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Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau auch Reichenauer Verbruderungsbuch genannt ist ein lateinisch geschriebenes gebundenes Manuskript das ab den 820er Jahren in der Abtei Reichenau angefertigt wurde Als Verbruderungsbuch enthalt es ein Verzeichnis in dem Gebetsbruderschaften aufgezeichnet sind und Namenslisten der Stifter und Wohltater des Klosters sowie von Personen die mit ihm in enger geistiger Bindung standen so dass ihrer in den monchischen Gebeten gedacht wurde Diese Namenslisten mit ihren mehr als 38 000 Personennamen auf 164 Seiten sind eine herausragende Quelle fur die Namenforschung zu einer Vielzahl von Klostern in Suddeutschland und Nordfrankreich aber auch Italien Belgien und Sudfrankreich die durch die Gebetsbruderschaften mit Reichenau verbunden waren sowie zur Erforschung familiarer Zusammenhange von Personen auf der weltlichen Seite die das Kloster fur ihr eigenes Seelenheil vor allem finanziell forderten und deshalb als Wohltater aufgefuhrt sind Namenseintrag Ottos I als Konig seiner Familie im Reichenauer Verbruderungsbuch Inhaltsverzeichnis 1 Das Buch 2 Die Listen 3 Die Namen 4 Geschichte 5 Das Verbruderungsbuch als Quelle 6 Editionen 7 Literatur 8 Weblinks 9 FussnotenDas Buch BearbeitenDas Verbruderungsbuch ist aus drei Teilen mit insgesamt 93 Blattern Pergament oder Papier zusammengefugt und in Holzdeckel gebunden Der Teil 1 besteht aus 9 Papierblattern auf denen Verbruderungsabmachungen Todesanzeigen etc wiedergegeben sind Dieser relativ junge Teil des Buches stammt aus dem 15 bis fruhen 16 Jahrhundert Der Teil 2 ist der zentrale Teil das eigentliche alte Verbruderungsbuch Es besteht aus 59 Pergamentblattern Kalbpergament sowie 8 Papierblattern aus dem 17 Jahrhundert bei denen es sich um einen Ersatz fur wohl nicht mehr verwendbare Pergamentblatter handelt und hat insgesamt also 134 Seiten Offenbar sind funf weitere Blatter verloren gegangen Die Pergamentblatter beginnen mit Eintragen aus der Zeit um 825 die bis ins spate Mittelalter fortgefuhrt wurden Im Lauf der Zeit ist bei Reparaturen oder Bindearbeiten die Reihenfolge der Blatter teilweise vertauscht worden Es ist der Forschung jedoch gelungen die ursprungliche Reihenfolge zu rekonstruieren Beim Teil 3 bestehend aus 15 Pergamentblattern Schafpergament also 30 Seiten handelt es sich um Professlisten Nachtrage zum Teil 2 und Abschriften von Urkunden etc er stammt im Wesentlichen aus dem 10 Jahrhundert und wurde bis ins 12 und 13 Jahrhundert fortgefuhrt Ebenfalls aus dem 17 Jahrhundert oder spatestens vom Anfang des 18 Jahrhunderts stammt der Einband der aus mit Leder uberzogenen Holzdeckeln besteht Eine der beiden Schliessen ist verloren gegangen Die einzelnen Blatter sind fast alle zwischen 19 5 und 20 5 cm breit und 26 8 bis 28 5 cm lang nur ein Blatt ist deutlich kleiner Das Pergament im Teil 2 ist auf einer Flache von 15 6 bis 15 8 mal 20 5 bis 21 cm in vier Kolumnen zu 39 Zeilen beschriftet in Teil 3 sind es uberwiegend vier Kolumnen zu 27 Zeilen Die Listen BearbeitenBei der Anlage des Buches hat man auf den Seiten 4 bis 85 Platz fur verschiedene Gruppen reserviert und entsprechende Uberschriften vergeben So enthalten zum Beispiel Seiten 4 und 5 Namen von lebenden Monche des Klosters Reichenau Seiten 6 und 7 die verstorbenen die Seiten 8 und 9 waren als Reserve gedacht weisen heute aber Eintrage auf die dem ublichen Plan nicht entsprechen Seiten 10 und 11 nahmen die lebenden Monche des Klosters St Gallen auf Seite 12 und wohl auch die verlorene Seite 13 die verstorbenen Es folgen das Kloster Pfafers dann das Kloster Disentis etc insgesamt 50 verbruderte Kloster auch Frauenkloster sind hier aufgefuhrt denen noch die Domkapitel der Bistumer Konstanz Basel und Strassburg angefugt wurden Unter den Klostern gehoren die westfrankischen zum altesten Teil der Verbruderungen was wohl auf den Gebetsbund von Attigny zuruckgeht der im Jahr 762 in der Konigspfalz Attigny in den Ardennen geschlossen wurde und somit als Ausloser fur die Entstehung des Reichenauer Verbruderungsbuchs zu sehen ist Nach den geplanten Monchslisten der Seiten 4 bis 85 folgen einige Seiten 86 bis 92 als weitere Reserve die dann irgendwann ebenfalls nicht mehr dem anfanglichen Plan entsprechend gefullt wurden Im ursprunglichen Buch also vor der Veranderung der Reihenfolge schlossen sich die Listen mit den lebenden und verstorbenen Wohltatern des Klosters an heute die Seiten 98 und 99 fur mehr als 200 Lebende die Seiten 114 bis 123 fur uber 1200 Verstorbene Der Plan aber auch die Tatsache dass die den Klostern und Bistumern gewidmeten Listen sowie die Liste der Wohltater der Abtei wohl nur von funf verschiedenen Handen geschrieben wurden von denen eine mehr als die Halfte der Eintrage machte verdeutlicht dass das Buch nicht fortlaufend weitergefuhrt wurde sondern dass altere Vorlagen und Listen zusammenkopiert wurden Erst spater ging man zu Nachtragen uber auch mit der Konsequenz dass am Rand oder zwischen die Spalten weitergeschrieben wurde bis man schliesslich dazu gezwungen wurde jede freie Stelle zu nutzen Ganz andere Schriften weisen die Seiten 93 bis 96 109 bis 112 und 129 bis 134 auf die ursprunglich wohl den Wohltater Listen folgten nun aber eingestreut sind Hier sind Monche aufgelistet die sich in Klostern in der Region von Lyon und Langres aufhielten Die Namen BearbeitenMehr als 38 000 Personennamen sind auf den 164 Seiten der Teile 2 und 3 enthalten der weitaus grosste Teil ohne jeden weiteren Zusatz Da die Eintrage zu den lebenden und verstorbenen Monchen nach Klostern sortiert sind ist hier wenigstens eine regionale Zuordnung moglich Dem mit dem Verbruderungsbuch beabsichtigten Gedenken und der damit verbundenen Wirkung auf das Seelenheil war offenbar mit dem einfachen Eintrag des Namens Genuge getan weitere Angaben die eine Identifizierung ermoglichten waren nicht notig sie wurden auch nur manchmal gemacht Der grosste Teil der Eintrage stammt von den Monchen des Klosters Reichenau es kam aber auch vor dass Besucher sich selbst eintragen durften insbesondere wohl dann wenn ihre heimatliche Schrift nicht die lateinische war 1 Eindeutig ist dass das Verbruderungsbuch Namen auch aus weit entfernten Regionen enthalt aus dem 11 und 12 Jahrhundert finden sich etwa 700 Namen von Besuchern aus Skandinavien darunter eine Gruppe aus Island 2 die orthodoxen Patriarchen Basilius von Jerusalem 820 838 und Christophorus von Alexandrien 817 841 3 Konig Stephan von Ungarn 997 1038 4 Bischof Adalbert von Prag 983 997 5 Odo von Chatillon der spatere Papst Urban II 1088 1099 6 der 1095 zum Kreuzzug aufrief Geschichte BearbeitenAusgangspunkt der Gebetsverbruderung war der Gebetsbund von Attigny aus dem Jahr 762 dem bereits um 770 auf der Synode von Dingolfing eine ahnliche Vereinbarung fur Bayern folgte Die Anlage des Reichenauer Verbruderungsbuchs ist den Eintragen folgend in den Jahren 822 bis 824 zu sehen 7 also ein gutes Jahrzehnt nachdem ein ahnliches Buch im Kloster St Gallen angefertigt worden war Der Teil 3 kam im 10 Jahrhundert dazu der Teil 1 schliesslich aufgrund der Amtsfuhrung des Abtes Friedrich von Wartenberg 1427 1453 allerdings nicht unbedingt bereits zu seiner Zeit Zu Beginn des 16 Jahrhunderts horen die Eintrage im Verbruderungsbuch auf Im Jahr 1683 besuchte der Monch und Historiker Jean Mabillon die Abtei Reichenau und studierte das Verbruderungsbuch Auszuge aus dem Buch druckte er spater in seinen Vetera Analecta ab Die Papierblatter waren zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht eingefugt die Bogen waren aber sicher schon in der falschen Reihenfolge Wenig spater Ende des 17 spatestens Anfang des 18 Jahrhunderts bekam das Verbruderungsbuch seinen heutigen Einband und damit verbunden dann auch die Papierblatter Eine weitere Erwahnung des Buches stammt von Augustin Calmet der das Kloster 1748 besuchte und in seinem Diarium Helveticum darauf zu sprechen kommt Als das Kloster 1757 aufgehoben die Monche auf andere Kloster verteilt und der Bischof von Konstanz zwolf neue Monche auf die Reichenau schickt blieb die Bibliothek auf der Insel 1760 liess Martin Gerbert der Furstabt des Klosters St Blasien den Bestand der Bibliothek katalogisieren wobei das Verbruderungsbuch erneut erwahnt wurde Zwei Jahre spater 1762 besichtigte Kardinal Giuseppe Garampi der Prafekt des Vatikanischen Archivs die Bibliothek In dieser Zeit fertigte Hugo Schmidfeld ein Pater in St Blasien eine Kopie des Verbruderungsbuchs an die sich 1771 in seinem Besitz befand diese Kopie liegt heute in der Landesbibliothek Karlsruhe Cod St Blasien 41 1777 wurde das Verbruderungsbuch an Martin Gerbert geschickt der es 1780 wieder an die Reichenau zuruckgab Philipp Wilhelm Gercken der 1779 die Abtei besuchte notierte dass er das Buch nicht einsehen konnte da es nicht vor Ort gewesen sei Sieben Jahre spater 1787 wurde der Archivar Mauriz van der Meer Pater im Kloster Rheinau bei Zurich von Maximilian Christof von Rodt dem Bischof von Konstanz damit beauftragt den Handschriftenkatalog des Klosters zu uberarbeiten Ende des Jahres erhielt er dann die Genehmigung das Verbruderungsbuch auszuleihen um damit zu arbeiten bei seinem Tod 1795 befand sich das Buch noch in Rheinau offenbar auch noch 1803 da in diesem Jahr die Reichenauer Bibliothek nach Karlsruhe uberfuhrt wurde und dabei fehlte das Verbruderungsbuch Auch 1848 als Ferdinand Keller mit dem Verbruderungsbuch arbeitete befand es sich wohl noch in Rheinau 1862 wurde es dann im Zusammenhang mit der Aufhebung dieses Klosters mit dem Klosterarchiv dem Staatsarchiv des Kantons Zurich einverleibt Heute ist das Verbruderungsbuch mit der Signatur Ms Rh hist 27 im Bestand der Handschriften der Zentralbibliothek Zurich Das Verbruderungsbuch als Quelle Bearbeiten Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau ist mit seinem reichen Namenbestand allein von seinem liturgischen Charakter her als Buch des Lebens zu verstehen Es wurde daher als Zeugnis der Uberlieferung gewiss nicht richtig eingeschatzt wenn es lediglich als Quelle fur die Schriftgeschichte die Namenkunde oder die Personenforschung etwa betrachtet wenn es gar nur als Material zu Auswertungszwecken benutzt wurde 8 Die Forschung hat bereits zahlreiche Versuche unternommen den Inhalt des Buches zu interpretieren Konrad Beyerle vermutete dass einer der Schreiber des Verbruderungsbuchs der Monch Walahfrid Strabo 808 809 849 war 9 Karl Schmid wies 1966 in einem Eintrag aus dem Jahr 983 oder kurz davor zehn Personen nach die zur Familie Kuno von Ohningens gehorten 10 diese Eintrage korrespondieren weitgehend zu Angaben aus der Historia Welforum die dadurch gestutzt werden 1980 wies Armin Wolf die Identitat Kunos mit dem Herzog Konrad I von Schwaben nach und brachte damit den Eintrag in Beziehung zu einer bekannten und bedeutenden Personlichkeit und in den historischen Zusammenhang 11 Schmids und Wolfs Entdeckungen sind heute allgemein anerkannt Gerd Althoff wies 1983 auf einen Reichenauer Monch mit Namen Uutuchind hin der im Jahr 786 seine Gelubde ablegte und im Jahr 825 noch lebte Er sieht in ihm den Sachsenherzog Widukind der sich 785 Karl dem Grossen unterwarf sich taufen liess und danach aus den Annalen verschwand 12 An einer Stelle hat sich eine Gruppe von osteuropaischen Pilgern eigenhandig im Verbruderungsbuch eingetragen Methodios Leon Ignatios Ioakin Symeon Dragais Alfons Zettler nimmt an dass es sich bei dem ersten Namen um den Slavenapostel Methodios handelt 13 Editionen BearbeitenJohanne Autenrieth Dieter Geuenich Karl Schmid Hrsg Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau Liber confraternitatum Augiensis Einleitung Register Faksimile Monumenta Germaniae historica Libri memoriales et necrologia nova series Bd 1 Hahn Hannover 1979 ISBN 3 7752 5273 8 online Paulus Piper Hrsg Libri Confraternitatum Sancti Galli Augiensis Fabariensis Monumenta Germaniae Historica Antiquitates Necrologia Germaniae Supplementbd Weidmann Berlin 1884 Nachdruck ebenda 2001 ISBN 3 88612 009 0 Literatur BearbeitenDieter Geuenich Das Reichenauer Verbruderungsbuch In Dieter Geuenich Uwe Ludwig Hrsg Liber vitae Gebetsgedenken in der Gesellschaft des Fruhen Mittelalters Bohlau Koln u a 2015 ISBN 3 412 20943 0 S 123 146 Roland Rappmann Alfons Zettler Die Reichenauer Monchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im fruhen Mittelalter Archaologie und Geschichte Bd 5 Thorbecke Sigmaringen 1998 ISBN 3 7995 7355 0 Weblinks BearbeitenDigitalisierung des Reichenauer Verbruderungsbuches bei e codicesFussnoten Bearbeiten S 53 D4 5 S 159 A1 2 S 103 C1 2 S 158 C3 D3 S 153 B1 S 151 B1 4 Johanne Autenrieth et al Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau 1979 S LXVII LXVIII Johanne Autenrieth und andere Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau 1979 S LXX Konrad Beyerle Das Reichenauer Verbruderungsbuch als Quelle der Klostergeschichte In Konrad Beyerle Hrsg Die Kultur der Abtei Reichenau Erinnerungsschrift zur zwolfhundertsten Wiederkehr des Grundungsjahres des Inselklosters 724 1924 Band 2 Verlag der Munchner Drucke Munchen 1925 S 1107 1217 hier S 1110 wird u a von Autenrieth zuruckgewiesen Johanne Autenrieth et al Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau 1979 S XXXIV XXXV Karl Schmid Probleme um den Grafen Kuno von Ohningen Ein Beitrag zur Entstehung der welfischen Hausuberlieferung und zu den Anfangen der staufischen Territorialpolitik im Bodenseegebiet In Herbert Berner Dorf und Stift Ohningen Kugler Singen 1966 S 43 88 siehe Johanne Autenrieth et al Das Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau 1979 Tafel 135 Die Namen lauten 1 Cuonradus comes 2 Liutoldus laicus 3 Cuonradus laicus 4 Herimannus 5 Ita 6 Judita 7 Richlint 8 Ruo dolf 9 Vuelf Hein rich 10 Heinrich die Zahlen sind zum besseren Verstandnis eingefugt zwischen 6 und 7 beginnt eine neue Spalte in gleicher Handschrift zur Diskussion siehe den Artikel Richlind Armin Wolf Wer war Kuno von Ohningen Uberlegungen zum Herzogtum Konrads von Schwaben 997 und zur Konigswahl vom Jahre 1002 In Deutsches Archiv fur Erforschung des Mittelalters Bd 36 1980 S 25 83 Gerd Althoff Der Sachsenherzog Widukind als Monch auf der Reichenau Ein Beitrag zur Kritik des Widukind Mythos In Fruhmittelalterliche Studien 17 1983 S 251 279 1 Auf pagina 4 B2 des Reichenauer Verbruderungsbuches erscheint in einer Reichenauer Konventsliste die von Abt Erlebald angefuhrt wird und 825 angelegt wurde an 48 Stelle ein Uutuchind 2 Der gleiche Monch wurde nach seinem Tod auf pag 7 B2 unter den nomina fratrum defunctorum insulanensium aufgefuhrt Seite 53 D 4 5 Alfons Zettler Cyrill und Method im Reichenauer Verbruderungsbuch In Fruhmittelalterliche Studien 17 1983 S 280 298 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verbruderungsbuch der Abtei Reichenau amp oldid 224869289