www.wikidata.de-de.nina.az
Witu auch Wituland oder Witugebiet war ein afrikanisches Sultanat an der nordlichen Kuste des heutigen Kenia Von 1885 bis 1890 wurde in Witu ein sogenanntes deutsches Schutzgebiet eingerichtet das auch Suaheli Land genannt wurde 1 Es erstreckte sich nordlich des Tanaflusses vom Ort Kipini am Osifluss bis zum Ort Mkonumbe an der Lamubucht gegenuber der Insel Lamu uber eine Lange von etwa 40 km 1890 ging das Protektorat an Grossbritannien uber das in der Folgezeit Witu als Teil von Britisch Ostafrika verwaltete Dadurch verlor das kleine Sultanat seine Eigenstandigkeit Sultanat Witu Kenia WituLage von Witu im heutigen KeniaWitu an der ostafrikanischen Kuste Karte um 1890Haus des Sultans mit der Flagge von Witu um 1890 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Witu und deutsche Kolonialbestrebungen 1885 1890 3 Britische Besitzergreifung 1890 1895 4 Weitere Entwicklung bis heute 5 Philatelie 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVorgeschichte Bearbeiten1858 grundete Sultan Ahmad ibn Fumo Bakari aus der alten Herrscherfamilie der Nabahani von der Stadt Pate auf der gleichnamigen Insel im Lamu Archipel den Ort Witu als Regierungssitz auf dem Festland um vor der Expansion der Macht Sansibars auszuweichen Angesichts der Versuche Sansibars auch das Gebiet von Witu unter Kontrolle zu bekommen wandte sich der Sultan bereits 1867 an den deutschen Afrikareisenden Richard Brenner mit der Bitte einen Schutzvertrag mit Preussen zu vermitteln 1878 79 lernte der Sultan die deutschen Bruder Clemens und Gustav Denhardt kennen die damals das Gebiet am Fluss Tana erforschten 2 Diese betrieben dann in Deutschland die Grundung einer Tana Gesellschaft was nach dreijahrigen Bemuhungen im November 1882 zunachst zur Entstehung eines provisorischen Komitees fuhrte Fur den Vorsitz des Komitees konnte Clemens Denhardt den Berliner Oberburgermeister Max von Forckenbeck gewinnen Im Dezember 1884 kehrten die Denhardts nach Ostafrika zuruck 3 Witu und deutsche Kolonialbestrebungen 1885 1890 Bearbeiten nbsp Das von der Witu Gesellschaft beanspruchte Gebiet hier Deutsch Witu Land genannt nach einer Karte von Rochus Schmidt aus dem Jahr 1888 Am 8 April 1885 erwarben die Bruder Denhardt vom Sultan Ahmad ein Gebiet von 25 25 Meilen 1600 km fur ihr Tana Komitee und beantragten einen Schutzbrief des Deutschen Reiches Dieser Schutz wurde am 27 Mai 1885 ausgesprochen Die Denhardts verkauften dann 1400 km an die spatere Deutsche Witu Gesellschaft die ab 1887 als Kolonialgesellschaft deutschen Rechts die Souveranitat im Auftrag des Reiches innehatte Das Gebiet des Sultans wurde seit 1885 deutscherseits zu den Schutzgebieten gezahlt Im April 1885 ubermittelte der Sultan dem deutschen Generalkonsulat in Sansibar seinen Wunsch mit dem deutschen Kaiser in ein freundschaftliches Verhaltnis und unter dessen Schutz zu treten was umgehend aus Berlin positiv beantwortet wurde Damit war aber keine Vereinbarung uber Aufgabe von Souveranitatsrechten verbunden 4 Sultan Barghasch ibn Said von Sansibar war inzwischen hochst beunruhigt da erst wenige Wochen zuvor im Februar 1885 der deutsche Schutzbrief fur die Anspruche von Carl Peters auf dem Festland gegenuber Sansibar Tanganjika ausgestellt worden war Der Sultan protestierte im April 1885 telegrafisch in Berlin und setzte Soldaten gegen Witu in Marsch Das Erscheinen des Ostafrikanischen Kreuzergeschwaders vor Sansibar zwang ihn jedoch zum Einlenken und zur Anerkennung der deutschen Anspruche Kurz darauf stattete eine Delegation der Korvette Gneisenau dem neuen Schutzgebiet den ersten offiziellen Besuch ab 1 1886 erkannte Grossbritannien als rivalisierende Kolonialmacht in der Region das deutsche Protektorat im Raum Daressalam Pangani an Dies galt indirekt auch fur die Kuste und das Hinterland Witus Im Gegenzug respektierte aber wiederum Deutschland eine provisorische Einflusssphare Englands nordlich der Linie Tanga Victoriasee 5 Die geopolitische Lage Witus blieb daher zunachst in der Schwebe Der deutsche Offizier Rochus Schmidt befand sich 1886 und 1887 als Beauftragter der Witu Gesellschaft im neuen Schutzgebiet Er legte Stationen an bereiste die Nachbarlander und half bei der Abwehr von Angriffen 6 Einige deutsche Siedler begannen mit Plantagenwirtschaft und Handel Es war aber nicht genugend Kapital fur Investitionen vorhanden Die deutsche Regierung hielt sich finanziell ganz zuruck und beschrankte sich auf ein kleines Militarkontingent sowie auf die Einrichtung einer kaiserlichen Postagentur auf Lamu Die britischen Ostafrikadampfer legten aber so selten in Lamu an dass der Post und Guterverkehr meist zeitraubend und teuer uber die grosseren Hafen in Malindi oder Mombasa abgewickelt werden musste 1890 war die Witu Gesellschaft finanziell am Ende und ging durch Vertrag vom 10 Mai 1890 mit der Deutsch Ostafrikanischen Gesellschaft auf 7 Inzwischen hatte der deutsche Generalkonsul zu Sansibar einen Schutzvertrag mit dem neuen Sultan von Witu Fumo Bakari uber den Herrschaftsbereich des Sultanats geschlossen Britische Besitzergreifung 1890 1895 BearbeitenFur alle Beteiligten uberraschend kam die Nachricht vom deutsch britischen Abkommen vom 1 Juli 1890 Deutschland zog seine Schutzherrschaft uber Witu zugunsten von Grossbritannien zuruck Grossbritannien verpflichtete sich die Souveranitat des Sultans von Witu uber das Gebiet anzuerkennen welches sich von Kipini bis zu dem im Jahre 1887 als Grenze festgesetzten Punkt gegenuber der Insel von Kweihu heute Kiwaiyu nordlichste Insel des Lamu Archipels erstreckt Deutschland verzichtet ferner auf seine bislang nicht realisierten Anspruche auf die an Witu nordlich angrenzende Kuste bis nach Kismayu sowie auf die Inseln Pate und Manda Der Sultan war verargert und sah sich von den Deutschen verraten Der Arger verbreitete sich auch in der Bevolkerung Ein Zwischenfall fuhrte dann zum gewalttatigen Ende der deutschen Prasenz nach einem britischen Bericht Der bayerische Landwirt Andreas Kuntzel legte bei Mkonumbi auf dem Gebiete des Sultans eine Sagemuhle an und begann Holz zu fallen Er hatte dazu keine Erlaubnis des Sultans Am 15 September tauchten bewaffnete Leute des Sultans an seiner Sagemuhle auf Kuntzel ging mit 8 Begleitern nach Witu und verlangte den Sultan zu sprechen Er sollte vor dem Stadttor warten drang aber gewaltsam in die Palisadenbefestigung ein Dabei wurden Kuntzel und vier seiner Begleiter erschossen Ein junger Deutscher der an der Sagemuhle verblieben war wurde am folgenden Tag erschossen ein weiterer Deutscher wurde 2 Tage spater uberfallen und getotet 8 Die deutsche Regierung sandte eine Protestnote nach Grossbritannien und forderte Bestrafung und Schadenersatz Die Briten forderten Sultan Fumo Bakari auf sich einem Gerichtsverfahren auf Lamu zu stellen Da er dem keine Folge leistete landeten die Briten eine Streitmacht aus fast 800 Seeleuten und Marineinfanteristen 150 indischen Polizisten der Britischen Ostafrikanischen Gesellschaft 200 sansibarischen Soldaten sowie 250 einheimischen Hilfstruppen und riefen das Kriegsrecht uber Witu aus Mehrere Dorfer wurden abgebrannt und Witu gesturmt und ebenfalls niedergebrannt Der Sultan zog sich mit seiner Streitmacht vor den britischen Geschutzen in den Busch zuruck Die britische Streitmacht zog wieder nach Sansibar ab Am 15 November erklarte Grossbritannien Witu zum Protektorat unternahm aber noch keine Schritte zur Durchsetzung Bakari starb Anfang 1891 Sein Bruder Shehe wollte Friedensverhandlungen aufnehmen wurde aber abgesetzt und eingesperrt Sein Bruder Fumo Omari ubernahm die Regierung Im Marz 1891 wurde dann ein Abkommen zwischen der britischen Regierung der Britischen Ostafrikanischen Gesellschaft und den Vertretern Witus abgeschlossen Die Verwaltung wurde der Gesellschaft ubertragen die Sklaverei fur abgeschafft erklart und 250 indische Polizisten der Gesellschaft unter dem Kommando eines britischen Offiziers stationiert Sultan Fumo Omari hielt sich nicht sehr an die Oberhoheit der britischen Gesellschaft und so kam es seit Marz 1893 wieder zu Kampfen die sich das ganze Jahr uber hinzogen Die Britische Ostafrikanische Gesellschaft gab Witu an die britische Regierung zuruck Nur mit zwei erneuten Invasionen britischer Marinestreitkrafte war die Kontrolle uber das Gebiet aufrechtzuerhalten Die Briten unterstellten das Gebiet dem Sultan von Sansibar sodass nun die rote Fahne Sansibars uber Witu aufgezogen wurde Erst als Fumo Omari starb beruhigte sich die Lage endgultig 1895 war die britische Position stark genug um mit Omari bin Mohammed 9 einen neuen Sultan einsetzen zu konnen Ihm wurde ahnlich wie dem Sultan von Sansibar ein britischer Resident zur Seite gestellt der die Durchsetzung der britischen Interessen unter Beibehaltung eines gewissen Masses an Eigenverwaltung sicherstellte Weitere Entwicklung bis heute Bearbeiten1905 wechselte die britische Zustandigkeit fur Witu vom Aussenministerium zum Kolonialministerium Seither wurde Witu nur noch als Teil der Tanaprovinz des kenianischen Kustenprotektorats verwaltet Von der vertraglich zugesicherten Souveranitat war spater keine Rede mehr Mit dem Tod von Omar bin Hamed im Jahr 1923 war das Kapitel dann endgultig abgeschlossen Gustav Denhardt versuchte anscheinend weiterhin Aktivitaten in Witu aufrechtzuerhalten Er wurde dort von den Briten zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 verhaftet und in Indien interniert Heute gehort Witu zu Kenia und ist Teil des Distriktes von Lamu Philatelie BearbeitenNach dem Ubergang Witus an Grossbritannien tauchten im Handel sowie spater im Nachlass von Denhardt Briefmarken mit der Bezeichnung Postage Malakote in Pesa und Rupie Werten auf Die Bezeichnung bezieht sich auf das Siedlungsgebiet der Malakote Volksgruppe die am mittleren Tanafluss ausserhalb des Witugebiets siedelt Es ist unsicher von wem diese Marken herausgegeben wurden und ob sie sich auf eine tatsachlich je eingerichtete Poststation beziehen Laut einer Publikation von 1921 waren sie von den Brudern Denhardt fur den Verkehr im Hinterland bestimmt jedoch nicht in Gebrauch Von der Post innerhalb des Sultanats sind hingegen Dienst und Freimarken bekannt die zur Zeit der deutschen Schutzherrschaft durch Stempel mit einem W bzw Wito Schriftzug entwertet wurden 10 Literatur BearbeitenJutta Buckendorf Schwarz weiss rot uber Ostafrika Deutsche Kolonialplane und afrikanische Realitat LIT Verlag Munster u a 1997 ISBN 3 8258 2755 0 Europa Ubersee 5 Zugleich Bamberg Univ Diss 1995 Rainer Lahme Deutsche Aussenpolitik 1890 1894 Von der Gleichgewichtspolitik Bismarcks zur Allianzstrategie Caprivis Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1990 ISBN 3 525 35940 3 Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 39 Zugleich Munster Westfalen Univ Diss 1988 Herbert Schrey Die ersten deutschen Posteinrichtungen an der Ostkuste Afrikas und die Sultanatspost Wituland und Malakote Eigenverlag Kassel 1961 Marguerite Ylvisaker The Origins and Development of the Witu Sultanate In The International Journal of African Historical Studies Vol 11 No 4 1978 S 669 688 JSTOR 217198 Clelia Coret The last Swahili State the Foundation of the Witu Sultanate in the Nineteenth Century In Mambo 10 n 1 Januar 2012 S 1 5 Witugebiet In Meyers Konversations Lexikon 4 Auflage Band 16 Verlag des Bibliographischen Instituts Leipzig Wien 1885 1892 S 705 britische Inbesitznahme des Witugebietes In Meyers Konversations Lexikon 4 Auflage Band 18 Verlag des Bibliographischen Instituts Leipzig Wien 1885 1892 S 1006 Witu In Encyclopaedia Britannica 11 Auflage Band 28 Vetch Zymotic Diseases London 1911 S 765 englisch Volltext Wikisource Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Swahili Sultanate Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Witu In Heinrich Schnee Hrsg Deutsches Kolonial Lexikon Quelle amp Meyer Leipzig 1920 Wituland Archivfuhrer Deutsche Kolonialgeschichte Fachhochschule Potsdam Fachbereich Informationswissenschaften Hrsg Einzelnachweise Bearbeiten a b Otto von Bismarck Denkschrift uber die deutschen Schutzgebiete vom 2 Dezember 1885 In Aktenstucke zu den Verhandlungen des Reichstages 1885 86 Nr 44 S 137 reichstagsprotokolle de Horst Grunder Geschichte der deutschen Kolonien 5 Auflage Schoningh Paderborn 2004 S 88 Hans Ulrich Wehler Bismarck und der Imperialismus 4 Auflage Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 1976 ISBN 3 423 04187 0 S 368 Vgl Reichstagsprotokolle 1885 86 4 David K Fieldhouse Die Kolonialreiche seit dem 18 Jahrhundert Fischer Weltgeschichte Band 29 Frankfurt am Main 1965 S 185 Schmidt Rochus In Heinrich Schnee Hrsg Deutsches Kolonial Lexikon Band III Leipzig 1920 S 301 Karte des Witulandes mit dem Besitz der D Ostafrik Gesellschaft Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft in der Universitatsbibliothek Frankfurt am Main Englischsprachiger Bericht uber die britischen Feldzuge in Witu 1890 und 1893 anhand des Abschlussberichtes von Admiral Freemantle auf einer Seite des Freundeskreises des Kenya Regiment die Schreibweisen variieren z B Omar Bin Hamed zur gewahlten vgl Romero Lamu 1977 S 63 Photo in der Google Buchsuche Albert Friedemann Hrsg Die Postwertzeichen und Entwertungen der deutschen Postanstalten in den Schutzgebieten und im Auslande Als Handbuch unter Mitwirkung bedeutender Sammler bearbeitet und herausgegeben von Albert Friedemann 2 erw Aufl Leipzig 1921 S 206 ff online bei archive org Kolonialgebiete und projekte des Deutschen Kaiserreiches Deutsch Ostafrika Deutsch Sudwestafrika Deutsch Westafrika Kamerun Kapitai und Koba Mahinland Togo Deutsche Schutzgebiete in der Sudsee Deutsch Neuguinea Deutsch Samoa Marshallinseln bis 1906 WituKonzessions und PachtgebieteHankau Kiautschou TientsinProjekte nur geplant Mittelafrika Somalikuste Sudostafrika Normdaten Geografikum GND 4367967 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sultanat Witu amp oldid 238089397