Kopialbuch fur den Alltag des Obwaldner Landschreibers Es war ublich in wichtigen Kanzleien Kopialbucher aufzubewahren in denen Kopien wichtiger Beschlusse fur den Kanzleigebrauch sofort zuganglich waren Aufgrund der Farbe des Einbandes hiessen sie silberne rote und weisse Bucher Das Weisse Buch enthalt im ersten Teil Abschriften von wichtigen Vertragen und Bundnissen So die eidgenossischen Bundesbriefe von 1315 bis 1452 Appenzellerbund Es folgen Abschriften des Sempacherbriefes Pfaffenbriefes und gemeineidgenossischer Vertrage mit Auswartigen Nach den Unterwaldner Freiheitsbriefen folgt eine Gruppe von Vertragen mit Frankreich Ihr schliesst sich eine Sammlung von Waffenstillstanden und Friedensvertragen an Am Schluss des Weissen Buches von Sarnen steht eine Chronik mit den Erzahlungen von den Gewalttaten der Vogte der Tellsgeschichte dem Rutlischwur dem Burgenbruch und der Befreiung der drei Lander von der Tyrannei Sie sind hier erstmals im Hinblick auf den Bundesschwur auf dem Rutli zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefasst worden Der Rutlischwur und die Tellsgeschichte erscheinen in dieser Chronik das erste Mal Form und Name BearbeitenDas Weisse Buch enthielt im Original 280 Blatter heute 508 Seiten einige wurden herausgeschnitten die Chronik der erzahlende Teil des Weissen Buches umfasst nur 24 Seiten im Original Blatt 208 220r und bildete ursprunglich den Abschluss des Bandes S 441 465 Den alten Bestand des Buches bilden 21 regelmassige Lagen von zwolf und dreimal zu vierzehn Blattern mit zwei verschiedenen Wasserzeichen ein Wasserzeichen stammt aus der Zurcher Papiermuhle an der Sihl Das Buch wurde vom Obwaldner Landschreiber Hans Schriber zwischen 1470 und 1472 geschrieben und 1474 mit Nachtragen versehen von Schriber Aus spaterer Zeit finden sich nur noch wenige Eintragungen nach 1512 wurden der Kappelerfriede von 1531 und die Eide des Landeshauptmanns Bannerherrs und Fahndrichs von Obwalden 1607 hineingeschrieben Das Weisse Buch wurde wegen seines weissen Einbandes so genannt der Einband in Schweinsleder stammt aus dem 17 Jahrhundert wohl von 1608 Die Beschriftung am vorderen Deckel Das sogenannte alteste weisse Buoch oder Abschriften der altesten Bundtnissen schrieb eine Hand des spaten 18 Jahrhunderts bei einer Inventarisation vor der Franzosischen Revolution Verfasser BearbeitenDas Weisse Buch wurde um 1470 vom Obwaldner Landschreiber Hans Schriber geschrieben im Stil der humanistischen Chronistik Er verfasste als begabter Chronist Erzahlungen uber die Entstehung der Eidgenossenschaft uber den Anfang der drei Lander und zwar aus der obwaldnerischen Sicht des 15 Jahrhunderts Er stutzte sich dabei auf die Berner Chronik von Konrad Justinger nach 1420 die er im Text ausdrucklich erwahnt auf Felix Hemmerlis Zurcher Buch vom Adel De nobilitate et rusticitate dialogus um 1450 und auf die nordische Tokosage des Saxo Grammaticus 1204 In den Passagen uber den Burgenbruch nimmt er oberitalienische Einflusse auf In der Berner Tschachtlan Chronik sind ahnliche Burgenbruche in den Eschentalerzugen abgebildet Burg Mattarela und Trontano bei Domodossola In dieser erzahlerisch geschriebenen Befreiungsgeschichte hat Hans Schriber erstmals die verschiedenen lokalen Befreiungstraditionen zu einer stimmigen Entstehungsgeschichte der gegenseitigen eidgenossischen Bundnisse zusammengefasst und mit der Tokosage verknupft Bis in die neueste Zeit wird vermutet der Obwaldner Landschreiber Hans Schriber sei nur der Kopist einer fruheren Chronik gewesen Jedoch hat bereits Anton Kuchler 1895 in seiner Sarnen Chronik Hans Schriber als den Schreiber und Verfasser dieser Chronik identifiziert eine Annahme die auch der Nidwaldner Staatsarchivar Robert Durrer im Historisch Biographischen Lexikon der Schweiz 1928 ubernommen hat Der fruhere Obwaldner Staatsarchivar und Philologe Angelo Garovi hat in einem Artikel in den Obwaldner Geschichtsblattern die Verfasserfrage aufgrund einer Textanalyse sowohl des rechtlichen wie des chronikalischen Teils zu klaren versucht 1 Der erzahlende Teil BearbeitenHans Schriber beginnt mit der obwaldnerischen Erzahlung vom Vogt Landenberg der dem Bauern im Melchi die Ochsen wegnehmen lasst Der Sohn der sich zur Wehr setzte und dem Vogt den Finger entzweischlug musste fliehen und der Vater wurde in der unteren Burg von Sarnen gefangengesetzt und geblendet In Altzellen Nidwalden erschlug der Bauer Konrad Baumgarten den Vogt Wolfenschiessen mit der Axt weil dieser seine Frau zwingen wollte mit ihm ein Bad zu nehmen und mit ihm zu leben In Schwyz fragte Vogt Gessler den Stauffacher wem dieses hubsche Haus aus Stein gehore Stauffacher fuhlte sich nach diesen Worten bedroht und beschloss auf den Rat seiner Frau nach Uri und Unterwalden zu gehen um dort mit den fuhrenden Leuten wie Furst und Zer Frauen zu ratschlagen So fanden sich dann Stauffacher Furst und der junge Bauer aus dem Melchi zusammen Sie zogen noch andere Leute ins Vertrauen schlossen einen geheimen Bund und kamen jeweils nachts auf dem Rutli hier das erste Mal erwahnt zusammen Hierauf folgt die dann weltbekannt gewordene Geschichte von Tell in Uri der den Hut nicht grussen wollte und zur Strafe seinem Sohn einen Apfel vom Haupt schiessen musste Nach dieser Tat wurde die Stauffachersche Gesellschaft immer machtiger und begann die Burgturme der Vogte Zwing Uri Schwanau Schwyz und Stans zu brechen Die starke Burg von Sarnen konnte nur mit List eingenommen werden Die Untertanen die dem Vogt Landenberg an Weihnachten Geschenke und Neujahrsgaben bringen mussten kamen zur Burg in die Kuche zum Feuer liessen das Tor offen damit die in der Nahe im Erlengebusch verborgenen Leute auf ein Hornsignal die Burg einnehmen konnte Hernach schlossen die drei Lander einen Bund und erwehrten sich der Herren Im zweiten Abschnitt der Chronik folgt ein Bericht uber den Beitritt der Orte Luzern Zurich Zug Glarus und Bern Dann folgen Ereignisse aus dem fruhen 15 Jahrhundert der Wernihandel zwischen Bern und Luzern die Appenzellerkriege die Eroberung des Livinen und Eschentals und der Rarnerhandel Rezeption Bearbeiten nbsp Etterlin 1507Der Luzerner Chronist Petermann Etterlin ubernahm in seiner 1507 in Basel gedruckten Kronika von der loblichen Eidgenossenschaft die Befreiungsversion des Sarner Landschreibers und machte sie damals weitherum bekannt Auch in einer Jesuitenbibliothek in Mexiko ist sie nachzuweisen Der Glarner Historiker Aegidius Tschudi der 1569 in Sarnen das Archiv mit dem Weissen Buch konsultierte gab der Befreiungsgeschichte im Chronicon Helveticum die endgultige Form Diese unvollendete Chronik des 16 Jahrhunderts wurde aber erst 1734 1736 in Basel gedruckt Tschudi schmuckte die Befreiungstradition durch neue Zutaten aus Die Personen versah er durchwegs mit vollstandigen Namen die er zum Teil alten Urkunden entlehnte Er datierte die Geschehnisse in die letzten Jahre Konig Albrechts 1308 Tschudis Darstellung blieb bis ins 19 Jahrhundert hinein die gultige Diese Version der Befreiungsgeschichte wurde durch Friedrich Schillers Wilhelm Tell und durch Gioachino Rossinis Oper Guillaume Tell weltbekannt Schillers Tell ubernimmt Formulierungen aus dem Originaltext des Weissen Buches sozusagen wortlich Ein Beispiel Du sprach der Tall sid ir mich gesichret hand so wil ich uch die wahrheit sagen vnd ist war hetti mir der schutz gevelt das ich mins kind hetti erschossen so wolt ich den pfyl in uch oder der der vwren ein han geschossen Weisses Buch um 1470 Transkription von Willi Studach Tell Wohlan o Herr Weil Ihr mich meines Lebens habt gesichert So will ich Euch die Wahrheit grundlich sagen Mit diesem zweiten Pfeil durchschoss ich Euch Wenn ich mein liebes Kind getroffen hatte Und Eurer wahrlich Hatt ich nicht gefehlt Friedrich Schiller 1804 Entdeckung des Weissen Buches fur die Forschung Bearbeiten nbsp Das Weisse Buch wird im Hexenturm in Sarnen aufbewahrt Das Weisse Buch von Sarnen wurde 1854 vom Zurcher Staatsarchivar Gerold Meyer von Knonau bei Archivarbeiten im Sarner Hexenturm fur die Geschichtswissenschaft entdeckt Georg von Wyss Professor fur Geschichte an der Universitat Zurich horte von diesem Kopialbuch mit der Tellsgeschichte er liess sich von Landammann Franz Wirz das Buch zustellen und wollte die Tellserzahlung im Archiv fur Schweizerische Geschichte als Erster publizieren Das machte ihm Meyer von Knonau streitig der sie im Auftrag der Obwaldner Regierung im Geschichtsfreund 1857 2 den Mitteilungen des Historischen Vereins der funf Orte drucken durfte Gerold Meyer von Knonau war aber nur der wissenschaftliche Entdecker des Weissen Buches von Sarnen Dieses war in der Sarner Landeskanzlei immer bekannt und wurde zusammen mit dem Siegel dem Landesbanner und den Briefen Urkunden im Rathaus oder Archivturm Hexenturm aufbewahrt Es war auch Landschreiber Joseph Gasser der den Zurcher Archivar darauf aufmerksam machte dass sich im Archiv ein wertvolles Buch uber den Anfang der Eidgenossenschaft befinde das alteste Weisse Buch von Sarnen In Archiv Verzeichnissen wurde dieses stets aufgefuhrt Es gab auch noch das jungere Weisse Buch eine Abschrift aus dem Jahr 1608 von Jacob Kaiser Beurteilung der historischen Erzahlung BearbeitenDer Luzerner Philologe und Historiker Joseph Eutych Kopp hat dem Bericht der Chroniken 1835 erstmals die urkundlichen Fakten gegenubergestellt Kopps Quellenkritik richtete sich nicht nur gegen die Tellsgeschichte 3 sondern gegen die zur Volksmeinung gewordene Annahme einer tyrannischen Vogteherrschaft die kurz vor Konig Albrechts Ermordung am 1 Mai 1308 ihr gewaltsames Ende gefunden habe Nach Kopp lassen sich Gessler und Landenberg in den Urkunden nicht als Vogte in den Waldstatten nachweisen 4 Der Basler Mittelalterarchaologe und historiker Werner Meyer hat aufgrund von archaologischen Grabungen auf Innerschweizer Burgstellen vor allem in den 1970er und 1980er Jahren festgestellt dass der Burgenbruch im Sinne der uberlieferten Befreiungstradition als ein einzelnes Ereignis so nicht stattgefunden hat 5 Zur Bedeutung der Erzahlungen im Weissen Buch von Sarnen schrieb der Zurcher Literaturwissenschafter Max Wehrli Hier im Weissen Buch erscheinen zum ersten Mal die spater so beruhmten Geschichten der heroischen Zeit je fur die einzelnen Orte als Beleg des Freiheitskampfes der Mann aus dem Melchi der im Bad erschlagene Vogt der Stauffacher in Schwyz der Rutlischwur die Geschichte Tells der Burgenbruch die ganze erzahlerisch glanzende Befreiungssage mit der bestandigen Prasenz der vertrauten Landschaft 6 Der aus Stans stammende Zurcher Germanist und Kulturwissenschafter Peter von Matt meint in Bezug auf Landschreiber Hans Schriber den Verfasser der Chronik im Weissen Buch 7 Kein Schweizer Autor hat je ein Werk von grosserer Wirkung geschrieben Literatur BearbeitenGerold Meyer von Knonau Die Chronik im weissen Buche zu Sarnen Zurich 1857 Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Abt 3 Chroniken Band 1 bearbeitet von Hand Georg Wirz Aarau 1947 Willi Studach Die Sprache des Weissen Buches von Sarnen Sarnen 1993 Textedition anhand des Originals mit diakritischen Zeichen Werner Meyer 1291 Die Geschichte Die Anfange der Eidgenossenschaft Silva Verlag Zurich 1990 Angelo Garovi Tell und Gessler im Weissen Buch von Sarnen Chroniktext mit der erstmals uberlieferten Geschichte von Tell und Gessler 2018 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Weisses Buch von Sarnen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag im Handschriftencensus Veroffentlichungen zum Weissen Buch im Opac der Regesta Imperii Das Weisse Buch von Sarnen Wortlaut und Ubersetzung des Chroniktextes von Bruno Meyer PDF 2 2 MB Auszug der Seiten 30 bis 83 Das Weisse Buch von Sarnen Vollstandiges Digitalisat in der Virtuellen Handschriftenbibliothek der Schweiz e codices Beschreibung von Regula Schmid Keeling 2012 in der Virtuellen Handschriftenbibliothek der Schweiz e codicesEinzelnachweise Bearbeiten Angelo Garovi Hans Schriber Landschreiber und Verfasser der Chronik des Weissen Buches von Sarnen In Obwaldner Geschichtsblatter Heft 27 2013 S 9 31 ETH e periodica Abgerufen am 1 April 2019 Geschichtsblatter aus der Schweiz 2 Bande Luzern 1854 und 1856 Kopp Urkunden zur Geschichte der eidgenossischen Bunde Band 1 Luzern 1835 Band 2 Wien 1851 Geschichte der Eidgenossischen Bunde Mit Urkunden 5 Bande Leipzig Luzern Bern und Basel 1845 1888 Burgenbau und Burgenbruch in den Waldstatten In Schweizer Beitrage zur Kulturgeschichte und Archaologie des Mittelalters Band 11 1984 S 181 198 Werner Meyer Jakob Obrecht Hugo Schneider Die bosen Turnli archaologische Beitrage zur Burgenforschung in der Urschweiz 1984 Der Grabungsbefund von Schwanau zeigt dass es in der Innerschweiz den gewaltsamen Burgenbruch tatsachlich gegeben hat analog zahlreichen anderen Burgenzerstorungen im Alpenraum zwischen dem 12 und dem 16 Jahrhundert S 194 Geschichte der deutschen Literatur Band 1 Stuttgart 1980 S 831 NZZ am Sonntag 31 Oktober 2010 Normdaten Werk GND 4336856 6 lobid OGND AKS VIAF 193680233 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Weisses Buch von Sarnen amp oldid 237152290