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Der Begriff des staatlichen sowjetischen Aussenhandelsmonopols russ Gosudarstvennaja monopolija vnesnej torgovli v SSSR stand fur die Alleinstellung staatlicher Stellen der UdSSR bei der Durchfuhrung von Handelsgeschaften mit dem Ausland Unmittelbar nach der Oktoberrevolution mit protektionistischer Zielsetzung eingerichtet wurde das Monopol des auswartigen Handels zudem als unabdingbar fur die Planwirtschaft angesehen und in Artikel 14h der Verfassung der UdSSR von 1936 verankert Inhaltsverzeichnis 1 Zeit der Diskussionen 1917 1924 2 In der Industrialisierungsperiode 1925 1929 3 Von der Weltwirtschaftskrise zum Zweiten Weltkrieg 1930 1945 4 Von der Blockbildung zur Perestroika 1946 1986 5 Nachweise 6 EinzelnachweiseZeit der Diskussionen 1917 1924 BearbeitenBereits am 10 Dezember 1917 hatte Lenin in einer Denkschrift uber die Durchfuhrung der sozialistischen Politik im Bereich Finanzen und Wirtschaft das staatliche Aussenhandelsmonopol an dritter Stelle seiner neun Punkte zur Wirtschaftspolitik der Diktatur des Proletariats notiert Tatsachlich war zum Ende des Ersten Weltkriegs hin eine privatwirtschaftliche Betatigung im Auslandsgeschaft schon weitestgehend unterbunden 1 die Bolschewiki mussten den Zustand anders als unter dem Zaren vorgesehen nur fortbestehen lassen Festgeschrieben wurde alles mit dem Dekret des Rates der Volkskommissare vom 22 April 1918 Uber die Nationalisierung des Aussenhandels Der Aussenhandel war damit den gesamtpolitischen Interessen des Staates unterworfen 2 Er betrug 1919 nur noch ein Prozent des Wertes von 1913 3 Auswirkung des Russischen Burgerkriegs und der Wirtschaftsblockade die vom Obersten Rat der Entente erst am 16 Januar 1920 aufgehoben wurde 4 In einer Verordnung Uber die Organisation des Aussenhandels und des Warenaustausches der RSFSR verfugte am 11 Juni 1920 der Rat der Volkskommissare die Umbenennung des Volkskommissariates fur Handel und Industrie in Volkskommissariat fur Aussenhandel NKWT 5 dem am 17 Marz 1921 mit der Verordnung Uber die Plankommissionen auch die gesamte Aussenhandelsplanung zufiel nachdem das Hauptkomitee fur Aussenhandel beim Obersten Volkswirtschaftsrat aufgelost worden war Nicht nur gab es ein Monopol fur alle Aussenhandelsfunktionen es lag dessen Ausubung nun bei einem einzigen Staatsorgan 6 mit einer Person an der Spitze Leonid Krassin 1921 23 Volkskommissar fur den Aussenhandel und gleichzeitig Handelsvertreter in London 7 Krassin verfocht das Aussenhandelsmonopol ganz im Sinne Lenins fur den es nach Einfuhrung der Neuen Wirtschaftspolitik NEP neben Banken Grossindustrie und Verkehrswesen zu den Schaltstellen oder Kommandohohen der Wirtschaft zahlte 8 Im entscheidenden Moment war Trotzki ihr Verbundeter der den Nutzen des Aussenhandelsmonopols fur die Planwirtschaft hervorhob 9 Die Forderung nach einer Abschaffung wurde am hartnackigsten vom Obersten Volkswirtschaftsrat unter P A Bogdanow hochgehalten 10 Kritiker waren aber auch Sokolnikow Sinowjew und Bucharin die den Aussenhandel auf einer breiteren Grundlage organisiert sehen wollten 11 Stalin nahm anfangs Anstoss an der mangelhaften Wirkkraft des Monopols 12 Zwar hatte es mit einer Verordnung Uber den Aussenhandel des Allrussischen Zentral Exekutivkomitees und des Rates der Volkskommissare im Oktober 1922 Zugestandnisse in Richtung einer Dezentralisierung der Aussenhandelsfunktionen gegeben 13 was das zugehorige Geschehen im Inland anbelangte nur um ein Jahr spater wieder stark zentralisierten Verfahren den Vorzug zu geben die Handelsvertretungen erhielten ein starkeres Gewicht 14 In der Industrialisierungsperiode 1925 1929 BearbeitenAuf Lenins engagierten Einsatz fur das Aussenhandelsmonopol hin blieb es nicht aus dass es nach dessen Tod den Charakter eines Dogmas gewann 15 In der Sowjetunion unumstritten etabliert musste es nun in Vertrage mit dem Ausland eingebaut werden anders konnten die Handelsvertretungen dort nicht Fuss fassen Nur liess sich das Aussenhandelsmonopol kaum in Einklang bringen mit der Meistbegunstigungsklausel wie sie in Handelsvertragen vorkam auch von Gegenseitigkeit konnte hier keine Rede sein Die ublichen Versuche des Auslands dem Monopol etwas entgegenzusetzen waren solche wie die Grundung der Ausfuhrvereinigung Ost in Deutschland 16 Trotzdem blieb fur die Sowjetunion der Vorteil des Monopolgewinns sowie der Umgehung des Gross und Zwischenhandels 17 Voraussetzung fur den Aufbau einer neuen Industrie war zum Bezahlen der Importe ein ausreichender Export Als erstes Instrument diente fur die Bereitstellung von Waren aller Art der Gostorg 18 Aber schon 1925 regte das Oktoberplenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei 19 die Grundung spezieller Aussenhandels Aktiengesellschaften an die bald in einem ihnen zugeteilten Tatigkeitsbereich den Aussenhandel auf Monopolbasis tatigten Es war aber mit dieser Handhabung der Aussenhandelsaktivitaten der Binnenhandel in seiner Planung kaum in Einklang zu bringen und umgekehrt Deswegen verschmolz man am 18 November 1925 die zustandigen Stellen zu einem Kommissariat fur Aussen und Binnenhandel 20 leider ein Fehlschlag 21 da sich offenbar der burokratische Aufwand erhohte Trotzdem wuchs in den spaten 1920ern das Aussenhandelsvolumen stetig den grossten Anteil hatte daran Zentrosojus russ Central nyj sojuz potrebitl skich obscestv Zentralverband der Konsumgenossenschaften 22 der fur Aktionen auf den Aussenmarkten nur der Genehmigung des Kommissariates fur Aussenhandel bedurfte und in gewisser Hinsicht ausserhalb des Monopolrahmens stand 23 Von der Weltwirtschaftskrise zum Zweiten Weltkrieg 1930 1945 BearbeitenDer Burokratismus bedingten Schwerfalligkeit wurde am 6 Februar 1930 durch eine Anweisung des Volkskommissariats fur Aussen und Binnenhandel uber die Reorganisation des sowjetischen Aussenhandels 24 abgeholfen Auf die Export Import Aktiengesellschaften folgten teils durch Umwandlung bald dreissig Unions Aussenhandelsvereinigungen 25 russ Vsesojuznye vnesnetorgovye ob edinenija die von 1931 an innerhalb und vom 27 Juli 1935 an auch ausserhalb der UdSSR selbststandig Aussenhandelsgeschafte abschliessen durften Fur jede Warengruppe gab es nun einen speziellen Aussenhandelstrager 26 Ein separates Volkskommissariat fur Aussenhandel bestand wieder ab dem 22 September 1930 27 erhielt Befugnisse auch uber die Einstellung des Handels mit bestimmten Landern trat aber einen bedeutenden Teil der operativen Arbeiten an die Aussenhandelsvereinigungen ab Wer Geschafte mit sowjetischen Handelspartnern tatigen wollte musste nun in Moskau vorstellig werden 28 Im Jahr 1940 veroffentlicht wurden die Bedingungen der Ausfuhrung von Bestellungen sowjetischer Organisationen durch die Importvereinigungen und die Verordnung Uber die Bedingungen der Lieferung von Waren fur den Export Abnahme und Lieferungskontingente waren vom Gosplan zusammen mit dem Volkskommissariat ab 1946 Ministerium fur Aussenhandel im Export Import Plan niedergeschrieben 29 Das Publikationsorgan fur Geschaftsbedingungen war die Monatszeitschrift Vnesnjaja torgovlja Der Aussenhandel 30 Spatestens mit dem Verfassungsrang 1936 31 hatte das Aussenhandelsmonopol den Zustand erreicht in dem es Jahrzehnte fortbestehen wurde Es erfuhr in den fruhen 1930ern aber auch die grosste Pervertierung Ursprunglich durchgesetzt in Gedanken daran dass unter dem Zaren Lebensmittel exportiert wurden wahrend die Bevolkerung hungerte 32 presste Stalin nun aus dem Bauernvolk die Mittel fur die ehrgeizige Industrialisierung und betrieb die Verfolgung der Kulaken 33 Das Aussenhandelsvolumen sank bis 1939 wieder auf das Niveau von 1923 34 Die Weltwirtschaftskrise mit ihren Folgen durfte der Hauptgrund fur den strikten Autarkie Kurs unter Stalin gewesen sein Von der Blockbildung zur Perestroika 1946 1986 BearbeitenDie Umbenennung der Volkskommissariate in Ministerien erfolgte am 13 Marz 1946 neben demjenigen fur Aussenhandel 35 bestand von Juli 1957 an zudem gleichrangig das Staatskomitee fur wirtschaftliche Beziehungen mit dem Ausland beim Ministerrat der UdSSR 36 An ihm lag die Intensivierung der Zusammenarbeit mit sozialistischen Landern und solchen der Dritten Welt Dabei ging es hauptsachlich um die Ausfuhr vollstandiger Anlagen 37 Die Sowjetunion nahm noch an den IWF Verhandlungen teil bald darauf erfolgte mit der Grundung des Rates fur gegenseitige Wirtschaftshilfe RGW aber die Abgrenzung eines eigenen Machtbereichs 38 Das Aussenhandelsmonopol gewann nun eine zusatzliche integrierende Funktion Eine Generation von Lenin entfernt lebte ein Drittel der Weltbevolkerung in Landern die ihren Handel derart steuerten 39 Demgegenuber erwog 1954 der Europarat einen Plan die Geschlossenheit des Westens durch ein eigenes Aussenhandelsmonopol zu demonstrieren mit einer Handelsgesellschaft durch die der Warenaustausch mit dem Ostblock kanalisiert wurde 40 Die Idee stand aber in einem derartigen Widerspruch zu traditionellen Verfahrensweisen dass sie nur schwer offentlich zu vertreten gewesen ware 40 Nicht zuletzt die Moglichkeit durch Handel die eigene Position im Entwicklungshilfe Bereich zu verbessern war unter Chruschtschow Beweggrund die Sowjetunion auf einen Kurs heraus aus der weltwirtschaftlichen Isolation zu bringen aber es zahlte auch die Wohlstandserhohung im Binnenbereich 41 1976 wurde eine verbesserte Aussenwirtschaft zu einer Kernaufgabe der Politik erklart und Breschnew erkannte unter vollstandigem Zurucklassen des alten Autarkiestrebens als Besonderheit seiner Zeit die zunehmende Ausnutzung der internationalen Arbeitsteilung fur die Entwicklung jedes Landes unabhangig von dessen Reichtum und jeweiligem Wirtschaftsniveau 42 Schliesslich begann 1986 in der sowjetischen Politik eine als Perestroika bekannt gewordene Phase zu der eine 1987 gestartete Uberholung des Aussenwirtschaftssystems gehorte Zwecks besserer Anpassung des Aussenhandelsmonopols an die Weltmarktbedingungen wurde die Staatliche Aussenwirtschaftskommission des Ministerrats der UdSSR im August 1986 gegrundet um im Januar 1988 mit dem Ministerium fur Aussenhandel in einem Super Ministerium aufzugehen 43 Es entstanden nun Freiraume fur dezentralisierte Investitionsentscheidungen und eindeutig exportorientierte Unternehmen durften eigene Aussenhandelsfirmen besitzen Schon in den fruhen 1920ern ausprobiert jetzt eher kapitalistischen Vorstellungen angepasst und mit neuem Namen versehen war ausserdem das Joint Venture von 1987 an der erleichterte Einstieg in eine Zusammenarbeit uber die Systemgrenzen hinweg 44 mit einem schwerwiegenden Problem das in einer Eigenart der Sowjet Wahrung lag Der Rubel war nicht konvertierbar Man hatte zwar durch die vollstandige Kontrolle der Aussenwirtschaft die Binnenpreise vom Weltgeschehen abkoppeln und einen Import von Inflation ausschliessen konnen fur die nun notigen Kalkulationen war dieses System jedoch ein Hindernis 45 Als 1990 in der Sowjetunion 40 000 Firmen selbststandig Export und Importgeschafte tatigen durften hatten sie obendrein das Problem bei der Aufnahme von Krediten fur die Festlegung von Zahlungszielen wenig Routine mitzubringen Anders als die staatliche Aussenwirtschaftsbank die bisher fur die Geldbeschaffung zustandig war und als solide galt wurden die einzelnen Kombinate nun als sehr heikle Kreditnehmer eingestuft 46 Nachweise BearbeitenHubert Schneider Das sowjetische Aussenhandelsmonopol 1920 1925 Verlag Wissenschaft und Politik Koln 1973 ISBN 3 8046 8471 8 Jan F Triska Robert M Slusser The Theory Law and Policy of Soviet Treaties Stanford University Press Stanford 1962 S 324 333 Kaspar Dietrich Freymuth Die historische Entwicklung der Organisationsformen des sowjetischen Aussenhandels 1917 1961 Berichte des Osteuropa Instituts an der Freien Universitat Berlin Berlin 1963 John Quigley The Soviet Foreign Trade Monopoly Institutions and Laws Ohio State University Press Columbus 1974 Heinrich Machowski Aussenwirtschaft In Hellmuth G Butow Hrsg Landerbericht Sowjetunion Bundeszentrale fur politische Bildung Bonn 1986 2 aktualisierte Aufl 1988 S 431 448 ISBN 3 89331 019 3Einzelnachweise Bearbeiten Freymuth 1963 S 21 Freymuth 1963 S 23 Freymuth 1963 S 24 Freymuth 1963 S 25 Freymuth 1963 S 49 Freymuth 1963 S 27 Schneider 1973 S 17 und Quigley 1974 S 17 Schneider 1973 S 54 Schneider 1973 S 175 Quigley 1974 S 25 u 27 Schneider 1973 S 193 Quigley 1974 S 26 Freymuth 1963 S 35 Freymuth 1963 S 41 Schneider 1973 S 174 Gerald D Feldman Die Deutsche Bank vom Ersten Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise 1914 1933 In Lothar Gall u a Die Deutsche Bank 1870 1995 Verlag C H Beck Munchen 1995 S 250 Schneider 1973 S 198 Quigley 1974 S 50 Freymuth 1963 S 78 f Freymuth 1963 S 85 Quigley 1974 S 55 Quigley 1974 S 73 Freymuth 1963 S 32 Freymuth 1963 S 87 Freymuth 1963 S 110 126 und Quigley 1974 S 103 125 u 212 215 Freymuth 1963 S 83 Freymuth 1963 S 91 Freymuth 1963 S 90 Freymuth 1963 S 59 u 111 Freymuth 1963 S 113 und Quigley 1974 S 92 Freymuth 1963 S 96 Quigley 1974 S 8 Quigley 1974 S 61 Freymuth 1963 S 147 Freymuth 1963 S 129 Freymuth 1963 S 94 Machowski 1988 S 432 Machowski 1988 S 438 Quigley 1974 S 4 a b Triska und Slusser 1962 S 325 326 Machowski 1988 S 438 Neues Deutschland vom 25 Februar 1976 Zitiert nach Heinrich Machowski Aussenwirtschaft In Hellmuth G Butow Hrsg Landerbericht Sowjetunion Bonn 1988 S 439 Machowski 1988 S 434 Machowski 1988 S 444 Machowski 1988 S 432 Interview Vollig aus den Fugen geraten mit Friedrich Wilhelm Christians Der Spiegel Nr 21 1990 S 125 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sowjetisches Aussenhandelsmonopol amp oldid 221544695