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Wurttembergische Landesvermessung bezeichnet die von 1818 bis 1840 im Konigreich Wurttemberg durchgefuhrte Vermessung und Kartierung des Landes Urflurkarte von Asperg mit Festung Hohenasperg Quadrant NO Schicht XXXVIII Blatt 6 von 1832 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Geodatisches Bezugssystem und Triangulation 2 1 Fundamentalpunkt 2 2 Triangulation 2 3 Richtungsbestimmung 2 4 Basismessung 3 Wurttembergisches Koordinatensystem 4 Kartenwerke 4 1 Flurkarte 1 2 500 4 2 Topographischer Atlas 1 50 000 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Anmerkungen 8 WeblinksGeschichte BearbeitenAls Folge der Umwalzungen der napoleonischen Zeit hatte sich das 1806 zum Konigreich erhobene Land Wurttemberg bis zum Jahr 1810 auf 19 514 km gut das Doppelte der Flache von 1801 vergrossert Entsprechend der Vielzahl fruherer Herrschaften gab es in den verschiedenen Landesteilen in Umfang Aufbau und Genauigkeit hochst unterschiedliche Grundstucksverzeichnisse Diese zumeist als Guter Lager oder Steuerbucher bezeichnet erfullten zwei Zwecke Einerseits dienten sie als Vorlaufer des heutigen Grundbuchs dazu alle mit den Grundstucken verknupften Rechtsgeschafte Verkauf Verpfandung Grunddienstbarkeiten einzutragen andererseits bildeten sie ein wichtiges Hilfsmittel fur die Erhebung der Grundsteuer Um die Steuer nicht willkurlich sondern nach einem nachvollziehbaren System beruhend auf Grosse Nutzung und Ertragswert der Grundstucke festsetzen zu konnen mussten die Bucher vereinheitlicht und alle Flachen genau vermessen werden Weitere Anwendungen der Vermessung hatte man im damals vorwiegend von der Landwirtschaft gepragten Konigreich noch nicht im Sinn sie sollten aber bald an Bedeutung gewinnen Strassen und Wasserbau Eisenbahnbau ab 1845 Konig Wilhelm I seit 1816 regierend und fest entschlossen Wurttemberg zu einem modernen Staatswesen umzugestalten ordnete per Dekret am 25 Mai 1818 die Landesvermessung an An die Spitze der hierfur eingerichteten Behorde der Katasterkommission berief er seinen Finanzminister Ferdinand Heinrich August von Weckherlin Die wissenschaftliche Leitung ubernahm der Tubinger Professor Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger die Organisation lag in den Handen von Vermessungsdirigent Franz von Mittnacht 1781 1849 2 Die im Herbst 1818 bei Tubingen begonnenen Vermessungsarbeiten deren technische Durchfuhrung auf den in Bayern seit 1801 und von Bohnenberger selbst bei der Charte von Schwaben seit 1795 gemachten Erfahrungen aufbaute dauerten bis zum 1 Juli 1840 Dabei waren durchschnittlich 90 insgesamt 500 Geometer im Auftrag des koniglichen Statistisch topographischen Bureaus beschaftigt Die Gesamtkosten betrugen 3 820 000 Gulden was rund 40 Prozent eines seinerzeitigen Jahresetats des Staates entsprach Geodatisches Bezugssystem und Triangulation Bearbeiten nbsp Fundamentalpunkt war der Nordostturm des Tubinger Schlosses nbsp Als Basislinie sollte die Strecke der Solitude Allee dienenFundamentalpunkt Bearbeiten Als Fundamentalpunkt und Nullpunkt des wurttembergischen Koordinatensystems legte Bohnenberger sein Observatorium im Nordostturm von Schloss Hohentubingen fest dessen geografische Koordinaten er wie folgt ermittelte 48 31 12 4 nordliche Breite 26 42 51 0 Lange ostlich Ferro Triangulation Bearbeiten Bohnenberger bestimmte die Winkel der Hauptdreiecke uberwiegend selbst und konnte diese Aufgabe bis zu seinem Tod 1831 fast fertigstellen Den Berechnungen legte er ein Erdellipsoid mit einer grossen Halbachse von in heutiger Masseinheit 6 376 604 m und einer Abplattung von 1 312 7 zugrunde Fur Haupt und Sekundarnetz wandte er die Formeln der spharischen Trigonometrie auf einer das Ellipsoid approximierenden Kugel an Insgesamt umfasste das Dreiecksnetz 32 760 Signalpunkte davon 75 im Hauptnetz Richtungsbestimmung Bearbeiten Zur Orientierung des Dreiecksnetzes ermittelte Bohnenberger das Azimut der Strecke Tubingen Kornbuhl Hierbei griff er auf seine bereits 1792 als Vorarbeit fur die Charte von Schwaben durchgefuhrten Messungen zuruck die sich spater als nicht ganz exakt erweisen sollten Deshalb ist die Abszisse des wurttembergischen Koordinatensystems gegenuber der Nordrichtung des Meridians um etwa 16 nach Osten verdreht Basismessung Bearbeiten Bohnenberger beabsichtigte 1818 die Langenangaben des Vermessungswerkes auf der Messung einer gut 13 Kilometer langen Basislinie auf der 1768 schnurgerade angelegten Solitude Allee zwischen Ludwigsburg und dem Schloss Solitude aufzubauen Jedoch verzogerte sich die Lieferung der in Paris bestellten Kopie der Toise du Perou die zur Eichung der Messstangen unbedingt erforderlich war 3 Um den Beginn der Stuckvermessung nicht weiter hinausschieben zu mussen mass man im April 1819 mit den vorhandenen nicht geeichten Werkzeugen eine rund 5 Kilometer lange Hilfsbasis im Ammertal bei Tubingen deren Lange von 17 499 07 Fuss allen folgenden Berechnungen zu Grunde lag Nachdem die Toise aus Paris endlich eingetroffen war holte man ab 18 September 1820 die Messung der Hauptbasis auf der Solitude Allee nach und erlebte eine unliebsame Uberraschung Gemessen wurden 45 491 30 Fuss wahrend die Berechnung aus der Hilfsbasis eine Lange von 45 501 64 Fuss erwarten liess Fur die grosse Abweichung gab es nur eine Erklarung Die bei der Hilfsbasis benutzten Messstangen waren zu kurz und deshalb die Masszahl zu gross Fur die eigentlich naheliegende Losung namlich die Lange der Hilfsbasis und alle darauf beruhenden Werte zu korrigieren war es bereits zu spat denn die Stuckvermessung war in vollem Gange und arbeitete mit den falschen Koordinaten So musste Bohnenberger zu zwei Kunstgriffen Zuflucht nehmen Er behielt die Masszahlen der auf der Hilfsbasis aufgebauten Langen bei ersetzte aber die Einheit Fuss durch den Landesvermessungsfuss ein LV Fuss gleich 126 97 Pariser Linien Den noch verbliebenen Fehler eliminierte er indem er die gemessene Lange der Hauptbasis in der neuen Einheit gleich 45 502 05 LV Fuss auf den ad hoc eingefuhrten Landesvermessungshorizont von 840 Pariser Fuss rund 273 Meter uber Meereshorizont reduzierte Damit ist das wurttembergische das einzige deutsche Vermessungssystem dessen Langen sich nicht auf Meereshohe beziehen Die parallele Verwendung zweier Masseinheiten LV Fuss fur die Koordinaten der Dreieckspunkte gesetzliche Fuss fur die Stuckvermessung fand erst mit der Einfuhrung des Metermasses zum 1 Januar 1872 ein Ende nbsp Tubingen 1848 auf der Flurkarte 1 2 500 Quadrant NO Schicht I Reihe 1 mit dem Fundamental und Nullpunkt der Landesvermessung Ecke links unten 4 nbsp Tubingen 1851 auf Blatt 32 im Topographischen Atlas des Konigreichs Wurttemberg 1 50 000 Wurttembergisches Koordinatensystem BearbeitenEs werden Soldner Koordinaten mit Nullpunkt Tubingen verwendet Bei der Umrechnung in andere Koordinatensysteme etwa Gauss Kruger sind vorweg die oben erwahnte Verdrehung und der abweichende Horizont zu berucksichtigen Kartenwerke BearbeitenFlurkarte 1 2 500 Bearbeiten Als sichtbares Ergebnis der Stuckvermessung entstand neben den einheitlichen Guterbuchern und den sog Primarkatastern die wurttembergische Flurkarte Sie wurde von Beginn an als Rahmenkarte im Massstab 1 2 500 gefuhrt Dabei stellen die Rechts und Hochwerte Soldner Koordinaten als ebene kartesische Koordinaten abgebildet der jeweiligen Randlinien ganzzahlige Vielfache von 4000 Landesvermessungsfuss dar so dass jede Flurkarte als Quadrat mit 45 83 cm Seitenlange erscheint Ausgehend vom Nullpunkt Tubingen werden die Kartenblatter mit Quadrant NO NW SW oder SO Schicht Zeile und Reihe Spalte bezeichnet Insgesamt wurden 15 572 Flurkarten aufgenommen Die Vervielfaltigung erfolgte zunachst mittels Lithografie seit den 1930ern vorwiegend im Lichtpausverfahren Topographischer Atlas 1 50 000 Bearbeiten Das 1820 gegrundete Koniglich Statistisch Topographische Bureau begann sogleich mit der topografischen Landesaufnahme die zeitnah auf der Katastervermessung aufbaute Als Arbeitskarten benutzte man die Originalblatter bestehend aus zehn mal zehn in den Massstab 1 25 000 verkleinerten Flurkarten in die man die mit einfachen Instrumenten gemessenen oder geschatzten Gelandeneigungen eintrug Die kartografische Gelandedarstellung erfolgte in Form von Schraffen nach dem Lehmannschen Verfahren Indem vier Originalblatter auf halbe Grosse verkleinert und zusammengesetzt wurden ergab sich ein Blatt des Topographischen Atlas 1 50 000 das somit die Flache von 400 Flurkarten umfasste 1826 erschien das erste der insgesamt 55 Atlasblatter 1851 das letzte Mit exakten Hohenangaben konnte die Erstauflage nicht dienen denn die trigonometrische Hohenaufnahme begann erst 1859 ein systematisches geometrisches Nivellement sogar erst 1868 Siehe auch BearbeitenListe von KartenwerkenLiteratur BearbeitenLandesvermessungsamt Baden Wurttemberg Hrsg 150 Jahre Wurttembergische Landesvermessung Landesvermessungsamt Baden Wurttemberg Stuttgart 1968 Landesamt fur Geoinformation und Landentwicklung Baden Wurttemberg Hrsg 200 Jahre Landesvermessung GRUND LAGEN SCHAFFEN Landesamt fur Geoinformation und Landentwicklung Baden Wurttemberg Stuttgart 2018 Drucknummer MLR 19 2018 43 Festschrift zum 200 Jubilaum Alfred Egerer Die mathematischen Grundlagen der wurttembergischen Kartenwerke In Wurttembergische Jahrbucher fur Statistik und Landeskunde 1930 31 ISSN 0721 1589 S 287 420 Anmerkungen Bearbeiten Quelle Statistisch Topographisches Bureau des Konigreichs Wurttemberg Blatt NO XXXVIII 6 Landesarchiv BW Staatsarchiv Ludwigsburg Rudolf George Die wurttembergische Landesvermessung 1818 1840 und die Zeit davor In Heimatkundliche Blatter Balingen 33 Jg 1986 Heft 1 S 529 532 hier S 531 1806 war der wurttembergische Fuss gesetzlich auf 127 Pariser Linien festgelegt worden Quelle Statistisch Topographisches Bureau des Konigreichs Wurttemberg Blatt NO I 1 Landesarchiv BW Staatsarchiv LudwigsburgWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Wurttembergische Landesvermessung Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Digitalisate der Flurkarten 1818 1863 beim Landesarchiv Baden Wurttemberg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wurttembergische Landesvermessung amp oldid 237823805