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Rekombinante Blutgerinnungsfaktoren sind gentechnologisch hergestellte Analoga von im menschlichen Blut vorkommenden Gerinnungsfaktoren wie dem Faktor VII Faktor VIII Faktor IX Faktor XIII oder Von Willebrand Faktor VWF Rekombinante Gerinnungsfaktoren sind den korpereigenen Gerinnungsfaktoren strukturell hochgradig ahnlich und entsprechen diesen in ihrer Wirkweise Sie werden therapeutisch bei Mangelzustanden etwa bei der Bluterkrankheit eingesetzt um Blutungen vorzubeugen oder zu behandeln Ihre Verabreichung erfolgt intravenos Die Herstellung rekombinanter Gerinnungsfaktoren erfolgt mit Zellen denen das menschliche Gen fur die Expression des entsprechenden Gerinnungsfaktors eingesetzt wurde In Bioreaktoren Fermentationstanks werden die Zellen in einem Nahrmedium kultiviert wobei sie das menschliche Protein bilden und in das Medium abgeben Vor dort wird es extrahiert und aufgereinigt Diese biotechnologische Herstellungsweise ist nicht nur wirtschaftlicher als die Gewinnung der Gerinnungsfaktoren aus menschlichem Blutplasma sondern reduziert auch das Risiko fur eine Kontamination mit Krankheitserregern wie etwa HIV oder HCV Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklungsgeschichte 2 Eigenschaften 3 Wirkstoffubersicht 4 Anwendungsgebiete 5 Nebenwirkungen 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntwicklungsgeschichte BearbeitenNachdem 1984 die Isolierung und Klonierung des Faktor VIII Gens gelungen war war ein rekombinanter Faktor VIII Octocog alfa rFVIII der erste therapeutisch eingesetzte rekombinante Gerinnungsfaktor Er wurde zunachst 1992 in den USA und in Schweden 1993 dann in Deutschland unter dem Namen Recombinate Baxter zur Behandlung der Hamophilie zugelassen Es folgten Praparate weiterer Firmen sowie auch weitere rekombinante Faktoren rFVIIa rFIX Neuere Generationen der rFVIII Praparate zeichnen sich dadurch aus dass sie ohne Blutkomponenten Albumin in der Endformulierung bzw auch ganz ohne Zugabe menschlicher oder tierischer Plasmakomponenten im gesamten Herstellungsprozess Kulturmedium Reinigung auskommen wodurch das Risiko biologischer Kontaminationen weiter reduziert wird Eigenschaften BearbeitenBei den Gerinnungsfaktoren VII VIII und IX handelt es sich um Proteine die an ihrer Oberflache Zuckerreste tragen glycolisierte Proteine Glycoproteine Besonders der Faktor VIII stellt ein sehr komplexes Molekul dar der Proteinteil besteht aus 2332 Aminosauren die sich auf eine Haupt und eine Nebenkette verteilen und besitzt 25 mogliche Glykosilierungsstellen Da Bakterienzellen rekombinante Proteine gar nicht und Hefezellen sie nur schlecht zu glycolisieren vermogen verwendet man Zelllinien aus Saugetierzellen Besonders geeignet sind etwa Nierenzellen des Babyhamsters BHK 21 Zellen oder Ovarialzellen des chinesischen Hamsters CHO Zellen Die entstehenden Glycolisierungsprofile sind denen der naturlichen menschlichen Gerinnungsfaktoren sehr ahnlich Durch PEGylierung lasst sich die Immunogenitat verringern die Proteasestabilitat erhohen und die renale Ausscheidung verlangsamen Die kurze Wirksamkeit des rFIX kann durch die Konjugation mit Serumproteinen verlangert werden Fusionsproteine Der Faktor XIII als nicht glycosiliertes Protein lasst sich rekombinant mit Zellen der Backhefe herstellen Wirkstoffubersicht BearbeitenGemass der INN Nomenklatur enden die Namen der rekombinanten Gerinnungsfaktoren mit cog Nachgeordnete Wortstamme sind eptacog octocog und nonacog 1 Das Glycolisierungsmuster wird durch den Zusatz eines ausgeschriebenen griechischen Buchstaben alfa beta usw charakterisiert Proteine mit vom naturlichen Vorbild abweichender Aminosaurensequenz werden durch ein Prafix gekennzeichnet Pegylierte Stoffe tragen als zweiten Zusatz das Wort pegol Aktivierte Formen werden durch einen entsprechenden Klammerzusatz markiert Wirkstoff INN Kurzbeschreibung Zelllinie Handelspraparat Originator Zulassungs datum ReferenzrFVIIa eptacogEptacog alfa aktiviert Glycoprotein mit 406 Aminosauren und einer Molekulmasse von ca 59 kDa BHK Zellen NovoSeven Novo Nordisk 1996 EU A 1 Eptacog alfa pegol aktiviert Pegyliertes eptacog alfa Experimenteller Arzneistoff Novo Nordisk Eptacog beta aktiviert Glycoprotein mit 406 Aminosauren abgewandelte Aminosaurensequenz an den Stellen 52 59 144 321 aus der Milch transgener Kaninchen Cevenfacta LFB 2022 EU A 2 Vatreptacog alfa aktiviert Glycoprotein mit 406 Aminosauren abgewandelte Aminosaurensequenz an den Stellen 158 296 298 Experimenteller Arzneistoff dessen Entwicklung eingestellt wurde Novo Nordisk Oreptacog alfa aktiviert Glycoprotein mit 406 Aminosauren abgewandelte Aminosaurensequenz an den Stellen 10 32 34 36 106 253 CHO Zellen Experimenteller Arzneistoff Bayer rFVIII octocogOctocog alfa Glykoprotein mit 2332 Aminosauren und einer Molekulmasse von ca 300 kDa CHO Zellen RecombinateAdvate Baxter International 1993 D 2004 EU A 3 BHK Zellen Kogenate Helixate NexGen Kovaltry Bayer 2000 EU 2016 EU A 4 A 5 Beroctocog alfa Glykoprotein mit 1424 Aminosauren die B Domane wurde entfernt CHO Zellen GreenGene Green Cross CorporationMoroctocog alfa Glykoprotein mit 1438 Aminosauren und einer Molekulmasse von 170 kDa Die B Domane wurde entfernt CHO Zellen ReFacto AF Pfizer 1999 EU A 6 Efmoroctocog alfa Lang wirksames Fusionsprotein mit 1890 Aminosauren und einer Molekulmasse von ca 220 kDa Besteht aus rFVIII dessen B Domane entfernt wurde und kovalent an das Fc Fragment des humanen Immunglobulins G1 gebunden ist HEK Zellen Elocta Biogen 2015 EU A 7 Damoctocog alfa pegol Glykoprotein mit 1438 Aminosauren und einer Molekulmasse von 170 kDa Die B Domane wurde entfernt Glycopegyliert am Cys 1804 BHK 21 Zellen Jivi Bayer 2018 EU A 8 Lonoctocog alfa Glycoprotein mit 1444 Aminosauren einkettig mit einer Molmasse von ca 170 kDa Grossteil der B Domane und 4 Aminosauren der angrenzenden sauren A3 Domane sind entfernt Aminosauren 765 bis 1652 der vollen Lange von FVIII einschliesslich der Furin Spaltstelle CHO Zellen Afstyla CSL Behring 2017 EU A 9 Rurioctocog alfa pegol Glykoprotein dessen Protein mit 2332 Aminosauren eine Reihe posttranslationaler Modifikationen tragt darunter mehr als 20 Glykane von denen sich die meisten auf der B Domane befinden Die durchschnittliche Molekularmasse betragt etwa 330 kDa wovon der Proteinanteil etwa 280 kDa ausmacht Das PEG Polymer hat eine Masse von 20 kDa CHO Zellen Adynovi Baxalta 2018 EU A 10 Simoctocog alfa Glycoprotein mit 1440 Aminosauren und einer Molekulmasse von ca 170 kDa Bestehend aus den Faktor VIII Domanen A1 A2 A3 C1 C2 wobei die B Domane durch eine aus 16 Aminosauren bestehende Linksequenz ersetzt wurde HEK Zellen NuwiqVihuma Dublette Octapharma 2014 EU 2017 EU A 11 A 12 Susoctocog alfa Glycoprotein mit 1448 Aminosauren und einer Molekulmasse von ca 175 kDa Porcine Sequenz des Faktor VIII die B Domane ist durch eine aus 24 Aminosauren bestehende Linksequenz ersetzt BHK 21 Zellen Obizur Baxalta 2015 EU A 13 Turoctocog alfa Glykoprotein mit 1445 Aminosauren und einer Molekulmasse von etwa 166 kDA Die B Domane ist verkurzt sie besteht aus 21 Aminosauren der B Domane des Wildtyps ohne weitere Modifikationen in der Aminosauresequenz CHO Zellen NovoEight Novo Nordisk 2013 EU A 14 Turoctocog alfa pegol Am Ser 750 glycopegyliertes Turoctocog alfa CHO Zellen Esperoct Novo Nordisk 2019 USA A 15 rFIX nonacogNonacog alfa Einkettiges Glykoprotein mit 415 Aminosauren und einer relativen Molekulmasse von ca 55 kDa Proteinkomponente entspricht der allelischen Form Ala 148 des plasmatischen Faktors IX CHO Zellen BeneFIX Pfizer 1997 EU A 16 Nonacog beta pegol Pegyliertes Glycoprotein mit 415 Aminosauren und einer relativen Molekulmasse von insgesamt ca 98 kDa Glycoproteinanteil 56 kDa Proteinkomponente entspricht der allelischen Form Ala 148 des plasmatischen Faktors IX CHO Zellen Refixia Novo Nordisk 2017 EU A 17 Nonacog gamma Einkettiges Glykoprotein mit 415 Aminosauren und einer relativen Molekulmasse von ca 68 kDa Proteinkomponente entspricht der allelischen Form Ala 148 des plasmatischen Faktors IX CHO Zellen Rixubis Baxter International 2014 EU A 18 Trenonacog alfa Einkettiges Glykoprotein mit 415 Aminosauren und einer relativen Molekulmasse von ca 55 kDa Proteinkomponente entspricht der Thr 148 Variante des plasmatischen Faktors IX CHO Zellen Experimenteller Arzneistoff 2013 Antragsrucknahme in der EU Cangene Europe Ltd Albutrepenonacog alfa Lang wirksames Fusionsprotein mit 1018 Aminosauren bestehend aus Faktor IX und Humanalbumin Die Aminosaurensequenz von rF IX entspricht der Thr 148 Variante des plasmatischen Faktors IX CHO Zellen Idelvion CSL Behring 2016 EU A 19 Eftrenonacog alfa Lang wirksames Fusionsprotein mit 867 Aminosauren und einer Molekulmasse von ca 98 kDa besteht aus Faktor IX der kovalent an das Fc Fragment des humanen Immunglobulins G1 gebunden ist Die Aminosaurensequenz von rF IX entspricht der Thr 148 Variante des plasmatischen Faktors IX HEK Zellen Alprolix Biogen Idec 2016 EU A 20 rFXIII tridecacogCatridecacog Dimer aus zwei Faktor XIII A Untereinheiten mit einer molekularen Masse von ca 166 kDa nicht glycosiliert Hefezellen NovoThirteen Novo Nordisk 2012 EU A 21 rVWF vonicogVonicog alfa Nicht glycosiliertes Protein aus 2050 Aminosauren Thr 618 Asp 709 Von Willebrand Faktor Homo sapiens 1381A gt T 1472H gt D Variante CHO Zellen Vonvendi Veyvondi Shire PLC 2018 EU A 22 Anwendungsgebiete BearbeitenEptacog alfa aktiviert ist angezeigt zur Behandlung von Blutungen und Prophylaxe von Blutungen im Zusammenhang mit chirurgischen oder invasiven Eingriffen bei Patienten mit bestimmten Formen angeborener oder erworbener Hamophilie Die rekombinanten Faktoren VIII und IX werden zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Hamophilie A und B der rekombinante Faktor XIII zur Langzeitprophylaxe von Blutungen bei einem angeborenen Mangel an Faktor XIII A Untereinheiten angewendet Seit 2018 ist ein rekombinant hergestellter Von Willebrand Faktor erhaltlich Vonvendi Veyvondi der Firma Shire der zuvor als BAX 111 von Baxter entwickelt wurde 2 Diese Faktorkonzentrate konnten zukunftig zur Behandlung des Willebrand Jurgens Syndroms eingesetzt werden und hier aus menschlichem Plasma hergestellte Praparate wie Haemate ersetzen Nebenwirkungen BearbeitenZu den haufigsten unerwunschten Wirkungen gehoren Uberempfindlichkeitsreaktionen und allergische Reaktionen Ferner kann es zur Bildung von Inhibitoren kommen so dass die gerinnungshemmende Wirkung abgeschwacht wird In solchen Fallen kann die Therapie mit dem bispezifischen monoklonalen Antikorper Emicizumab zugelassen bspw in den USA und der EU eine Alternative darstellen da er auch bei Inhibitorenbildung wirksam ist Weblinks BearbeitenTheo Dingermann Rekombinante Wirkstoffe Besonderheiten einer besonderen Wirkstoffklasse In Osterreichische Apothekerzeitung Ausgabe 25 vom 9 Dezember 2008Therapie mit Gerinnungsfaktoren Deutsche Hamophiliegesellschaft zur Bekampfung von Blutungskrankheiten e V Einzelnachweise Bearbeiten International Nonproprietary Names INN for biological and biotechnological substances a review World Health Organization WHO 2013 Vonicog alfa Veyvondi ARZNEI NEWS Abgerufen am 3 Oktober 2019 Eintrag im Unionsregister EU 1 96 006 EU 1 22 1664 EU 1 03 271 EU 1 00 143 EU 1 15 1076 EU 1 99 103 EU 1 15 1046 EU 1 18 1324 EU 1 17 1158 EU 1 17 1247 EU 1 14 936 EU 1 16 1168 EU 1 15 1035 EU 1 13 888 EU 1 19 1374 EU 1 97 047 EU 1 17 1193 EU 1 14 970 EU 1 16 1095 EU 1 16 1098 EU 1 12 775 EU 1 18 1298 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rekombinante Blutgerinnungsfaktoren amp oldid 236973034