www.wikidata.de-de.nina.az
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Zum osterreichischen Architekt Maler und Schriftsteller ahnlichen Namens siehe Viktor Kraft Victor Kraft 4 Juli 1880 in Wien Osterreich Ungarn 3 Janner 1975 ebenda war ein osterreichischer Wissenschaftstheoretiker Philosoph und Bibliothekar Zu seinen direkten Schulern zahlen die Philosophen Paul Feyerabend und Ernst Topitsch sowie die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann die bei Victor Kraft mit einer kritischen Arbeit uber Martin Heidegger promoviert wurde Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Schriften Auswahl 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAls Sohn Josef Krafts eines Wiener Schuldirektors und Prasidenten des Vereins fur Kindergartenwesen absolvierte er ein Real Gymnasium mit Griechisch im 6 Wiener Gemeindebezirk und schloss dieses mit Auszeichnung 1899 mit der Matura ab Anschliessend studierte an der Universitat Wien Geschichte bei Oswald Redlich Geographie bei Albrecht Penck und Philosophie unter Friedrich Jodl und Adolf Stohr Er horte aber auch zahlreiche weitere Vorlesungen aus anderen Gebieten nicht nur Geologie sondern auch Botanik Kunstgeschichte und Volkswirtschaftslehre Weitere Studien in Berlin folgten u a bei Georg Simmel Wilhelm Dilthey und Carl Stumpf Jedoch wurden seine philosophischen Entwicklungen nur wenig durch seine Universitatslehrer bestimmt sie gingen im Wesentlichen selbstandig vor sich 1903 promovierte er mit dem Thema Die Erkenntnis der Aussenwelt Anschliessend nahm er 1912 eine Tatigkeit in der Universitatsbibliothek Wien im Fachgebiet Philosophie auf Zum wissenschaftlichen Beamten als Bibliotheksassistent wurde er 1925 befordert 1912 verfasste er die Schrift Weltbegriff und Erkenntnisbegriff mit der er sich 1914 im Bereich Theoretische Philosophie habilitierte 1916 wurde seine Tochter Eva Frodl Kraft geboren Der Titel eines ausserordentlichen Professors wurde ihm 1924 verliehen Nach der NS Besetzung Osterreichs galt er als judisch Versippter und wurde wegen seiner halbjudischen Frau von Staatssekretar Otto Wachter entlassen Auch seine Venia legendi verlor er 1 Nach seiner Rehabilitierung konnte er 1945 in den Bibliotheksdienst zuruckkehren 1947 wurde er zum Generalstaatsbibliothekar ernannt In dieser Position organisierte er die Wiener Universitatsbibliothek neu Im gleichen Jahr wurde er zum ausserordentlichen Professor der Philosophie ernannt von 1950 an ordentlicher Professor Im Jahre 1952 emeritierte er 1954 wurde er Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften 2 Seine Grabstatte befindet sich auf dem Hietzinger Friedhof in Wien Wirken BearbeitenDas Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft fuhrte nach 1945 in Osterreich nicht zur Renaissance des Logischen Empirismus zumal die uberlebenden Emigranten des Wiener Kreises nicht gewillt waren ohne weiteres nach Wien zuruckzukehren Das politische Klima das dem Neopositivismus bereits vor dem deutschen Einmarsch feindlich gesinnt war das Attentat auf Moritz Schlick wurde von der katholischen standestaatlichen Presse indirekt gerechtfertigt verbesserte sich auch in der Nachkriegszeit bis weit in die 60er Jahre kaum In der Wiener Universitat regierte die katholische Restauration Victor Kraft und sein Schuler Bela Juhos 1901 1971 bekamen nach 1945 das Fortwirken antipositivistischer Affekte deutlich zu spuren So erklarte der damalige osterreichische Unterrichtsminister Heinrich Drimmel ein fanatischer Katholik dass fur ihn Positivismus und Kommunismus eins seien Der Neopositivismus so bekundete Drimmel sei ebenso zersetzend wie der Nationalsozialismus Der Rechtspositivismus der beruhmten Wiener Rechtstheoretischen Schule habe in der Geschichte Spuren hinterlassen so Drimmel wie es sie blutiger in keiner Epoche davor gegeben habe 3 Seine antitotalitaristischen Bekundungen hielten Drimmel jedoch nicht davon ab ehemalige Nationalsozialisten wie z B den beruchtigten Wiener Historiker Taras Borodajkewycz zu protegieren Krafts Rehabilitation diente wohl vor allem als eine Art wissenschaftspolitisches Alibi Krafts Schuler Ernst Topitsch schreibt in diesem Zusammenhang Nun hatte ich unter dem nationalsozialistischen Terror von eher Wiederherstellung der Geistesfreiheit im Zeichen eines christlichen Humanismus getraumt doch was dann wirklich kam war eine erstickende provinzielle Restauration und ein klaglicher Klerikalismus verbreitete in den Hallen der Alma Mater eine fast mit Handen zu greifende Atmosphare intellektueller Unredlichkeit ohne auf entschiedenen Widerstand zu stossen 4 Der kleine Kreis der sich in den 50er Jahren um Kraft zu bilden begann Kraft Kreis genannt den immerhin so bedeutende Philosophen wie Wittgenstein allerdings wohl nur einmal Ernst Topitsch Paul Feyerabend Elizabeth Anscombe und Georg Henrik von Wright besuchten konnte keine grossere offentliche Wirkung entfalten und Kraft musste erleben wie seine Schuler vor allem im Ausland Karriere machten Als Angehoriger des neopositivistischen Wiener Kreises den er regelmassig besuchte arbeitete Kraft als einziger Wiener Neopositivist an einer nicht metaphysischen rational begrundeten Ethik und Wertlehre Obwohl sich Kraft explizit zur sogenannten Wissenschaftlichen Weltauffassung bekannte wahrte er zu vielen Dogmen des logischen Empirismus deutliche Distanz Am ehesten ist er in dieser Beziehung wohl mit Karl Popper zu vergleichen Im Unterschied zu Popper uberspitzte Kraft die internen Differenzen zwischen sich und dem Kreise jedoch nicht Ungeachtet aller Eigenstandigkeit war Kraft stets bemuht die Grundgemeinsamkeiten des Wiener Neopositivismus zu betonen Distanz zum Mainstream des Kreises findet sich insbesondere beim allzu unbekummerten logisch empiristischen Postulat von der Einheitswissenschaft dem radikalen Wertskeptizismus und in erkenntnistheoretischer Hinsicht vor allem in Krafts Ablehnung von Schlicks Wende die dieser unter dem Einfluss Wittgensteins vollzog von einer kritisch realistischen Position in Richtung eines phanomenologischen Positivismus Kraft blieb stets ein antiphanomenalistischer konstruktivistischer Realist bzw antisensualistischer Empirist Der konstruktivistische oder hypothetische Realismus lasst sich durch die funf folgenden Postulate kennzeichnen Der hypothetische Charakter der Wirklichkeit Die Existenz einer bewusstseinsunabhangigen strukturierten Wirklichkeit Die partielle Erkennbarkeit und Verstehbarkeit der Welt Die grundsatzliche Erkenntnis der Welt durch Wahrnehmen und Denken Die Moglichkeit intersubjektiver Wissenschaft 5 Krafts Wissenschaftstheorie antizipierte Ideen des Kritischen Rationalismus Karl Popper selbst hat in dem erst 1979 das Manuskript wurde in den 1930er Jahren verfasst erschienenen Buch Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie hierzu geschrieben Kraft nimmt soweit ich es beurteilen kann geradezu die Grundgedanken des von mir vertretenen deduktivistisch empiristischen Standpunktes vorweg 6 Auch in der praktischen Philosophie antizipierte Kraft vieles was heute zum Standardrepertoire zeitgenossischer Diskurse gehort Schon vor R M Hares universellem Praskriptivismus der heute eine klassische Theorie moderner Moralphilosophie genannt werden darf verband Kraft eine empiristische Ausgangsposition mit der Kritik am Relativismus Seine Distanz zum Wiener Kreis erklart sich nicht zuletzt daher dass bei Kraft ahnlich wie bei Popper der Einfluss des Neukantianismus stets lebendig blieb Krafts spaterer Kultur Utilitarismus ist nahezu unbeachtet geblieben was vor allem auf politische Ursachen zuruckzufuhren ist Den starksten kaum bemerkten Einfluss hat Kraft auf das spatere Konzept des Wiener Rechtsphilosophen Alfred Verdross 1890 1980 ausgeubt Verdross war eine der zentralen Figuren der beruhmten Wiener Rechtstheoretischen Schule und schrieb seinerzeit das meistgelesene Standardwerk uber Volkerrecht in deutscher Sprache Schriften Auswahl BearbeitenDas Problem der Aussenwelt in Archiv fur Philosophie 2 Abteilung Archiv fur systematische Philosophie Neue Folge 10 1904 Diss Weltbegriff und Erkenntnisbegriff Eine erkenntnistheoretische Untersuchung Leipzig 1912 Habil Die Grundformen der wissenschaftlichen Methoden Wien 1925 Online Archive Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre Wien 1937 Die zweite verbesserte und erweiterte Fassung erschien in Wien 1951 Uber Moralbegrundung in Theoria 6 1940 Mathematik Logik und Erfahrung Wien 1947 Der Wiener Kreis Der Ursprung des Neopositivismus Wien 1950 Einfuhrung in die Philosophie Philosophie Weltanschauung und Wissenschaft Wien 1950 Erkenntnislehre Wien 1960 Rationale Moralbegrundung Wien 1963 Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral Berlin 1968 Ist eine rationale Begrundung von sozialen Normen moglich in Osterr Zeitschrift fur offentliches Recht 13 1972 Die Giltigkeit von Normen In Zeitschrift fur allgemeine Wissenschaftstheorie 5 1974 Popper and the Vienna Circle in Paul Arthur Schilpp Hrsg The Philosophy of Karl Popper Lasalle III 1974 Das Universalienproblem in Bernulf Kanitscheider Hrsg Festschrift fur Gerhard Frey zum 60 Geb 1976 Literatur BearbeitenFriedrich Kainz Viktor Kraft Nachruf In Almanach fur das Jahr 1975 der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1976 S 519 557 Jan Radler Victor Krafts konstruktiver Empirismus Eine historische und philosophische Untersuchung Logos Berlin 2006 ISBN 3 8325 1243 8 Ernst Topitsch Kraft Victor In Neue Deutsche Biographie NDB Band 12 Duncker amp Humblot Berlin 1980 ISBN 3 428 00193 1 S 654 f Digitalisat Wolfgang Schild Erkenntnis und Wert bei Viktor Kraft In Wiener Jahrbuch fur Philosophie Band VI 1973 S 208 241 Ernst Topitsch Hrsg Probleme der Wissenschaftstheorie Festschrift fur Victor Kraft Springer Wien 1960 Friedrich Stadler Studien zum Wiener Kreis Suhrkamp Frankfurt Main 1997 ISBN 3 518 58207 0 Oliver Vollbrecht Victor Kraft rationale Normenbegrundung und logischer Empirismus Eine philosophische Studie Utz Munchen 2004 ISBN 3 8316 0344 8Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Victor Kraft im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Jan Radler Victor Kraft 1880 1975 In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Das Problem der Aussenwelt auf gleichsatz de Nachlass im Brenner Archiv der Universitat InnsbruckEinzelnachweise Bearbeiten Philippe Sands Die Rattenlinie ein Nazi auf der Flucht Lugen Liebe und die Suche nach der Wahrheit Ubersetzung Thomas Bertram Frankfurt am Main S Fischer 2020 ISBN 978 3 10 397443 0 S 107 NDB Victor Kraft Heinrich Drimmel Vom Umsturz zum Burgerkrieg Wien Munchen 1985 S 338 Ernst Topitsch Naturrecht im Wandel des Jahrhunderts in Aufklarung und Kritik I 1994 Gerhard Vollmer Evolutionare Erkenntnistheorie 5 Aufl Stuttgart 1990 S 34 Karl Raimund Popper hrsg Troels Eggers Hansen Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie Mohr Siebeck Tubingen 1979 S 182 Normdaten Person GND 118715410 lobid OGND AKS LCCN n81022542 VIAF 32139298 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kraft VictorALTERNATIVNAMEN Kraft ViktorKURZBESCHREIBUNG osterreichischer Wissenschaftstheoretiker Philosoph und GeneralstaatsbibliothekarGEBURTSDATUM 4 Juli 1880GEBURTSORT WienSTERBEDATUM 3 Januar 1975STERBEORT Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Victor Kraft amp oldid 229099537