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Das chemische Verbandsexamen war eine deutsche akademische Prufung im Fach Chemie Sie wurde 1898 vom Verband der Laboratoriums Vorstande an deutschen Hochschulen eingefuhrt und vor allem bis 1918 an Universitaten und technischen Hochschulen abgenommen Damit wurde der Einfuhrung eines Staatsexamens im Fach Chemie zuvorgekommen die einige deutsche Universitatsprofessoren als Beschrankung ihrer akademischen Freiheit ablehnten Mit dem Verbandsexamen sollten praktische und theoretische Grundkenntnisse in organischer und anorganischer Chemie nachgewiesen werden Das Bestehen der Prufung war Voraussetzung um zur Promotion bzw zur Diplomprufung zugelassen zu werden Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Inhalte des Verbandsexamens 3 Folgen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenAn den Universitaten des Deutschen Kaiserreichs war das Chemiestudium innerhalb der Philosophischen Fakultaten angesiedelt Da Absolventen eines Chemiestudiums im Gegensatz zu Absolventen anderer Studiengange nicht fur das Lehramt in Frage kamen sondern in der Regel in die chemische Industrie gingen gab es fur sie keine staatlichen Prufungen In den 1890er Jahren mehrten sich unter Chemikern in Industrie und an den Universitaten allerdings die Stimmen die geeignete Prufungen forderten Kritisiert wurde dass an den Universitaten die Grundlagenausbildung in anorganischer und analytischer Chemie zu Gunsten spezialisierter Forschung vernachlassigt werde Die Absolventen seien deshalb zwar hochspezialisiert aber fur die alltagliche Arbeit schlecht qualifiziert Zudem sank in der chemischen Industrie der Bedarf an Kenntnissen in organischer Chemie die in den Universitaten noch im Mittelpunkt der Ausbildung stand Teilweise sahen sich die Chemieunternehmen veranlasst eigene Fortbildungskurse anzubieten um die Defizite des Universitatsstudiums auszugleichen Mitte der 1890er Jahre kritisierten selbst Universitatsprofessoren dass Chemiestudenten einen Doktorgrad erlangen konnten ohne uber elementarste Grundkenntnisse in ihrem Fach zu verfugen Insbesondere an den kleinen Universitaten Freiburg Heidelberg Erlangen und Rostock wurden verhaltnismassig viele Promotionen angenommen 1 Die Ausbildung an den technischen Hochschulen war dagegen breiter als an den Universitaten aufgestellt ohne dass diese aber uber Promotionsrecht verfugten so dass die meisten angehenden Chemiker entweder nur an einer technischen Hochschule oder nur an einer Universitat studierten Vertreter von Universitaten technischen Hochschulen und Regierung unternahmen in den fruhen 1890er Jahren den Versuch eine einheitliche staatliche Prufung fur alle Chemiker einzufuhren Johannes Wislicenus und Emil Fischer ergriffen mit Unterstutzung des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands und dabei vor allem von Henry Theodore Bottinger und Carl Duisberg von der Bayer AG die Initiative Wislicenus Duisberg und Ferdinand Fischer bildeten im Auftrag der Deutschen Gesellschaft fur angewandte Chemie ein Komitee das 1896 einen Entwurf fur ein Chemiker Examen vorlegte Emil Fischer hatte bereits selbst eine Prufung fur seine Doktoranden eingefuhrt Zwar nahm die Gesellschaft fur angewandte Chemie nun Verein Deutscher Chemiker den Entwurf 1896 an stiess damit aber ein Jahr spater auf den Widerstand der Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft unter Wilhelm Ostwald Ostwald war der Ansicht dass es durch die Einfuhrung eines Staatsexamens nicht mehr notwendig sein wurde zum Studienabschluss zu promovieren In einer Verringerung der Doktoranden sah er eine Gefahrdung der chemischen Forschung und es gelang ihm Adolf von Baeyer und Viktor Meyer auf seine Seite zu ziehen Um den Planungen fur ein Staatsexamen zuvorzukommen drangte Baeyer der in seinem Laboratorium bereits in den 1880er Jahren eigene Vorexamen fur seine Studenten eingefuhrt hatte darauf dass die Universitatsprofessoren selbst aktiv werden und dabei die technischen Hochschulen einbeziehen mussten Anlasslich der Jahrestagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Arzte 1897 trafen sich die Direktoren der chemischen Laboratorien der Hochschulen und Universitaten und grundeten einen gemeinsamen Verband der Laboratoriums Vorstande an deutschen Hochschulen 1898 wurde als eigenes Examen das sogenannte chemische Verbandsexamen eingefuhrt dessen Ausfuhrungsbestimmungen auf der Verbandsversammlung vom 12 Marz 1898 einstimmig verabschiedet wurden Inhalte des Verbandsexamens BearbeitenDas Verbandsexamen bestand zum einen aus einer praktischen Prufung in qualitativer quantitativer und Massanalyse bei der die Zusammensetzung eines eigens zu diesem Zweck hergestellten Gemischs zu analysieren war zum anderen in einer mundlichen Prufung in analytischer und anorganischer Chemie sowie in Elementen organischer Chemie Angestrebt wurde dass ausschliesslich Studenten gepruft wurden die auch mindestens ein Semester im Laboratorium des Prufers gearbeitet hatten Das Bestehen des Verbandsexamens war Voraussetzung um promovieren oder ein Diplom erwerben zu konnen Ziel der Prufung sollte nicht nur die Kontrolle der Kenntnisse der Studierenden sein die damit ihre Vorbereitungsstudien abschlossen sondern es sollte auch dem Arbeitsmarkt garantieren dass die gepruften Chemiker uber die notwendigen elementaren Kenntnisse verfugten Dazu sollte die Prufung an Universitaten wie technischen Hochschulen im Wesentlichen gleich sein 2 Gleichzeitig waren die Bestimmungen aber vage gehalten um nicht den Eindruck zu erwecken man greife in die akademische Freiheit der Prufer ein 3 Folgen BearbeitenNachdem der Verband bis auf Rudolf Fittig und Jacob Volhard alle deutschen Professoren fur Chemie fur sich gewinnen konnte zog der Verein Deutscher Chemiker seine Vorschlage fur ein Staatsexamen im Sommer 1898 zuruck Das Verbandsexamen war damit effektiv etabliert 4 Die unmittelbare Folge der Einfuhrung des Verbandsexamens bestand deshalb darin dass die Einfuhrung eines Staatsexamens fur Chemiker verhindert worden war Denn die Regierung sah nun keinen Grund mehr den weitreichenden und kostspieligen Forderungen der chemischen Industrie nachzukommen 5 Da sich die Erwartungen der chemischen Industrie aber nicht erfullten hatte dies auch zur Folge dass in bestimmten Bereichen der chemischen Technologie und physikalischen Chemie weniger Lehrstuhle eingerichtet wurden als dies bei der Einfuhrung eines Staatsexamens der Fall gewesen ware 6 Der Verband als unabhangige Organisation konnte durch sein Examen die Standards der akademischen Ausbildung im Fach Chemie massgeblich mitbestimmen nicht zuletzt indem nicht jedes chemische Laboratorium in den Verband aufgenommen wurde So wurde der spatere Nobelpreistrager Eduard Buchner nur unter Vorbehalt aufgenommen weil sein Laboratorium an der Landwirtschaftlichen Hochschule von Berlin angesiedelt war und Baeyer Vorbehalte gegenuber der Agrochemie hatte Durch seine restriktive Politik blieb der Verband eine Organisation von Professoren der allgemeinen der organischen und der anorganischen Chemie 7 In der Folge der Einfuhrung des Verbandsexamens ging die Zahl der Promotionen im Fach Chemie auch an den kleineren Universitaten mit Ausnahme der Universitat Freiburg zuruck Auch die Zahl der Chemiestudenten nahm ab ohne dass dies freilich allein auf die nun verlangten hoheren Ausbildungsstandards zuruckzufuhren ware Die Einfuhrung des neuen Examens fuhrte indes dazu dass das Seminarangebot an den Universitaten formalisiert wurde Bis 1918 legten 9 203 Studierende das Verbandsexamen ab 8 Form und Funktion des Verbandes nach 1918 sind unklar wobei bis zu seiner endgultigen Auflosung durch den Reichsminister Bernhard Rust zum 1 September 1939 weiterhin Verbandsexamina abgenommen wurden 9 Die Berichte des Verbands der Laboratoriums Vorstande an deutschen Hochschulen liegen fur den Zeitraum von 1898 bis 1918 in digitalisierter Form vor und sind als Datenbank im Dateneigabesystem DES 10 des Vereins fur Computergenealogie zuganglich und durchsuchbar gemacht worden 11 Literatur BearbeitenJeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 241 271 Einzelnachweise Bearbeiten Jeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 243 Vgl Ausfuhrungsbestimmungen fur das sogenannte chemische Verbandsexamen In Deutsche Apotheker Zeitung 21 1906 S 364f Jeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 260 Jeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 255 Jeffrey A Johnson Academic Proletarian Professional Shaping Professionalization for German Industrial Chemists 1887 1920 In Geoffrey Cocks und Konrad Hugo Jarausch Hrsg German Professions 1800 1950 Oxford University Press New York 1990 ISBN 0195055969 S 127 Jeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 262f Jeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 257 260 Jeffrey A Johnson Academic Self Regulation and the Chemical Profession in Imperial Germany In Minerva 23 Nr 2 1985 S 256 347 Verband der Laboratoriumsvorstande an deutschen Hochschulen In Deutsche Wissenschaft Erziehung und Volksbildung Band 5 Nr 13 1939 S 374 dipf de Daten Eingabe System Abgerufen am 13 Juli 2017 Berichte des Verbandes der Laboratoriumsvorstande GenWiki Abgerufen am 13 Juli 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verbandsexamen amp oldid 223058194