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Die Scheibenfibel von Osthofen KJ145 O36 oder auch Runenfibel von Osthofen ist eine merowingerzeitliche frankische Fibel aus dem rheinhessischen Osthofen Landkreis Alzey Worms in Rheinland Pfalz Die aus bronzenem Pressblech gefertigte fragmentierte Schliesse tragt eine Runeninschrift im alteren Futhark und wird um das Jahr 600 n Chr datiert Die Inschrift wird als ein regionales Zeugnis der Zeit der Konversion vom heidnisch germanischen Glauben zum Christentum gedeutet Abbildungen der mit Runen beschrifteten Scheibenfibel von Osthofen Inhaltsverzeichnis 1 Auffindung und Beschreibung 2 Inschrift 3 Deutung 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenAuffindung und Beschreibung BearbeitenDie Scheibenfibel wurde unter unbekannten Umstanden durch einen Laien gefunden und gelangte in den Besitz eines Gutsbesitzers vor Ort der sie verschenkte In der Folge gelangte das Objekt ins Depot des Landesmuseums Mainz Inv Nr 2280 wo sie heute nicht auffindbar ist Vermutlich stammte die Fibel aus einem frankischen Reihengraberfeld das bei Osthofen gefunden wurde Eine weitere Scheibenfibel aus Pressblech wurde ebenfalls in Osthofen gefunden und dem Museum geschenkt die der runenbeschrifteten Fibel ausserlich von der Gestaltung und Fertigung sehr nahe kommt Eine Nachbildung der beschrifteten Ruckseite befindet sich im Romisch Germanischen Zentralmuseum Mainz Inv Nr 462 1 Die beschadigte Fibel deren untere Halfte abgebrochen ist besteht aus zwei Bronzescheiben die durch eine flache Holzscheibe oder Holzringe getrennt sind beziehungsweise getrennt waren Der Durchmesser betragt 5 7 cm 2 Die vordere Scheibe ist mit vergoldetem Bronzepressblech aufgelegt das dekorativ verziert wurde Der Rand der Scheibe ist durch ein umlaufendes Feld mit eingeritzten Dreiecken gefasst es folgt ein ebenfalls umlaufendes Perlband Dem folgt ein ebenfalls umlaufender Fries mit regelmassigen Kreisen mit der Darstellung von Vogeln vermutlich Tauben Diese sind jeweils verbunden durch stilisierte Halbpalmetten Das Mittelfeld ist ausgeschnitten da es ursprunglich eine Einlage hatte als Trager fur die ruckseitige Nadelhalterung diese Einlage fehlt Zum Vergleich zeigt die andere besser erhaltene Pressblechfibel aus Osthofen hier eine Maske en face 3 Die ruckseitige Grundplatte zeigt sieben konzentrische Kreise zwischen deren aussersten zum Rand hin die Inschrift steht 4 Inschrift BearbeitenDie Zeile der Runenschrift im alteren Futhark wird durch die zwei ausseren zur Verzierung gepragten Ringe am Rand bestimmt Die Inschrift verlauft von links oben nach rechts zur Mitte hin und endet vor der Nadelhalterung Nach Rudolf Hennings Untersuchungsergebnissen im ausgehenden 19 Jahrhundert wurden die Runen geubt und mit sicherer Hand mit einer spitzen Nadel oder einem ahnlichen Werkzeug eingeritzt 5 Durch Versuche die Ruckseite beziehungsweise die Inschrift zu reinigen wurden die beiden letzten Runen vollstandig und die drittletzte Rune teilweise zerstort Der ursprungliche Fundzustand ist durch detaillierte Fotografien gesichert Die Inschrift war dennoch bereits vor diesen neuzeitlichen Eingriffen nicht klar lesbar Weitere Lakunen aufgrund von Korrosionen und konstruktive Merkmale hatten Konjekturen veranlasst Die sprachliche und textliche Deutung ist wegen der zustandsbedingten lexikalischen und grammatikalischen Schwierigkeiten bis heute nicht sicher ᚷᛟ ᚠᚢᚱᚨᛞ ᚻᛞ ᛟᚠᛁᛚᛖ dd go 1 furad 1 h d e o f ile 1Z go d fura d i h d e o f ile 1Z Gott vor dich Teufel Die Rune Nr 3 ist durch ein nachtragliches Nietloch oder Beschadigung fast zur Ganze eliminiert und wird durch die am unteren und oberen Lochrand erkennbaren Stab und Zweigreste syntaktisch zur d Rune ᛞ erganzt und als Sequenz ᚷᛟᛞ god Gott gelesen Nach einem aus drei oder vier Punkten geritzten Worttrenner folgt eine Sequenz ᚠᚢᚱᚨ die als Adjektiv fura gelesen wird Im spater belegten althochdeutschen Wortschatz finden sich die Belege fora und furi vorn davor im voraus vorher nach vorn vorwarts die Form fura ist weiter nicht belegt 6 Die althochdeutschen Belege gehen auf germanisch fur a vor vor etwas jemand sein stehen zuruck 7 Im auslautenden runeninschriftlichen a ᚨ wird zur Erklarung eine idiomatische lokale vordeutsche voralthochdeutsche Form angenommen In der folgenden Sequenz ohne Worttrenner zwischen dem a von fura und dem folgenden d ᛞ wird die durch Korrosion fast ganz zerstorte Rune Nr 9 mit der i Rune ᛁ erganzt Von Rune Nr 10 sind lediglich zwei parallele von links oben nach rechts unten verlaufende Zweige erkennbar sodass grundsatzlich die Moglichkeit zur Lesung als ᚨ a oder ᚻ h Rune besteht Insgesamt wird diese Sequenz als ᛞᛁᚻ dih dich gelesen Der germanische stimmhafte Dental th ist hier bereits zum stimmlosen d lautverschoben ebenfalls ist der Verschlusslaut germanisch k zu h verschoben 8 Die letzte Sequenz ᛞ ᛟᚠᛁᛚᛖ ist in der Forschung besonders in Hinsicht auf die Gesamtinterpretation diskutiert worden ob sie als griechischer mannlicher Personenname latinisiert Teofilus oder als der Titel Teufel zu lesen ist 9 Lautlich ist die beschadigte Rune Nr 12 von der nach Autopsie durch Wolfgang Krause am Original nur ein Stab deutlich erkennbar sei der entweder als l Rune ᛚ oder als e Rune ᛖ zu erganzen ist in der Forschung als e entschieden Die schwer lesbare Rune Nr 14 wird hingegen von der alteren Forschung als f Rune ᚠ bestimmt In Bezug auf die Interpretation Krauses der Sequenz als deofile Teufel bemerkt er dass im Gegensatz zur Verschiebung des th im Schriftbild zum d in der Sequenz dih dies hier bei der Media d noch nicht zum t erfolgt ist Die letzte Rune Nr 17 e wird als lateinisch beeinflusste Vokativendung erklart Zum Abschluss folgt nach der Inschrift ein Zeichen ein hoch uber dem Niveau der Inschrift angesetztes schrag stehendes Kreuz In der alteren bis altesten Forschung unter anderen Henning wurde dieses Zeichen das direkt an die Nadelhalterung anstosst als g Rune ᚷ gelesen Deutung BearbeitenIn der neueren Forschung wird ein christlicher Sinn der Runeninschrift gesehen Durch die Datierung zum 7 Jahrhundert gehort sie zu den spatesten kontinentalen Runeninschriften uberhaupt Des Weiteren bildet die Fibel an sich typologisch mit weiteren Scheibenfibeln eine regionale Gruppe die mediterrane und zugleich christliche Motive zeigt Margarete Klein Pfeuffer zeigt dass Fibeln mit Vogel Palmettenfries in stilisierter Form das christliche Motiv des von Tieren bewohnten Weinstocks darstellen Historisch ist die Osthofener Scheibenfibel in den Kontext der frankischen Einnahme Rheinhessens und der Pfalz nach 500 n Chr Schlacht von Zulpich zu stellen und des seit 451 verwaisten Mainzer Bischofssitzes der ab Mitte des 6 Jahrhunderts neu besetzt wurde Durch die Neubesetzung erlebte die Region einen Aufschwung der Missionierung und des kirchlichen Lebens 10 Dies zeigte sich durch archaologische Belege in der Alltagskultur und insbesondere in der Bestattungskultur Bertichilde Grabstein In der Mittelrhein Region setzte sich in dieser Zeit zunehmend eine frankische Lapidarschrift durch die runischen Einfluss auf die Form einiger Buchstaben deutlich zeigt Zudem belegen die Osthofener Inschrift und die der Bugelfibel von Freilaubersheim dass die Runenschrift noch bekannt und gelaufig war 11 Wolfgang Krause merkte an dass eine in allen Punkten uberzeugende Deutung der Inschrift nicht moglich sei dass aber unter allen Abwagungen der ausgesprochene christliche Inhalt mit dem Wunsch dass Gott stets vor dem Teufel zu stehen habe die bisher einigermassen annehmbarste Interpretation sei Literatur BearbeitenMartin Findell Phonological Evidence from the Continental Runic Inscriptions Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Erganzungsbande Band 79 Walter de Gruyter Berlin New York 2012 ISBN 978 3 11 028925 1 kostenpflichtig bei de Gruyter Online Rudolf Henning Die deutschen Runendenkmaler Karl Trubner Strassburg 1889 Wolfgang Jungandreas God fura dih deofile In Zeitschrift fur deutsches Altertum und deutsche Literatur Band 101 1972 S 84 f Margarete Klein Pfeuffer Merowingerzeitliche Fibeln und Anhanger aus Pressblech Marburg 1993 Wolfgang Krause Herbert Jankuhn Die Runeninschriften im alteren Futhark Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Gottingen Philologisch Historische Klasse Dritte Folge Nr 65 I Text Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1966 Tineke Looijenga Texts amp contexts of the oldest Runic inscriptions The Northern World Band 4 Brill Leiden Boston 2003 ISBN 90 04 12396 2 Max Martin Kontinentalgermanische Runeninschriften und alamannische Runenprovinz aus archaologischer Sicht In Hans Peter Naumann Hrsg Alemannien und der Norden Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 43 Walter de Gruyter Berlin New York 2004 ISBN 978 3 11 017891 3 S 165 212 kostenpflichtig bei de Gruyter Online John McKinnell Rudolf Simek Klaus Duwel Runes Magic and Religion A Sourcebook Studia Medievalia Septentrionalia Band 10 Fassbaender Wien 2004 ISBN 978 3 900538 81 1 Stephan Opitz Sudgermanische Runeninschriften im alteren Futhark aus der Merowingerzeit Burg Verlag Kirchzarten 1977 ISBN 3 922123 01 5 Weblinks BearbeitenRunenprojekt der Uni Kiel Deutungen der InschriftAnmerkungen Bearbeiten Runenprojekt der Universitat Kiel Steckbrief wichtigste Daten zu einer Inschrift Scheibenfibel von Osthofen 1 Fundgeschichte und Fundkontext Krause Jankuhn Die Runeninschriften im alteren Futhark Gottingen 1966 S 285 Margarete Klein Pfeuffer Zur Deutung der Pressblechscheiben von Eschwege Niederhone Gr 17 In Wilhelm Heizmann Sigmund Oehrl Hrsg Bilddenkmaler zur germanischen Gotter und Heldensage Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Erganzungsbande Band 91 Walter de Gruyter Berlin Boston 2015 S 269 f 289 Abb 3 1 kostenpflichtig via GAO bei De Gruyter Online Abbildung Runenprojekt der Universitat Kiel Steckbrief wichtigste Daten zu einer Inschrift Scheibenfibel von Osthofen 2 Inschriftobjekt Rudolf Henning Die deutschen Runendenkmaler Strassburg 1889 S 71 Jochen Splett Althochdeutsches Worterbuch Analyse der Wortfamilienstrukturen des Althochdeutschen zugleich Grundlegung einer zukunftigen Strukturgeschichte des deutschen Wortschatzes Band 1 1 Einleitung Wortfamilien A L Walter de Gruyter Berlin New York 1993 ISBN 3 11 012462 9 S 256 kostenpflichtig bei de Gruyter Online Frank Heidermanns Etymologisches Worterbuch der germanischen Primaradjektive Studia linguistica Germanica Band 33 Walter de Gruyter Berlin New York 1993 ISBN 978 3 11 087161 6 S 223 kostenpflichtig bei de Gruyter Online Vladimir Orel A Handbook of Germnanic Etymology Brill Leiden Boston 2003 ISBN 90 04 12875 1 S 119 Krause Jankuhn Die Runeninschriften im alteren Futhark Gottingen 1966 S 285 Wolfgang Jungandreas God fura dih deofile In ZfdA Band 101 1972 S 84f Max Martin Kontinentalgermanische Runeninschriften und alamannische Runenprovinz aus archaologischer Sicht S 294 f Klaus Duwel Runische und lateinische Epigraphik im suddeutschen Raum zur Merowingerzeit In Klaus Duwel Hrsg Runische Schriftkultur in kontinental skandinavischer und angelsachsischer Wechselbeziehung Reallexikon der Germanischen Alterumskunde Erganzungsbande Band 10 Walter de Gruyter Berlin New York 1994 ISBN 978 3 11 014328 7 S 229 308 hier 233 kostenpflichtig bei de Gruyter Online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Scheibenfibel von Osthofen amp oldid 235650677