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Der Stiftsadel ist eine Besonderheit des Adels im Heiligen Romischen Reich die vom Spatmittelalter bis zur Sakularisation fur das staatliche wie kirchliche Leben in weiten Teilen Deutschlands von Bedeutung war Im weiteren Sinn steht der Begriff fur diejenigen Adeligen die den Adel in einem geistlichen Territorium etwa einem Hochstift bildeten Im engeren und eigentlichen Sinn ist der Teil des Adels gemeint der Zugang zu den Domkapiteln und geistlichen Ritterorden wie dem Malteserorden und dem Deutschen Ritterorden hatte Letzteres hing von der so genannten Stiftsfahigkeit ab Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung der Domkapitel fur den Adel 2 Stiftsfahigkeit 3 Verbreitung 4 Charakteristik 5 Literatur 6 EinzelnachweiseBedeutung der Domkapitel fur den Adel BearbeitenDer Zugang zu den Domkapiteln war fur den Adel aus verschiedenen Grunden erstrebenswert Dabei spielen sowohl politische materielle wie auch soziale Grunde eine Rolle Das Domkapitel selbst hatte erhebliche politische Macht Die Domkapitel konnten dem Adel daher dazu dienen den eigenen Einfluss zu festigen und sogar zum Furstbischof aufzusteigen Diese Positionen waren zudem lukrativ Eine Domherrenstelle im Domkapitel von Munster etwa brachte am Ende des Heiligen Romischen Reiches um die 1214 Reichstaler jahrlich ein Ein Domdechant konnte auf 6560 Reichstaler und mehr hoffen Dies war deutlich mehr als die hochsten Beamten des Landes verdienten Es waren haufig nicht zuletzt die Einkommen der Domherren die es den katholischen Adelsfamilien insbesondere in Nordwestdeutschland erlaubten die wachsenden Reprasentationsausgaben etwa fur Schlossbauten und deren Ausstattung aufzubringen oder die standesgemasse Ausbildung der Nachkommen zu finanzieren 1 Wichtig waren diese Einkommen auch um neue Ritterguter zu erwerben um so die Stellung der Familie zu verbessern Nicht zu unterschatzen ist auch das hohe Sozialprestige dass mit einem Kanonikat verbunden war 2 Stiftsfahigkeit BearbeitenSeit dem 14 Jahrhundert verstarkte sich die soziale Abgrenzung der Domkapitel und vergleichbarer Einrichtungen Seither mussten Bewerber in der Regel sechzehn adelige Vorfahren nachweisen konnen Neue Adelsgeschlechter blieben ausgeschlossen Vorbild war das besonders exklusive Kolner Domkapitel die so genannten Domgrafen mussten dort sogar aus hochadeligen Familien stammen Der Stiftsadel im grossten Hochstift Munster strengte den so genannten Erbmannerstreit gegen das Stadtpatriziat von Munster an um dessen Anerkennung einer Zugehorigkeit zum ritterburtigen Adel und damit der Stiftfahigkeit zu verhindern obwohl viele dieser Familien wie das bedeutende munsterlandische Adelsgeschlecht Droste zu Hulshoff 3 ursprunglich ebenfalls der Ritterschaft entstammten und deshalb seit dem Mittelalter Mitglieder des Domkapitels gestellt hatten Dabei ging es dem Stiftsadel darum die Erbmanner von den gut dotierten Domherrenstellen fernzuhalten obwohl manche von ihnen bereits seit dem Mittelalter solche besetzt hatten Der Rechtsstreit entspann sich ab 1597 beim Reichskammergericht und wahrte rund zwei Jahrhunderte bis er schliesslich durch kaiserlichen Rechtsspruch endete das Patriziat der Erbmanner obsiegte und wurde zu den Pfrunden zugelassen Im 18 Jahrhundert versuchten die Kaiser die Anspruche an die Adelsproben im rheinisch westfalischen Raum zu verringern um auch neueren Adelsfamilien den Zugang zu ermoglichen Dieser Versuch ist allerdings gescheitert Der Nachweis der Stiftsfahigkeit fand im Verfahren des Aufschworens statt Dabei wurde eine Tafel mit den Namen und Wappen der Vorfahren des Bewerbers im jeweiligen Kapitelsaal fur einen bestimmten Zeitraum ausgestellt und ermoglichte so eine Prufung der Stiftsfahigkeit Im Laufe der Zeit entstanden aus diesen Wappentafeln Wappenbucher Zwei Domherren beschworen danach die Richtigkeit Damit konnte die vollberechtigte Mitgliedschaft im jeweiligen Kapitel erfolgen Dies bezeichnete man als Emanzipation 4 Die Abgrenzungspolitik war durchaus erfolgreich Im 17 und 18 Jahrhundert stammten in den nordwestdeutschen Bistumern zwei Drittel der Domherren aus dem Niederadel 5 Verbreitung BearbeitenInsbesondere im katholischen Nordwestdeutschland war der Stiftsadel der pragende Adelstypus Der landsassige Stiftsadel besetzte exklusiv die Domkapitel von Munster Paderborn Osnabruck und Hildesheim Der dortige Stiftsadel war sehr auf die ortlichen Domkapitel und Kloster konzentriert und unterschied sich insoweit etwa von der suddeutschen Reichsritterschaft mit ihrer engen Bindung an das Reich In den Bistumern Frankens Schwabens sowie in den Erzbistumern Mainz und Trier gehorten reichsritterliche Familien allerdings haufig zugleich auch zum Stiftsadel und hielten neben ihren Reichslehen auch stiftischen Lehnsbesitz Neuere Studien verwenden den Begriff Stiftsadel daher auch fur den suddeutschen Raum 6 Insbesondere im Fursterzbistum Salzburg war der eigene Stiftsadel von Bedeutung Charakteristik BearbeitenNoch starker als der Reichsadel war der Stiftsadel auf die Pfrunden der katholischen Kirche angewiesen In Westfalen war die Situation fur den Stiftsadel besonders gunstig weil er nicht nur die Versorgungsstellen in den entsprechenden geistlichen Staaten besetzte sondern dort auch die Landstande beherrschte und die ausschlaggebenden Amter besetzte Der Stiftsadel dominierte daher politisch und sozial insbesondere die Hochstifte Paderborn und Munster In diesen Gebieten machte der Stiftsadel 0 2 der Bevolkerung aus besass aber 96 der dortigen Ritterguter Ein grundlegendes Problem fur jede Adelsfamilie war dass man einerseits angesichts hoher Kindersterblichkeit eine grosse Zahl von Nachkommen benotigte um die Fortsetzung des Geschlechts zu sichern Andererseits bedeuteten zahlreiche nachgeborene Kinder hohe Kosten und es drohten dadurch materielle Einbussen Eine Strategie um dem entgegenzuwirken war die Vererbung des Besitzes an einen Erben zunehmend abgesichert durch die Einrichtung eines Familienfideikommiss Den nachgeborenen Sohnen wurde vorwiegend zu Domherrenstellen und ahnlichen Amtern verholfen Der Vorteil war sollte der eigentliche Erbe sterben konnte notfalls einer seiner Bruder auf sein geistliches Amt verzichten und den Familienbesitz ubernehmen sofern noch kein hoherer Weihegrad erreicht war 7 Allerdings fuhrten nichtstandesgemasse Verbindungen zwangslaufig zum Verlust der Stiftsfahigkeit Der Zwang standesgemasse Ehen einzugehen engte den Heiratskreis damit erheblich ein Besonders gut erforscht ist die Geschichte der Familie von Furstenberg die aus dem kurkolnischen Herzogtum Westfalen stammte aber zahlreiche Domherren insbesondere in Munster und Paderborn aber auch in anderen Gebieten stellte Bereits 1564 hatte ein Testament das Muster der Familienpolitik vorgegeben das dann uber Jahrhunderte durchgehalten wurde wonach der ungeteilte Familienfideikommiss an einen frei zu wahlenden Erben ubertragen wurde der hierfur am geeignetsten erschien und der in Streitfallen vom Familienrat zu bestatigen war wahrend alle anderen mannlichen Abkommlinge moglichst mit Domherrenstellen zu versorgen waren Dieser niederadeligen Familie gelang es durch das so entstandene Netzwerk sowie durch sorgfaltige Ausbildung ihrer geistlichen Kandidaten sogar drei Furstbischofe hervorzubringen die wiederum den Landbesitz der Familie vermehrten 8 In Suddeutschland erreichte etwa die ritterliche Familie Schonborn den Aufstieg in den Stiftsadel und setzte bald zahlreiche Kirchenfursten gegen Familien des Hochadels durch in den sie schliesslich aufstieg Das Ende des alten Reiches bedeutete auch das Ende des Stiftsadels Aber nicht nur ihre Traditionen wirkten fort Der ehemalige Stiftsadel konnte sich im 19 Jahrhundert durchaus behaupten Dem westfalischen Adel gelang es seine vergleichsweise kleinen Besitzungen bis 1890 zu verdreifachen Literatur BearbeitenRudolf Endres Adel in der fruhen Neuzeit Oldenbourg Munchen 1993 ISBN 3 486 55742 4 Enzyklopadie deutscher Geschichte 18 S 36 37 45 98 100 Heinz Reif Adel im 19 und 20 Jahrhundert Oldenbourg Munchen 1999 ISBN 3 486 55022 5 Enzyklopadie deutscher Geschichte 55 S 71 Einzelnachweise Bearbeiten Michael Lagers Der Paderborner Stiftsadel zur Mitte des 15 Jahrhunderts Untersuchungen zum Auf und Ausbau niederadliger Machtstrukturen Paderborn 2013 ISBN 978 3 89710 551 5 S 235 f Andreas Muller Zwischen Kontinuitat und Wandel Der Adel im kurkolnischen Herzogtum Westfalen In Harm Klueting Hrsg Das Herzogtum Westfalen Bd 1 Das kolnische Herzogtum Westfalen von den Anfangen der kolnischen Herrschaft im sudlichen Westfalen bis zur Sakularisation 1803 Munster 2009 ISBN 978 3 402 12827 5 S 433 f Wilderich von Droste zu Hulshoff 900 Jahre Droste zu Hulshoff 2 erweiterte Auflage Verlag LPV Hortense von Gelmini Horben 2022 ISBN 978 3 936509 19 9 Zum Nachweis der Stiftsfahigkeit auf lwl org Muller Adel im Herzogtum Westfalen S 434 Claus Fackler Stiftsadel und geistliche Territorien 1670 1803 Untersuchungen zur Amtstatigkeit und Entwicklung des Stiftsadels besonders in den Territorien Salzburg Bamberg und Ellwangen St Ottilien 2006 Rezension von Dieter J Weiss Onlineversion Vgl Lagers Der Paderborner Stiftsadel S 269 f Horst Conrad Splendor Familiae Generationendisziplin und Politik bei der Familie von Furstenberg Eine Skizze In Sudwestfalenarchiv 6 Jg 2006 S 105 125 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stiftsadel amp oldid 232209664