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Das Portrat des Terentius Neo und seiner Frau ist ein Fresko aus dem 1 Jahrhundert n Chr und wurde 1868 in Pompeji entdeckt Es zahlt zu den bekanntesten Kunstwerken der romischen Wandmalerei und befindet sich heute im Archaologischen Nationalmuseum von Neapel Dargestellt ist sehr wahrscheinlich ein Backer mit seiner Frau Portrat des Terentius Neo und seiner Frau50 79 n Chr Fresko58 53 cmArchaologisches Nationalmuseum NeapelVorlage Infobox Gemalde Wartung Museum Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Fundort 3 Datierung 4 Identifizierung 5 Interpretation 6 Portratstil 7 Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenBeschreibung BearbeitenDas Fresko stellt allem Anschein nach ein Liebespaar dar das in einer dauerhaften Lebensgemeinschaft verbunden ist Die bustengrossen Figuren werden von links oben durch ein sanftes Licht beleuchtet Die Frau ist nach vorne versetzt und nimmt mehr als die Halfte des Bildraums ein wodurch der Mann etwas verdeckt und an den rechten Bildrand gedrangt wird Der Mann tragt die weisse Toga was ein Zeichen dafur ist dass er ein romischer Burger ist Er ist also frei geboren oder zumindest ein Freigelassener Fur eine weiter gehende Mitgliedschaft in der Magistratur der Stadt liefert seine Kleidung keine Anhaltspunkte Die Frau tragt eine rosarote Tunika und einen Mantel Der Teint der Frau ist rosiger und heller als der des Mannes Diese Unterscheidung der Hautfarbe nach Geschlecht entspricht einem in der Antike weit verbreiteten Topos nbsp Frau mit Griffel und SchreibtafelDie Frau hat ein ovales Gesicht das in Dreiviertelansicht gezeigt wird wahrend ihr Mann nahezu in Frontalansicht zu sehen ist Ihre rechte Gesichtshalfte ist aufgrund des Lichteinfalls etwas abgedunkelt Sie tragt ihr Haar mit einem Haarband dicht am Kopf und in der Mitte gescheitelt wobei feine Schlangenlocken ihre Stirn und Wangen einrahmen und ein paar Locken ihren Nacken hinunterfallen Die buschigen Augenbrauen verlaufen in zwei kraftigen Bogen die sich auf dem Nasenrucken treffen und umrahmen grosse braune Augen wobei die Augenlider wie auch beim Mann durch zwei parallel verlaufende Linien angedeutet werden Die Frau hat ihren klaren und durchdringenden Blick auf den Betrachter gerichtet Aufgrund der Kopfhaltung sind ihre Augen dabei leicht nach links gewendet Dadurch entsteht vielleicht auch der Eindruck dass sie am Betrachter vorbei in die Ferne blickt Auffallend ist bei der Frau wie die Besonderheiten ihrer grossen Nase dargestellt werden Die unterschiedlich verlaufende Nasenbreite und ihr bauchiges Ende sind mit Lichtern hervorgehoben Die Nase wirft zudem einen deutlichen Schatten auf die rechte Gesichtshalfte Ihr Mund ist schmal und besitzt volle und gleichmassige geschwungenen Lippen Die leicht angehobenen Mundwinkel deuten ein Lacheln an das sich allerdings nicht in der Augenpartie wiederfindet nbsp Mann mit SchriftrolleDer Kopf des Mannes ist grosser blockiger und breiter als der seiner Frau Sein Gesicht ist zudem flachiger und weniger differenziert ausgestaltet So finden sich keine nennenswerten Verschattungen die sich aufgrund des Lichteinfalls ergeben wurden Seine Augen sind weiter voneinander entfernt und seine Augenbrauen weisen am Nasenrucken einen deutlichen Abstand zueinander auf Die Augen des Mannes sind eher mandelformig und weniger klar als die seiner Partnerin was auch auf den fehlenden Augenreflex zuruckzufuhren ist Im Gegensatz zur Frau trifft sein Blick den Betrachter direkt und unmittelbar Die Nase des Mannes wird im Wesentlichen mit einer hellen wellenformigen Linie beschrieben Am unteren Ende verbreitert sich seine Nase mit deutlich betonten Nasenlochern Sein Mund besitzt starker geschwungene Lippen wobei die Oberlippe deutlich dunkler dargestellt wird Sein wenig ausgepragter Vollbart ist im Wangen und Kinnbereich mit einzelnen gebogenen Pinselstrichen ausgearbeitet Uber der Oberlippe ist die Linienfuhrung gerader und dichter Mann und Frau werden mit literarischen Attributen abgebildet Sie ist mit einer zweiteiligen Wachstafel diptychon dargestellt und scheint daruber nachzudenken was sie als nachstes mit ihrem Griffel stilus schreiben wird wobei die mit schwarzem Wachs beschichteten Schreibflachen dem Betrachter zugewendet sind Er halt eine Schriftrolle rotulus mit einem roten Siegel in der Hand Parallele Gesten verbinden die Dargestellten mit ihren Schreibutensilien So wie die Frau den Griffel den sie in der rechten Hand halt an die Lippen hebt so beruhrt der Mann mit der Schriftrolle sein Kinn Vermutlich wollten die Portratierten dem Betrachter zu verstehen geben dass sie lesen und schreiben konnten Man kann sich aber auch fragen ob das Paar das volkstumlich und wenig vornehm wirkt tatsachlich des Lesens und Schreibens kundig war oder ob es sich diese Attribute der Bildung nur aneignen wollte Sicher ist jedenfalls dass der Mann und die Frau diese Fertigkeiten schatzten und den Kunstler beauftragten das Lesen und Schreiben in ihrem Bild zu kodieren Fundort Bearbeiten nbsp Plan von Pompeji mit Regio VII und Insula 2Das Gemalde wurde in Regio VII in der sudostlichen Ecke der Insula 2 gefunden Mit Insula werden in Pompeji grossere Hauserblocks bezeichnet die ihrerseits mehrere Miets oder Eigentumshauser umfassen und von Strassen begrenzt sind Zu den Raumlichkeiten in denen sich das Gemalde befand gehoren in der Insula 2 die Zugange 1 bis 7 Die Eigentumer nahmen erhebliche bauliche Veranderungen an dem bestehenden Haus vor Sie richteten eine grosse Backerei ein behielten aber einen kleinen Teil fur eine Wohnung die direkt mit der Backerei verbunden war nbsp Grundriss des HausesIn die Wohnung gelangt man durch den Zugang 6 Ein grosses Vestibul a das aus einem ehemaligen Strassenladen hervorgegangen ist offnet sich hin zu einem Atrium b Auf der Nordseite des Atriums wurden kleine nischenartige Raume geschaffen An der Ruckwand des mittleren Raums c der in der Forschung als Exedra oder Tablinum bezeichnet wird liessen die Auftraggeber das Doppelportrat anbringen Die Wande des Raums waren im 4 Pompejanischen Stil gestaltet und entsprechend in mehrere Felder mit Ornamenten unterteilt Die Backerei die die sudlichen Raumen umfasste betrat man dagegen durch Zugang 3 und gelangte uber ein Vestibul d in ein grosses Peristyl e Hinter dem Peristyl schloss sich ein Raum f mit Getreidemuhlen und einem grossen Ofen g an Uber einen Korridor h konnte man das Atrium der Wohnung erreichen Auf diesem Weg blickte man direkt auf das Fresko Es ist bezeichnend dass sich das Bild nicht gegenuber Eingang 6 befand Offenbar war beabsichtigt dass Angestellte und Sklaven das Fresko von der Backerei aus sehen konnten nbsp Fresko mit Amor und PsycheUber dem Doppelportrat befand sich ein weiteres Fresko mit Amor und Psyche das heute ebenfalls im Archaologischen Nationalmuseum von Neapel ausgestellt ist Durch eine grosse Offnung blickt man auf Amor den gottlichen Sohn der Venus wie er auf einem Felsen sitzt und in leidenschaftlicher Umarmung mit Psyche vereint ist Psyche die nach langen Prufungen die Unsterblichkeit erlangt hat wird dementsprechend mit Schmetterlingsflugeln dargestellt Amors gottlicher Status zeigt sich in seinen Vogelflugeln Das Doppelportrat und die Darstellung von Amor und Psyche standen sicherlich in einem Bezug zueinander Datierung BearbeitenGelegentlich wurde versucht das Fresko anhand der Frisur der Frau zu datieren Sie tragt ihr Haar in einer Mode die um das Jahr 50 n Chr sehr beliebt war was dafur spricht dass das Bild aus dieser Zeit stammt Allerdings konnte die Frau fernab der Hauptstadt auch eine Frisur getragen haben die dort in kaiserlichen oder elitaren Kreisen langst aus der Mode gekommen war Hauptargument fur eine spatere Datierung ist aber dass zum Zeitpunkt des Vulkanausbruchs 79 n Chr die Dekoration des restlichen Hauses anscheinend noch voll im Gange war da einige Wande keinen Wandschmuck aufweisen Daher ist eher davon auszugehen dass das Fresko kurz vor dem Ausbruch des Vesuvs fertiggestellt worden ist Identifizierung BearbeitenDie Identifizierung der Dargestellten ist in der Wissenschaft umstritten Giulio De Petra der das Haus 1868 ausgegraben hatte identifizierte die beiden als den Adil Paquius Proculus und seine Frau auf der Grundlage von Wahlspruchen die auf einer der Aussenwande gefunden worden waren 1 Diese Zuschreibung hat sich als falsch herausgestellt 1926 analysierte Matteo Della Corte die Dipinti auf den Aussenwanden erneut und schloss auf zwei Bruder die der gens Terentia angehorten einen Backer Terentius Proculus und einen Anwalt Terentius Neo 2 Della Corte glaubte der dargestellte Mann sei der Jurist passend gekleidet in eine Toga und mit einer Schriftrolle in der Hand Das Doppelportrat ist daraufhin als Terentius Neo und seine Frau in die Literatur eingegangen Della Corte nahm zudem an dass der Eingang 6 zur Wohnung des Terentius Neo fuhrte und der Eingang 3 zur Backerei des Terentius Proculus Heute geht man uberwiegend davon aus dass die Inschriften am Haus die zur Wahl eines Adilen oder Duumvir aufrufen nicht dem Inhaber dieser Backerei gegolten haben da es schwer vorstellbar ist dass eine Person die sich um ein hohes politisches Amt bewarb in dieser geschaftigen lauten und stinkenden Gegend mit Farbereien in der Umgebung gewohnt hat Gesichert erscheint dagegen dass die beiden Raumlichkeiten mit den Zugangen 3 und 6 zusammengelegt wurden und im sudlichen Teil eine Backerei eingerichtet war Daher durfte es sich bei den beiden Portratierten um die Eigentumer der Wohnung und der Backerei und zugleich um die Auftraggeber handeln Interpretation BearbeitenDas ursprungliche Bilderensemble bestehend aus dem Doppelportrat des Backers und seiner Frau einerseits und der Darstellung von Amor und Psyche andererseits vermittelte dem Betrachter mehrere Botschaften hinsichtlich der sozialen Stellung des Paares und ihrer Beziehung zueinander wie insbesondere der Standort der Gemalde nahelegt Der Blick des Paares ist aus Sicht der Backerei besitzergreifend sie uberwachen gemeinsam ihre Angestellten und Sklaven aus einer gleichsam gelehrten und gebildeten Position heraus Zugleich demonstriert die Abbildung den Status der Eigentumer die sich abseits des Larms und der Arbeit in der Backerei mit ruhigen und erholsamen Tatigkeiten wie Lesen und Schreiben vergnugen konnen Fur die Arbeiter konnte das Portrat des Backers und seiner Frau auch ein Anreiz gewesen sein auf den selbststandigen Betrieb eines ahnlichen Gewerbes hinzuarbeiten Die Portratierten wollten daruber hinaus ihre gegenseitige Liebe die nach ihrem Dafurhalten so gross wie die von Amor und Psyche war zum Ausdruck bringen und vielleicht auch ihren Wunsch dass diese Liebe wie die des gottlichen Paares ewig andauern moge nbsp Sogenanntes Sappho Fresko aus PompejiDie Zuordnung von Wachstafel und Griffel zur Frau und der Schriftrolle zum Mann entsprach einem antiken Schema Wachstafel und Griffel mit einer ahnlichen Handhaltung finden sich auch auf dem sogenannten Sappho Fresko das ebenfalls aus Pompeji stammt Diese Typisierung gab Anlass zu einigen Vermutungen So sollen die literarischen Attribute der Frau generell auf die Darstellung einer Muse verweisen Die Schriftrolle muss dann auf die Erziehung und den Beruf des Mannes hindeuten Daher nahm man an dass es sich um einen Gelehrten oder Juristen handeln durfte der sich mit einer Muse oder zumindest mit seiner Frau als Muse abbilden liess Allerdings spricht die realistische und detaillierte Wiedergabe der Gesichtszuge klar gegen eine Idealisierung oder Typisierung Die Schreibgerate dienen vielmehr dem Ausdruck einer Identitat Schlussiger erscheint daher die Annahme dass es sich hier um die Darstellung eines neuen alltaglichen Frauenideals handelt die gebildete Ehefrau die mit ihren Schreibwerkzeugen gewissenhaft Aufzeichnungen fuhrt und damit ihre Tugendhaftigkeit unter Beweis stellt Die Ubernahme dieses kultivierten Ideals wirkt sich auch bildlich auf das Verhaltnis zwischen den Partnern aus Nun stehen im Gegensatz zu den Familienportrats aus dem Augusteischen Zeitalter die Liebesbeziehung und die Partnerschaft im Vordergrund Portratstil Bearbeiten nbsp Mumienportrat aus dem FayumDas Fresko ahnelt stilistisch agyptischen Mumienportrats aus dem Fayyum Becken die mit Enkaustik oder Tempera auf Holztafeln gemalt wurden um uber den Gesichtsteil einer Mumie gelegt zu werden Gemeinsam ist beiden Portrattypen die frontale Pose der Dargestellten ihr direkter Blick auf den Betrachter und die Hervorhebung physiognomischer Besonderheiten Die Portratierten die in ihrer Darstellung sicher gewissen Konventionen unterworfen sind verkorpern keine Standardtypen oder modischen Spiegelbilder von idealisierten kleinen Gottern und Gottinnen Vielmehr wird auf Details geachtet die die Dargestellten auszeichnen und individualisieren Im Gegensatz zu den Fayumportats diente das Fresko zur hauslichen Zurschaustellung und verdeutlichte den Wunsch nach Anerkennung und Prestige im Diesseits Der Portratstil wie er sich auf den Tafelbildern aus dem Fayum und auf den Wandbildern aus Pompeji findet gilt als genuin romische Errungenschaft und war in der Antike weit verbreitet Literatur BearbeitenJohn R Clarke Art in the Lives of Ordinary Romans Visual Representation and Non Elite Viewers in Italy 100 B C A D 315 University of California Press Berkeley 2006 ISBN 0520219767 S 261 268 Steven K Galbraith A Brief History of the Book Libraries Unlimited Santa Barbara 2020 ISBN 9781440869402 S 23 Herica Valladares Painting Poetry and the Invention of Tenderness in the Early Roman Empire Cambridge University Press Cambridge 2020 ISBN 9781108835411 S 188 193 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Terentius Neo und seine Frau Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien House of T Terentius Neo Pompeii in pictures abgerufen am 3 Oktober 2023 Portrait of Terentius Neo Roman Portraits Celebrating Literacy History of information abgerufen am 10 Oktober 2023 Anmerkungen Bearbeiten U a CIL 000004 IV 920 Procule Frontoni tuo officium commoda U a CIL 000004 IV 871 Cuspium Pansam aed ilem Terentius Neo rog at Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Portrat des Terentius Neo und seiner Frau amp oldid 238650264